Gericht | VG Frankfurt (Oder) 8. Kammer | Entscheidungsdatum | 26.10.2011 | |
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Aktenzeichen | 8 K 109/11 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 1 Abs 6 VermG |
Die Beklagte wird unter teilweiser Aufhebung des Bescheides des Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen Brandenburg vom 29. Januar 1997 verpflichtet, den Klägern das Eigentum an dem Flurstück ... der Flur ..., Gemarkung ..., zurück zu übertragen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Die Kläger begehren als Erben nach ... die Rückübertragung des Eigentums an dem Flurstück ... der Flur ..., Gemarkung ... Eigentümerin ist die Bundesrepublik Deutschland – Finanzverwaltung.
Bei der im Streit stehenden Fläche handelt es sich um eine Teilfläche des ehemaligen Rittergutes ..., welches Ende der 20er Jahre ca. 490 ha umfasste. Das ehemalige Gutsgelände liegt östlich von ... beiderseits des Autobahnringes. Es wurde 1929 von ... erworben, der eine bereits vom Voreigentümer ... begonnene Parzellierung fortsetzte und bis 1932 rund 1200 Parzellen veräußerte. Im Mai 1932 erwarb ... das Gut aus der Zwangsversteigerung und schloss im Oktober 1932 einen Ansiedlungsvertrag mit der Landgemeinde ..., die ihm eine Parzellierungsgenehmigung für das gesamte ehemalige Gutsgelände erteilte.
Mit Vertrag vom 1. April 1941 verkaufte ... eine insgesamt 154.880 qm große Teilfläche des Gutes ... an die Deutsche Reichsbahn. In dem Vertrag findet sich die Formulierung:“ Die zu 1) bis 2) Erschienenen versichern auf Befragen des beurkundenden Beamten, dass sie Nichtjuden seien.“ Das Wort „Nichtjuden“ wurde dabei handschriftlich hinzugefügt und ersetzte das durchgestrichene Wort „Arier“.
Mit Schreiben vom 24. Mai 1943 teilte ... dem vom SS-Wirtschaftsamt mit Verhandlungen über den Ankauf des Restgutes ... beauftragten Makler ... unter Bezugnahme auf dessen Anfrage, wie viel er ungefähr an dem bisherigen Parzellenverkauf verdient habe, mit, dass der ungefähre Durchschnittserlös für 775.519 m² nach Abzug von Kosten 1,38 RM betrage. Infolge des spottbilligen Preises von 0,30 RM/m² sei dies für ihn kein Gewinngeschäft, weshalb er unter allen Umständen darum bitte, dass ihm mindestens ein sehr großer Teil des Gegenwertes in Häusern zu einem einigermaßen im Einklang zu dem billigen Preis des ... Terrains stehenden Preis gewährt werde.
Mit Schreiben vom 24. Juni 1943 teilte ... mit, der Grund, warum er sich ... erhalten wolle oder, falls er es verkaufen müsse – aus freiem Antrieb würde er es überhaupt nicht verkaufen - sei, dass er seinem Sohn ..., der sich zur Zeit in Kriegsgefangenschaft befinde, versprochen habe, dass er an seinem Vermögen keine grundlegende Änderungen vornehmen würde. Aus diesem Grund wolle er, falls er gezwungen sei, ... zu verkaufen, für dieses Objekt wiederum Grundbesitz erhalten.
Mit Schreiben vom 30. Juli 1943 teilte der frühere Eigentümer des Rittergutes ..., ..., ... mit, dass er diesem, ausgehend von einem Quadratmeterpreis von 0,30 RM, einen Betrag von 133.464,49 RM schulde.
