Toolbar-Menü
 
Sie sind hier: Gerichtsentscheidungen Entscheidung
Aufgrund von Wartungsarbeiten konnten seit Januar 2024 keine neuen Entscheidungen veröffentlicht werden. Alle Entscheidungen mit Stand vom 31. Dezember 2023 sind jedoch abrufbar. Zurzeit werden die noch ausstehenden Entscheidungen nachgepflegt.

Entscheidung 1 O 264/19


Metadaten

Gericht LG Cottbus 1. Zivilkammer Entscheidungsdatum 25.09.2020
Aktenzeichen 1 O 264/19 ECLI ECLI:DE:LGCOTTB:2020:0925.1O264.19.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

4. Der Gebührenstreitwert wird auf 15.679,44 Euro festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt den Beklagten, einen bürgerlich-rechtlichen Verein, auf Räumung eines Wohnhauses, beziehungsweise einer darin gelegenen 13-Zimmerwohnung in Anspruch.

Gemäß § 2 seiner Satzung ist Zweck des Vereins:

„1) die Förderung von Kunst und Kultur

2) die Förderung der Erziehung, Volks- und Berufsbildung einschließlich der Studentenhilfe

Der Satzungszweck wird verwirklicht insbesondere durch Bereitstellen einer Wohn- und Wirkungsstätte, Vorträge, Lesungen, Ausstellungen, Filmvorführungen, Kleinkunst.“

Am 5.07./13.07 schlossen die .......GmbH und der Beklagte unter Zugrundelegung der Satzung des Beklagten den Mietvertrag mit der Nr.: 1050-0001-001. Der Vertrag ist überschrieben mit „Wohnraummietvertrag“. In dem Vertrag heißt es:

„§ 1 Mieträume

Vermietet wird im gesamten Haus des Hauses Karlstr. 29 in 03044 Cottbus zur Benutzung als Wohnung.

1. eine 13 Zimmerwohnung mit…

§ 2 Mietbeginn

       

2. Das Mietverhältnis beginnt am 01.07.2000. Es läuft auf unbestimmte Zeit. ...“

Wegen des weiteren Inhalts des Vertrags wird auf die Anlage K 1 (Bl. 8 ff.) der Gerichtsakte verwiesen.

Die Klägerin ist die Rechtsnachfolgerin der ....... GmbH.

Sie forderte den Beklagten in den Jahren 2013 und 2017 unter Bezugnahme auf den Cottbuser Mietspiegel und § 558 BGB zur Zustimmung zur Erhöhung der Miete auf. Der Beklagte stimmte jeweils zu.

Die monatliche Miete beträgt derzeit 1.306,62 Euro netto kalt zuzüglich Vorauszahlungen auf die Betriebskosten.

Im Jahr 2019 kauften der Zeuge ....... und Herr ... die Liegenschaft mit dem Mietobjekt von der Klägerin. Die Umschreibung im Grundbuch wurde am 21.11.2020 vorgenommen. Der Zeuge ....... ist seit dem 1.08.2019 zugleich Verwalter des Objekts. Die Klägerin teilte dem Beklagten den „Lasten- und Nutzenwechsel“ mit Schreiben vom 19.07.2019 mit.

Zu einem nicht näher eingegrenzten Zeitpunkt im Frühjahr 2019 kam es zu einem Gespräch zwischen dem Geschäftsführer der Klägerin und Vertretern des Beklagten. Gegenstand war der Ankauf des Objekts durch den Beklagten. Die Klägerin verfolgte nachfolgend anderweitige Verkaufspläne. Am 9.04.2019 kam es zu einem weiteren Treffen zwischen den Parteien des Rechtsstreits. Am 24.04.2019 besichtigte einer der Käufer das Mietobjekt und wurde dort als Erwerber vorgestellt. Er kündigte sein Bestreben zu modernisieren an, womit eine Verdopplung der Kaltmiete einhergehe.

Nunmehr wandte sich der Beklagte mit einem offenen Brief an die Öffentlichkeit.

