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Podologische Leistungen - Multiple Sklerose - Gemeinsamer Bundesausschuss - Heilmittel-Richtlinien - Gleichbehandlungsgrundsatz - erstangegangener Rehabilitationsträger - fehlende Weiterleitung eines Antrags- Zuständigkeit - Hilfe zur Pflege


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 9. Senat Entscheidungsdatum 23.07.2014
Aktenzeichen L 9 KR 54/11 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 32 SGB 5, § 14 SGB 9, § 61 SGB 12, § 67 SGG

Leitsatz

1. Es verstößt nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 GG), dass in den Heilmittel-Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses podologische Leistungen nur bei diabetischem Fußsyndrom, nicht aber bei Multipler Sklerose vorgesehen sind, auch wenn die Leistungsbeschränkung auf einen "Wunsch" der Aufsichtsbehörde zurückgeht.

2. Die Öffnungsklausel in § 61 Abs. 1 Satz 2 SGB XII, die im Ergebnis auch Leistungen bei einer Pflegestufe 0 ermöglicht, erlaubt Hilfe auch bei in der Regel nicht täglich anfallenden und daher nicht in § 61 Abs. 5 SGB XII bzw. § 14 Abs. 4 SGB XI vorgesehenen Verrichtungen.

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin werden der Bescheid der Beklagten vom 20. Mai 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Juli 2009 sowie der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 18. Januar 2011 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin mit Leistungen der medizinischen Fußpflege (einmal monatlich) zu versorgen.

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um Fußpflegeleistungen.

Die 1966 geborene Klägerin bezieht eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit sowie ergänzend Grundsicherungsleistungen nach dem Sozialgesetzbuch / Zwölftes Buch (SGB XII) sowie Geldleistungen nach dem Sozialgesetzbuch / Elftes Buch (SGB XI), seit Dezember 2012 nach der Pflegestufe II. Ferner sind ihr ein Grad der Behinderung von 100 sowie die Merkzeichen G, aG, B, H und T zuerkannt. Sie bewohnt alleine eine Wohnung, die sie seit einem Sturz im Dezember 2012 nicht mehr verlässt, und wird im Rahmen der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII von einer Einzelfallhelferin (Frau L), aktuell im Umfang von 17 Stunden monatlich, betreut. Bei der pflegerischen Versorgung wird die Klägerin von mehreren Personen aus ihrem privaten Umfeld unterstützt.

Die Klägerin leidet an

-Multipler Sklerose – MS – (Erstdiagnose 2006) mit Sehbehinderung (insbesondere beim räumlichen Sehen und in Form nachlassender Sehkraft im Laufe eines Tages) und Neuropathie (mit Missempfindungen und Taubheitsgefühl in den oberen und unteren Extremitäten) sowie einer zunehmenden Harninkontinenz,
-extremer Adipositas (150 bis 160 kg bei einer Körpergröße von 171 cm),
-einer Borderlinestörung,
-venöser Insuffizienz bei Zustand nach Thrombose im Bereich des linken Beines,
-Varikosis beidseits,
-einem Wirbelsäulensyndrom bei stattgehabtem Bandscheibenvorfall im Lendenwirbelsäulenbereich 1994 und muskulärer Insuffizienz,
-einem Kniebinnenschaden beidseits nach Sturz im Dezember 2012,
-Insuffizienz der Bauchdecke bei Zustand nach Operation eines Nabelbruchs und nachfolgender Netzversorgung mit erneuten Bauchwandbrüchen.

Ferner besteht aktuell der Verdacht auf Thrombose im rechten Bein. Die sehr kleinen, dünnen und brüchigen Zehennägel neigen zum Einwachsen.

Nachdem die beklagte Krankenkasse der Klägerin mit Schreiben vom 25. November 2008 erstmals schriftlich mitgeteilt hatte, dass die podologische Behandlung krankhafter Veränderungen am Fuß nur beim sog. diabetischen Fußsyndrom zu Lasten der Krankenkasse verordnungsfähig sei, beantragte die Klägerin unter Vorlage einer Heilmittelverordnung der Fachärztin für Neurologie K vom 24. Februar 2009 die Versorgung mit – bei Hausbesuchen zu erbringenden – podologischen Leistungen „zur Vermeidung von Nagelwall-, Nagelbett- und Hautschädigungen“. Dies lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 18. März 2009 und Widerspruchsbescheid vom 21. Juli 2009 ab.

Mit Bescheid vom 6. Februar 2009 und - nicht angegriffenem - Widerspruchsbescheid vom 2. Dezember 2009 lehnte das beigeladene Land durch das Bezirksamt C-W von Berlin, Abteilung Soziales, Gesundheit, Umwelt und Verkehr, den am 5. Dezember 2008 eingegangenen Antrag der Klägerin auf Erbringung von Fußpflegeleistungen ab, da diese entweder aus der Regelleistung oder von der Krankenversicherung zu finanzieren seien.