Mit notariellem Kaufvertrag vom 2. August 1943 verkaufte ... das Restgut ... (mit Ausnahme bestimmter im Kaufvertrag bezeichneter Parzellen mit einer Gesamtgröße von 8175 qm) mit einer Größe von 2.148.405 qm und eine weitere 210.648 qm große Fläche, letztere unter der Bedingung der Rückauflassung durch die Gemeinde ... an ihn, insgesamt 2.359.405 qm, zum Kaufpreis von 0,30 RM/qm (707.715,90 RM) an den ..., der zu damaliger Zeit die ... betrieb. In § 14 des Kaufvertrages vom 02. August 1943 verpflichtete sich der ... zum Erwerb eines in ... an der ... belegenen, mit einem Wohn- und Bürohaus bebauten Grundstücks. Die Vertragsparteien waren sich darüber einig, dass der ... dieses Grundstück an ... zu einem Kaufpreis in Höhe von 450.000 RM verkauft und dieser Kaufpreis zur Abgeltung des dem ... zustehenden Kaufpreises angerechnet wird. Ferner erklärten die Vertragsparteien die Auflassung hinsichtlich des Übergangs des Eigentums an den im Vertrag bezeichneten Parzellen mit einer Gesamtgröße von 2.148.405 qm und beantragten die Eigentumsumschreibung im Grundbuch. Es wurde vermerkt, dass Juden an dem Vertrag nicht beteiligt seien.
Nachdem ... ... mitgeteilt hatte, dass der ... sich nunmehr weigere, seine Verpflichtungen auf Zahlung von 18000 RM an Herrn ... und 115.679,25 RM an ... für Rechnung von Herrn ... zu erfüllen und ... unter Androhung einer sofortigen Verhaftung gebeten hatte, auf diesen Betrag zu verzichten, antwortete ... mit Schreiben vom 17. März 1944 : „Bei der unbedingten Gerechtigkeit, die in unserem heutigen Staate herrscht und der Sauberkeit aller behördlichen Maßnahmen habe ich so etwas nicht zu befürchten“. In diesem Sinne äußerte sich ... auch mit Schreiben vom 17. März 1944 gegenüber ...
Mit Schreiben vom 27. Mai 1944 teilte ... dem ... mit, er habe im Mai 1943 Herrn ... erklärt, dass er ... jetzt nicht verkaufen wolle. Dessen weiteren Ausführungen sei jedoch zu entnehmen gewesen, dass der Erwerb beschlossene Sache gewesen und ein Widerstreben seinerseits zwecklos gewesen sei, da auf der Gegenseite Kräfte vorhanden seien, die ihren Willen bedingungslos durchsetzen könnten. Er habe wiederholt in den Verkaufsverhandlungen mit Herrn ... darauf hingewiesen, dass eine Siedlungsgenehmigung für diese Flächen nicht mehr bestünde. Herr ... habe ihm erklärt, dass dies der Käuferin längst bekannt sei. Damit sei die Bemerkung der Käuferin, sie sei bei Abschluss des Kaufvertrages davon ausgegangen, dass die Siedlungsgenehmigung für die östlich der Autobahn belegenen Ländereien noch bestünde, voll widerlegt. Sofern man ihm Preisüberschreitung hinsichtlich des Preises von 0,30 Pf./m² vorwerfe, weshalb die Staatsanwaltschaft eingeschaltet werden solle, weise er darauf hin, dass er stets diesen Preis auch von der Gemeinde in den Jahren 1934 und 1935 verlangt habe, die damit einverstanden gewesen sei. Ihm sei nahegelegt worden, einen höheren Preis als 0,30 RM zu verlangen, was er grundsätzlich abgelehnt habe. Heute nehme er an, dass es nur auf diese Ablehnung zurückzuführen sei, dass die Gruppe ... mit dem ... einen Sondervertrag mit 0,75 RM/m² getätigt habe. Da er trotz allen Drucks ... nicht habe verkaufen wollen, habe Herr ... in den