Gericht | OLG Brandenburg 4. Senat für Familiensachen | Entscheidungsdatum | 03.07.2014 | |
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Aktenzeichen | 13 UF 245/13 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Nauen vom 22. Oktober 2013 abgeändert:
Nr. II der Entscheidungsformel erhält die folgende Fassung:
Ein Versorgungsausgleich findet nicht statt.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsgegner.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 4.785,68 Euro festgesetzt.
Die Antragstellerin und der Antragsgegner streiten um die Wirksamkeit eines während des laufenden Scheidungsverfahrens vereinbarten Ausschlusses des Versorgungsausgleichs.
I.
1. Die 1969 geborene Antragstellerin und der 1965 geborene Antragsgegner waren seit 1987 verheiratet. Sie haben zwei gemeinsame Kinder. Das jüngere, 1997 geborene wohnt im Haushalt der Antragstellerin. Das ältere, 1989 geborene hat den Haushalt der Eltern verlassen.
Die Familie zog in den 1990er Jahren von Kasachstan nach Deutschland. Die Antragstellerin arbeitete nach staatlicher Anerkennung einer absolvierten Qualifizierung als Erzieherin. Der Antragsgegner, ein gelernter Elektroinstallateur, arbeitete als Hilfsarbeiter und im Bewachungsgewerbe und war zeitweise arbeitslos.
Im März 2012 trennten sich die Eheleute. Im Juni 2013 stellte die Antragstellerin den Antrag, die Ehe zu scheiden (Bl. 2). Im September 2013 schlossen die Antragstellerin und der Antragsgegner einen notariell beurkundeten Vertrag, der als einzige Regelung einen Ausschluss des Versorgungsausgleichs für den Fall der Scheidung der Ehe vorsah. Wegen des weiteren Inhalts des Vertrages wird auf die vom Notar vorgelegte Ausfertigung verwiesen (Bl. 20 ff.).
Die Versorgungsträger der Eheleute haben Auskünfte über die in der Ehezeit erworbenen Anwartschaften erteilt. Auf die Auskünfte der Träger der gesetzlichen Rentenversicherung für beide Eheleute, einer kirchlichen Zusatzversorgungskasse für die Antragstellerin und eines privaten Versicherers über eine von dem Antragsgegner abgeschlossene Riesterrente wird verwiesen (Sonderheft VA).
2. Die Antragstellerin hat den Ausschluss des Versorgungsausgleichs für wirksam gehalten. Der Antragsgegner habe Aussicht auf eine ausreichende Altersversorgung, die sich aus den schon erworbenen und in den verbleibenden Berufsjahren noch zu erwerbenden Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung und aus seiner Riesterrente zusammensetzen werde. Die Grundsicherung im Alter werde er nicht in Anspruch nehmen müssen. Ein Grund für die Unwirksamkeit der Vereinbarung sei nicht zu erkennen. Vielmehr sprächen vernünftige Gründe für den Ausschluss des Versorgungsausgleichs: Während die Antragstellerin sich qualifiziert und in dem für sie auf diese Weise zugänglichen Beruf der Erzieherin gearbeitet habe, habe sich der Antragsgegner nicht bemüht, nach dem Umzug nach Deutschland in seinem erlernten Beruf zu arbeiten oder eine dafür erforderliche Qualifikation zu erwerben. Während der Zeit der Arbeitslosigkeit des Antragsgegners habe sie allein für das Familieneinkommen gesorgt. Die weiteren allein von ihr getragenen Lasten der Kindererziehung und Haushaltsführung neben der Berufstätigkeit rechtfertigten es, die erworbenen Anwartschaften nicht zu teilen.
