Gericht | LSG Berlin-Brandenburg 27. Senat | Entscheidungsdatum | 14.11.2012 | |
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Aktenzeichen | L 27 P 30/11 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 37 SGB 11 |
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 12. April 2011 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Kläger erstrebt die Gewährung von Pflegegeld der Pflegestufe III für die Zeit vom 4. Dezember 2007 bis zum 31. Oktober 2008 durch die Beklagte.
Die 1921 geborene und 2009 verstorbene Versicherte erhielt nach einem Schlaganfall am 20. März 2005 und Entlassung aus der in der Folgezeit durchgeführten stationären Rehabilitation von der Beklagten seit dem 13. Juni 2005 Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung in Form von Pflegegeld der Pflegestufe II. Dem lag ein Gutachten zur Feststellung des Umfangs der Pflegebedürftigkeit durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) vom 18. Juli 2005 zugrunde, in dem ein Grundpflegebedarf von 170 Minuten am Tag sowie ein Zeitaufwand für die Hauswirtschaft im Wochendurchschnitt von 60 Minuten am Tag ermittelt wurde. Pflegeperson war der Kläger und Sohn der Versicherten, den diese mittels einer notariellen Vorsorgevollmacht zum Bevollmächtigten in allen persönlichen Angelegenheiten auch über den Tod hinaus bestellt hatte.
Im Rahmen einer im ersten Gutachten empfohlenen Nachbegutachtung ermittelte der MDK am 28. Juli 2006 bei einem Hausbesuch in der früheren, bereits ausgeräumten und im Anschluss an die Begutachtungsuntersuchung dem Vermieter zurückgegebenen Wohnung der Versicherten, die anschließend beim Kläger in dessen sanierungsbedürftiges Einfamilienhaus einzog, einen Grundpflegebedarf vom 216 Minuten bei unverändertem Bedarf an hauswirtschaftlicher Unterstützung.
Mit Antrag vom 4. Dezember 2007, eingegangen bei der Beklagten am 6. Dezember 2007, beantragte der Kläger für die Versicherte die Gewährung von Pflegegeld der Pflegestufe III. Nach Einholung eines weiteren Gutachtens des MDK vom 17. Januar 2008, in dem ein Grundpflegebedarf von 187 Minuten am Tag bei weiterhin unverändertem hauswirtschaftlichen Hilfebedarf festgestellt wurde, lehnte die Beklagte die Gewährung höherer Leistungen mit Bescheid vom 31. Januar 2008 ab. Auf den vom Kläger für die Versicherte eingelegten Widerspruch holte die Beklagte erneut ein Pflegegutachten durch den MDK vom 5. Mai 2008 ein, nach dem bei ebenfalls unverändertem hauswirtschaftlichen Bedarf ein Grundpflegebedarf von 213 Minuten am Tag ermittelt wurde. Daraufhin wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 3. Juli 2008 zurück.
Der Kläger hat am 8. August 2008 vertreten durch einen von ihm bevollmächtigten Rechtsanwalt Klage vor dem Sozialgericht Cottbus erhoben, mit der er beantragt hat, den Bescheid der Beklagten vom 31. Januar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Juli 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab dem 4. Dezember 2007 Pflegegeld nach der Pflegestufe III wegen der Pflege der Versicherten zu gewähren. Zur Begründung verwies der Kläger darauf, er wende sich in erster Linie gegen die Berechnung des Zeitaufwandes, der ihm für die Pflege der Versicherten entstanden sei. Auf einen entsprechenden Schriftsatz der Beklagten vom 8. Januar 2009, dass die Versicherte „die Klägerin ist“ und es einer Änderung des Rubrums bedürfe, hat das Sozialgericht Cottbus im Rubrum die Versicherte, vertreten durch den Kläger, dieser vertreten durch den prozessbevollmächtigten Rechtsanwalt, notiert.