Verhandlungen darauf hingewiesen, dass ihm für ... unter anderem Berliner Hausgrundstücke im Wert von mindestens 600.000 RM zum Tausch gegeben werden sollten. Nachdem er mehrere Grundstücke als überteuert abgelehnt habe, habe ihm Herr ... das Grundstück ... zum Preis von 600.000 RM angeboten. Dieser Preis sei enorm überhöht gewesen. Selbst bei einem Preis von 400.000 RM würde er keinen Überschuss erzielen. Herr ... habe ihm jedoch erklärt, dass er mindestens einen Preis von 450.000 RM akzeptieren müsse, wenigstens in Höhe von 415.000 RM. Die Differenz von 35.000 RM würde Herr ... übernehmen. Dieser Betrag würde ihm zuzüglich seiner anderen gegen Herrn ... bestehenden Ansprüche in Höhe von 133.679,25 RM von dem ... für Rechnung für Herrn ... gezahlt werden. Er habe auch immer wieder darauf hingewiesen, dass er die Zahlung der 133.679,25 RM nur dann verlange, wenn dieser Betrag nicht gegen die Preisvorschriften verstoße. Durch den geschlossenen Kaufvertrag habe er das Grundstück ... erworben, welches inzwischen durch einen Terrorangriff stark beschädigt worden sei. Im Kaufvertrag sei vereinbart worden, dass Nutzungen und Lasten sowie alle Gefahren erst mit dem Tage der Grundbucheintragung auf ihn übergingen. Im Hinblick darauf, dass dem Erwerber eines Ruinengrundstücks weder ein Anspruch an das Deutsche Reich auf Nutzungsentschädigung noch auf Wiederherstellung des Grundstücks zustehe, sei dieser Umstand bei Neuverhandlungen zu berücksichtigen. Der Käufer habe darauf hingewiesen, dass, wenn er dem ihm gebotenen Preis von 600.000 RM nicht akzeptiere, dieser das Grundstück im Wege der Enteignung zu einem weit niedrigeren Preis doch bekäme. Er sei sich bewusst, dass der Käufer und die Behörden dazu die Macht hätten und ihm selbstverständlich kein Rechtsmittel zur Seite stehe. Aber wenn in diesem Fall nicht die Macht entscheiden solle, sondern ein vereinbarter wahrlich nicht zu hoher Preis, sei er überzeugt, dass der Käufer diesen zahlen und die zuständige Behörde ihn auch genehmigen werde.
Am 9. Juni 1944 schlossen ... und der ... einen notariell beurkundeten Nachtrag zum Kaufvertrag vom 2. August 1943. Danach vereinbarten die Vertragsparteien in Abänderung des Vertrages vom 2. August 1943 u. a. in § 11 eine Anzahlung des Käufers in Höhe von 112.724, 20 RM und eine Stundung des verbleibenden und zu verzinsenden Restkaufgeldes in Höhe von 600.000 RM bis zum 1. Oktober 1949. Der ursprünglich in § 14 vereinbarte Grundstückstausch entfiel.
Mit Bescheid vom 29. Juli 1944 genehmigte der Regierungspräsident des Regierungsbezirkes Potsdam den Kaufvertrag vom 02. August 1943 in der Fassung des Nachtrags vom 09. Juni 1944 mit der Maßgabe, dass der ... als Erwerber des Restguts ... im Falle des Weiterverkaufs nur zum Stopppreis von 600.000 RM veräußern dürfe. Die Genehmigung erfolgte ferner unter der Voraussetzung, dass die von dem Restgut ... an die Gemeinde ... aufgelassenen 210.648 m² an den ... zurückaufgelassen werden. Falls eine Rückauflassung nicht erfolge, sei der Kaufpreis von 712.724,20 RM um 0,30 RM nicht zurückaufgelassenem Quadratmeter zu ermäßigen. Dementsprechend ermäßige sich auch der Stopppreis im Falle des Weiterverkaufs durch den Erwerber.