3. Das Amtsgericht hat die Eheleute persönlich angehört. Mit dem angefochtenen Beschluss hat es die Ehe geschieden und den Versorgungsausgleich durchgeführt. Es hat die Teilung der Anrechte gegenüber der gesetzlichen Rentenversicherung und der kirchlichen Zusatzversorgung angeordnet und die Teilung der Riesterrente wegen Geringfügigkeit unterlassen. Es hat ausgeführt, die geschlossene Vereinbarung halte der Wirksamkeitskontrolle nicht stand. Nach Kapitalwerten verzichte der Antragsgegner auf einen Ausgleich von mehr als 20.000 Euro. Beweggründe für einen Verzicht dieses Ausmaßes habe er nicht vortragen können. Wenn er weiter in seinem Beruf als Wachmann arbeite, habe er nach noch vor ihm liegenden 20 Berufsjahren eine Aussicht auf eine Altersrente von 714 Euro. Er werde auf Sozialhilfe angewiesen sein. Da die Eheleute keine Angaben zu Gegenleistungen und zum Inhalt aller Folgeregelungen vorgetragen hätten, müsse angenommen werden, dass der Antragsgegner unverhältnismäßig benachteiligt werde.
4. Mit ihrer Beschwerde greift die Antragstellerin nur die Durchführung des Versorgungsausgleichs an. Sie meint, der Antragsgegner sei beim Vertragsschluss während des laufenden Scheidungsverfahrens durch seinen Anwalt und durch den Notar ausreichend beraten worden, um die Tragweite der Vereinbarung erkennen zu können. Das Amtsgericht habe die zukünftig unzureichende Altersversorgung des Antragsgegners auf unzureichender Grundlage prognostiziert. Die Kapitalwerte eigneten sich nicht, um ein Ungleichgewicht des Ausgleichs festzustellen. Es fehlten zudem die Riesterrente des Antragsgegners und die zu erwartende Steigerung seiner Anwartschaften durch Lohnsteigerungen und durch die staatliche Förderung, für die der Antragsgegner die gesamte, ihm zu diesem Zweck überlassene Kinderzulage einsetzen könne. Wenn der Antragsgegner wirklich seine Anstellung verloren habe, wie er behaupte, könne er schnell eine neue finden, denn Wachpersonal werde gesucht. Aus der Teilung der Vermögensgegenstände aus Anlass der Trennung habe der Antragsgegner mehr profitiert als die Antragstellerin.
Die Antragstellerin beantragt,
den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengerichts – Nauen vom 22.10.2013, Aktenzeichen 24 F 189/13, in Ziff. II dahingehend abzuändern, dass ein Versorgungsausgleich nicht stattfindet.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er verteidigt den angefochtenen Beschluss. Er habe seine Anstellung verloren und arbeite nun als selbständiger Kurierfahrer. Diese Entwicklung habe er beim Vertragsschluss nicht absehen können. Die in der Vergangenheit und der Zukunft deutlich geringeren Einkünfte des Antragsgegners führten zu einem deutlichen Ungleichgewicht zwischen den Eheleuten. Der Versorgungsausgleich sei erforderlich, damit er im Alter nicht die Grundsicherung in Anspruch nehmen müsse.
Wegen des weiteren Vortrages der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Anlagen verwiesen.
5. Der Senat entscheidet ohne mündliche Verhandlung (§ 68 III 2 FamFG). Die Beteiligten haben ihre Behauptungen und Ansichten ausführlich in den Schriftsätzen dargelegt. Der umstrittene entscheidungserhebliche Gesichtspunkt – das Ergebnis der Inhalts- und Ausübungskontrolle der getroffenen Vereinbarung (§ 8 I VersAusglG) – ist offensichtlich und sowohl von der Antragstellerin als auch von dem Antragsgegner eingehend erörtert worden. Es ist nicht ersichtlich, zu welchen weiteren Erkenntnissen eine mündliche Verhandlung führen könnte.
II.
Die Beschwerde ist begründet.
Ein Versorgungsausgleich findet nicht statt, weil die Eheleute ihn durch Vereinbarung ausgeschlossen haben (§ 6 I 2 Nr. 2 VersAusglG). Die geschlossene Vereinbarung hält einer Wirksamkeits- und Ausübungskontrolle stand (§ 8 I VersAusglG).