Das Sozialgericht Berlin wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 18. Januar 2011 ab, weil Maßnahmen der Fußpflege in erster Linie der Körperpflege zuzuordnen seien und die vom Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) gemäß § 92 Sozialgesetzbuch / Fünftes Buch (SGB V) erlassenen verbindlichen Heilmittel-Richtlinien (HeilmRL) podologische Leistungen in nicht zu beanstandender Weise nur beim diabetischen Fußsyndrom - an dem die Klägerin nicht leide - vorsähen.

Gegen diesen ihr am 22. Januar 2011 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die Berufung der Klägerin, die sie am 22. Februar 2012 beim Sozialgericht Berlin durch ein nicht unterschriebenes Computerfax eingelegt hat und zu deren Begründung sie vorbringt: Sie habe weder Familie noch Freunde, die die erforderliche Fußpflege übernehmen könnten, aber auch keine finanziellen Mittel, um letztere zu bezahlen. Bei dem Versuch, selbst ihre Nägel zu kürzen und Hornhaut zu entfernen, bringe sie sich schwere Verletzungen bei, so dass Komplikationen in Form von eingewachsenen Zehennägeln, Infektionen etc. absehbar seien. Es könne nicht im Sinne des Gesetzgebers gewesen sein, ausschließlich den Füßen eines Diabetikers eine sorgfältige podologische Behandlung zukommen zu lassen. Eine schlechte Wundheilung hätten nicht nur Diabetiker, sondern auch Menschen mit MS, da ihr Immunsystem extrem geschwächt sei. Erschwerend komme hinzu, dass ihre Zehennägel dünn, brüchig und sehr klein seien, einrissen, sich spalteten und ins Nagelbett einwüchsen, so dass selbst ihre Podologin Probleme habe, dem gerecht zu werden. Es sei z.B. notwendig, Tamponade in das seitliche Nagelbett der Großzehen einzulegen, um ein Einwachsen zu verhindern; schon dieses Prozedere könnte sie allein nicht durchführen. Medizinische Fußpflege sei im Abstand von drei Wochen erforderlich.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 18. Januar 2011 und den Bescheid der Beklagten vom 20. Mai 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Juli 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, sie mit medizinischer Fußpflege zu versorgen,

hilfsweise,

den Beigeladenen zu verurteilen, sie mit medizinischer Fußpflege zu versorgen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Der Beigeladene stellt keinen Antrag. Er hält sich nicht für leistungspflichtig. Weil die Klägerin von der Pflegekasse die Geldleistung der Pflegestufe II erhalte und ihre notwendige Pflege davon selbst organisiere, sei eine zusätzliche Geldleistung für die Kosten der Fußpflege gesetzlich nicht vorgesehen.

Der Senat hat am 18. April 2011 durch den Berichterstatter die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten erörtert. Am 3. Juni 2011 verordnete der Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten Dr. B der Klägerin dauerhaft podologische Fußpflege alle drei Wochen wegen „Verhornungs- und Nagelwachstumsstörung“.

Mit Beschluss vom 23. Juni 2011 hat der Senat die Beklagte im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Klägerin bis zum 31. Dezember 2011, längstens bis zur rechtskräftigen Entscheidung im vorliegenden Berufungsverfahren, alle drei Wochen mit Maßnahmen der podologischen Therapie in Gestalt von Hornhautabtragung und Nagelbearbeitung zu versorgen. Seither wird die Klägerin – so die Angaben in der mündlichen Verhandlung – zunächst alle drei Wochen und inzwischen alle sechs Wochen zu Hause mit medizinischer Fußpflege versorgt.

Der Senat hat Befundberichte der die Klägerin behandelnden Ärzte K (Neurologin) vom 1. Februar 2013, H (Facharzt für Augenheilkunde) vom 4. Februar 2013, Dr. W (Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie) vom 25. Februar 2013 und Dr. Wi (Facharzt für Innere Medizin) vom 11. April 2013 eingeholt. Die Klägerin hat den Bericht der sie behandelnden Podologin H vom 14. Dezember 2012 eingereicht.

Der Senat hat darüber hinaus die Rechtsetzungsdokumentationen des GBA zum Beschluss des (früheren) Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen vom 26. Februar 2002 zur Änderung der Heilmittel-Richtlinie (HeilmRiLi) betreffend die Aufnahme der podologischen Therapie beigezogen, Stellungnahmen des GBA und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) sowie das nach persönlicher Begutachtung der Klägerin erstellte medizinische Sachverständigengutachten der Ärztin für Chirurgie Dr. H vom 3. Dezember 2013 veranlasst.

Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme, wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen sowie wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten und des Beigeladenen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Klägerin ist zulässig und begründet. Ein Anspruch auf Fußpflegeleistungen steht ihr gegen die Beklagte zu.

A. Die Berufung wurde in zulässiger Form mittels Computerfax beim Sozialgericht Berlin eingelegt.

I. Zwar ist nach § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Berufung innerhalb eines Monats bei dem Landessozialgericht einzulegen. Gemäß Abs. 2 Satz 1 dieser Vorschrift ist die Berufungsfrist aber auch dann gewahrt, wenn die Berufung – wie hier – innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich eingelegt wird.

