Gericht | LSG Berlin-Brandenburg 1. Senat | Entscheidungsdatum | 30.09.2014 | |
---|---|---|---|---|
Aktenzeichen | L 1 KR 331/14 B ER | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 256a SGB 5, § 5 Abs 1 Nr 13 SGB 5, § 19 SGB 5 |
Der Anspruch auf Erlass von Beitragsschulden gem. § 256 a SGB 5 setzt nicht offensichtlich voraus, dass im Erlasszeitraum keinerlei Sachleistung in Anspruch genommen wurde.
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 14. August 2014 aufgehoben. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 6. Mai 2013 in der Gestalt des Bescheides vom 1. November 2013 und des Widerspruchsbescheides vom 6. Mai 2014 wird angeordnet, soweit die Antragsgegnerin für die Zeit vom 14. August 2010 bis 31. März 2013 Beiträge, Säumniszuschläge und Mahngebühren in Höhe von 5.001,04 € einfordert.
Die Antragsgegnerin hat die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers zu erstatten.
I.
Streitig ist eine Beitragsnachforderung.
Der 1952 geborene Antragsteller war bis zum 13. August 2010 bei der Beklagten wegen einer Beschäftigung pflichtversichert. Bereits seit dem 1. Juli 2010 erhielt er von dem Jobcenter Charlottenburg-Wilmersdorf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes. Am 16. Augst 2010 suchte der Antragsteller die Vertragsärztin I S-S auf, die ihm eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für die Zeit vom 14. August 2010 bis 28. August 2010 ausstellte.
Am 11. April 2013 zeigte der Antragsteller bei der Antragsgegnerin das Bestehen einer Pflichtversicherung gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 13 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - SGB V - an. Durch Bescheid vom 6. Mai 2013 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, dass seine Mitgliedschaft mit dem 14. August 2010 beginne. Ab dem 1. Januar 2013 seien laufende Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in monatlicher Höhe von 152,27 € zu zahlen. Für die Zeit vom 14. August 2010 bis 31. März 2013 ergebe sich ein nachzuzahlender Betrag in Höhe von 4.584,84 €.
Am 10. Juli 2013 beantragte der Antragsteller die Überprüfung, ob seine Beitragsschulden aufgrund der neuen Gesetzeslage reduziert werden könnten. Das lehnte die Antragsgegnerin durch Bescheid vom 1. November 2013 ab. Ein Erlass der Beiträge nach dem mittlerweile in Kraft getretenen Gesetz zur Beseitigung sozialer Überforderung bei Beitragsschulden in der Krankenversicherung könne nicht erfolgen, weil der Antragsteller im Nacherhebungszeitraum Leistungen der Kranken- und Pflegeversicherung bezogen habe. Den dagegen am 2. Dezember 2013 erhobenen Widerspruch wies die Antragsgegnerin durch Widerspruchsbescheid vom 6. Mai 2014 zurück.
Mit der am 5. Juni 2014 bei dem Sozialgericht Berlin eingegangenen Klage und dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vom gleichen Tage begehrt der Antragsteller, dass ihm seine Beitragsschulden teilweise erlassen werden und die bereits angekündigte Vollstreckung insoweit unterbleibt. Die Antragsgegnerin hat eine Aufstellung vom 23. Juli 2014 vorgelegt, wonach der Antragssteller Beitragsrückstände für die Zeit bis Juli 2010 in Höhe von 2.621,45 €, für den Nacherhebungszeitraum von August 2010 bis März 2013 in Höhe von 5.001,04 € und für die Monate von April bis Juni 2014 in Höhe von 2.483,65 € habe.
Das Sozialgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung durch Beschluss vom 14. August 2014 abgelehnt, nachdem es eine Auskunft des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen eingeholt hat. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass Gründe für die Rechtswidrigkeit des bestandskräftig gewordenen Beitragsbescheides vom 6. Mai 2013 nicht ersichtlich seien. Auch die Voraussetzungen für einen (teilweisen) Erlass der Beitragsschulden lägen nicht vor. Denn der erforderliche Verzicht auf die Inanspruchnahme von Leistungen in dem Zeitraum, für den Beiträge nacherhoben werden, sei nicht erfüllt. Der Antragsteller habe nach Beendigung seiner abhängigen Beschäftigung noch Leistungen in Form der ärztlichen Feststellung seiner Arbeitsunfähigkeit in Anspruch genommen. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen, dem der Gesetzgeber aufgetragen habe, das Nähere zur Ermäßigung und zum Erlass von Beiträgen und Säumniszuschlägen zu regeln, habe formuliert, dass der Versicherte für den Erlass der Beiträge auf Kostenübernahme oder Kostenerstattung in Anspruch genommener Leistungen verzichten müsse. Aus der klarstellenden Ergebnisniederschrift der Fachkonferenz Beiträge vom 19. November 2013 ergebe sich, dass jegliche Leistungsinanspruchnahme im Nacherhebungszeitraum den Beitragserlass ausschließe. Auch bei geringwertigen Leistungen komme ein „Rückkauf“ zum Zwecke eines Beitragserlasses nicht in Betracht, da kein Günstigkeitsvergleich eröffnet werden sollte. Die Inanspruchnahme der Leistung sei auch nicht durch den nachgehenden Versicherungsschutz gedeckt, weil dieser durch die Regelungen über die Auffangversicherung verdrängt werde.
