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Entscheidung 13 O 44/19


Metadaten

Gericht LG Frankfurt (Oder) 3. Zivilkammer Entscheidungsdatum 14.11.2019
Aktenzeichen 13 O 44/19 ECLI ECLI:DE:LGFRANK:2019:1114.13O44.19.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

1. Der Beklagte hat es zu unterlassen, die Trinkwasserversorgungsleitung der Aufgänge 1 bis 5 des Gebäudes … in … stillzulegen und die Trinkwasserversorgung des Gebäudes einzustellen.

2. Die Widerklage wird abgewiesen.

3. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

5. Der Streitwert wird auf 31.776,21 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Rechtmäßigkeit einer Einstellung der Trinkwasserversorgung.

Der Beklagte ist ein kommunales Wasserversorgungsunternehmen und versorgt das Gebäude der Klägerin, eine …, … in 1…, einen Plattenbau, mit Trinkwasser, derzeit über eine Trinkwasserleitung, an die im Kellerbereich für jeden der 5 Aufgänge des Gebäudes jeweils Steigeleitungen mit Zählern und Absperrventilen angeschlossen sind. Es handelt sich um eine Versorgung über sog. Konverterleitungen, d.h. dass die Trinkwasseranschlussleitungen ausgehend vom öffentlichen Straßenraum durch hintereinander liegende komplexe Wohngebäude hindurchgeführt worden sind. Die Trinkwassererschließung stammt aus DDR-Zeiten.

Die Parteien sind durch einen Trinkwasserlieferungsvertrag miteinander verbunden. Diesem Vertrag liegen die Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Wasser (AVBWasserV) und die Ergänzenden Bedingungen des Wasserverbandes Straußberg-Erkner (WSE) zu den Allgemeinen Bedingungen für die Versorgung mit Wasser (AVBWasserV) vom 19.10.2005 in der Fassung der 1. Änderung vom 18.11.2015 zugrunde. Der Beklagte verlegte in der Folge eine neue Trinkwasserleitung, lieferbereit bis an die Giebelwand Am Reiherhorst 5. Vorprozessual forderte er die Klägerin auf, eine neue Grundleitung nebst Anschlüssen für die fünf Steigestränge zu verlegen sowie einen neuen Hausanschluss mit Kernbohrung zu bezahlen. Die Klägerin widersprach diesem Ansinnen.

Mit Schreiben vom 25.01.2018 kündigte der Kläger an, die bisherige, aus seiner Sicht nicht instandsetzungsfähige Trinkwasserleitung zum 28.02.2018 stillzulegen und die Trinkwasserversorgung hierüber einzustellen.

Die Klägerin erwirkte daraufhin eine einstweilige Verfügung gegen den Beklagten, womit diesem die Unterlassung der Einstellung der Wasserversorgung aufgegeben wurde. Auf den Widerspruch des Beklagten wurde die einstweilige Verfügung vom 23.02.2018 mit Urteil vom 19.12.2018 aufrechterhalten. Die Berufung des Beklagten hiergegen blieb erfolglos.

Die Klägerin verfolgt nunmehr dieses Begehren in der Hauptsache weiter. Sie meint, die Voraussetzungen für eine dauerhafte Einstellung der Versorgung nach § 33 AVBWasserV lägen nicht vor. Das Gebäude der Klägerin verfüge über eine seit Jahrzehnten funktionierende Trinkwassergrundleistung und fünf Hausanschlüssen. Es liege damit keine (erstmalige) Erstellung des Hausanschlusses vor, sondern eine Veränderung des Hausanschlusses. Die Kosten der bloßen Veränderung eines Hausanschlusses hätte jedoch er Beklagte zu tragen.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen, die Trinkwasserversorgungsleitung der Aufgänge 1 bis 5 des Gebäudes … in … stillzulegen und die Trinkwasserversorgung des Gebäudes einzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte meint, für das pauschale Unterlassungsverlangen der Klägerin bestehe kein Rechtsschutzbedürfnis. Eine Einstellung der Trinkwasserversorgung sei zu keinem Zeitpunkt angedroht worden. Zudem liege lediglich eine Ermächtigung für ein einstweiliges Verfügungsverfahren vor, nicht aber für das hiesige Hauptsacheverfahren. Es bestehe überdies ein Anspruch des Beklagten gegenüber der Klägerin auf Anpassung zur Änderung der bestehenden Hausanschlussanlage der Klägerin an die Erfordernisse und Einhaltung der geänderten anerkannten Regeln der Technik. Zum einen fehle eine regelkonforme Hauptabsperrvorrichtung, die vorhandene Anlage der Klägerin (Absperrventile an den Steigleitungen innerhalb der 5 Aufgänge im Wohnblock) sei regelwidrig. Dies gelte auch für die hier vorliegende Konverterleitung, d.h. die Anschlussleitung beginne an der öffentlichen Anlage in der öffentlichen Straße und gehe dann durch verschiedene Häuser verschiedener Eigentümer und Grundstücke hindurch. Die Bestandsanlage der Klägerin widerspreche auch den Vorgaben der Hygienevorschriften der TrinkwV. Das Verlangen des Beklagten, die Hauswasseranlage anzupassen, sei verhältnismäßig. Durch die Verweigerungshaltung der Klägerin sei die Einstellung der Versorgung nach § 33 Abs. 3 AVBWasserV gerechtfertigt.