II. Die Berufung wurde auch formgerecht eingelegt. Sie wahrt insbesondere das Formerfordernis gemäß § 151 Abs. 1 SGG, wonach die Berufung schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen ist.

1. Es spricht bereits viel dafür, dass das nicht mit einer eigenhändigen Unterschrift versehene Computerfax der Klägerin die Schriftform wahrt.

a. Zwar ist die eigenhändige Unterschrift das im Rechtsverkehr typische Merkmal, um den Urheber eines Schriftstücks und seinen Willen festzustellen, die niedergeschriebene Erklärung in den Verkehr zu bringen. Zur Wahrung der Schriftform ist deshalb im Regelfall die eigenhändige Unterschrift erforderlich. Dies schließt es jedoch nicht aus, dass auf die Urheberschaft und das bewusste In-den-Verkehr-Bringen im Einzelfall auch durch andere Umstände geschlossen werden kann. Entscheidend ist, ob sich aus dem bestimmenden Schriftsatz allein oder in Verbindung mit den ihn begleitenden Umständen die Urheberschaft und der Wille, das Schreiben in den Verkehr zu bringen, hinreichend sicher ergeben, ohne dass darüber Beweis erhoben werden müsste (BSG, Beschluss vom 15. Oktober 1996 – 14 BEg 9/96 –, juris, m.w.N.).

b. Diesen Anforderungen dürfte die Berufungsschrift der Klägerin vom 22. Februar 2011 gerecht werden. Denn diese hat in einem dem eigentlichen Text der Berufungsschrift vorangestellten Feld nicht nur ihren Namen und ihre vollständige Anschrift angegeben, sondern darüber hinaus auch ihre E-Mail-Adresse und ihre Fax-Nummer. Zur weiteren Identifizierung des Schreibens trägt die vom Empfangsgerät des Sozialgerichts aufgedruckte Fax-Nummer des Absendegeräts bei, welche mit der Fax-Nummer der Klägerin identisch ist. Darüber hinaus hat die Klägerin die Berufungsschrift mit ihrem vollständigen Namen abgeschlossen, sodass viel dafür spricht, dass die Klägerin Urheberin des Computerfax ist und dieses mit ihrem Willen in den Verkehr gelangte.

2. Letzten Endes kann dies jedoch dahinstehen, da der Klägerin jedenfalls Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 67 SGG) zu gewähren war.

a. Voraussetzung dafür ist, dass ein Beteiligter "ohne Verschulden verhindert" war, die Verfahrensfrist einzuhalten (§ 67 Abs.1 SGG), und die versäumte Rechtshandlung innerhalb eines Monats nach Wegfall des Hindernisses nachgeholt wird (§ 67 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. Satz 1 SGG). Nach der Rechtsprechung des BSG liegt ein Verschulden grundsätzlich vor, wenn die von einem gewissenhaften Prozessführenden im prozessualen Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen ist. Wer vergisst, das Berufungsschreiben zu unterschreiben, erfüllt zwar die erforderliche Sorgfalt nicht. Ohne Verschulden "verhindert", eine gesetzliche Frist einzuhalten, ist ein Beteiligter jedoch nicht nur, wenn auf seiner Seite ein Verschulden gar nicht vorlag, sondern auch dann, wenn ein solches Verschulden zwar vorgelegen hat, dieses aber für die Fristversäumnis nicht ursächlich gewesen ist bzw. ihm nicht zugerechnet werden kann, weil die Frist im Fall pflichtgemäßen Verhaltens einer anderen Stelle gewahrt worden wäre. Dass die Anforderungen zur Erlangung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht überspannt werden dürfen, folgt auch aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zum Anspruch auf ein faires Verfahren. Nach diesem aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleiteten "allgemeinen Prozessgrundrecht" darf sich das Gericht nicht widersprüchlich verhalten, darf aus eigenen oder ihm zuzurechnenden Fehlern oder Versäumnissen keine Verfahrensnachteile ableiten und ist allgemein zur Rücksichtnahme gegenüber den Verfahrensbeteiligten in ihrer konkreten Situation verpflichtet (BSG, Urteil vom 30. Januar 2002 – B 5 RJ 10/01 R –; BVerfG, Beschluss vom 15. April 2004 – 1 BvR 622/98 –; jeweils juris und m.w.N.).