Gegen den ihm am 20. August 2014 zugestellten Beschluss richtet sich die am 28. August 2014 bei dem Sozialgericht eingegangene Beschwerde des Antragstellers. Der Antragsteller macht geltend, dass der Spitzenverband nur den Fall eines Verzichtes auf noch zu vergütende Leistungen geregelt habe. Es verstoße gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung, wenn bei bereits in Anspruch genommenen Behandlungsleistungen in Kostenerstattungsfällen ein nachträglicher Verzicht möglich sei, nicht aber ein „Rückkauf“ bereits erbrachter Leistungen. Die Krankschreibung sei auch keine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung, weil sie nicht in § 11 SGB V näher umschrieben sei. Zudem lasse sie keine zusätzlichen Kosten entstehen.
Der Antragsteller beantragt – nach dem Sinn seines Vorbringens -
den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 14. August 2014 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 6. Mai 2013 in der Gestalt des Bescheides vom 1. November 2013 und des Widerspruchsbescheides vom 6. Mai 2014 anzuordnen, soweit die Antragsgegnerin für die Zeit vom 14. August 2010 bis 31. März 2013 Beiträge, Säumniszuschläge und Mahngebühren in Höhe von 5.001,04 € einfordert.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält den Beschluss des Sozialgerichts für zutreffend. Die Rechtmäßigkeit der der Beitragsforderung zugrundeliegenden Verwaltungsakte sei nicht ernstlich zweifelhaft. Der Krankschreibung des Antragstellers werde eine Untersuchung vorangegangen sein, die als ärztliche Behandlung Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung sei. Auch die Krankschreibung selbst sei nach dem EBM abrechenbar. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die von ihr – der Beklagten - vorgenommene Verfahrensweise, die durch die vom Sozialgericht eingeholte Stellungnahme des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen bestätigt worden sei, bestünden nicht. Die zu vergleichenden Sachverhalte seien nicht wesentlich gleich. Verbleibende verfassungsrechtliche Bedenken seien im Verfahren der Hauptsache zu prüfen.
Für die Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Beratung gewesen sind.
II.
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 14. August 2014 hat Erfolg.
Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG – kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Die vom Antragsteller erhobene Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 1. November 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Mai 2014 erfasst auch den Bescheid vom 6. Mai 2013. Denn in dem Bescheid vom 1. November 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Mai 2014 lehnt die Antragsgegnerin den Erlass einer Beitragsforderung ab, wie sie von ihr in dem Bescheid vom 6. Mai 2013 festgesetzt worden ist und wiederholt und bestätigt diesen Bescheid damit. Die Regelungsgegenstände der Bescheide überschneiden sich folglich. Der Bescheid vom 6. Mai 2013 war auch noch nicht bestandskräftig, als der Antragsteller gegen die Ablehnung des Beitragserlasses am 10. Juli 2013 Widerspruch einlegte. Der Bescheid vom 6. Mai 2013 trug nämlich keine Rechtbehelfsbelehrung, so dass nach §§ 84 Abs. 2 Satz 3, 66 Abs. 2 SGG eine Widerspruchsfrist von einem Jahr galt.