Die Klägerin habe keinen Anspruch darauf, dass der Beklagte weiterhin ihre schlicht regelwidrige Hausanlage an den zur Zeit der DDR errichteten Anschlusspunkten weiter versorge. Die Verantwortung des Versorgers ende mit der Hauptsperrvorrichtung, die unmittelbar an der straßenwärts gelegenen Hauswand anzubringen sei.

Mit Schriftsatz vom 18.09.2019, einen Tag vor der mündlichen Verhandlung, hat der Beklagte hilfsweise Widerklageanträge gestellt.

Er beantragt hilfsweise,

die Klägerin zur verurteilen, das Gebäude mit den Hausnummern 1 bis 5 des Grundstücks … in … (Gemarkung …, Flurstück … der Flur …) am Anschlusspunkt VW WD1 (markiert mit blauem Kreuz gemäß Bestandsplan Trinkwasser, Anlagen B 1 und B 2) an die dort anliegende öffentliche zentrale Trinkwasserversorgungsanlage des Beklagten (Anschlussleitung, rot markiert gemäß Bestandsplan Trinkwasser, Anlagen B 1 und B 2) anzuschließen,

höchst hilfsweise,

festzustellen, dass die Klägerin verpflichtet ist, das Gebäude mit den Hausnummern 1 bis 5 des Grundstücks … in … (Gemarkung …, Flurstück … der Flur …) am Anschlusspunkt VW WD1 (markiert mit blauem Kreuz gemäß Bestandsplan Trinkwasser, Anlagen B 1 und B 2) an die dort anliegende öffentliche zentrale Trinkwasserversorgungsanlage des Beklagten (Anschlussleitung, rot markiert gemäß Bestandsplan Trinkwasser, Anlagen B 1 und B 2) anzuschließen.

Die Klägerin beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Sie meint, der Beklagte könne die von ihm neu verlegte Trinkwasserleitung auf seine Kosten an die vorhandenen fünf Hausanschlüsse anschließen. Entgegen der Auffassung des Beklagten könne es auch mehr als einen Hausanschluss geben. Der Hausanschluss ende nach den Vorgaben der AVBWasserV mit der Hauptsperrvorrichtung, hier an den fünf vorhandenen Absperrventilen.

Der Widerklageantrag zu Ziffer 1) sei unbegründet, da keine Anschluss- und Benutzungszwang gebe. Für den weiteren Hilfsantrag fehle es überdies an dem erforderlichen Feststellungsinteresse.

Die Akte des Landgerichts Frankfurt (Oder), Az.: 11 O 55/17 = Brandenburgisches Oberlandesgericht, Az.: 6 U 188/18, war beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 19.09.2019.

Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet, die hilfsweise erhobenen Widerklagen sind unbegründet.

I.

Die Klage ist zulässig, insbesondere besteht aufgrund des Schreibens des Beklagten vom 25.01.2018 ein Rechtsschutzbedürfnis, von der Beklagten die Unterlassung der Stilllegung der Trinkwasserversorgungsleitung der Aufgänge 1 bis 5 in … sowie der Einstellung der Trinkwasserversorgung zu verlangen. Dass die Wohnungseigentümer in der Versammlung vom 25.04.2017 neben dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ihre jetzigen Prozessbevollmächtigten auch zur weiteren gerichtlichen Durchsetzung gegenüber dem Beklagten beauftragt haben, hat der Beklagte nicht bestritten.

Die Klage ist auch begründet. Die Klägerin hat gegen den Beklagten den aus dem Tenor ersichtlichen Unterlassungsanspruch, da es der Beklagten verwehrt ist, den von ihr geltend gemachten „Anpassungsanspruch“ im Wege der Selbsthilfe durchzusetzen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die zutreffenden Ausführungen des Urteils des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 28.05.2019, Az.: 6 U 188/18 – Seite 2f. (Bl. 242f. d.BA 11 O 55/18) Bezug genommen.