In der lokalen Tageszeitung „...“ erschien am 31.05.2019 ein Artikel über den Beklagten, indem die Klägerin namhaft gemacht wurde.

Ferner brachte der Beklagte an der Hausfassade des Mietobjekts unterhalb der beiden mittleren Fenster des 2. OG ein mehrere Quadratmeter großes Plakat mit der Aufschrift „K29 BLEIBT!“ an.

Die Klägerin mahnte den Beklagten deswegen mit Schreiben vom 13.06.2019 ab. Wegen des genauen Inhalts des Schreibens wird auf die Anlage K5 (Bl. 29 der Gerichtsakte) verwiesen. Das Plakat wurde daraufhin entfernt.

In einem Schreiben vom 5.06.2019 wandte sich ... (MdL) mit der Bitte an die Klägerin, noch einmal das Gespräch mit den Vertretern des Beklagten aufzunehmen, denen viel am Erwerb des Gebäudes liege. Wegen des genauen Inhalts des Schreibens wird auf die Anlage K 7 (Bl. 32 der Gerichtsakte) verwiesen.

Auf einem Stadtteilfest am 8.06.2019 sammelte der Beklagte Unterschriften, mit denen sich Cottbuser Bürger gegenüber der Klägerin dafür aussprechen konnten, dass das Objekt an den Beklagten verkauft wird.

In einer E-Mail vom 11.06.2019 schrieb ein ehemaliger Bewohner des Mietobjekts an die Klägerin u. a. Folgendes: „Mit dem rücksichtslosen Verkauf dieses Symbols an Berliner Immobilienhaie tragen Sie aktiv zur rapiden Erosion des sozialen Friedens bei. Das wird für uns alle noch böse Konsequenzen haben. …“

Ein im Stadtmagazin „Blicklicht“ am 13.06.2019 erschienener Artikel über den Beklagten wurde auf dessen Internetseite eingestellt.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 28.06.2019 kündigte die Klägerin das Mietverhältnis „wegen Verunglimpfung“ fristlos, hilfsweise ordentlich. Wegen des genauen Inhalts des Schreibens wird auf die Anlage K9 (Bl. 37 der Gerichtsakte) verwiesen. Das Schreiben wurde dem Beklagten am selben Tag im Anschluss an ein Gespräch mit der Klägerin, das unter Beteiligung von Vertretern des Mietervereins und der Stadt Cottbus stattgefunden hatte, übergeben.

Nachdem die Klägerin festgestellt hatte, dass an mehreren Cottbuser Häusern Plakate mit der Aufschrift „K 29 bleibt!“ angebracht worden waren, kündigte sie das Mietverhältnis mit anwaltlichem Schreiben vom 5.07.2019 erneut fristlos, vorsorglich ordentlich. Wegen des genauen Inhalts des Schreibens wird auf die Anlage K11 (Bl. 40 der Gerichtsakte) verwiesen. Als weiteren Grund für die erneute fristlose Kündigung gab die Klägerin an, dass es am 28.06.2019 zu 2 Drohanrufen in der Hausverwaltung ......... gekommen sei. Dieser Umstand ist zwischen den Parteien streitig.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass es sich um ein Gewerberaummietverhältnis handele.

Sie meint, der Beklagte habe sie in der Öffentlichkeit verunglimpft und versucht, Druck über die öffentliche Meinung mit dem Ziel aufzubauen, das Haus an den Beklagten zu verkaufen. Durch diese Aktivitäten habe er das Vertrauensverhältnis zerstört.

Sie behauptet, infolge der Agitation sei sie über Monate postalisch, über E-Mails und telefonisch durch aufgehetzte und fehlinformierte Bürger terrorisiert und belästigt worden.

Die Klägerin behauptet des Weiteren, am 28.06.2019 sei es zu 2 Drohanrufen in der Hausverwaltung ......... gekommen. Dabei sei erklärt worden, dass man die private Anschrift der Käufer sowie diejenige der Hausverwaltung kenne. Die Klägerin meint, der Beklagte müsse sich diese Anrufe zurechnen lassen.