Mit Schreiben vom 04. August 1944 wandte sich ... an ... und teilte mit, dass ihm der Brief des Rechtsanwalts ... nicht recht verständlich sei, „nachdem seit dem Erpressungsversuch des guten ... aus dem März des Jahres so viele Monate vergangen“ seien. Rechtsanwalt ... wolle wahrscheinlich seinen Mandanten in irgendeiner Weise „bereinigen“ und dazu seinen „kleinen Erpressungsversuch“ ableugnen. Der Verkauf von ... stelle für ihn keinen Nutzen, sondern einen ungeheuren Schaden dar. Er hätte ... nie verkauft, wenn nicht der Zwang gewesen wäre, sich dem Willen der hinter seiner Käuferin stehenden Gewalt beugen zu müssen. Er bekomme, falls die Genehmigung nun erfolge, weder ein Haus noch die 133.000 RM.
Am 09. August 1944 beantragte der Notar ... aufgrund der im Kaufvertrag vom 02. August 1943 von ... und dem Vertreter des ... erklärten Auflassung die Eigentumsumschreibung beim Amtsgericht ... Dieses teilte mit Schreiben vom 05. Oktober 1944 ... mit, dass dem Antrag stattgegeben werde. Mit Schreiben vom 16. Oktober 1944 wies das Amtsgericht den Notar ... darauf hin, dass die beantragte Eigentums-überschreibung aufgrund der 2. Kriegsmaßnahmenverordnung vom 28. September 1944 bis Kriegsende zurückgestellt werde. Eine Eintragung des ... im Grundbuch als Eigentümer der veräußerten Grundstücke erfolgte nicht.
Mit Schreiben vom 16. August 1944 wandte sich ... an seinen Pächter ... in ... und nahm Bezug auf eine Mitteilung an diesen, wonach er seinerzeit unter Druck ... habe verkaufen müssen. Er hätte es lieber behalten.
Mit Schreiben vom 14. September 1944 teilte ... dem Rittmeister a. D. ... – dem damaligen Generalsekretär des ... - mit, dass er nicht gewillt gewesen sei, ... zu verkaufen, sondern sich nur „der Drohung und dem Zwange gebeugt“ habe. Er habe dem Generaldirektor ... wiederholt erklärt, dass er ... während des Krieges nicht habe verkaufen wollen. Herr ... habe ihm deutlich gemacht, dass er auch im Fall der endgültigen Nichtgenehmigung des Kaufpreises ... nicht behalten könne, der ... bekäme es vielmehr auf alle Fälle. Der Polizeipräsident ... habe insoweit auf seine Polizeiakten und dem Umstand, dass er Nichtarier sei, hingewiesen. Die Bemerkung hinsichtlich der Polizeiakten sei nicht verständlich, da er niemals bestraft worden sei und was den Nichtarier anbelange, sei es richtig, dass er einen jüdischen Großvater habe. Herr ... habe weiter gesagt, es sei beschlossen, ... aufgrund einer bereits vorliegenden Taxe über 450.000 RM zu enteignen, so dass er – ... – sich notgedrungen diesem Zwang gebeugt habe. Ihm sei klar geworden, dass ... jedes Mittel genutzt hätte, um seinen Willen durchzusetzen. Insbesondere habe sich das zuständige Ministerium im Prinzip mit einer Enteignung zugunsten des ... einverstanden erklärt.
Mit Schreiben vom 08. März 1945 teilte ... dem Bürgermeister der Gemeinde ... mit, dass er nicht die Absicht gehabt habe, das Gut zu verkaufen, sondern dazu nur durch auf ihn ausgeübten starken Zwang veranlasst worden sei.