Diese Grundsätze gelten auch und erst recht bei Wahrnehmung der dem LSG gemäß § 106 Abs. 1 i.V.m. § 153 Abs. 1 SGG obliegenden Fürsorge, wonach das Gericht u.a. darauf hinzuwirken hat, dass Formfehler beseitigt werden. Die daraus resultierende Hinweispflicht soll vermeiden, dass Beteiligte an unbeabsichtigten Formfehlern scheitern. Dementsprechend ist Wiedereinsetzung zu gewähren, wenn die Fristversäumnis auch auf Fehlern beruht, die im Verantwortungsbereich des Gerichts bei Wahrnehmung seiner Fürsorgepflicht liegen (BSG a.a.O.).

b. Hieran gemessen würde es gegen das Gebot des fairen Verfahrens verstoßen, wenn der Senat die Berufung wegen nicht eingehaltener Formerfordernisse zurückweisen würde, obwohl diese unmittelbar bei Eingang der Berufung und somit frühzeitig erkennbar waren, und er gleichwohl mit der Klägerin den Sachverhalt auch im Hinblick auf materiell-rechtliche Fragen erörtert hat, ohne mögliche Formfehler anzusprechen (wie im Termin vom 18. April 2011 geschehen). Die versäumte Rechtshandlung hat die Klägerin in diesem Termin konkludent nachgeholt, indem sie durch ihre Äußerungen in der Sache, durch eine Schweigepflichtentbindungserklärung zugunsten ihrer Ärzte sowie durch den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ihren Willen bekundet hat, die Entscheidung des Sozialgerichts anzufechten.

B. Die Berufung ist auch begründet. Die Klägerin kann von der Beklagten die Erbringung (medizinischer) Fußpflegeleistungen verlangen.

I. Der Anspruch beruht indes nicht auf den Vorschriften des SGB V.

1. Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit Heilmitteln, soweit sie nicht nach § 34 SGB V ausgeschlossen sind. Für nicht nach Satz 1 ausgeschlossene Heilmittel bleibt § 92 SGB V unberührt (§ 32 Abs. 1 Sätze 1 und 2 SGB V). Der Verweis auf § 34 SGB V geht nach der derzeitigen Rechtslage ins Leere, nachdem durch das Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes in der gesetzlichen Krankenversicherung – AMNOG –, in Kraft getreten zum 1. Januar 2011 die bis dahin in dieser Vorschrift vorgesehenen Möglichkeiten, Heilmittel durch Rechtsverordnung auszuschließen, aufgehoben wurden. Der GBA hat im Rahmen der von ihm zu beschließenden Richtlinie über die Verordnung von Heilmitteln (§ 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V) u.a. den Katalog verordnungsfähiger Heilmittel und die Zuordnung der Heilmittel zu Indikationen (§ 92 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 und 2 SGB V) zu regeln. Darüber hinaus berechtigt ihn § 92 Abs. 1 Satz 1, 3. Halbsatz SGB V, die Erbringung und Verordnung von Leistungen oder Maßnahmen einzuschränken oder auszuschließen, wenn nach allgemein anerkanntem Stand der medizinischen Erkenntnisse der diagnostische oder therapeutische Nutzen, die medizinische Notwendigkeit oder die Wirtschaftlichkeit nicht nachgewiesen sind.

2. Von dieser Möglichkeit, den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) einzugrenzen, hat der GBA auch im Hinblick auf „Maßnahmen der Podologischen Therapie“ (Erster Teil, Abschnitt E der HeilmRL) Gebrauch gemacht und ihre Verordnungsfähigkeit auf die „Behandlung krankhafter Schädigungen am Fuß infolge Diabetes mellitus (diabetisches Fußsyndrom)“ beschränkt. Da die Klägerin an dieser Krankheit nicht leidet, ist ein diesbezüglicher Anspruch – betrachtet man nur den Wortlaut der Richtlinie – ausgeschlossen.

3. Die grundsätzliche Verbindlichkeit der Beschlüsse des GBA für alle an der GKV Beteiligten (Krankenkassen, Versicherte, Leistungserbringer) gemäß § 91 Abs. 6 SGB V ist indes dann aufgehoben, wenn die Richtlinie gegen höherrangiges Recht verstößt.

a. So hat die Klägerin – durchaus nachvollziehbar – geltend gemacht, dass sich ein Bedarf an podologischen Leistungen auch für MS-Patienten ergeben könne. Die Klägerin rügt damit eine Verletzung ihres auch vom GBA zu beachtenden Grundrechts auf Gleichbehandlung (Art. 3 Grundgesetz - GG). Der Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, unter stetiger Orientierung am Gerechtigkeitsgedanken wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches entsprechend unterschiedlich zu behandeln (BVerfG NJW 2006, 2175, BVerfGE 115, 381, jeweils m.w.N.; BSG, Urteile vom 17. September 2008, Az.: B 6 KA 46/07 R und B 6 KA 47/07 R, beide veröffentlicht in Juris). Damit ist dem Normgeber aber nicht jede Differenzierung verwehrt. Er verletzt das Grundrecht vielmehr nur, wenn er eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie eine ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (ständige Rechtsprechung des BVerfG, vgl. BVerfGE 107, 133, BVerfG SozR 4-1100 Art. 3 Nr. 33, jeweils m.w.N.). Die Zweifel der Klägerin an einer Gleichbehandlung werden genährt durch die vom Senat veranlasste Stellungnahme des GBA, wonach eine „Ausdehnung auf andere Indikationen […] von Seiten des BMG <Bundesministerium für Gesundheit> nicht gewünscht“ gewesen sei. Hierin läge offenkundig eine sachwidrige Differenzierung.