Die Klägerin behauptet ferner, sie sei durch die „Hetzjagd“ des Beklagten massiv in ihrer gewerblichen Tätigkeit gehindert worden. Es sei ein wirtschaftlicher Schaden und ein massiver Reputationsverlust entstanden. Außerdem mobilisiere der Beklagte die linksautonome Szene gegen sie.

Die Klägerin trägt schließlich vor, die Käufer der Immobilie würden auf der Internetseite des Beklagten gegenwärtig (Frühjahr 2020) als „Berliner Miethaie“ bezeichnet, was unstreitig ist.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, das von ihm innegehaltene Wohnhaus in der ..............., bestehend aus 13 Zimmern, Eßdiele, Küche, Diele, Bad mit WC, 6 Kammern und Hausgarten, zu räumen und vollständig geräumt an Herrn ....... und Herrn ..., zu Händen der bevollmächtigten Hausverwaltung ......., ..............., herauszugeben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise, ihm eine angemessene Räumungsfrist zu bewilligen.

Der Beklagte meint, das Landgericht Cottbus sei sachlich unzuständig, weil Streitigkeiten über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Mietverhältnisses über Wohnraum den Amtsgerichten zugewiesen seien. Jedenfalls fänden die Vorschriften des sozialen Wohnraummietrechts Anwendung.

Zwischen den mietvertragschließenden Parteien, so behauptet der Beklagte, habe Einigkeit darüber bestanden, dass das streitgegenständliche Gebäude zu Wohnzwecken genutzt werden sollte. Der Wohnbedarf der Mitglieder des Vereins habe dauerhaft gedeckt und geschützt werden sollen. Die Bewohner hätten über den Neueinzug von Personen selbst bestimmen können sollen.

Der Beklagte ist der Ansicht, die von der Klägerin aufgegriffenen Äußerungen und Handlungen hätten sich im Rahmen der verfassungsrechtlich gewährten Meinungsfreiheit bewegt.

Wegen des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

A. Die Klage ist zulässig.

1. Das Landgericht Cottbus ist zur Entscheidung des Rechtsstreits berufen, weil die Parteien über den Bestand eines Mietverhältnisses über Gewerberaum streiten.

Es handelt sich nicht um eine Wohnraummietsache, die gemäß § 23 Nr. 2 lit. a) GVG dem Amtsgericht ausschließlich zugewiesen wäre.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der die Kammer folgt, ist für die Frage, ob ein Mietverhältnis über Wohnraum vorliegt, auf den Zweck abzustellen, den der Mieter mit der Anmietung vertragsgemäß verfolgt. Geht der Zweck des Vertrags dahin, dass der Mieter die Räume weitervermietet oder sonst Dritten – auch zu Wohnzwecken – überlässt, sind die Vorschriften des Wohnraummietrechts auf das (Haupt-) Mietverhältnis nicht anwendbar. Entscheidend ist mithin, ob der Mieter die Räume nach dem Vertrag zu eigenen Wohnzwecken anmietet (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 16.07.2008 – VIII ZR 282/07 -, juris).

Im Streitfall hat der Beklagte das Mietobjekt nicht zu eigenen Wohnzwecken angemietet. Das ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass es sich bei dem Beklagten um einen bürgerlich-rechtlichen Verein, also eine juristische Person handelt, die keinen eigenen Wohnbedarf hat. Vielmehr ist die Anmietung nach § 2 der Satzung des Beklagten zum Zwecke der Bereitstellung einer Wohn- und Wirkungsstätte erfolgt, also zur Überlassung an Dritte.

2. Es bestehen keine Bedenken im Hinblick darauf, dass die Klägerin den Rechtsstreit nach Veräußerung der hier gegenständlichen Immobilie fortsetzt. Dieser Umstand hat auf den Prozess keinen Einfluss, § 265 Abs. 1 ZPO.