Mit Schreiben vom 12. März 1945 wandte sich ... an Rechtsanwalt ... und teilte mit, dass der Verkauf an den ... unter starkem Zwang zustande gekommen sei, weshalb es zu einem Prozess kommen werde. Er besäße seit etwa 15 Jahren das bei ... belegene Gut ... Im Frühjahr 1943 habe ihm der Architekt ... mitgeteilt, dass die SS (Wirtschafts-Verwaltungsamt) das Gut kaufen wolle. Er habe sofort geantwortet, dass er gar nicht daran denke, es zu verkaufen. Herr ... habe ihm aber verständlich gemacht, dass ein Sträuben seinerseits dagegen nicht nur keinen Zweck, sondern für ihn eventuell sehr unangenehme Folgen haben würde. Diesem Druck habe er nachgeben müssen. Er habe aber deutlich gemacht, dass er bei einem Verkauf wenigstens als Gegenwert nicht bares Geld, sondern ... Grundstücke haben wolle, was ihm auch zugesagt worden sei. Nach einigen Wochen habe Herr ... mitgeteilt, dass nicht die SS als Käuferin auftrete, sondern der ..., dass aber innerhalb des ... und der SS Abmachungen getroffen worden seien, dass der ... nicht nur mit vollem Einverständnis, sondern mit Unterstützung der SS das Gut erwerbe. Am 02. August 1943 sei dann der Kaufvertrag zustande gekommen. Später habe er erfahren, dass ... am gleichen Tage mit dem ... einen notariellen Vertrag geschlossen habe, worin sich dieser verpflichtet habe, dem ... das Gut ... zu beschaffen und als Entgelt dafür denjenigen Betrag erhalten habe, der zwischen dem Verkaufspreise von 30 Pf./m² und dem Preis von 75 Pf./m², den der ... Herrn ... gegenüber akzeptiert habe, also 45 Pf./m². Gemäß § 14 des Kaufvertrages vom 02. August 1943 habe ihm der ... das Haus in ..., ... für 712.724, 20 RM verkauft. In § 12 des Vertrages sei vereinbart worden, dass im Falle der Nichtgenehmigung des Kaufpreises der Vertrag nichtig sei. Durch Schreiben des Landrates des Kreises ... vom 19. Januar 1944 sei sowohl die Genehmigung des Kaufvertrages vom 02. August 1943 als auch des zwischen Herrn ... und dem ... geschlossenen Vertrages abgelehnt worden. Herr ... schulde ihm 133.679,25 Mark. Der ... habe sich verpflichtet, diesen Betrag an ihn zu zahlen. Bei einer Besprechung am 23. Mai 1945 habe ihm der Generaldirektor der Allianz ..., der für den ... die finanztechnischen Angelegenheiten erledigt habe, erklärt, selbst wenn der Landrat den Kaufvertrag nicht genehmige, würde ihm ... doch genommen werden. Der damalige Polizeipräsident ..., der den Präsidenten des ... vertreten habe, habe ihm mitgeteilt, dass er nicht reiner Arier sei. Er sei, da er einen jüdischen Großvater habe, „Mischling 2. Grades“. Im Übrigen würde das Gut ... enteignet, falls er nicht einem geänderten Kaufvertrag zustimmen würde. Das Grundstück ... werde auch nicht mehr an ihn verkauft, da es erstens durch einen Terrorangriff schwer beschädigt worden sei und sich der Club nicht mehr veranlasst sehe, das Grundstück, welches dieser erst von dritter Hand erwerben müsse, ihm zu geben. Ferner habe ... erklärt, dass ... ihn, falls er auf die Nichtigkeit des Kaufvertrages bestehe, amtlich vorladen werde und beabsichtige, die Sache wegen Preisüberschreitung der Staatsanwaltschaft zu übergeben. Er habe darauf geantwortet, dass der Preis von 30 Pf. keine Preisüberschreitung bedeute, sondern dass dieser Preis ihm bereits vor vielen Jahren seitens der Gemeinde ... angeboten worden und auch von der Reichsautobahn für Stücke, die diese von ihm gekauft habe, gezahlt worden sei. Da er ... gekannt habe, habe er es für richtig gehalten, unter Zwang in die Abänderung des Kaufvertrages einzuwilligen und auf die Zahlung der erwähnten ca. 133.000 RM für Rechnung des Herrn ... durch den ... zu verzichten. In der Unterredung vom 23. Mai 1944 hätten ... und Herr von ... erwähnt, dass