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Arbeitsunfall, Lastmanipulation, Übergangsrecht, Vollbeweis, Unfallfolgen, Bandscheibenbeschädigung, Ursachenzusammenhang, Feststellungsklage


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 3. Senat Entscheidungsdatum 20.08.2010
Aktenzeichen L 3 U 219/06 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 215 Abs 1 S 1 SGB 7, § 548 Abs 1 RVO, § 1150 Abs 2 S 1 RVO, § 54 Abs 1 SGG, § 55 Abs 1 Nr 1 SGG, § 55 Abs 1 Nr 3 SGG

Tenor

Auf die Berufung des Klägers werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Potsdam vom 06. Juli 2006 sowie der Bescheid der Beklagten vom 10. Juni 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. September 2004 teilweise aufgehoben. Es wird festgestellt, dass der Kläger am 03. August 1980 beim Abladen von Gasbetonsteinen einen Arbeitsunfall erlitten hat.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die dem Kläger entstandenen außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu einem Drittel zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist die Feststellung eines Ereignisses vom August 1980 als Arbeitsunfall sowie von Unfallfolgen.

Der 1948 geborene Kläger ist gelernter Werkzeugmacher. Nach einem Studium an der Technischen Hochschule in K.Stadt (September 1968 bis November 1970) arbeitete er zunächst als Dreher, Bereichsmeister und Ingenieur für Produktion und Wettbewerb. Ab dem 01. Juni 1978 war er als Bauleiter beim VEB (K) Bau K W, ab dem 07. November 1983 als Produktionsleiter und ab dem 01. Januar 1985 wiederum als Bauleiter beim VEB (K) Bau L tätig. Zum 01. September 1987 machte er sich mit einer Firma für Kanal- und Rohrreinigung selbständig.

Im August 2001 wandte sich der Kläger, bei dem seit dem 23. November 2000 Arbeitsunfähigkeit wegen eines chronischen Lumbalsyndromes sowie weiterer Erkrankungen bestand, mit der Bitte um Gewährung einer Rente an die Beklagte. Die Erkrankung der Wirbelsäule sei auf die Belastungen durch schweres Heben und Tragen und Arbeiten in gebückter Haltung als Bauleiter und bei der Kanal- und Rohrreinigung zurückzuführen. Im Fragebogen Wirbelsäule gab der Kläger zur Frage nach Arbeits- und Privatunfällen u. a. an: „1980 – beim Waggonausladen – Bandscheibenvorfall“ und „05/99 Treppenstufen abgerutscht, auf die linke Hüfte bzw. d. linken LWS-Bereich“. Nach Ermittlungen zu den arbeitstechnischen und medizinischen Voraussetzungen lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 06. August 2002, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 28. November 2002, die Anerkennung einer Berufskrankheit (BK) der Nrn. 2108 und 2110 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) unter Bezugnahme auf die Stellungnahmen des Technischen Aufsichtsdienstes (TAD) ab. Hiergegen richtete sich der Kläger, der zwischenzeitlich (Juli 2002) einen Schlaganfall erlitten hatte, mit seiner beim Sozialgericht (SG) Potsdam erhobene Klage zum Aktenzeichen S 12 U 145/02.

Am 30. Dezember 2003 wandte sich der Kläger erneut an die Beklagte und beantragte nunmehr die Anerkennung eines Arbeitsunfalls vom 15. August 1980. Unter Vorlage einer Kopie seines Ausweises für Arbeit und Sozialversicherung (SVA) sowie einer entsprechenden schriftlichen Erklärung des damaligen Produktionsleiters des VEB (K) Bau K P H vom 26. Juni 2003 führte der Kläger aus, der Arbeitsunfall habe sich bei der Waggonentladung durch Heben und Tragen von Betonstürzen, Riegeln, mittelschweren Abdeckplatten und dergleichen, die als Paketstapel auf hölzernen Zwischenlagen geliefert worden seien, ereignet. Die Elemente seien größtenteils gleich auf LKWs für die entsprechenden Baustellen geladen worden. Bei dem Unfall sei seine Lendenwirbelsäule (LWS) verletzt worden. Seitdem bestünden Probleme mit der Wirbelsäule. Auf Nachfrage der Beklagten zum Unfallgeschehen führte der Kläger im Schreiben vom 11. Mai 2004 aus, zum manuellen Anheben des Entladegutes habe er seinen Oberkörper ca. 90 Grad nach vorne abgewinkelt. Beim Anheben habe er Schmerzen im Bereich der LWS gespürt. Das Aufrichten des Oberkörpers sei nicht möglich gewesen. Er sei von einem Mitarbeiter nach Hause gefahren und durch die Initiative des Betriebsdirektors zur Behandlung nach T gebracht worden.

Mit Bescheid vom 10. Juni 2004, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 30. September 2004, lehnte die Beklagte die Gewährung einer Entschädigung aufgrund des Ereignisses vom 15. August 1980 ab. Ein Arbeitsunfall gem. § 8 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) liege nicht vor. So fehle es an einem unfreiwilligen, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis. Bei der unfallbringenden Tätigkeit handele es sich um eine gewöhnliche Arbeitsbelastung, die vom Kläger im Rahmen seiner versicherten Tätigkeit regelmäßig ausgeübt werde. Ein ursächlicher Zusammenhang zur versicherten Tätigkeit sei nur örtlich und zeitlich zufällig gegeben. Das Ereignis sei nicht geeignet gewesen, ein traumatisches LWS-Syndrom auszulösen, so dass auch die notwendige Wahrscheinlichkeit des Zusammenhanges zwischen dem geschilderten Hergang und dem derzeitigen Beschwerdebild nicht gegeben sei.