B. Die Klage hat aber in der Sache keinen Erfolg.

Die Klägerin kann von dem Beklagten die Räumung und Rückgabe der Mietsache an die Eigentümer nicht aus § 546 Abs. 1 BGB mit Erfolg beanspruchen, denn das Mietverhältnis besteht fort.

Auf den Mietvertrag ist, sofern sich nicht aus dem Vertragsinhalt etwas anderes ergibt, gemäß Art. 229 § 5 EGBGB das Bürgerliche Gesetzbuch in der seit dem 1.01.2003 geltenden Fassung anzuwenden. Auf die Vorschriften des Art. 229 § 3 EGBGB kommt es hier nicht an.

Die Klägerin ist, was zwischen den Parteien außer Streit steht, im Sinne der §§ 566 Abs. 1, 578 Abs. 1, Abs. 2 BGB auf Vermieterseite in den Mietvertrag vom 5.07./13.07.2000 eingetreten.

Die von der Klägerin ausgesprochenen Kündigungen vom 28.06. und 5.07.2019 haben das Mietverhältnis nicht beendet.

1. Die Kündigungserklärungen haben als ordentliche Kündigung keine Wirksamkeit erlangt.

a) Der Mietvertrag vom 5.07./13.07.2000 selbst sieht die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung nicht vor. Diese soll vielmehr nur nach den gesetzlichen Vorschriften möglich sein.

Gemäß § 2 Nr. 2 S. 2 des Vertrags läuft das Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit. Nach der Vorschrift des § 18 Nr. 1 S. 1 des Mietvertrags sind Vermieterin wie auch der Mieter berechtigt, den Mietvertrag nach Maßgabe der Gesetze zu kündigen. Die Vorschriften in S. 4 und 5 bringen insofern keinen weitergehenden Befund. Dort werden zwar Kündigungsfristen wiedergegeben (nämlich dem § 565 Abs. 2 BGB in der Fassung vor der Mietrechtsreform nachgebildet; jetzt § 573c Abs. 1 BGB). Für die Berechtigung zur Kündigung wird allerdings erneut auf die gesetzlichen Vorschriften verwiesen.

b) Nach dem zuvor Gesagten hängt im Streitfall das Recht zur ordentlichen Kündigung davon ab, ob auf den Mietvertrag das für Gewerberäume geltende Mietrecht anzuwenden ist oder das soziale Wohnraummietrecht zur Anwendung kommt.

Ein Mietvertrag über Gewerberäume, bei denen es sich - wie im Streitfall - nicht um Geschäftsräume handelt, wäre, wenn die Miete – wie hier – nach Monaten bemessen ist (§ 3 Nr. 1 Mietvertrag), gemäß § 542 Abs. 1, 580a Abs. 1 Nr. 3 BGB spätestens am dritten Werktag eines Kalendermonats zum Ablauf des übernächsten Monats ordentlich kündbar.

Ein Vertrag, auf den Wohnraummietrecht anzuwenden ist, wäre dagegen nur unter den Voraussetzungen des § 573 BGB ordentlich kündbar, die hier allerdings nicht einschlägig sind. Die Klägerin war bei Ausspruch der Kündigungserklärungen nämlich der Ansicht, ein Gewerberaummietverhältnis zu kündigen, wie sich aus der Bezugnahme auf die Vorschrift des § 580a Abs. 2 BGB im Schreiben vom 28.06.2019 ergibt.

Es entspricht allgemeiner Meinung, dass die Parteien eines Gewerberaummietvertrags (auch konkludent) vereinbaren können, dass auf den Mietvertrag das Wohnraummietrecht Anwendung finden soll (vgl. etwa Lindner-Figura/Opreé/Stellmann, Geschäftsraummiete, 4. Aufl., Kapitel 1, Einleitung, Rn. 56, beck-online).

Maßgebend für eine Vereinbarung ist der wirkliche Wille der Vertragsparteien, bei dessen Ermittlung neben dem Erklärungswortlaut die beiderseits bekannten Umstände wie insbesondere die Art und Weise des Zustandekommens der Vereinbarung, deren Zweck sowie die Interessenlage der Vertragsparteien heranzuziehen sind (vgl. etwa BGH, Urteil vom 11.11.2014 – VI ZR 18/14 –, juris).