1. Die Wirksamkeitskontrolle erstreckt sich auf etwaige Abschlussmängel und solche inhaltlichen Mängel, die schon anfänglich, zur Zeit des Vertragsschlusses, zu einer Sittenwidrigkeit der getroffenen Vereinbarung (§ 138 I BGB) führen müssen.
a) Anhaltspunkte für eine Disparität der Vertragspartner beim Abschluss der Vereinbarung bestehen nicht. Weil die Vereinbarung während des schon laufenden Scheidungsverfahrens geschlossen wurde, darf angenommen werden, dass der Antragsgegner der Vereinbarung eine praktische, demnächst konkret wirksam werdende Relevanz zugemessen hat. Er hat nicht annehmen können, eine eher theoretische, eventuell nie tatsächlich bedeutsam werdende Regelung zu treffen. Dass der Notar über die möglichen Wirkungen der Vereinbarung belehrt hat, ist ausdrücklich beurkundet worden. Wenn der Antragsgegner hätte geltendmachen wollen, er sei – anders als die Antragstellerin – völlig ahnungslos in Bezug auf die Tragweite des vereinbarten Ausschlusses des Versorgungsausgleichs gewesen oder die Antragstellerin habe Möglichkeiten wahrgenommen, ihm eine ihm ungünstige Vereinbarung aufzunötigen, so hätte er die Umstände, die solche Annahmen rechtfertigen könnten, spätestens im Beschwerdeverfahren vortragen können. Da Vortrag dieses Inhalts unterblieben ist, stehen keine Möglichkeiten offen, zu weiteren Feststellungen zu gelangen, die auf eine beabsichtigte und von ihm bewusst und notgedrungen oder unerkannt und unbewusst hingenommene Übervorteilung des Antragsgegners schließen lassen.
b) Die Vereinbarung leidet nicht unter inhaltlichen Mängeln, die zur Sittenwidrigkeit führen könnten. Die Prüfungsdichte ist eingeschränkt. Die hier zu beurteilende Fallkonstellation gibt keinen Anlass, die dazu eingeführten und allgemein anerkannten Grundsätze in allen Einzelheiten zu entwickeln. Die Anwendung dieser Grundsätze führt zu einem eindeutigen Ergebnis (vgl. dazu insgesamt: Palandt-Brudermüller, BGB, 73. Aufl. 2014, § 1408 Rdnr. 7 ff.; Erman-Norpoth, BGB, 13. Aufl. 2011, § 8 VersAusglG Rdnr. 2 ff.):
Die gerichtliche Kontrolle eines vereinbarten Ausschlusses des Versorgungsausgleich hat sich einerseits zurückzuhalten, um die Vertragsfreiheit der Eheleute (§ 6 I 1 VersAusglG) zur Geltung kommen zu lassen. Einen irgendwie zu umreißenden unverzichtbaren Mindestgehalt an Scheidungsfolgen, den das Gericht gegen die Verfügung der Eheleute zu verteidigen hätte, gibt es nicht. Andererseits ist ein Vertragspartner – hier wie bei Verträgen mit anderem Gegenstand – gegen krasse Ungerechtigkeiten zu verteidigen, auf die er sich wegen der Dominanz des anderen eingelassen hat, ohne eine Verhandlungsposition unter gleichrangigen Verhandlungspartnern überhaupt wahrnehmen zu können. Je eher im Kernbereich des gesetzlichen Scheidungsfolgenrechts eine Abweichung zum deutlichen Nachteil eines Ehegatten vereinbart wird, desto intensiver ist zu prüfen, ob die gewählten ehelichen Lebensverhältnisse zu einem Nachteil gerade desjenigen Ehegatten geführt haben, der nun auf die Anwendung einer gesetzlich vorgesehenen Ausgleichsregelung verzichtet. Die Altersversorgung durch Unterhalt und durch die Aufteilung der Versorgungsanwartschaften gehört zu diesem Kern der gesetzlichen Scheidungsfolgen, steht aber im Rang hinter dem Unterhalt wegen Kinderbetreuung oder wegen Krankheit (vgl. BGH, NJW 2007, 2851, Rdnr. 14 und jüngst NJW 2014, 1101, Rdnr. 17, 19, 21).