Zur Begründung seiner hiergegen gerichteten Klage vor dem SG Potsdam hat der Kläger vorgetragen, durch das schwere Heben am 15. August 1980 sei es zu einem Bandscheibenvorfall gekommen. Der Schmerz sei plötzlich eingetreten. In der Nervenklinik in T sei zunächst eine konservative Behandlung durchgeführt worden, im August 1986 sei eine weitere stationäre Behandlung wegen des Bandscheibenvorfalles erforderlich gewesen. Diese habe zur Vorbereitung einer Bandscheibenoperation im Krankenhaus in B gedient. Hierbei sei eine Versteifung im Bereich der LWS vorgenommen worden.

Das SG hat einen Befundbericht (BB) des den Kläger seit Februar 2004 behandelnden Arztes für Neurologie und Nervenheilkunde Dr. O H vom 17. Oktober 2005 eingeholt (Diagnosen u. a. Spondylolisthesis L5/S1 bei konsekutiver Spinalkanalstenose, rezidivierendes lumbosakrales Schmerzsyndrom). Diesem waren u. a. die Arztbriefe der Nervenklinik T betreffend Behandlungen wegen LWS-/Bandscheibenbeschwerden vom 12. November 1980, 13. Januar 1981, 02. Oktober 1986 und 12. Februar 1987 sowie wegen vegetativem Entzugssyndrom mit Krampfanfall und Delir bei Alkoholabhängigkeit vom 25. Februar 2000, diverse Entlassungsberichte der neurologischen Rehabilitationsklinik B (Behandlung der Folgen des Schlaganfalls von 2002 bis 2005), Befunde der Röntgenuntersuchung der LWS und des Beckens vom 05. September 1980 und 01. Juni 2001, des Computertomogramms (CT) der Bandscheibensegmente L3 bis S1 vom 05. September 2000, des Kernspintomogramms der LWS vom 05. März 2001 sowie der für die Beklagte erstellte Krankheitsbericht von Dr. K vom Krankenhaus im F vom 24. Oktober 2001 beigefügt.

In seinem als gutachterliche Stellungnahme bezeichneten BB vom 20. Oktober 2005 hat der Arzt für Neurologie P aus der Klinik für Neurologie und Neurophysiologie der Landesklinik T anhand der Patientenakte dargelegt, der Kläger sei erstmals am 15. August 1980 ambulant vorstellig und am 28. August 1980 mit der Verdachtsdiagnose Wurzelreizsymptomatik stationär aufgenommen worden. Der Kläger habe von einem Ereignis am 03. August 1980 beim Ausladen von Gasbetonsteinen mit Gewichten von 20 kg berichtet, wo ihm plötzlich ein scharfer einschießender Schmerz widerfahren sei, der von der LWS über Gesäß und Hinterseite des linken Oberschenkels in die Wade ausgestrahlt habe. Der Schmerz sei in der Folgezeit nicht besser, sondern schlimmer geworden, so dass der Kläger am 21. August 1980 kaum noch habe aufstehen können. Unter der Therapie mit Vitamininjektionen, Schmerzmitteln und physikalischen Anwendungen sei die Symptomatik nur ganz langsam abgeklungen. Ab dem 27. November 1980 sei der Kläger wieder arbeitsfähig gewesen. Bei seiner erneuten Aufnahme am 13. August 1986 zur konservativen Behandlung eines lumbalen Wurzelreizsyndromes habe der Kläger berichtet, seit der Entlassung 1980 nicht ernsthaft erkrankt gewesen zu sein. Körperliche Arbeiten habe er vermieden. Seit dem Frühjahr 1986 leide er jedoch unter zunehmenden ziehenden Schmerzen in der LWS, im Gesäß und in der Hinterseite des linken Oberschenkels. Wegen fortbestehender Beschwerden seien dann im Städtischen Krankenhaus im F am 25. November 1986 eine Bandscheibenoperation bei im CT nachgewiesenem Nukleus pulposus Prolaps L5/S1 und die rehabilitative Behandlung in der Nervenklinik T vom 12. Dezember 1986 bis zum 16. Januar 1987 durchgeführt worden. Die Entlassung sei als arbeitsfähig erfolgt, wobei der Kläger noch weiterhin über kurzzeitig auftretenden Schmerzen beim Bücken und Drehen in der LWS, die häufig über das Gesäß bis in den linken Fuß ziehen würden, geklagt habe. Vom 17. bis zum 24. Juni 1999 sei aufgrund einer Lumboischialgie im Bereich L4 bis S1 linksseitig nochmals eine stationäre Behandlung in der Klinik für Neurologie in T erfolgt, der nach den Angaben des Klägers drei Wochen zuvor ein Treppensturz vorausgegangen sei. In der bildgebenden Diagnostik habe sich kein Anhalt für einen erneuten Bandscheibenvorfall bei insgesamt erheblichen degenerativen Veränderungen insbesondere im Bereich LWK 4/5 und LWK 5/S1 sowie Nachweis einer relativen spinalen Enge gefunden. Aufgrund des chronischen Verlaufes der Schmerzsymptomatik nach dem Ereignis vom 03. August 1980 bleibe zu vermuten, dass bereits damals eine Schädigung der Bandscheibe L 5/S 1 eingetreten sei, am ehesten auf der Grundlage bereits vorbestehender degenerativer Veränderungen derselben. Mangels adäquater Untersuchung mit CT könne dies mit Sicherheit jedoch nicht festgestellt werden. Eine direkte und bleibende Unfallfolge sei für die Zeit bis 1986 nicht festzustellen, da der Kläger wieder uneingeschränkt in seinem Beruf als Bauleiter tätig gewesen sei. Allerdings sei anzunehmen, dass der Unfall die degenerativen Veränderungen der Bandscheibe zumindest verschlimmert habe und damit den mittels CT gesicherten Bandscheibenvorfall von 1986 mitbedingt haben könne.