b. Gleichwohl liegt ein Verstoß gegen Art. 3 GG nicht vor. Denn es fehlt bereits an wesentlich gleichen Sachverhalten. Zwar können sowohl MS als auch Diabetes mellitus zu Sensibilitätsstörungen an den Füßen führen. Anders als beim Diabetes mellitus ist MS indes nicht – wie von der Sachverständigen Dr. H nachvollziehbar dargelegt – mit Durchblutungsstörungen verbunden. Diese können bei Verletzungen wegen unsachgemäßer Fußpflege gravierende Komplikationen wie Wundheilungsstörungen mit u.a. erhöhter Infektionsgefahr nach sich ziehen. Diese besondere Gefahrenlage rechtfertigt es aus Sicht des Senats, podologische Leistungen bei MS von der Verordnungsfähigkeit in der GKV auszuschließen.

II. Der Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte beruht aber auf dem Zusammenspiel von § 14 Sozialgesetzbuch / Neuntes Buch (SGB IX) und § 61ff Sozialgesetzbuch / Zwölftes Buch (SGB XII).

1. Die Klägerin kann die begehrten podologischen Leistungen aufgrund der Vorschriften des Siebten Kapitels des SGB XII (Hilfe zur Pflege, § 61 bis 66 SGB XII) beanspruchen.

a. Im Hinblick auf die Hilfe zur Pflege regelt § 61 SGB XII u.a. folgendes:

„(1) Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, in erheblichem oder höherem Maße der Hilfe bedürfen, ist Hilfe zur Pflege zu leisten. Hilfe zur Pflege ist auch Kranken und behinderten Menschen zu leisten, die voraussichtlich für weniger als sechs Monate der Pflege bedürfen oder einen geringeren Bedarf als nach Satz 1 haben oder die der Hilfe für andere Verrichtungen als nach Absatz 5 bedürfen; für Leistungen für eine stationäre oder teilstationäre Einrichtung gilt dies nur, wenn es nach der Besonderheit des Einzelfalles erforderlich ist, insbesondere ambulante oder teilstationäre Leistungen nicht zumutbar sind oder nicht ausreichen.

(2) Die Hilfe zur Pflege umfasst häusliche Pflege, Hilfsmittel, teilstationäre Pflege, Kurzzeitpflege und stationäre Pflege. Der Inhalt der Leistungen nach Satz 1 bestimmt sich nach den Regelungen der Pflegeversicherung für die in § 28 Abs. 1 Nr. 1, 5 bis 8 des Elften Buches aufgeführten Leistungen; § 28 Abs. 4 des Elften Buches gilt entsprechend. […]

(3) Krankheiten oder Behinderungen im Sinne des Absatzes 1 sind:

1. Verluste, Lähmungen oder andere Funktionsstörungen am Stütz- und Bewegungsapparat,

2. Funktionsstörungen der inneren Organe oder der Sinnesorgane,

3. Störungen des Zentralnervensystems wie Antriebs-, Gedächtnis- oder Orientierungsstörungen sowie endogene Psychosen, Neurosen oder geistige Behinderungen,

4. andere Krankheiten oder Behinderungen, infolge derer Personen pflegebedürftig im Sinne des Absatzes 1 sind.

(4) Der Bedarf des Absatzes 1 besteht in der Unterstützung, in der teilweisen oder vollständigen Übernahme der Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens oder in Beaufsichtigung oder Anleitung mit dem Ziel der eigenständigen Übernahme dieser Verrichtungen.

(5) Gewöhnliche und regelmäßig wiederkehrende Verrichtungen im Sinne des Absatzes 1 sind:

1. im Bereich der Körperpflege das Waschen, Duschen, Baden, die Zahnpflege, das Kämmen, Rasieren, die Darm- und Blasenentleerung,

2. im Bereich der Ernährung das mundgerechte Zubereiten oder die Aufnahme der Nahrung,

3. im Bereich der Mobilität das selbstständige Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen oder das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung,

4. im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung das Einkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung, Spülen, Wechseln und Waschen der Wäsche und Kleidung und das Beheizen.“