II.

1. Die hilfsweise erhobene Widerklage ist unbegründet.

Der Beklagte hat gegen die Klägerin unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch auf Anschluss des Gebäudes mit den Hausnummern 1 bis 5 des Grundstücks … in … (Gemarkung …, Flurstück … der Flur …) am Anschlusspunkt VW WD1 (markiert mit blauem Kreuz gemäß Bestandsplan Trinkwasser, Anlagen B 1 und B 2) an die dort anliegende öffentliche zentrale Trinkwasserversorgungsanlage des Beklagten (Anschlussleitung, rot markiert gemäß Bestandsplan Trinkwasser, Anlagen B 1 und B 2), insbesondere nicht aus § 12 Abs. 1 AVBWasserV oder § 10 AVBWasserV.

Nach § 12 Abs. 1 Satz 1 AVBWasserV ist für die ordnungsgemäße Errichtung, Erweiterung, Änderung und Unterhaltung der Anlage hinter dem Hausanschluss, mit Ausnahme der Messeinrichtungen des Wasserversorgungsunternehmens der Anschlussnehmer verantwortlich.

Der mit der Hilfswiderklage geltend gemachte Anpassungsanspruch betrifft jedoch nicht die in dieser Vorschrift genannte „Kundenanlage“, sondern den in den Verantwortungsbereich des Beklagten fallenden Hausanschluss (vgl. § 10 Abs. 3 Satz 1 AVBWasserV). Dieser beginnt an der Abzweigstelle des Verteilungsnetzes und endet mit der Hauptabsperrvorrichtung (§ 10 Abs. 1 Satz 2 AVBWasserV). Letztere befindet sich derzeit bei den fünf vorhandenen Absperrvorrichtungen mit Zählern. Erst ab dieser Stelle beginnt die Kundenanlage der Klägerin. Denn dort ist die Stelle, an der das Wasser und die Gefahr für das Leitungsgut auf den Kunden übergeht und die Übereignung nach § 929 BGB stattfindet (vgl. BGH, Urt. v. 23.11.2011 – VIII ZR 23/11 – Rn. 32 m.w.N.). Auf die Frage, ob der streitgegenständliche Hausanschluss (noch) den derzeitigen anerkannten Regeln der Technik entspricht, kommt es daher nicht an. Denn auch wenn man dies verneint, wäre für eine Erneuerung, Änderung, Abtrennung oder Beseitigung der Beklagte verantwortlich (vgl. § 10 Abs. 3 Satz 3 AVBWasserV). Auch der Verweis des Beklagten auf eine Entscheidung des BGH vom 02.03.2010 – VI ZR 223/09 – rechtfertigt das Widerklagebegehren nicht. Denn dort ging es um eine Nachrüstungspflicht des Verkehrssicherungspflichtigen; verantwortlich für den Hausanschluss ist jedoch – wie bereits ausgeführt – nicht die Klägerin, sondern der Beklagte selbst.

Dass die Absperrvorrichtungen für den Beklagten nicht erreichbar sind und daher eine Verlegung der Hauptsperrvorrichtung notwendig ist, hat dieser ebenfalls nicht hinreichend dargelegt. So hat die Klägerin vorgetragen, dass sich diese jeweils im Kellergang und damit nahe der Außenwand befinden und somit für Mitarbeiter des Beklagten zugänglich sind (vgl. § 16 AVBWasserV).

Auf § 10 Abs. 4 AVBWasserV kann sich der Beklagte ebenfalls nicht berufen. Denn dort ist lediglich eine Verpflichtung des Anschlussnehmers zur Kostenerstattung vorgesehen, nicht jedoch eine eigene Verpflichtung zur Veränderung des Hausanschlusses. Überdies ist weder dargetan noch sonst ersichtlich, dass die Veränderungen des Hausanschlusses durch eine Änderung oder Erweiterung der Kundenanlage oder aus anderen Gründen von der Klägerin veranlasst wurde.

2. Aus den vorstehenden Gründen ist auch die höchsthilfsweise erhobene Widerklage unbegründet. Auf die Frage der Zulässigkeit des Feststellungsantrags kam es hingegen nicht mehr an.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihren Rechtsgrund in § 709 ZPO.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 45 Abs. 3 GKG, 3 ZPO (Ziffer 1: 10.000,00 €; Ziffer 2: 21.776,21 €).