Durch Gerichtsbescheid vom 06. Juli 2006 hat das SG die Klage abgewiesen. Es mangele schon an der Gewissheit, dass ein für einen Arbeitsunfall zu forderndes äußeres Ereignis stattgefunden habe. Das Datum 15. August 1980, welches nach den durchgängigen Angaben des Klägers im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren der Zeitpunkt des Unfalles sein solle, werde durch die vorliegenden medizinischen Unterlagen deutlich entkräftet. In dem Schreiben der Nervenklinik Teupitz vom 13. Januar 1981 finde sich nur ein Hinweis auf einen Vorfall vom 03. August 1980. Hierfür spreche auch die gutachterliche Stellungnahme des Oberarztes der Landesklinik T P vom 20. Oktober 2005 anhand der Patientenakte, wonach der Kläger erstmals am 15. August 1980 dort vorstellig geworden sei und von einem Ereignis am 03. August 1980 berichtet habe. Den entgegenstehenden Angaben des ehemaligen Produktionsleiters des VEB (K) Bau K, P H, komme demgegenüber kein maßgeblicher Beweiswert zu. Selbst wenn man annehme, dass zu irgendeinen Zeitpunkt es zu einem Bandscheibenvorfall im Bereich der LWS während der Abladetätigkeit gekommen sei, könne der innere Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit nicht bejaht werden. So habe es sich weder nach den Angaben des Klägers gegenüber der Nervenklinik T (Ausladen von 20 kg schweren Gasbetonsteinen) noch nach den Angaben des Produktionsleiters P H (Ausladen von Betonstürzen, Riegeln, mittelschweren Abdeckplatten u. ä.) um außergewöhnliche Belastungen gehandelt. Zudem sprächen die vorliegenden Anhaltspunkte nur für eine so genannte Gelegenheitsursache. Dies sei der Fall, wenn eine gesundheitliche Vorschädigung schon soweit fortgeschritten war, dass es nur noch eines geringen Anlasses bedurfte, um eine nachhaltige Gesundheitsschädigung herbeizuführen. Nach dem Schreiben der Nervenklinik Teupitz vom 13. Januar 1981 sei die akute Schmerzsymp-tomatik, nicht aber die Bandscheibenschädigung mit relativer Wahrscheinlichkeit auf die hebenden und drehenden Körperbewegungen beim Waggonabladen zurückzuführen. Das seinerzeitige Ansinnen des Klägers, Anfang des Jahres 1981 eine entsprechende Änderung „der Diagnose-Nr.“ und damit wohl die Anerkennung eines Arbeitsunfalles zu erreichen, sei eben aus diesem Grund mit Schreiben vom 13. Januar 1981 gegenüber dem VEB (K) Bau K zurückgewiesen worden. Hierauf wie auch auf das Fehlen adäquater bildgebender Befunde stütze sich die ausführliche gutachterliche Stellungnahme von Dr. P vom 20. Oktober 2005. Insofern sei eine weitere Aufklärung der damaligen Schädigung mit Blick auf den inneren Zusammenhang zur versicherten Tätigkeit nicht mehr möglich. Die Nichterweislichkeit des für das Vorliegen eines Arbeitsunfalles notwendigen äußeren Geschehensablaufes sowie der Gesundheitsschädigung gehe nach Ausschöpfung aller dem Gericht zur Verfügung stehenden Aufklärungsmöglichkeiten zu Lasten des Klägers.

Mit der hiergegen gerichteten Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren auf Anerkennung des Ereignisses vom August 1980 als Arbeitsunfall sowie seines chronischen LWS-Syndromes als Unfallfolge weiter. Unter Vertiefung seines bisherigen Vortrages führt er aus, die Entladetätigkeit am 03. August 1980 habe nicht nur 20 kg schwere Gasbetonsteine, sondern auch Betonstürze, Riegel etc. mit höheren Gewichten betroffen. Der Produktionsleiter P H könne dies bestätigen. Erst ab diesem Zeitpunkt sei er im Hinblick auf seine Wirbelsäule genauer untersucht worden. Vorschäden seien damals nicht bekannt gewesen. Jedenfalls gebe es hierfür keinerlei Belege oder Nachweise.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Potsdam vom 06. Juli 2006 sowie den Bescheid vom 10. Juni 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. September 2004 aufzuheben und festzustellen, dass die Restsymptomatik nach operativ behandeltem Bandscheibenvorfall bei L5/S1 links im Jahr 1986 in Form eines chronischen Lumbalsyndromes Folge eines Arbeitsunfalls vom August 1980 ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wie das SG zutreffend ausgeführt habe, fehle es schon am Vollbeweis des vom Kläger geltend gemachten Unfallereignisses. Zudem lasse sich ein Ursachenzusammenhang mit dem operativ behandelten Bandscheibenvorfall nicht begründen.

Der Senat hat die Krankenakte des A Fachklinikum T - vormals Nervenklinik T - betreffend die stationären Behandlungen von 1980, 1986 und 1987 sowie die Epikrise vom 29. Juni 1999 - jeweils in Kopie - in das Verfahren eingeführt.