Gemessen daran haben sich die Rechtsvorgängerin der Klägerin und der Beklagte zumindest konkludent auf die Geltung des Wohnraummietrechts und die Abbedingung der sich bei Anwendung des Gewerberaummietrechts ergebenden gesetzlichen Kündigungsmöglichkeiten geeinigt.

aa) Das folgt zunächst aus dem Wortlaut der Vertragsurkunde.

Diese ist im Fettdruck mit „Wohnraummietvertrag“ überschrieben. Es kann nicht angenommen werden, dass die Vertragschließenden mit der Überschrift lediglich den Vertragsgegenstand haben beschreiben wollen. Die Beschreibung des Mietgegenstands findet sich nämlich in § 1 des Vertrags, wonach eine 13 Zimmerwohnung zur Benutzung als Wohnung vermietet wird. Als Beschreibung wäre die Überschrift mithin überflüssig. Nach allgemeiner Lebenserfahrung ist aber davon auszugehen, dass vertragliche Bestimmungen nach dem Willen der Parteien einen bestimmten, rechtserheblichen Inhalt haben. Deshalb ist einer Auslegung der Vorzug zu geben, bei der einer vertraglichen Regelung eine tatsächliche Bedeutung zukommt, wenn sich diese Regelung sonst als sinnlos erweisen würde (vgl. BGH, Urt. v. 7.03.2005 – II ZR 194/03 -, juris). Folglich verbleibt als einzige sinnvolle Bedeutung der Vertragsüberschrift, dass das gesamte Mietverhältnis den Vorschriften des Wohnraummietrechts unterstellt werden sollte.

Auch die weiteren Vorschriften des Mietvertrags nehmen ausschließlich Bezug auf die Nutzung der Räume als Wohnung und auf Vorschriften zum Wohnungsmietrecht. Keine einzige Vorschrift deutet auf die Anwendung von Gewerberaummietrecht hin. So wird die Miete gemäß § 3 Nr. 1 Mietvertrag als „Grundmiete Wohnung“ und als Vorauszahlungen Wohnung erhoben. § 4 des Vertrags verweist für die Betriebskosten auf § 4 Miethöhegesetz in Verbindung mit § 27 der Zweiten Berechnungsverordnung. Das Miethöhegesetz betraf aber ausschließlich Mietverhältnisse über Wohnraum. In § 9 Nr. 2 S. 2 des Vertrags wird der Mieter auf § 549 Abs. 2 BGB (a. F.) hingewiesen, eine Vorschrift, die ebenfalls dem Wohnraummietrecht zuzuordnen ist. § 18 Nr. 1 Sätze 4 und 5 sind schließlich – wie ausgeführt – der Vorschrift des § 565 Abs. 2 BGB (a. F.) nachgebildet. Diese Vorschrift galt für überlassenen Wohnraum.

bb) Die Vorschrift des § 546b BGB (a. F.), deren Bezugnahme wohl zweifelsfrei auf die Vereinbarung von Wohnraummietrecht hindeuten würde, wird im Mietvertrag zwar nicht ausdrücklich erwähnt. Vielmehr haben die Vertragschließenden – wie ausgeführt – in § 18 des Mietvertrags lediglich auf die gesetzlichen Vorschriften verwiesen. Daraus ist jedoch nicht der Umkehrschluss zu ziehen, dass es mit der Regelung des § 564 Abs. 2 BGB (a. F.) sein Bewenden haben sollte. Zu diesem Ergebnis führt auch eine Betrachtung der beiderseitigen Interessenlage. Nach § 9 Nr. 2 des Mietvertrags darf der Beklagte die Mieträume nur zu Wohnzwecken nutzen. Dabei sind zweifellos die Wohnzwecke der Vereinsmitglieder gemeint. Es kann folglich nicht angenommen werden, dass die Nutzung zu Wohnzwecken für die Bewohner ohne den Schutz des sozialen Wohnraummietrechts erfolgen sollte, weil sich unter Geltung des Kündigungsrechts für Gewerberäume sichere und stabile Wohnverhältnisse für die Vereinsmitglieder nicht herstellen lassen. Das Abstellen auf den Bedarf der Mieter von Wohnraum hat auch in § 11 des Mietvertrags seinen Niederschlag gefunden, indem für die Durchführung der Schönheitsreparaturen die – seinerzeit – üblichen Fristen zwischen 3 und 7 Jahren vereinbart worden sind. Die Interessen der Rechtsvorgängerin der Klägerin als Wohnungsunternehmen blieben gewahrt. Sie hatte die Rechte der Vermieterin von Wohnraum.