sie bisher immer der Ansicht gewesen seien, dass für ... noch die Siedlungsgenehmigung bestünde und wenn sie gewusst hätten, dass dies nicht mehr der Fall gewesen sei, sie niemals dem im Vertrag vorgesehenen Preis zugestimmt hätten. Er habe darauf sofort entgegnet, dass Herr ... genau gewusst hätte, dass die Siedlungsgenehmigung nicht mehr bestünde. Über diesen Vorwurf sei er empört gewesen und habe sofort mit Herrn ... gesprochen. Er habe hieraus wieder ersehen, welche Manöver gemacht worden seien, um ihn zum Abschluss des Kaufvertrages zu zwingen. Mit Schreiben vom 14. September 1944 habe ihm der Bürgermeister von ... mitgeteilt, dass dieser es endgültig abgelehnt habe, die 210.648 m² dem ... aufzulassen. Durch Schreiben vom 20. Dezember 1944 habe der Regierungspräsident erklärt, dass der Kaufvertrag nicht nichtig sei, selbst wenn die Auflassung nicht erfolge. Dies stehe seiner Ansicht nach in direktem Widerspruch zu § 12 des Kaufvertrages. Denn der Kaufpreis habe nicht 30 Pf./m², sondern gemäß § 3 des Kaufvertrages 707.715,90 RM betragen. In § 3 sei auch vereinbart, dass der Anspruch auf Rückauflassung unter Ausschluss jedweder Gewähr erfolgt sei. Der Regierungspräsident sei der Ansicht, dass diese Vereinbarung wegen Verstoßes gegen die Preisvorschriften nichtig sei. Gemäß § 139 BGB sei aber bei Teilnichtigkeit der gesamte Inhalt eines Vertrages nichtig.
Nach Kriegsende wurde das Restgut ... im Zuge der Bodenreform enteignet.
Mit Schreiben vom 04. Oktober 1945 teilte ... dem Notar ... mit, dass er den ihm aufgezwungenen Vertrag durch Einschreibebrief angefochten habe und nicht beabsichtige, gegen die Beteiligten irgendwelche Schritte zu unternehmen, sofern der Antrag auf Auflassung zurückgenommen werde.
Am 8. Oktober 1945 sprach die Sekretärin von ..., Frau ..., bei der Kreiskommission zur Durchführung der Bodenreform in ... vor. Dort teilte man ihr mit, dass das Restgut ... seitens der Gemeinde ... bereits zur Verteilung der Kreiskommission übergeben worden sei. Als Enteigneter sei allerdings nicht ..., sondern der ... angegeben. Mit Schreiben vom 08. Oktober 1945 beauftragte ... den Rechtsanwalt ..., eine Eigentumsumschreibung auf den ... zu verhindern und sicherzustellen, dass eine Enteignung nur ihm selbst gegenüber erfolgen dürfe. Dabei legte er die Umstände des Kaufvertragsabschlusses dar. Mit Schreiben vom 15. Oktober 1945 wandte sich ... an den ... und forderte diesen auf, gegenüber dem Grundbuchamt bei dem Amtsgericht ... die Nichtigkeit des Kaufvertrages vom 02. August 1943 zu erklären. Mit Schreiben gleichen Datums teilte der ... dem Landrat in ... mit, dass der ... aufgrund des Kaufvertrages ein Recht auf Eigentumsübertragung habe.
Mit Schreiben vom 24. Oktober 1945 wandte sich ... „an die Stelle, die – falls der ..., ..., aufgelöst ist, dessen früheres Vermögen verwaltet“ und teilte mit, dass der ... bzw. das SS-Wirtschafts- und Verwaltungsamt im Jahr 1943 durch einen Parteigenossen ... an ihn herangetreten seien und ihm gedroht hätten, dass ihm, weil er Halbjude sei, ... behördlich genommen würde und er in ein Konzentrationslager käme, falls er sich weigere, dem ... das Gut ... zu verkaufen. Diese Drohungen habe er umso ernster nehmen müssen, da er bereits vom 27. Februar 1939 bis 29. April 1939 wegen Differenzen mit der Partei in Haft gewesen sei. In beiden Verträgen sei geregelt worden, dass bei einer Nichtgenehmigung des vereinbarten Preises von 712.724,20 RM der Kaufvertrag nichtig sei. Die Genehmigung sei seitens des Regierungspräsidenten nicht in voller Höhe erfolgt, so dass der Kaufvertrag nichtig sei. Im Falle einer Enteignung aufgrund der Bodenreform wünsche er unter allen Umständen, dass das Gut ihm enteignet werde.