Das SG Potsdam hat zwischenzeitlich in dem Verfahren S 12 U 145/02 nach Anhörung des Zeugen P H und Einholung weiterer arbeitstechnischer Stellungnahmen sowie eines Gutachtens nach Aktenlage von dem Orthopäden Dr. -R vom 04. Januar 2010 die Klage auf Feststellung einer BK Nr. 2108 oder Nr. 2110 durch Urteil vom 16. April 2010 abgewiesen. Hiergegen hat der Kläger ebenfalls Berufung eingelegt, die beim Senat zum Aktenzeichen L 3 U 107/10 anhängig ist.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verfahrensakte L 3 U 107/10 und der Verwaltungsvorgänge der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch nur zum Teil begründet.

Mit der Berufung hat der Kläger in zulässiger Weise mit der kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage (§§ 54 Abs. 1, 55 Abs. 1 Nr. 3 Sozialgerichtsgesetz <SGG>) sein Begehren, unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide der Beklagten festzustellen, dass die Restsymptomatik nach operativ behandeltem Bandscheibenvorfall bei L5/S1 links im Jahr 1986 in Form eines chronischen Lumbalsyndromes Folge eines Arbeitsunfalles vom August 1980 ist, weiterverfolgt.

Der Gerichtsbescheid des SG Potsdam vom 06. Juli 2006 und der Bescheid der Beklagten vom 10. Juni 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. September 2004 erweisen sich als rechtswidrig, soweit darin die Feststellung eines Arbeitsunfalles vom August 1980 abgelehnt worden ist. Denn der Kläger kann im Wege der Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 SGG (vgl. Bundessozialgericht <BSG>, Beschluss vom 27. Juni 2006 – B 2 U 77/06 B - und Urteil vom 15. Februar 2005 – B 2 U 1/04 R –, jeweils in Juris) die Feststellung eines Arbeitsunfalles vom 03. August 1980 verlangen. Die Voraussetzungen für die Feststellung der bei ihm bestehenden Restsymptomatik nach operativ behandeltem Bandscheibenvorfall bei L5/S1 links im Jahr 1986 in Form eines chronischen Lumbalsyndromes als einer durch den Arbeitsunfall vom 03. August 1980 hervorgerufenen Gesundheitsbeeinträchtigung (§ 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG) liegen jedoch nicht vor. Insoweit war die Berufung zurückzuweisen.

Der vom Kläger erhobene Anspruch beurteilt sich noch nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO), da der geltend gemachte Unfall bereits vor dem Inkrafttreten des SGB VII am 01. Januar 1997 eingetreten war (Artikel 36 des Unfallversicherungseinordnungsgesetzes, §§ 212, 215 Abs. 1 SGB VII). Nach § 1150 Abs. 2 S. 1 RVO gelten Unfälle und Krankheiten, die vor dem 01. Januar 1992 eingetreten sind und die nach dem im Beitrittsgebiet geltenden Recht Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten der Sozialversicherung waren, als Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten im Sinne des Dritten Buches der RVO. Dies gilt allerdings nicht für Unfälle, die einem ab dem 01. Januar 1991 für das Beitrittsgebiet zuständigen Träger der Unfallversicherung erst nach dem 31. Dezember 1993 bekannt werden und die nach der RVO nicht zu entschädigen wären (§ 1150 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 RVO). Das vom Kläger behauptete Unfallgeschehen im August 1980 in der ehemaligen DDR ist der Beklagten als einem ab dem 01. Januar 1991 für das Beitrittsgebiet zuständigen Unfallversicherungsträger erst im Zusammenhang mit dem im Jahre 2001 gestellten Antrag auf Entschädigung seines Wirbelsäulenleidens als BK bekannt geworden.

Nach § 547 RVO werden Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung vom Träger gewährt, wenn ein Arbeitsunfall vorliegt. Arbeitsunfall im Sinne des § 548 Abs. 1 S. 1 RVO ist ein Unfall, den ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540, 543 bis 545 RVO genannten und danach versicherten Tätigkeiten erleidet. Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (st. Rspr. zu §§ 548, 550 RVO: BSG SozR 2200 § 548 Nr. 56 und § 550 Nr. 35).

Für einen Arbeitsunfall ist in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität). Alle rechtserheblichen Tatsachen müssen im Sinne des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden, mit Ausnahme derjenigen, die einen Ursachenzusammenhang (Unfallkausalität, haftungsbegründende und haftungsausfüllende Kausalität) ergeben. Der ursächliche Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht ist dagegen nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen, so dass hierfür grundsätzlich die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit - nicht allerdings die bloße Möglichkeit - ausreicht (vgl. hierzu Urteile des BSG in SozR 3-2200 § 551 Nr. 16 m. w. N., SozR 2200 § 551 Nr. 1 und SozR 4-5670 Anl. 1 Nr. 2402 Nr. 1). Eine Möglichkeit verdichtet sich dann zur Wahrscheinlichkeit, wenn nach der geltenden medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen Zusammenhang spricht und ernste Zweifel hinsichtlich einer anderen Verursachung ausscheiden (BSG in Breithaupt 1963, 60, 61). Voll bewiesen sein müssen aber auch hinsichtlich des Ursachenzusammenhangs immer die Ursache selbst und der ihr zuzurechnende Erfolg; die hinreichende Wahrscheinlichkeit bezieht sich nur auf die kausalen Zwischenglieder. Zu den voll zu beweisenden Tatsachen gehören damit z. B. die Erfüllung des Versicherungsschutztatbestands nach §§ 539 ff RVO, die Verrichtung der versicherten Tätigkeit, das äußere Ereignis, ein Körperschaden, die Plötzlichkeit als Unfallmerkmale und das Bestehen länger andauernder Gesundheitsstörungen als Unfallfolgen. Eine Tatsache ist bewiesen, wenn sie in so hohem Maße wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 9. Aufl. 2008, Randnr. 3b zu § 128 m. w. N.).