Die Klage gegen das Festhalten an der Nachforderung von Beiträgen für den Zeitraum vom 14. August 2010 bis 31. März 2013 hat nach § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG keine aufschiebende Wirkung. Anzuordnen ist die aufschiebende Wirkung einer erhobenen Anfechtungsklage in den Fällen des § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG aber jedenfalls dann, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides bestehen (vgl. etwa Beschluss des LSG Schleswig-Holstein v. 25. Juni 2012 – L 5 KR 81/12 B ER – juris Rn 14). Dies ergibt sich aus einem Vergleich mit der Vorschrift des § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG. Im Übrigen gibt der Gesetzgeber in § 86b Abs. 1 SGG nicht ausdrücklich vor, nach welchen Maßstäben über die Aussetzung einer sofortigen Vollziehung zu entscheiden ist. Hat der Gesetzgeber indessen – wie es § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG voraussetzt – an anderer Stelle bereits grundsätzlich die sofortige Vollziehbarkeit einer Verwaltungsentscheidung angeordnet, nimmt er damit in Kauf, dass eine angefochtene Entscheidung vollstreckbar bleibt, obwohl über ihre Rechtmäßigkeit noch nicht abschließend entschieden worden ist. Als Ausnahme von diesem Grundsatz ist nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG zumindest in den Fällen einer offensichtlichen Rechtswidrigkeit die Vollziehbarkeit auszusetzen, weil dann kein öffentliches Interesse an einer Vollziehung erkennbar ist. Unterbleiben muss eine Aussetzung dagegen, wenn der eingelegte Rechtsbehelf offensichtlich aussichtslos ist. In diesen Fällen gibt es keine Veranlassung, von dem vom Gesetzgeber für richtig gehaltenen Grundsatz abzuweichen. In den übrigen Fällen, in denen die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung nicht klar erkennbar ist, kommt es auf eine Interessenabwägung an (BT-Drs 11/3480, S. 54). Je geringer die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs sind, desto mehr muss für den Betroffenen auf dem Spiel stehen, damit trotz bloßer Zweifel an der Rechtmäßigkeit einer angefochtenen Maßnahme entgegen der grundsätzlichen Entscheidung des Gesetzgebers die aufschiebende Wirkung angeordnet werden kann (vgl. zum Ganzen Keller in Meyer-Ladewig, SGG, 10. Aufl., § 86b Rn 12f mit weit. Nachw.).
Bei Beachtung dieser Maßstäbe muss der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung hier Erfolg haben. Denn die Rechtmäßigkeit der Beitragserhebung für den Zeitraum vom 14. August 2010 bis 31. März 2013 ist ungeklärt und eher zweifelhaft. Es ist dagegen nicht ersichtlich, welches besondere Interesse die Antragsgegnerin daran haben sollte, ihre Beitragsnachforderungen auch gerade für den streitigen Zeitraum zu vollstrecken. Denn es sind noch weitere Beitragsnachforderungen und auch laufende Versicherungsbeiträge offen, deren Durchsetzung die Antragsgegnerin betreiben kann. Nach Aktenlage kann nicht davon ausgegangen werden, dass bei dem Antragsteller Vermögen oder Einkünfte vorhanden sind, die zur Befriedigung sämtlicher von der Antragsgegnerin erhobener Ansprüche ausreichen. Insoweit ist nicht zu befürchten, dass sich die Aussichten der Antragsgegnerin zur Durchsetzung ihrer Forderungen insgesamt verschlechtern würden, wenn für einen bestimmten Zeitraum im Hinblick auf die ungeklärte Rechtslage die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet wird.
Die Rechtmäßigkeit der Beitragsforderung für den streitigen Zeitraum ist fraglich, weil sich aus § 256a Abs. 2 SGB V dem Grunde nach ein Anspruch des Antragstellers auf Erlass der Beitragsschuld einschließlich Säumniszuschläge ergibt. Das wird von der Antragsgegnerin auch nicht in Frage gestellt.
Die Antragsgegnerin beruft sich stattdessen darauf, dass ein Erlass hier ausgeschlossen sei, weil der Anspruchsteller nach dem am 14. August 2010 beginnenden Eintritt von Versicherungspflicht gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V sich am 16. August 2010 in ärztliche Behandlung bei einem Vertragsarzt begeben und damit eine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung in Anspruch genommen hat. Ob dies geeignet ist, den Anspruch auf Beitragserlass zum Erlöschen zu bringen, erscheint indessen zweifelhaft. In § 256a Abs. 4 Satz 1 SGB V hat der Gesetzgeber zwar dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen das Mandat erteilt, das Nähere zum Erlass von Beiträgen und Säumniszuschlägen zu regeln, insbesondere einen Verzicht auf die Inanspruchnahme von Leistungen als Voraussetzung für den Erlass auszugestalten. Das ist indessen nicht ohne Weiteres auch Ermächtigungsgrundlage für eine Regelung, nach der jede tatsächliche Inanspruchnahme von Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung in der Vergangenheit einen Erlass ausschließt. Ein Verzicht setzt nämlich voraus, dass