Auch die Vorschrift des § 9 Nr. 2 S. 2 Mietvertrag kann nicht zu einem für die Klägerin günstigen Auslegungsergebnis führen. Der Zustimmungsvorbehalt der Vermieterin greift nämlich nur bei Überlassung von Räumen an Nichtvereinsmitglieder.

cc) Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die Parteien das Mietverhältnis auch als Wohnraummietverhältnis behandelt haben, wie sich darin zeigt, dass die Klägerin in den Jahren 2013 und 2017 von dem Beklagten die Zustimmung zu Mieterhöhungen unter Bezugnahme auf den Cottbuser Mietspiegel verlangt hat. Dabei hat sie ausdrücklich auf Vorschriften aus dem Wohnraummietrecht (§ 558 BGB) Bezug genommen.

dd) Auf die Einvernahme der von dem Beklagten zu den Umständen bei Vertragsschluss benannten Zeugen kommt es nach dem Vorstehenden nicht an.

2. Die Kündigungserklärungen der Klägerin vom 28.06. und 5.07.2019 sind auch nicht als außerordentliche Kündigungen gemäß § 543 Abs. 1 BGB wirksam.

Ein wichtiger Grund zur Kündigung liegt vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann, § 543 Abs. 1 S. 2 BGB.

Für eine Mietvertragspartei kann ein Recht zur fristlosen Kündigung gemäß § 543 Abs. 1 BGB bestehen, wenn infolge des Verhaltens des anderen Vertragsteils die Durchführung des Vertrages wegen der Zerstörung der das Schuldverhältnis tragenden Vertrauensgrundlage derart gefährdet ist, dass dem Kündigenden unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses auch bei Anlegung eines strengen Maßstabes nicht mehr zugemutet werden kann (BGH, Urteil vom 15.09.2010 – XII ZR 188/08 –, Rn. 11, juris).

Über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung nach § 543 Abs. 1 BGB ist auf Grund einer umfassenden Interessenabwägung zu entscheiden. Hierfür sind die Interessen des Kündigenden an der Vertragsbeendigung und die Interessen der anderen Vertragspartei an der Fortdauer des Mietverhältnisses zu ermitteln und zu bewerten (vgl. BGH a. a. O.).

Die Formalie des § 543 Abs. 3 S. 1 BGB hat die Klägerin erfüllt. Im Schreiben vom 13.06.2019 hat sie gegenüber dem Beklagten eine Abmahnung ausgesprochen, die sich nicht nur auf das Anbringen des Plakats „K29 BLEIBT“ an der Hausfassade bezog, sondern auch auf den Umstand, dass der Beklagte versuche, „über die Öffentlichkeit oder sonstige Dritte Druck auszuüben und so den Verkauf der Immobilie zu beeinflussen“, bzw. „Stimmung gegen die Eigentümerin und den Erwerber des Grundstücks“ zu machen.

Die gemäß § 569 Abs. 4 BGB in der Kündigungserklärung mitzuteilenden Kündigungsgründe (vgl. etwa Palandt-Weidenkaff, BGB, 79. Aufl. § 543, Rn. 52) genügen jedoch weder für sich genommen noch in ihrer Zusammenschau für die Annahme, dass die das Schuldverhältnis tragende Vertrauensgrundlage von dem Beklagten nachhaltig gestört worden ist.

a) Soweit die Klägerin dem Beklagten vorwirft, in der Öffentlichkeit massiv Stimmung gegen den Vermieter gemacht zu haben, hat sie den Vorwurf nur teilweise konkretisiert.