Zur Feststellung einer gesundheitlichen Beeinträchtigung infolge eines Arbeitsunfalls muss zwischen dem Unfallereignis und den geltend gemachten Unfallfolgen entweder mittels des Gesundheitserstschadens, z. B. bei einem Sprunggelenksbruch, der zu einer Versteifung führt, oder direkt, z. B. bei einer Amputationsverletzung, ein Ursachenzusammenhang nach der im Sozialrecht geltenden Theorie der wesentlichen Bedingung bestehen.

Die Theorie der wesentlichen Bedingung beruht ebenso wie die im Zivilrecht geltende Adäquanztheorie auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie als Ausgangsbasis. Nach dieser ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio-sine-qua-non). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und den anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen (vgl. Urteil des BSG vom 09. Mai 2006 – B 2 U 1/07 R -, in SozR 4-2700 § 8 Nr. 17). Da Verschulden bei der Prüfung eines Versicherungsfalls in der gesetzlichen Unfallversicherung unbeachtlich ist, weil verbotswidriges Handeln einen Versicherungsfall nicht ausschließt (§ 7 Abs. 2 SGB VII), erfolgt im Sozialrecht diese Unterscheidung und Zurechnung nach der Theorie der wesentlichen Bedingung. Nach dieser werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (grundlegend: Reichsversicherungsamt, AN 1912, S 930 f; übernommen vom BSG in BSGE 1, 72, 76; BSGE 1, 150, 156 f; ständige Rechtsprechung vgl. u. a. Urteile des BSG vom 12. April 2005 - B 2 U 27/04 R - in SozR 4-2700 § 8 Nr. 15 sowie vom 09. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R -, a. a. O.). Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. Gesundheitsschadens abgeleitet werden (vgl. Urteil des BSG vom 09. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R -, a. a. O.).

Für die wertende Entscheidung über die Wesentlichkeit einer Ursache hat die Rechtsprechung folgende Grundsätze herausgearbeitet: Es kann mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen geben. Sozialrechtlich ist allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende Ursache es war, ist unerheblich. "Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere(n) Ursache(n) keine überragende Bedeutung hat (haben) (vgl. u. a. BSG in SozR Nr. 69 zu § 542 a. F. RVO; BSG in SozR Nr. 6 zu § 589 RVO; Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Aufl. 2003, Anm. 1.3.6.1). Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur die erstgenannte(n) Ursache(n) "wesentlich" und damit Ursache(n) im Sinne des Sozialrechts (vgl. BSG in SozR Nr. 27 zu § 542 RVO; BSG in SozR Nr. 6 zu § 589 RVO). Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber (im zweiten Prüfungsschritt) nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden (vgl. BSG in SozR 2200 § 589 Nr. 10; BSG in SozR 2200 § 548 Nr. 75; Urteil vom 12. April 2005 - B 2 U 27/04 R – in SozR 4-2700 § 8 Nr. 15). Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte (BSG in SozR 2200 § 589 Nr. 10; Urteil vom 12. April 2005 - B 2 U 27/04 R – a. a. O.).

Gesichtspunkte für die Beurteilung der besonderen Beziehung einer versicherten Ursache zum Erfolg sind neben der versicherten Ursache bzw. dem Ereignis als solchem, einschließlich der Art und des Ausmaßes der Einwirkung, die konkurrierende Ursache unter Berücksichtigung ihrer Art und ihres Ausmaßes, der zeitliche Ablauf des Geschehens - aber eine Ursache ist nicht deswegen wesentlich, weil sie die letzte war -, weiterhin Rückschlüsse aus dem Verhalten des Verletzten nach dem Unfall, den Befunden und Diagnosen des erstbehandelnden Arztes sowie der gesamten Krankengeschichte. Ergänzend kann der Schutzzweck der Norm heranzuziehen sein (vgl. BSG in SozR 2200 § 548 Nr. 4; BSG in SozR 4-2200 § 589 Nr. 1).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze fehlt es zwar für ein Unfallereignis am 15. August 1980 am Vollbeweis. Denn eine nach den Vorschriften der DDR erforderliche Feststellung (Anerkennung) eines Arbeitsunfalles vom 15. August 1980 durch die Betriebsgewerkschaftsleitung (BGL) des VEB (K) Bau K W (vgl. § 222 Arbeitsgesetzbuch der DDR vom 16. Juni 1977 <GBl. I S. 185> i. V. m. § 2 Abs. 1 der Verordnung über die Sozialversicherung der Arbeiter und Angestellten – SVO – vom 14. November 1974 <GBl. I Nr. 58 S. 531>) liegt nicht vor. Zudem reicht allein der Umstand, dass der Zeuge P H in seiner schriftlichen Erklärung vom 26. Juni 2003 bestätigt, dass der Kläger an diesem Tag beim Waggonentladen einen Arbeitsunfall hatte, hierfür nicht aus. Schließlich wird dessen Aussage durch die zeitnah zu dem behaupteten Unfallgeschehen erstellten Dokumente, wie die Aufzeichnungen in der Patientenakte der Nervenklinik T sowie die darin enthaltene Unfallmeldung des Betriebes vom 22. August 1980, widerlegt. Der Senat sieht die vom Kläger (und dem Zeugen P H) im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren zunächst vorgenommene zeitliche Zuordnung des Unfallgeschehens zum 15. August 1980 als dem Zeitablauf und der durch fehlenden Besitz von Unfalldokumentationen erschwerten Erinnerungsvermögen geschuldet an, zumal der 15. August 1980 als Beginn der Behandlung in der Nervenklinik T und der Arbeitsunfähigkeit (vgl. SVA) sich als Anknüpfungspunkt für die Erinnerung anbot.