noch Ansprüche bestehen (Felix, NZS 2013, S. 924/925). Jedenfalls bei Inkrafttreten des § 256a SGB V am 1. August 2013 hatte der Antragsteller aber keine Ansprüche wegen der Übernahme von Kosten einer Krankenbehandlung gegen die Antragsgegnerin mehr, für die jetzt von ihm ein Verzicht gefordert werden könnte. Der Gesetzgeber wollte den betroffenen Versicherten aber durch die Einführung die Wahl eröffnen, von dem Beitragserlass Gebrauch zu machen oder nachträglichen Versicherungsschutz durch das Einreichen von Rechnungen in Anspruch zu nehmen (BT-Drs 17/13947 S. 29). Diese Alternative stellt sich für den Antragsteller nicht. Die Regelungen in § 256a SGB V sind zugeschnitten auf den Fall einer den Krankenkassen mangels Meldung/Anzeige unbekannt gebliebenen Auffangmitgliedschaft nach § 5 Abs.1 Nr. 13 SGB V (BT-Drs 17/13947 S. 28). Eine tatsächlich erfolgte Inanspruchnahme von Leistungen steht aber einer Meldung als Versicherter zumindest nahe und hätte deswegen Anlass für die Prüfung des Versicherungsverhältnisses einschließlich der Durchsetzung bestehender Beitragsforderungen gewesen sein können. Die sich aus der unterbliebenen Prüfung ergebenen nachteiligen Folgen müssen nicht notwendig alleine dem Antragsteller angelastet werden. Zumindest erscheint fraglich, ob die im Gesetz beschriebenen Voraussetzungen vorliegen, unter denen die Nichterklärung eines Verzichts zum Untergang des Erlassanspruches führen. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass nach der Vorstellung des Gesetzgebers mit dem Erlass des Gesetz zur Beseitigung sozialer Überforderung bei Beitragsschulden in der Krankenversicherung ein Anreiz für die Vielzahl der unerkannt gebliebenen Versicherten geschaffen werden sollte, sich umgehend als Krankenversicherte zu melden (Felix NZS 2013, 921/922). Diese Anreizfunktion, welche auf die Herstellung von Versicherungsschutz und nicht auf die Beitragsoptimierung der Krankenkassen zielt, ginge in Fällen wie dem Vorliegenden vollständig verloren, wenn aus ökonomischer Sicht der vorteilhafteste Weg gewesen wäre, weiter von einer Anzeige der Versicherungspflicht Abstand zu nehmen.
Auch in den vom Spitzenverband Bund der Krankenkassen verabschiedeten Einheitlichen Grundsätzen findet sich keine Regelung für den Fall, dass Sachleistungen in der Vergangenheit in Anspruch genommen wurden. § 2 Satz 4 der Einheitlichen Grundsätze zur Beseitigung finanzieller Überforderung bei Beitragsschulden vom 4. September 2013 formuliert lediglich, dass ein Erlass der Beiträge die Erklärung des Mitglieds voraussetze, während des Nacherhebungszeitraums Leistungen für sich nicht in Anspruch genommen zu haben oder im Falle einer Inanspruchnahme auf eine Kostenübernahme oder Kostenerstattung zu verzichten. In Betracht kommt hier nur die zweite Alternative („im Falle einer Inanspruchnahme“), die sich jedenfalls ihrem Wortlaut nach ebenfalls nur auf nach einer Behandlung noch offene Kostenansprüche bezieht. Ein solcher Anspruch liegt hier aber nicht vor, so dass die Nichterklärung eines Verzichts keine negativen Folgen für den Erstattungsanspruch haben kann.
Lediglich aus der Ergebnisniederschrift der Fachkonferenz Beiträge vom 19. November 2013 ergibt sich, dass jegliche Leistungsinanspruchnahme im Nacherhebungszeitraum durch das Mitglied einen Beitragserlass ausschließt. Die Fachkonferenz Beiträge ist aber nicht vom Gesetzgeber beauftragt worden, die Voraussetzungen des § 256a SGB V näher auszugestalten. Es ist auch völlig ungeklärt, ob deren Erkenntnisse als eine Art von authentischer Interpretation der Einheitlichen Grundsätze angesehen werden könnten. Und selbst dann wäre noch zu prüfen, ob dieser erweiterte Ausschluss mit der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage in Übereinstimmung steht.
Die entscheidungserhebliche Rechtsfrage, ob eine vor dem In-Kraft-Treten des § 256a SGB V erfolgte tatsächliche Inanspruchnahme ärztlicher Leistungen hinsichtlich des Untergangs des Erlassanspruchs der Verweigerung eines Verzichtes auf Kostenerstattungs- oder Übernahmeansprüche gleich steht, kann danach nur als offen angesehen werden. Ihre Entscheidung muss dann aber dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben, in dem auch zu berücksichtigen sein wird, dass der Antragsteller die Vertragsärztin zu einer Zeit aufgesucht hat, als er noch Ansprüche auf nachwirkenden Versicherungsschutz nach § 19 Abs. 2 SGB V hatte. Der Auffangtatbestand nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V verdrängt nämlich nicht immer aus dem nachwirkenden Versicherungsschutz herrührende Leistungsansprüche (vgl. BSG, Urt. v. 4. März 2014 – B 1 KR 68/12 R).
Nach alledem musste die Beschwerde Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung ergeht nach § 193 SGG.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).