Das Leitbild der gesetzlichen Scheidungsfolgen lässt zugleich deutlich werden, dass eine Korrektur vereinbarter Abweichungen unter dem Gesichtspunkt der Sittenwidrigkeit nicht nur eine nicht hinnehmbare Abweichung erfordert, sondern auch, dass der Grund dieser Abweichung in den ehelichen Verhältnissen zu finden sein muss. Die gesetzlichen Scheidungsfolgen bezwecken einen Ausgleich ehebedinger Nachteile eines Ehepartners gegenüber dem anderen oder gegenüber der wirtschaftlichen Entwicklung des Betroffenen, die ohne die in der Ehe zu seinen Lasten gemeinsam getroffenen Dispositionen zu erwarten gewesen wäre. Deshalb kann eine Vereinbarung nicht beanstandet werden, wenn sie nicht solche ehebedingten Nachteile betrifft, sondern die Auswirkungen anderer Entschlüsse der Vertragschließenden. Im Schwerpunkt der Inhaltskontrolle liegt der Ausgleich ehebedingter, aus dem Zuschnitt der Ehe folgender Nachteile (vgl. BGH, NJW 2014, 1101, Rdnr. 20), so dass es etwa gewichtig für eine Sittenwidrigkeit spricht, wenn der Ausgleich eines Nachteils ausgeschlossen oder eklatant gemindert wird, der aus der Aufgabe der Erwerbstätigkeit zum Zwecke der Haushaltsführung entstanden ist oder aus der zeitweise oder dauerhaften Erwerbsunterbrechung in Folge von Schwangerschaft und Kinderbetreuung. Hingegen spricht es für die Wirksamkeit eines Ausgleichsverzichts, wenn die Vertragspartner die Vereinbarung als wirtschaftlich Eigenständige, voneinander Unabhängige verhandelt und abgeschlossen haben. Dann können sie die Lebensrisiken, die nicht ehebedingt entstanden sind oder noch entstehen könnten, durch Vereinbarung aus der gemeinsamen Verantwortung füreinander herausnehmen.
Dieser Bezug zum Zweck der gesetzlichen Scheidungsfolgen ist auch bei der allgemein anerkannten Prüfungskategorie eines Ausschlusses des Versorgungsausgleichs zu Lasten des Sozialhilfeträgers zur Geltung zu bringen. Die Erwartung, der Verzichtende werde künftig auf Sozialhilfeleistungen angewiesen sein, führt nur dann nur Sittenwidrigkeit der getroffenen Vereinbarung, wenn die prognostizierte Bedürftigkeit auf einem ehebedingten Nachteil beruht (BGH, NJW 2007, 904, Rdnr. 21 f.).
Nach diesen Grundsätzen kann es dahinstehen, ob die Erwartung berechtigt ist, der Antragsgegner werde seine Altersversorgung nicht bestreiten können, ohne Sozialhilfe in Anspruch zu nehmen. Die von der gesetzlichen Rentenversicherungsanstalt erteilte Auskunft (Bl. 35 ff. VA) spricht eher gegen diese Annahme: 2013 hatte der damals 48 Jahre alte Antragsgegner eine Anwartschaft auf eine Monatsrente von 450 Euro. Der Versicherungsverlauf weist neben der Erwerbstätigkeit auch Zeiten der Arbeitslosigkeit aus. Setzt man voraus, dass diese Anwartschaft in einer Zeitspanne erworben ist, die ungefähr zwei Drittel der gesamten Erwerbszeit umfasst, dass typischerweise in späteren Zeitabschnitten höhere Anwartschaften erworben werden als in früheren und dass dem Antragsgegner Leistungen auch aus seiner privaten Altersvorsorge (Riesterrente) zustehen werden, hinge die Annahme künftiger Sozialhilfebedürftigkeit von näheren Prüfungen ab.