Jedoch sind nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens (§ 128 SGG) die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Feststellung eines Arbeitsunfalles des Klägers am 03. August 1980 erfüllt. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats insbesondere aus den zeitnah erstellten Dokumenten in der Patientenakte des Klägers der ehemaligen Nervenklinik T.

Zunächst liegt eine ordnungsgemäße Unfallmeldung (amtlicher Vordruck des Staatssekretariats für Arbeit und Löhne beim Ministerrat der DDR) des Arbeitgebers - VEB (K) Bau K W - vom 22. August 1980, gerichtet an den Bezirksvorstand des FDGB – Arbeitsschutzinspektion – L vor. Darin wird als Zeitpunkt des Unfalls der 03. August 1980 um 15:20 Uhr bei einem Arbeitsbeginn des Klägers um 14:00 Uhr und als Beginn der Arbeitsunfähigkeit der 21. August 1980 aufgeführt. Zum Unfallhergang wird dort geschildert: „Im Rahmen der Wochenendentladebereitschaft wurden durch Mitglieder der Brigade S am 03. August 1980 (Sonntag) 40 t Gasbetonmontagesteine (Gewicht pro Stück ca. 20 kg) per Hand entladen. Bei der Entladung eines Steines rutschte ich ab, trat zurück und verspürte plötzlich in der linken Hüfte einen durchziehenden Schmerz, der durch das linke Bein bis zum Fuß seine Fortsetzung fand. Zur Zeit der Verunfallung war nicht abzusehen, dass dieser Unfall zu einer Krankschreibung führen würde. Die Entladearbeit wurde bis gegen 22:00 Uhr durchgeführt.“ Als Unfallursache wird mitgeteilt: „Unebenheit der Standfläche durch Entladeabfall.“ Als Zeugen sind „Brigadier H S und Maurer W R“ und als Verantwortlicher für die Unfalluntersuchung „O S OBL II Bauleiter“ benannt. Unterschrieben ist die Unfallmeldung von Herrn S, den Zeugen S und R und einer nicht zu entziffernden weiteren Person, dem Kläger sowie dem Betriebsleiter (Name ist nicht erkennbar).

Zwar fehlt es auch für das zuvor geschilderte Geschehen an einer – eindeutigen - Feststellung (Anerkennung) eines Arbeitsunfalles durch die BGL des VEB (K) Bau K W, denn die Rubrik 23 der Unfallmeldung „Als Arbeitsunfall – anerkannt – nicht anerkannt (von der BGL bzw. von der Verwaltung zu entscheiden)“ ist von einer nicht näher identifizierbaren Person unterschrieben, ohne dass das Nichtzutreffende durchgestrichen worden ist. Dies steht einer eigenständigen Prüfung der tatbestandlichen Voraussetzungen eines Arbeitsunfalles durch das Gericht bzw. den Unfallversicherungsträger aber nicht entgegen. Die weiteren, vor Eingang der Unfallmeldung erfolgten Aufzeichnungen in der Patientenakte der Nervenklinik T bestätigen ein Unfallgeschehen beim Waggonentladen am 03. August 1980. So wird in den handschriftlichen Aufzeichnungen der behandelnden Ärzte vom 15. August 1980 als Ursache der Beschwerden nach der Schilderung des Klägers aufgeführt: „Am 03. August 1980 beim Waggonabladen plötzlich einschießende Schmerzen, Bereich linkes Gesäß, linkes Bein bis linker Oberschenkel, Wade, Fuß … Beschwerden bis jetzt unverändert. …. 1970/72 als Dreher gearbeitet – wegen Rückenbeschwerden Beruf gewechselt.“ Ebenso findet sich bei den handschriftlichen Notizen zur Aufnahmeuntersuchung vom 28. August 1980 die Darstellung: „Am 03. August 1980 beim Abladen von Gasbetonsteinen bzw. beim Anheben eines Steines plötzlich scharfer einschießender Schmerz in der LWS, Gesäß, …. Die Schmerzen seien nicht abgeklungen, hätten in den nächsten 3 Wochen noch an Intensität zugenommen, am 21. August 1980 starke Zunahme der Schmerzen, habe kaum noch aufstehen können.“

Unter Zugrundelegung dieser zeitnahen Angaben, insbesondere in der von Zeugen des Geschehens unterschriebenen offiziellen Unfallmeldung vom 22. August 1980, sind die tatbestandlichen Voraussetzungen für einen Arbeitsunfall am 03. August 1980 als erfüllt anzusehen:

Zweifellos gehörte das Entladen von Baumaterialien (Gasbetonsteinen mit einem Gewicht von 20 kg pro Stück) im Rahmen der Wochenendbereitschaft am 03. August 1980 zu den Arbeitsaufgaben des Klägers, d. h. seiner versicherten Tätigkeit (§ 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO) als Bauleiter beim VEB (K) Bau K W, was durch die Angaben des Zeugen P H im Erörterungstermin des SG Potsdam vom 27. Februar 2009 im Verfahren S 12 U 145/02 nochmals bekräftigt wird. Hierbei ereignete sich auch ein Unfall, d. h. ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis. Denn für einen Unfall ist kein besonderes, ungewöhnliches Geschehen erforderlich, so dass auch alltägliche Vorgänge genügen können. Die Definition des von außen auf den Körper einwirkenden Ereignisses dient vor allem der Abgrenzung zu inneren Ursachen, wie Herzinfarkt, Kreislaufkollaps usw., wenn diese während der versicherten Tätigkeit auftreten, sowie zur vorsätzlichen Selbstschädigung (vgl. BSG, Urteile vom 12. April 2005 - B 2 U 27/04 R – und 09. Mai 2006 – B 2 U 26/04 R -, jeweils in juris). Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung ist davon auszugehen, dass grundsätzlich auch das gewollte Anheben einer schweren Last – wie hier das Anheben, Tragen und Absetzen von 20 kg schweren Gasbetonsteinen -, welches zu einer Gesundheitsschädigung führt, ein von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis im Sinne des Unfallbegriffes des § 548 Abs. 1 RVO bzw. des § 8 Abs. 1 S. 2 SGB VII sein kann (vgl. Ziegler in LPK-SGB VII, 2. Aufl., Randnr. 29 zu § 8). Vorliegend kommt erschwerend hinzu, dass gemäß der Unfallmeldung vom 22. August 1980 der Kläger beim Entladen eines Gasbetonsteines wegen der Unebenheit der Standfläche abrutschte. Beim Kläger bestand, wie von den behandelnden Ärzten in der Nervenklinik T aufgrund der Ergebnisse ihrer Untersuchungen vom 15. August und 28. August 1980 und den hierbei erfolgten Angaben des Klägers diagnostiziert, ab dem 03. August 1980 eine Wurzelreizsymptomatik der Nervenwurzeln L5 und S1 links, d. h. ein Gesundheits(erst)schaden. Es ist auch hinreichend wahrscheinlich, dass dieses lumbale Wurzelreizsyndrom durch den Abladevorgang mit Abrutschen unter Last wesentlich verursacht worden ist. Dafür spricht zum Einen schon der enge zeitliche Zusammenhang, denn es zeigte sich sofort nach dem Abrutschen mit der Last und dem dadurch bedingten „Zurücktreten“ (Ausgleichsbewegung) ein in die linke Hüfte einschießender bis in den linken Fuß ziehender Schmerz, der zu einer zunehmender Bewegungseinschränkung führte. Zum Anderen sind auch die behandelnden Ärzte von der Nervenklinik T aufgrund der Ergebnisse ihrer Untersuchungen zeitnah zu dem Ergebnis gelangt, dass bereits am 03. August 1980 durch den geschilderten Entladevorgang die Wurzelreizsymptomatik der Nervenwurzeln L5 und S1 links verursacht worden ist (vgl. Arztbriefe vom 12. November 1980 und 13. Januar 1981). So heißt es im Arztbrief vom 13. Januar 1981: ..„auf Veranlassung unseres ehemaligen Patienten … sowie Einsicht in den Unfallmeldebogen vom 22. August 1980 teilen wir mit, dass Herr G wegen einer akuten lumbalen Wurzelreizsymptomatik der Nervenwurzeln L5 und S1 links bei röntgenologisch nachgewiesener Bandscheibenschädigung LWK 5/S1 vom 21. August bis zum 26. November 1980 arbeitsunfähig war. Nach der Anamnese ist die akute Schmerzsymptomatik – nicht die Bandscheibenschädigung – mit relativer Wahrscheinlichkeit auf die hebenden und drehenden Körperbewegungen beim Waggonabladen am 03.08.80 bzw. beim Abrutschen bei der Entladung eines ca. 20 kg schweren Gasbetonmontagesteins – wie es in der Unfallmeldung heißt – zurückzuführen gewesen….“.

Bleibende Unfallfolgen des Arbeitsunfalles vom 03. August 1980 können dagegen nicht festgestellt werden. Die nach dem 27. November 1980 aufgetretenen Gesundheitsstörungen im Bereich der LWS, insbesondere die im CT vom 29. November 1986 sich zeigende Bandscheibenschädigung in Form eines Nucleus pulposus Prolaps links lateral in Höhe L5/S1, sind nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf den Arbeitsunfall vom 03. August 1980 zurückzuführen.