Der von der Tageszeitung „...“ am 31.05.2019 veröffentlichte Artikel (Gerichtsakte Bl. 33 f.) bezeichnet zwar die Klägerin, enthält aber sonst nichts Herabsetzendes über diese. Soweit der Inhalt nicht ohnehin die Meinung der Journalisten wiedergibt, haben Mitglieder des Beklagten lediglich ihrer Befürchtung Ausdruck verliehen, dass der Wechsel des Eigentümers das Ende des Wohnprojektes bedeuten könnte. Ähnlich verhält es sich mit dem durchaus polemischen Artikel des Stadtmagazins „Blicklicht“ vom 13.06.2019. Auch der Umstand, dass der Beklagte diesen auf seiner Internetseite eingestellt hat, ändert an dem Befund nichts. Auf der Internetseite findet sich zudem der Hinweis, dass es sich um eine Sammlung von Presseartikeln handele.

Desgleichen enthält das von dem Beklagten initiierte Schreiben von ... (MdL) vom 5.06.2019 lediglich die Bitte an die Klägerin, ihre Absicht zu überdenken, dass hier gegenständliche Gebäude an einen Dritten zu verkaufen und noch einmal das Gespräch mit dem Beklagten zu suchen.

Auch das Auslegen von Postkarten auf dem Stadtteilfest vom 8.06.2019 war für sich genommen nicht geeignet, das Vertrauensverhältnis der Klägerin zu dem Beklagten zu gefährden. Es trifft allerdings zu, dass der Beklagte mit der Postkarte, der zu Folge Absender die Möglichkeit erhielten, die Klägerin um einen Verkauf des hier gegenständlichen Objekts an den Beklagten zu bitten, die Auseinandersetzung mit der Klägerin (weiterhin) in die Öffentlichkeit getragen hat. Die Postkarte enthält jedoch nichts die Klägerin Herabsetzendes und beeinträchtigt deren Rechte nicht.

Sowohl dem Vorgang auf dem Stadtteilfest als auch dem Artikel vom 13.06.2019, wie auch dem Schreiben vom 5.06.2019 liegt zudem offenbar die Annahme zugrunde, dass es noch nicht zu einem rechtsgültigen Verkaufsgeschäft gekommen sei. Dieses Umstandes konnte sich der Beklagte erst mit dem Schreiben der Klägerin vom 19.07.2019 sicher sein.

Auch in der Gesamtbetrachtung ist nicht davon auszugehen, dass der Beklagte das für ein Dauerschuldverhältnis essentielle Vertrauensverhältnis nachhaltig gestört hat, wobei es der Natur der Sache nach wesentlich auf die Vorgänge bis zum Ausspruch der Kündigungen vom 28.06.2019 und 5.07.2019 ankommt.

Dass die für den Beklagten Handelnden die Öffentlichkeit auf die Erhaltenswürdigkeit des Wohnprojektes aufmerksam machen wollten, stellt sich aus Sicht des Beklagten als freie Meinungsäußerung im Sinne von Art. 5 Abs. 1, 19 Abs. 3 GG dar. Der Grundrechtsschutz umfasst auch die Art und Weise einer Meinungsäußerung (vgl. etwa Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin, Beschluss vom 22.01.2008 – 70/06 -, juris).