Nachdem die Beklagte ein weiteres Pflegegutachten durch den MDK vom 23. Februar 2009 veranlasst hatte, in dem ein Grundpflegebedarf von 274 Minuten im Tagesdurchschnitt festgestellt wurde, hat die Beklagte einen Anspruch der Versicherten auf Leistungen in Form von Pflegegeld der Pflegestufe III ab dem 1. November 2008 anerkannt. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers erklärte am 20. April 2009 unter dem geänderten Rubrum die Annahme dieses Anerkenntnisses als Teilanerkenntnis und begehrte um Übrigen die Gewährung des höheren Pflegegeldes auch für die Zeit bereits ab dem 1. Dezember 2007. Mit Bescheid vom 11. Juni 2009 bewilligte die Beklagte der Klägerin in Umsetzung des angenommenen Anerkenntnisses ab dem 1. November 2008 Pflegegeld der Pflegestufe III und veranlasste eine entsprechende Nachzahlung.
Das Sozialgericht Cottbus hat ein Pflegegutachten nach Aktenlage bei der Pflegesachverständigen S eingeholt, die in ihrem Gutachten vom 14. August 2009 zu dem Ergebnis kommt, dass im November 2008 eine weitere Verschlechterung der Funktions- und Fähigkeitsstörungen bei der Versicherten im Bereich der kognitiven Fähigkeiten erfolgt zu sein scheine und für den streitigen Zeitraum davor eine Schwerpflegebedürftigkeit (Pflegestufe II) vorgelegen habe. Hinsichtlich der in den Gutachten des MDK wiedergegebenen und sonstigen aktenkundigen Versorgungsbeschreibungen durch den Kläger ergäben sich eine Reihe von Unschlüssigkeiten, die jedoch keine veränderte Pflegestufeneinstufung im noch streitigen Leistungszeitraum bewirkt hätten. Während dieser Zeit habe die Versicherte noch über ein positiv einzusetzendes Ressourcenpotential verfügt und sich noch in ihrem Fähigkeitsbereich ausdrücken können.
Mit Schreiben vom 16. Dezember 2009 bat das Sozialgericht den Prozessbevollmächtigten des Klägers um Beschreibung, wo, wie und ggf. bei wem die Versicherte im Zeitpunkt ihres Todes wohnte und für den Fall, dass kein Sonderrechtsnachfolger vorhanden sei, um Vorlage eines Erbscheins. Dieser teilte daraufhin mit, dass der Kläger und die Versicherte bis zu deren Tod unter der Adresse in einem gemeinsamen Haushalt gewohnt hätten. Der Kläger selbst vertrat die Ansicht, dass das Verlangen nach Vorlage eines Erbscheins durch das Sozialgericht zu weit gehe. In der in Abwesenheit eines Vertreters der Beklagten durchgeführten mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 31. Januar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Juli 2008 zu verurteilen, für die am 15. Januar 1921 geborene und am 25. Juli 2009 verstorbene Versicherte vom 4. Dezember 2007 bis zum 31. Oktober 2008 Leistungen der Pflegestufe III zu gewähren.
Das Sozialgericht Cottbus hat die Klage mit Urteil vom 12. April 2011 – dem Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellt am 11. Mai 2011 – als unzulässig abgewiesen. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, es stehe nicht fest, dass der Kläger Rechtsnachfolger der Versicherten sei. Zwar habe der Kläger im Zeitpunkt der Begutachtung durch den MDK im Februar 2009 mit der Versicherten in einem Raum gewohnt. Es ließe sich jedoch nicht feststellen, ob dies auch am 25. Juli 2009 noch der Fall gewesen sei, da infolge von Renovierungen in dem Einfamilienhaus zwei Haushalte bestanden haben könnten. Der anwaltlich vertretene Kläger verweigere dazu und zur Frage einer etwaigen Alleinerbenstellung die Auskunft. Selbst wenn die Klage zulässig wäre, hätte sie jedoch nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme auch in der Sache keinen Erfolg gehabt.