Diese Prüfungen können unterbleiben, weil aus den Auskünften der Versorgungsträger und aus dem Vortrag der Beteiligten keine Anhaltspunkte zu entnehmen sind, die darauf schließen ließen, dass ein ehebedingter Nachteil dazu geführt hätte, dass der Antragsgegner beim Erwerb von Versorgungsanwartschaften hinter seinen Möglichkeiten zurückgeblieben wäre und insbesondere hinter den Anwartschaften, die die Antragstellerin erworbenen hat. Der Versorgungsausgleich würde zu einer Verbesserung der monatlichen Rentenaussichten des Antragsgegners um 227 Euro führen. Für die im Vergleich zur Antragstellerin geringere Entlohnung und für die Zeiten der Arbeitslosigkeit lassen sich keine Ursachen finden, die in der Organisation des Familienlebens liegen, also etwa in der Erledigung der Haushaltsführung, des Hausbaus, der Säuglingspflege oder der Erziehung und Betreuung der heranwachsenden Kinder, die der Antragsgegner der Erwerbstätigkeit oder einer besser entlohnten Tätigkeit vorgezogen hätte. Vielmehr wirken sich offenbar allgemeine, nicht familienbezogene Umstände aus, wie die Zugehörigkeit zu einem Beruf mit nur geringen Entgeltaussichten, die schwierige, eventuell nicht sorgfältig und zielstrebig betriebene Umstellung auf die veränderten Anforderungen nach dem Umzug von Kasachstan nach Deutschland und die wiederholte Arbeitslosigkeit. Nicht der Zuschnitt der Ehe und die gemeinsamen Dispositionen über die Verteilung von Erwerbsarbeit, Haushaltsführung und Kinderbetreuung haben es dem Antragsgegner erschwert, Anwartschaften zur Alterssicherung zu erwerben, sondern mehrere Risiken haben sich zum Nachteil des Antragsgegners verwirklicht, die jeden Teilnehmer am Erwerbsleben, auch den unverheiratet Kinderlosen, treffen können. Es obliegt der freien Vereinbarung von Eheleuten, ihre Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft gerade darauf auszurichten, auch diese allgemeinen, nicht im engeren Sinne familienbezogenen Risiken zu teilen und die Nachteile ihrer Realisierung gemeinsam zu bewältigen. Gerade darin können sie den Vorzug des gemeinsamen gegenüber dem Alleinleben finden. Die Freiheit, in einer Ehe eine Lebensgestaltung nach eigenen Vorstellungen zu verwirklichen, und insbesondere die auf ihre wirtschaftlichen Verhältnisse bezogene Vertragsfreiheit (Art. 2 I GG) können die Eheleute aber auch dahin ausüben, dass jeder von den allgemeinen Lebensrisiken des anderen, die außerhalb des Familienverbandes wirksam werden, möglichst unberührt bleibt und für deren Folgen nicht einstehen muss. Diese Regelung haben die Antragstellerin und der Antragsgegner mit ihrem Vertrag gewählt, der den Ausgleich des auffällig ungleichen Erwerbserfolgs beider Eheleute ausschließt, ohne damit einen Bezug zu familienbedingten Risiken und Lasten des einen oder anderen Vertragspartners herzustellen.
2. Die Ausübungskontrolle richtet sich auf die Prüfung, ob und inwieweit ein Ehegatte die ihm durch den Vertrag eingeräumte Rechtsmacht missbraucht, wenn er sich im Scheidungsfall gegenüber einer vom anderen Ehegatten in Anspruch genommenen gesetzlichen Scheidungsfolge darauf beruft, sie sei durch den Vertrag wirksam abbedungen. Dafür ist entscheidend, ob sich im Zeitpunkt des Scheiterns der Ehe aus dem vereinbarten Ausschluss der gesetzlich vorgesehenen Scheidungsfolge eine evident einseitige Lastenverteilung ergibt, die hinzunehmen für den belasteten Ehegatten auch bei angemessener Berücksichtigung der Belange des anderen Ehegatten und seines Vertrauens in die Geltung der getroffenen Abrede sowie bei verständiger Würdigung des Wesens der Ehe unzumutbar ist. Die Ausübungskontrolle dient dazu, ein grobes Ungleichgewicht zu mildern, dass nicht schon in der Vertragsgestaltung angelegt ist, sondern sich erst daraus ergibt, dass die tatsächliche einvernehmliche Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse von der ursprünglichen, dem Vertrag zu Grunde liegenden Lebensplanung grundlegend abweicht.