Nach der zugrunde liegenden gesetzgeberischen Konzeption stimmt somit der Begriff der Pflegebedürftigkeit im SGB XI und im SGB XII überein, wie sich insbesondere aus § 61 Abs. 1 Satz 1 SGB XII und dem identischen Katalog der pflegerelevanten Verrichtungen in § 14 Abs. 4 SGB XI und § 61 Abs. 5 SGB XII ergibt (vgl. Grube/Wahrendorf, SGB XII, 5.A., § 61 Rd. 10ff). Gleichwohl enthält § 61 Abs. 1 Satz 2 SGB XII eine Öffnungsklausel, weil andernfalls dem sozialhilferechtlichen Bedarfsdeckungsgrundsatz nicht Genüge getan wäre und pflegerische Bedarfe ungedeckt blieben (a.a.O. Rd. 5). Die Öffnungsklausel, die im Ergebnis auch Leistungen bei einer Pflegestufe 0 ermöglicht (LSG Niedersachsen-Bremen, FEVS 57, 433), besteht in mehrfacher Hinsicht und erlaubt Hilfe auch bei in der Regel nicht täglich anfallenden und daher nicht in § 61 Abs. 5 SGB XII bzw. § 14 Abs. 4 SGB XI vorgesehenen Verrichtungen, wie z.B. dem Schneiden von Finger- und Fußnägeln (Grube, a.a.O., Rd. 31; vgl. auch VG Bremen, Urteil vom 25. Januar 2010 – S 5 K 747/07 –, juris; zum Ausschluss des Finger- und Zehennägelschneidens aus dem Katalog nach § 14 Abs. 4 SGB XI: Richtlinien des GKV-Spitzenverbandes zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit nach dem XI. Buch des Sozialgesetzbuchs, S. 114, abrufbar unter http://www.mdk.de/media/pdf/BRi_Pflege_090608.pdf).

b. Bei der Klägerin besteht ein pflegerischer Bedarf im Bereich der Fußpflege, weil sie sich ihre Zehennägel nicht selbst schneiden kann. Ursache hierfür sind Erkrankungen i.S.v. § 61 Abs. 3 SGB XII: infolge der gravierenden Adipositas kann sie ihre Füße nicht bzw. nur sehr schwer mit den Händen erreichen. MS-bedingte Missempfindungen in den Händen schließen darüber hinaus das eigenständige Schneiden der Zehennägel aus. Hinzukommt, dass sie aufgrund der Sehbehinderung ihre Zehennägel teilweise nur schwer erkennen kann und sie zugleich die infolge dessen auftretenden Verletzungen wegen der in den Füßen bestehenden Missempfindungen und Taubheitsgefühlen nicht wahrnimmt, sodass unversorgte Wunden weitere Gefahren, wie z.B. Infektionen, nach sich ziehen können. Zu diesen Feststellungen gelangt der Senat aufgrund der schlüssigen Ausführungen der Sachverständigen Dr. H, die sich mit den Befunden, die der Senat bei den behandelnden Ärzten der Klägerin erhoben hat, weitgehend decken.

Inhaltlich ist der pflegerische Bedarf der Klägerin nicht auf das schlichte Kürzen der Zehennägel beschränkt. Zwar hat die Sachverständige ausgeführt, die Fremdpflege könne auch durch eine nicht medizinische Fußpflege stattfinden. Diese Aussage steht jedoch im Widerspruch zu ihren Feststellungen, dass zum Einen die von der behandelnden Fußpflegerin H beschriebene Hyperkeratose an beiden Fersen, gepaart mit der Bildung von Rhagaden, aktuell gerade wegen der podologischen Behandlung nur leicht ausgeprägt ist, und zum Anderen aufgrund der sehr kleinen Zehennägel der Klägerin die Tendenz zum Einwachsen besteht. Darüber hinaus hat sie auch auf den Bericht der Fußpflegerin H vom Dezember 2012 Bezug genommen, in dem diese berichtet, dass sie Tamponaden einsetze, um ein Einwachsen der Zehennägel zu verhindern, und dass bei gleichwohl aufgetretenen Entzündungen eine antibiotische Salbe erforderlich werde. Der Sachverständigen ist somit nicht verborgen geblieben, dass für die Fußpflege der Klägerin durchaus eine Fachkraft benötigt wird. Der Anspruch der Klägerin beinhaltet daher gerade medizinische Fußpflege. Hinsichtlich der Häufigkeit der podologischen Leistungen (einmal monatlich) hat der Senat sich davon leiten lassen, dass diese nach der ärztlichen Verordnung vom 3. Juni 2011 alle drei Wochen erforderlich sind, aber auch ein Behandlungsrhythmus von zuletzt sechs Wochen ausreichend war, um eine Verschlimmerung zu verhüten.

c. Ein Anspruch der Klägerin auf Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII wird nicht durch Leistungen nach dem SGB XI ausgeschlossen. Zwar sind Leistungen der Sozialhilfe aufgrund des Nachranggrundsatzes (§ 2 Abs. 1 SGB XII) ausgeschlossen, wenn der Hilfebedürftige die erforderliche Leistung z.B. von Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Dies wird durch § 66 Abs. 1 Satz 1 bzw. Abs. 4 SGB XII bekräftigt, wonach Leistungen nach § 64 SGB XII (Pflegegeld) und § 65 Abs. 2 SGB XII (zusätzliche Erstattung der Aufwendungen für eine angemessene Alterssicherung der Pflegeperson) bei Erhalt gleichartiger Leistungen z.B. nach dem SGB XI nicht erbracht werden und auf Leistungen nach § 65 Abs. 1 SGB XII (Erstattung der angemessenen Aufwendungen der Pflegeperson) Pflegegeld nach dem SGB XI ggf. anzurechnen ist.