Höherrangige Rechte der Klägerin hat der Beklagte nicht tangiert. Das Eigentumsrecht aus Art. 14 GG war nicht mehr berührt, nachdem der Beklagte das Plakat „K29 BLEIBT“ entfernt hatte. Ebenso wenig waren Rechte der Klägerin im Sinne von Art. 5 Abs. 2 GG betroffen. Der Grundrechtsschutz des Beklagten findet zwar seine Grenzen in den mietvertraglichen Treuepflichten. Diese hat der Beklagte indes nicht verletzt. Weder hat er die Klägerin diffamiert noch herabgesetzt. Dass sie in ihrer Vermieterstellung öffentlich benannt wurde, muss die Klägerin hinnehmen. Als juristische Person ist sie in dieser Hinsicht weniger schutzbedürftig als eine Privatperson.

b) Inwieweit die E-Mail des ehemaligen Bewohners der ............... vom 11.06.2019 von dem Beklagten initiiert worden ist, trägt die Klägerin nicht konkret vor. Handlungen Dritter muss sich der Beklagte nicht ohne weiteres zurechnen lassen. Es ist vielmehr eine Feststellung erforderlich, dass den Mieter ein Verschulden trifft (vgl. Staudinger/Christian Rolfs (2018) BGB, § 573, Rn. 61). Umstände, die ein Verschulden des Beklagten begründen könnten, sind jedoch nicht dargetan. Folglich kommt es auf den Inhalt dieser E-Mail nicht an.

c) Soweit es zum Aushängen von Plakaten mit der Aufschrift „K 29 bleibt!“ an einer Vielzahl weitere Häuser in der Karlstraße gekommen ist, mögen diese Aktivitäten zwar darauf zurückzuführen sein, dass der Beklagte, beziehungsweise die für diesen Handelnden ihren Sorgen und Wünschen Öffentlichkeit verliehen haben. Es handelt sich aber gleichwohl um Meinungsäußerungen Dritter. Inwieweit diese Aktionen dem Beklagten, der durch seinen Vorstand handelt, direkt zuzurechnen wäre, wird auch nicht vorgetragen.

d) Ob es am 28.06.2019 tatsächlich Drohanrufe bei der von dem Zeugen ......... betriebenen Hausverwaltung gegeben hat, ist zwar zwischen den Parteien streitig. Dieser Frage braucht aber nicht nachgegangen zu werden, weil der Vorfall, sofern man diesen als zutreffend unterstellt, dem Beklagten ebenfalls nicht zugerechnet werden kann. Eine direkte Veranlassung durch den Vorstand des Beklagten wird von der Klägerin nicht behauptet. Allein eine „Stimmungsmache“, reicht für die Zurechnung von Handlungen Dritter – wie ausgeführt - nicht aus. Auf die weitere Frage, ob ein Drohanruf bei einem der jetzigen Eigentümer oder der Hausverwaltung auf das zwischen der Klägerin und dem Beklagten bestehende Mietverhältnis Einfluss haben konnte, kommt es danach nicht an.

e) Auf die Umstände, dass sie einen Reputationsverlust und wirtschaftliche Schäden erlitten habe, hat die Klägerin die Kündigungserklärungen nicht ausdrücklich gestützt. Eigener Erklärung nach (Schriftsatz vom 29.05.2020, S. 4) sind darin auch keine nachgeschobenen Kündigungsgründe zu sehen, so dass die Frage, ob solche zu berücksichtigen wären, dahinstehen kann. Darüber hinaus fehlt es auch an der erforderlichen Substanz. Ähnliches gilt für den Vorwurf der Klägerin, der Beklagte mobilisiere die linksautonome Szene.

f) Zuletzt könnte der Umstand, dass diese im Frühjahr 2020 auf der Internetseite des Beklagten als „Berliner Miethaie“ bezeichnet worden sind, möglicherweise den Erwerbern der Immobilie Anlass geben, den Beklagten abzumahnen, wenn das Vorbringen denn hinreichend substantiiert wäre. Gegenstand des hiesigen Verfahrens sind allerdings die von der Klägerin ausgesprochenen Kündigungen.

3. Der nicht nachgelassene Schriftsatz vom 14.08.2020 bietet keinen Anlass, die mündliche Verhandlung gemäß § 156 ZPO wieder zu eröffnen. Insbesondere liegt keiner der Gründe des Absatzes 2 vor.

C. Nebenentscheidungen

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 ZPO.