Die typische Fallkonstellation, in der die Ausübungskontrolle neben der Wirkungskontrolle eine eigenständige Funktion von hohem Wert zu entfalten hat, ist dadurch geprägt, dass zwischen Abschluss des Vertrages und seiner praktischen Wirksamkeit, also dem Scheitern der Ehe, ein mehr oder minder langer Zeitraum verstreicht. Erst der Lauf der Dinge während einer nennenswerten Zeitspanne lässt erkennen, ob die tatsächlich eintretenden und sich entwickelnden Verhältnisse den Erwartungen, auf denen die Einigung beruhte, ungefähr entsprechen oder ob sie so entscheidend abweichen, dass in der Einigung zwar damals ein für beide hinnehmbarer Ausgleich zu finden war, jetzt aber nur noch grobe Ungerechtigkeit sichtbar wird.
Es liegt deshalb schon nahe, eine Ausübungskontrolle im hier zu beurteilenden Fall für ganz und gar unangebracht zu halten. Sie kann die ihr zugedachte Funktion nicht erfüllen. Die Antragstellerin und der Antragsgegner haben die zu prüfende Vereinbarung nicht in der Erwartung des bevorstehenden ehelichen Lebens und einer etwaigen, eventuell aber ausbleibenden Trennung geschlossen. Vielmehr haben sie die Scheidungsfolge des Versorgungsausgleichs erst ausgeschlossen, als die Verhältnisse insoweit von den Unsicherheiten der Entwicklung des Zusammenlebens bereits frei waren, nämlich nach Ende der ausgleichsrechtlichen Ehezeit (§ 3 I VersAusglG), als das Scheidungsverfahren bereits anhängig war. Das von der Ausübungskontrolle zu beurteilende Risiko einer Abweichung zwischen den Erwartungen beim Vertragsschluss einerseits und den tatsächlichen Entwicklungen während der Ehe und den tatsächlichen Verhältnissen zum Zeitpunkt des Scheiterns der Ehe andererseits besteht hier nicht. Die Einigung der Antragstellerin und des Antragsgegners beruhte nicht auf einer Risikoeinschätzung, sondern auf einer Betrachtung und Bewertung vollendeter Tatsachen.
Dieser Gesichtspunkt ist nicht anders zu beurteilen, wenn zu berücksichtigen wäre, dass der Antragsgegner nach Vertragsschluss, aber vor der Entscheidung über die Durchführung des Versorgungsausgleichs seine Anstellung verloren hätte und inzwischen einer schlechter vergüteten, nicht rentenversicherungspflichtigen Tätigkeit als Selbständiger nachginge. Die zwischen den Beteiligten umstrittenen Umstände des Arbeitsplatzverlustes und der Aussicht, eine neue Anstellung zu finden, brauchen deshalb nicht aufgeklärt zu werden. In dieser Entwicklung liegt jedenfalls keine Abweichung zu den erkennbaren Vorstellungen, auf denen die vertragliche Einigung beruht. Sowohl die Antragstellerin als auch der Antragsgegner waren beim Vertragsschluss als Angestellte berufstätig und hatten noch ungefähr 15 bis 20 Jahre Erwerbstätigkeit bis zum Eintritt in den Ruhestand vor sich. Keiner von beiden kann sich in der sicheren Erwartung auf den Vertrag eingelassen haben, er werde von allen Widrigkeiten des Lebens verschont bleiben. Es gehört zu den üblichen Risiken im letzten Drittel des Erwerbslebens, dass eintretende Arbeitslosigkeit noch schwieriger zu beenden ist als in jüngeren Jahren und dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheiten oder Unfälle gemindert oder gar ganz aufgehoben werden kann. Daraus folgt in aller Regel auch eine Verminderung der Altersversorgung. Nicht diese Risiken, sondern nur ihre Auswirkungen können gemildert werden. Der geschlossene Vertrag bewirkt aber gerade – wie bei der Wirkungskontrolle ausführlich dargelegt –, dass die Antragstellerin und der Antragsgegner diese allgemeinen, nicht familienbezogenen Risiken je für sich tragen wollen, ohne dass einer für den anderen einzustehen hat.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 150 IV 1, 81 I 1 FamFG, die Wertfestsetzung auf den §§ 55 II, 50 I 1 FamGKG.
Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen (§ 70 II FamFG), besteht nicht.