Dies steht einem Anspruch der Klägerin aber nicht entgegen. Denn Leistungen nach dem SGB XI, auch das von der Klägerin bezogene Pflegegeld nach Pflegestufe II, werden erbracht, um die im Rahmen der sozialen Pflegeversicherung relevanten Pflegebedarfe zu befriedigen. Der Vorrang von Leistungen nach dem SGB XI greift daher nicht ein, wenn Hilfe bei Verrichtungen benötigt wird, die nicht vom Katalog des § 14 Abs. 4 SGB XI erfasst werden. Gehört das Schneiden der Zehennägel aber – wie bereits dargelegt – nicht zu diesem Katalog, steht auch das Pflegegeld nach dem SGB XI einem Anspruch nach § 61 SGB XII nicht entgegen.

d. Die Leistungen der Hilfe zur Pflege nach § 61ff SGB XII stehen zu den podologischen Leistungen nach dem SGB V in einem Nachrangverhältnis (§ 2 Abs. 1 SGB XII). Der Träger der Sozialhilfe wird daher nur zuständig, wenn – wie hier – kein Anspruch aufgrund des SGB V gegeben ist.

Unerheblich ist, dass die Leistungen, zu deren Erbringung der Beklagte im Rahmen der Hilfe zur Pflege verpflichtet ist, sich nicht mit den podologischen Leistungen deckt, die die Klägerin von der Krankenkasse nach den Heilm-RL begehren kann. Während letztere nur bestimmte Behandlungsmaßnahmen umfassen (das verletzungsfreie Abtragen bzw. Entfernen von krankhaften Hornhautverdickungen, das Schneiden, Schleifen und Fräsen von krankhaft verdickten Zehennägeln sowie die Behandlung von Zehennägeln mit Tendenz zum Einwachsen; vgl. § 28 Abs. 1 Heilm-RL), können die nach § 61ff SGB XII geschuldeten Fußpflegeleistungen auch sonstige Formen der medizinischen Fußpflege betreffen.

2. Der Anspruch auf podologische Leistungen als Hilfe zur Pflege richtet sich allerdings nicht gegen den Beigeladenen als Träger der Sozialhilfe, sondern gegen die beklagte Krankenkasse. Diese hat es versäumt, den Leistungsantrag der Klägerin an den zuständigen Träger weiterzuleiten, sodass sie nach § 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX im Außenverhältnis zur Klägerin selbst für die Leistungen zuständig wurde.

a. Nach § 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX verliert der materiell-rechtlich – eigentlich – zuständige Rehabilitationsträger im Außenverhältnis zum Versicherten oder Leistungsempfänger seine Leistungszuständigkeit für eine Teilhabeleistung, sobald der zuerst angegangene Rehabilitationsträger (hier: die beklagte Krankenkasse) eine i.S.v. § 14 Abs. 1 SGB IX fristgerechte Zuständigkeitsklärung versäumt hat und demzufolge die Zuständigkeit nach allen in Betracht kommenden rehabilitationsrechtlichen Rechtsgrundlagen auf ihn übergegangen ist. Sinn dieser Regelung ist es, zwischen den betroffenen behinderten Menschen und Rehabilitationsträgern die Zuständigkeit schnell und dauerhaft zu klären und so Nachteilen des gegliederten Systems entgegenzuwirken. Dazu ist der erstangegangene Rehabilitationsträger gehalten, innerhalb von zwei Wochen nach Eingang eines Antrags auf Leistungen zur Teilhabe festzustellen, ob er nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung zuständig ist (§ 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Stellt er bei der Prüfung fest, dass er für die Leistung nicht zuständig ist, leitet er den Antrag unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zu. Muss für eine solche Feststellung die Ursache der Behinderung geklärt werden und ist diese Klärung in der Frist nach § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IX nicht möglich, wird der Antrag unverzüglich dem Rehabilitationsträger zugeleitet, der die Leistung ohne Rücksicht auf die Ursache erbringt (§ 14 Abs. 1 Satz 2 und 3 SGB IX). Andernfalls bestimmt § 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX: "Wird der Antrag nicht weitergeleitet, stellt der Rehabilitationsträger den Rehabilitationsbedarf unverzüglich fest.“ Diese Zuständigkeit nach § 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX erstreckt sich im Außenverhältnis zwischen dem Antragsteller und dem erstangegangenen Rehabilitationsträger auf alle Rechtsgrundlagen, die überhaupt in dieser Bedarfssituation rehabilitationsrechtlich vorgesehen sind. Dadurch wird eine nach außen verbindliche Zuständigkeit des erstangegangenen Rehabilitationsträgers geschaffen, die intern die Verpflichtungen des eigentlich zuständigen Leistungsträgers unberührt lässt und die Träger insoweit auf den nachträglichen Ausgleich nach § 14 Abs. 4 Satz 1 SGB IX und §§ 102 ff SGB X verweist (BSG, Urteil vom 20. November 2008, Az.: B 3 KN 4/07 KR R, veröffentlicht in Juris, m.w.N.).