Der Kläger hat am 16. Mai 2011 Berufung gegen das Urteil des Sozialgericht Cottbus eingelegt, mit der er sinngemäß beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 12. April 2011 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 31. Januar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Juli 2008 zu verurteilen, für die am 15. Januar 1921 geborene und am 25. Juli 2009 verstorbene Versicherte vom 4. Dezember 2007 bis zum 31. Oktober 2008 Leistungen der Pflegestufe III zu gewähren und an den Kläger auszuzahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angegriffene Entscheidung jedenfalls im Ergebnis für zutreffend.
Dem Senat haben die Verwaltungsvorgänge der Beklagten vorgelegen. Diese waren Gegen-stand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten.
Die Berufung des Klägers ist zulässig, insbesondere statthaft gemäß § 144 Absatz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Das Sozialgericht Cottbus hat die Klage mit dem angegriffenen Urteil vom 12. April 2011 im Ergebnis zu Recht als unzulässig abgewiesen.
Die am 8. August 2008 beim Sozialgericht Cottbus erhobene Klage war bereits von Anfang an unzulässig, da der anwaltlich vertretene Kläger die Klage ausdrücklich im eigenen Namen gerichtet auf Leistung eines Pflegegeldes der Pflegestufe III an ihn für die Pflege der Versicherten erhoben hat. Der Klage fehlte es an der erforderlichen Prozessführungsbefugnis, also an dem Recht, einen Prozess als richtiger Beteiligter im eigenen Namen zu führen. Nach § 37 Absatz 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) können Pflegebedürftige anstelle der häuslichen Pflegehilfe Pflegegeld beantragen. Das Pflegegeld soll es dem Pflegebedürftigen ermöglichen, die notwendigen Hilfeleistungen durch selbst beschaffte Pflegepersonen zu organisieren. Damit handelt es allein um einen Anspruch des Versicherten und nicht der Pflegeperson. Der Kläger ist auch nicht ausdrücklich im Wege einer gewillkürten Prozessstandschaft aufgetreten (vgl. dazu Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 2. August 2001 – B 7 AL 18/00 R, Rn.16 bei Juris), da er die Gewährung des Pflegegeldes gerade als eigenes und nicht als fremdes Recht geltend gemacht hat, zumal ein lediglich wirtschaftliches Interesse kein eigenes Rechtsschutzinteresse begründet (vgl. dazu Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 26. Februar 2004 – L 1 KR 618/02, Rn.18 m.w.N. bei Juris). Die Klage konnte von dem Prozessbevollmächtigten des Klägers auch nicht in zulässiger Weise – konkludent – am 20. April 2009 auf eine Klage der Versicherten umgestellt werden, da zu diesem Zeitpunkt die Klagefrist des § 87 Absatz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 SGG bereits abgelaufen war.
Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass das Klagebegehren auch bei einer zulässigen Klageerhebung in der Sache keinen Erfolg gehabt hätte, weil für den noch streitigen Leistungszeitraum vom 4. Dezember 2007 bis zum 31. Oktober 2008 kein Anspruch der Versicherten gegen die Beklagte auf Gewährung von Leistungen der Pflegestufe III bestand. Das Vorliegen des für derartige Leistungen nach § 15 SGB XI erforderlichen Grundpflegebedarfs von wenigstens vier Stunden täglich ist nach der vom Sozialgericht vorgenommenen medizinischen Sachverhaltsaufklärung nicht nachgewiesen. Weitere Erkenntnisquellen sind mehr als drei Jahre nach dem Versterben der Versicherten nicht vorhanden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Absatz 1 SGG, weil der Kläger nach § 183 Satz 1 SGG zum Kreis der kostenprivilegierten Personen zählt. Der Kläger ist Sonderrechtsnachfolger der Versicherten nach § 56 Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I), weil er mit dieser bis zuletzt in einem gemeinsamen Haushalt gelebt hat. Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts ergeben sich aus dem Alteninhalt keinerlei Anhaltspunkte, dass der Kläger und die Versicherte bei deren Tod nicht mehr in einem gemeinsamen Haushalt in dem Einfamilienhaus des Klägers gewohnt hätten.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe gemäß § 160 Absatz 2 SGG nicht gegeben sind.