Mit Schreiben vom 31. Oktober 1945 an das Amtsgericht ... sowie mit Schreiben vom 07. November 1945 und vom 31. Dezember 1945 an die Kreiskommission zur Durchführung der Bodenreform beim Landratsamt in ... machte er erneut die Nichtigkeit des Kaufvertrages geltend und bat darum, dass die Enteignung nicht gegenüber dem ..., sondern ihm selbst gegenüber erfolgen solle. Der Vorsitzende der Kreiskommission zur Durchführung der Bodenreform bestätigte ... mit Schreiben vom 12. Januar 1946, dass die Enteignung ihm gegenüber erfolgt sei.
Mit Schreiben vom 14. Januar 1946 an ... und an das Amtsgericht ... verzichtete der ... (West) auf das Recht der Auflassung aus dem Kaufvertrag vom 02. August 1943 und dem Nachvertrag vom 9. Juni 1944.
Mit Bescheinigung vom 10. Juni 1948 erklärte der Rat des Kreises ..., dass das Grundstück, eingetragen im Grundbuch des Amtsgerichts ... von ..., Eigentümer ..., aufgrund des Art. II Ziff. 3 der Verordnung zur Durchführung der Bodenreform vom 06. September 1945 enteignet worden sei. Ausgenommen davon sei die durch Kaufvertrag von 29. März 1939 verkaufte Parzelle Nr. 4121/51.
... wurde am 31. Juli 1873 in Lugos (Ungarn) als Sohn von ... und seiner Ehefrau ... geboren. Am 28. August 1871 wurde er evangelisch getauft. Bei den Eltern der ... handelte es sich nicht um Juden im Sinne der nationalsozialistischen Rassengesetzgebung. Der Vater von ..., der 1804 geborene ..., war hingegen Jude. Dessen Ehefrau, ... geb. ..., wurde wahrscheinlich am 9. Januar 1809 in Filehne, Posen geboren. Im „Verzeichnis sämtlicher naturalisierten Israeliten im Großherzogthum Posen“ aus dem Jahre 1836 werden ein Kaufmann ..., wohnhaft in Obrzycko, und ein Kaufmann ..., wohnhaft in Filehne, genannt. ... verstarb im August 1889 in den Vereinigten Staaten von Amerika und wurde auf dem jüdischen Friedhof Mt. Olive in St. Louis beigesetzt. Nach einer Mitteilung der United Hebrew Congregation St. Louis vom 26. August 1997 seien nach den damals geltenden Regelungen und Vorschriften ausschließlich jüdische Beerdigungen auf dem Friedhof zulässig gewesen, so dass davon auszugehen sei, dass ... dem jüdischen Glauben angehört haben müsse. Aus der Ehe mit ... gingen neben dem bereits erwähnten Simon noch die Kinder Saul, Cäcilie und Ernestine hervor. Ernestine ... heiratete ausweislich der Heiratsurkunde am 20. November 1877 vor dem Königlichen Kreisgericht in Posen den Kaufmann Emanuel .... In der Heiratsurkunde werden beide als dem jüdischen Glauben zugehörig bezeichnet und Ernestine ... zusätzlich mit ihrem zweiten Vornamen "Esther" benannt. In den Akten befindet sich auch die Todesurkunde des Simon ..., in der dieser als "mosaisch" bezeichnet wird.