So war der durch den Arbeitsunfall vom 03. August 1980 bedingte Gesundheits(erst)schaden in Form einer Wurzelreizsymptomatik, wie den Arztbriefen der Nervenklinik T vom 12. November 1980 und 13. Januar 1981 sowie dem BB des Neurologen Dr. P vom 20. Oktober 2005 unzweifelhaft zu entnehmen ist, nach konservativer stationärer Behandlung, wenn auch langsam, abgeklungen und der Kläger seit dem 27. November 1980 wieder voll arbeitsfähig als Bauleiter. Anhaltspunkte für eine über diesen Zeitpunkt hinaus fortdauernde Wurzelreizsymptomatik lassen sich den vorliegenden Unterlagen nicht entnehmen. Behandlungen und/oder Arbeitsunfähigkeit wegen Lumbalbeschwerden sind im SVA nach dem in der DDR zur Anwendung kommenden Diagnoseschlüssel ICD-9 (Fassung ab 1979) nur wie folgt verzeichnet: Behandlung vom 15. August bis zum 12. November 1980 (mit Arbeitsunfähigkeit vom 21. August bis 26. November 1980) wegen „724.4“ (= Thorakale oder lumbosakrale Neuritis oder Radikulitis ohne nähere Angaben), am 24. Mai 1984 (mit Arbeitsunfähigkeit vom 21. Mai bis zum 27. Mai 1984) wegen „724.2“ (= Lumbago) und vom 13. August bis zum 25. September 1986 (mit Arbeitsunfähigkeit vom 13. August 1986 bis zum ?) wegen „724.3“ (= Ischialgie); die späteren stationären Behandlungen sind ohne Diagnoseschlüssel eingetragen. Demzufolge hatte bis Mai 1984 keinerlei ärztliche Behandlung wegen Lumbalbeschwerden und dann nur kurzzeitig stattgefunden. Zudem hatte der Kläger bei seiner Wiederaufnahme in die Nervenklinik T am 13. August 1986 gemäß den handschriftlichen Notizen des aufnehmenden Arztes angegeben, nach der Entlassung 1980 nicht ernsthaft erkrankt gewesen zu sein, insbesondere sei kein stationärer Krankenhauaufenthalt notwendig gewesen, er habe körperliche Arbeiten gemieden. Seit dem Frühjahr 1986 verspüre er zunehmend Schmerzen in der LWS, der linken Gesäßhälfte und im linken Unterschenkel. Nach diesen Angaben kann schon keine zeitliche Verknüpfung der ab dem Frühjahr 1986 aufgetretenen Wurzelreizsymptomatik bzw. der im CT vom 29. November 1986 sich zeigenden Bandscheibenschädigung in Form eines Nucleus pulposus Prolaps links lateral in Höhe L5/S1 mit dem Arbeitsunfall vom 03. August 1980 erfolgen. Zudem fehlt es am Nachweis von Brückensymptomen in Form von behandlungsbedürftigen lumbosacralen Nervenwurzelreizzuständen. Ein frischer Bandscheibenvorfall im Bereich der LWS war nach dem Unfall vom 03. August 1980 nicht festzustellen. Die Befunde zu den in der Nervenklinik T 1980 gefertigten Röntgenaufnahmen geben dazu nichts her. Vielmehr zeigen diese degenerative bzw. anlagebedingte Veränderungen im Bereich der LWS auf. Soweit neben dem deutlichen Achssprung bei L4/L5 und den mäßigen arthrotischen Veränderungen auch Bandscheibenveränderungen für den Bereich L5/S1 (erniedrigter Zwischenraum) beschrieben werden, ist dieser Bandscheibenschaden nicht durch den Arbeitsunfall vom 03. August 1980 verursacht worden. Darauf haben bereits die damals behandelnden Ärzte der Nervenklinik T in ihrer Stellungnahme vom 13. Januar 1981 ausdrücklich hingewiesen. Dies steht auch in Übereinstimmung mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen, wie sie in der unfallmedizinischen Literatur veröffentlicht sind (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, Kap. 8.3.2.6.2). Danach entstehen traumatische Bandscheibenschäden meistens mit Wirbelkörperfrakturen. Die Bandscheibenbeteiligung ist eine häufige Begleitverletzung des Wirbelkörperbruchs. Ein Wirbelkörperbruch ist nach den vorliegenden Befunden jedoch ausgeschlossen. Nach der unfallmedizinischen Literatur ist weiter zu beachten, dass traumatische Bandscheibenvorfälle aus anatomischen Gründen stets mit begleitenden minimalen knöchernen oder Bandverletzungen einhergehen (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., Kap. 8.3.2.6.3). Denn vor einer unfallbedingten mechanischen Schädigung der Bandscheibe müssen die die Bandscheiben sichernden, gelenkigen und ligamentären Strukturen verletzt werden. Erst beim Überschreiten der durch einen intakten Bandapparat vorgegebenen Grenzen normaler Bewegung mit Durchtrennen der Bänder treten Bandscheibenschäden ein. Diese Ausführungen gelten nicht nur für Bandscheibenvorfälle, sondern für jegliche Bandscheibenschäden. Die genannten Veränderungen sind bei dem Kläger jedoch ebenfalls nicht gesichert. Es sind weder Bandverletzungen noch Risse im Faserring oder eine Fraktur der Deckplatten, die bei einer Kompressionsbelastung eintritt, beschrieben. Abgesehen von der schon fehlenden engen zeitlichen Verknüpfung kann der im November 1986 im CT gesicherte und operativ behandelte Bandscheibenvorfall in Höhe L5/S1 wie auch die danach aufgetretenen Lumbalbeschwerden auch aus diesem Grund nicht mit Wahrscheinlichkeit auf den Unfall vom 03. August 1980 zurückgeführt werden. Da der Kläger vor dem Unfall beschwerdefrei gewesen sein will und die Eintragungen im SVA der Annahme einer wesentlichen Beschwerdefreiheit nicht entgegenstehen, scheidet die Diskussion einer unfallursächlichen Verschlimmerung einer Gesundheitsschädigung aus.

Soweit Dr. P von der Landesklinik T in seiner neurologischen Stellungnahme vom 20. Oktober 2005 die Vermutung äußert, am 03. August 1980 sei es zu einer - nicht näher definierten – Bandscheibenschädigung auf der Grundlage vorbestehender degenerativer Veränderungen gekommen, fehlt es – wie er selbst ausführt – an einem konkreten Nachweis einer frischen Bandscheibenschädigung. Zudem setzt sich Dr. P nicht mit den unfallmedizinischen Kriterien für eine traumatische Bandscheibenschädigung auseinander. Selbst nach seiner Auffassung ist eine direkte und bleibende Unfallfolge nicht festzustellen. Hinsichtlich der von ihm diskutierten Möglichkeit einer Verschlimmerung der degenerativen Veränderungen der Bandscheiben durch das Unfallgeschehen und damit einer (mittelbaren) Mitverursachung des 1986 festzustellenden Bandscheibenvorfalls in Höhe L5/S1 bewegt er sich im spekulativen Bereich. Eine an Hand der unfallmedizinischen Kriterien nachvollziehbare Begründung, insbesondere eine Auseinandersetzung mit den vorhandenen anlagebedingten und degenerativen Veränderungen (Skoliose, Achssprung L4/L5 etc.) liefert er nicht.

Daher war die Berufung im Übrigen zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, sie folgt der Entscheidung in der Hauptsache.

Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.