b. Erstangegangener Rehabilitationsträger i.S.v. § 14 SGB IX ist derjenige Träger, der von dem Versicherten bzw. Leistungsbezieher erstmals mit dem zu beurteilenden Antrag auf Bewilligung einer Leistung zur Teilhabe befasst worden ist. Diese Befassungswirkung fällt grundsätzlich auch nach einer verbindlichen abschließenden Entscheidung des erstangegangenen Trägers nicht weg. Vielmehr behält der erstmals befasste Rehabilitationsträger seine Zuständigkeit nach § 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX im Außenverhältnis zum Antragsteller regelmäßig auch dann weiter bei, wenn er, ohne den Antrag an den aus seiner Sicht zuständigen Rehabilitationsträger weitergeleitet zu haben, das Verwaltungsverfahren durch Erlass eines Verwaltungsakts abschließt (vgl. § 8 SGB X), selbst wenn dieser bindend wird (BSG a.a.O.).

c. Hiernach ist die Beklagte im Verhältnis zur Klägerin zur Leistung verpflichtet.

aa. Sie wurde als erste Leistungsträgerin mit dem Begehren der Klägerin nach podologischen Leistungen befasst, ohne dass eine Weiterleitung erfolgte. Aus ihrem o.g. Schreiben vom 25. November 2008 ergibt sich, dass in dessen Vorfeld die Klägerin bei ihr wegen podologischer Leistungen nachgesucht hat. Demgegenüber wandte sich die Klägerin erst Anfang Dezember 2008 an den Beigeladenen. Daher wurde die Beklagte mit Ablauf der Weiterleitungsfrist, spätestens zwei Wochen nach dem 25. November 2008, d.h. am 9. Dezember 2008, im Außenverhältnis zur Klägerin für die Leistung zuständig.

bb. An dieser Zuständigkeit änderte sich nichts dadurch, dass die Klägerin – offensichtlich als Reaktion auf das Schreiben der Beklagten vom 25. November 2008 – Anfang Dezember auch den Beigeladenen mit demselben Begehren anging und dieser die Leistung mit Bescheid vom 6. Februar 2009 ablehnte. Der erstangegangene Leistungsträger bleibt nach Ablauf der Weiterleitungsfrist auch dann im Außenverhältnis zuständig, wenn in der Folgezeit ein weiterer vom Versicherten bzw. Leistungsberechtigten angegangener Leistungsträger mit dem Anliegen befasst wird und ebenfalls die Leistung ablehnt. Denn eine nach § 14 SGB IX begründete Zuständigkeit ist endgültig. § 14 SGB IX soll nicht nur im Interesse des behinderten Menschen Zuständigkeitszweifel beseitigen; die Vorschrift soll vielmehr auch Rechtssicherheit schaffen, indem eine – im Außenverhältnis – einmal begründete Zuständigkeit erhalten bleibt (BSG, Urteil vom 29. September 2009 – B 8 SO 19/08 R –, juris, m.w.N.).

cc. Mit Ablauf der Weiterleitungsfrist ist die Beklagte im Verhältnis zur Klägerin zur Prüfung und ggf. Bewilligung des Leistungsbegehrens nach jeder rehabilitationsrechtlich in Betracht zu ziehenden Rechtsgrundlage, also auch nach den Regelungen des SGB XII, zuständig geworden; eine mögliche Zuständigkeit des Beigeladenen ist dadurch im Außenverhältnis verdrängt worden. Dies gilt auch dann, wenn sich – wie im vorliegenden Fall – die begehrte Leistung nur für einen der beiden Leistungsträger als Rehabilitationsleistung darstellt, solange nur beide zu den Rehabilitationsträgern i.S.v. § 6 Abs. 1 SGB IX zählen (BSG a.a.O.). Dass podologische Leistungen im Falle der Klägerin eine Rehabilitationsleistung darstellen, ergibt sich aus § 26 Abs. 2 Nr. 3 SGB IX, wonach Leistungen zur medizinischen Rehabilitation u.a. Heilmittel umfassen. Zu den Heilmitteln (§ 32 SGB V) zählen nach den HeilmRL auch podologische Leistungen. Darüber hinaus sollen diese Leistungen – im Sinne der medizinischen Rehabilitation gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 SGB V – bei der Klägerin eine Verschlimmerung der schon bestehenden Behinderung und Pflegebedürftigkeit verhüten und deren Folgen mindern. Insofern ergibt sich aus der ärztlichen Verordnung der Neurologin K als Therapieziel die Vermeidung von Nagelwall-, Nagelbett- und Hautschädigungen. Aus dem Bericht der behandelnden Podologin sowie dem Sachverständigengutachten wird deutlich, dass sich ohne medizinischen Leistungen der Fußpflege nicht nur der Gesundheitszustand der Klägerin verschlechtern würde, sondern zugleich auch Behinderung und Pflegebedürftigkeit zunähmen.

C. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Gründe hierfür (§ 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.