Unter dem 15. Februar 1939 teilte die in Berlin ansässige Deutsch-Polnische-Gesellschaft ... mit, dass „trotz ausführlicher Forschungen bei den in Frage kommenden jüdischen Gemeinden keine Unterlagen über die genannte Brodda gefunden“ worden seien. Weiter heißt es in dem Schreiben, „dass der Name Brodda oder Broda nicht nur jüdisch ist, sondern auch bei National-Polen vorkommt“. Als weitere Argumente dafür, dass Johanna ... nicht jüdisch gewesen sei, wurde angeführt, dass es zur Zeit ihrer Geburt ungewöhnlich gewesen wäre, wenn jüdische Eltern ihrer Tochter die Vornamen Johanna Elisabeth gegeben hätten, und dass die aus ihrer Ehe hervorgegangenen Knaben jüdische Vornamen erhalten hätten, während die Vornamen der beiden Mädchen nichtjüdisch seien, was auf eine Mischehe schließen lasse. In einer Ergänzungskarte für Angaben über Abstammung und Vorbildung zur Volkszählung vom 17. Mai 1938 ist für ... bei der Frage, ob „einer der vier Großelternteile der Rasse nach Volljude“ gewesen sei, in der Spalte 5 (Großvater väterlicherseits) angegeben "ja". Die Eintragung in Spalte 6 (Großmutter väterlicherseits) ist am Anfang durchgestrichen und unleserlich. Der lesbare Rest lautet: „aber auf Urkunden weder jüdisch noch arisch feststellbar“. Frau Olga ..., eine Schwester ..., beantwortete die Frage nur hinsichtlich des Großvaters väterlicherseits mit "ja" und verneinte sie hinsichtlich der anderen Großeltern. In einem „Fragebogen zum Nachweis der Abstammung“ machte ... unter dem 22. Juni 1938 zu seiner Großmutter Johanna ... keine weiteren Angaben und bezeichnete sich als „Mischling“. Ein Abstammungsbescheid des Reichssippenamtes für ..., an dem seit Mai 1939 gearbeitet worden war, erging bis Kriegsende nicht mehr. In einer vom Oberpräsidenten Provinz Mark Brandenburg gefertigten Aufstellung der Güter über 75 ha in jüdischem Besitz vom 30. August 1939 (Quelle: Bundesarchiv Koblenz unter Bestand "R 14: Reichslandwirtschaftsministerium für Ernährung und Landwirtschaft", dort R 14/284) ist unter Nr. 15 aufgeführt: „... ...“ Daneben ist vermerkt: „Ermittlungen, ob Jude im Sinne der Nürnberger Gesetze ... schweben“. Ein derartiger Vermerk fehlt in einer Aufstellung landwirtschaftlicher Flächen in jüdischem Eigentum, die vom Regierungspräsidenten Potsdam im Jahre 1939 erstellt wurde und in der ebenfalls ... genannt wird (Quelle: Bundesarchiv Koblenz R 14/265). In dieser Aufstellung heißt es: "Grundstück: 1, Grundstücksart: Ackerland, Größe: 125 ha, Eigentümer: ..., ..., ..., Gemeinde: ..., Kreis ...".
In einem anonymen Schreiben an ... aus dem März 1938, unterzeichnet mit „Einige nationalsozialistische Siedler“, heißt es:
„Es hat sich herausgestellt, dass Sie Jude sind, ein Jude von gemeingefährlichem Charakter, von gemeiner Gesinnung und von sträflicher Geldgier. Es ist uns bekannt, dass sie auch Menschenleben durch Ihre jüdischen Manipulationen auf dem Gewissen haben. Wir haben keine Luft, von einem solchen Juden abhängig zu sein. Den Behörden ist alles bekannt.“
Unter dem 22. April 1938 teilte die Ortsgruppe Lichterfelde-Ost der NSDAP ... mit, dass er nach den von ihm beigebrachten Unterlagen als sog. „Mischling ersten Grades“ gelte. ... selbst erklärte bis zum Ende des Krieges wiederholt, sog. „Mischling 2. Grades“ zu sein, so z. B. in einer Anlage zu einem Brief an einen Herrn ... vom 12. März 1945 und in einem Brief an den Generalsekretär des ..., den Rittmeister a. D. von ..., vom 14. September 1944. In einem nach dem Krieg verfassten Schreiben, adressiert an die Kreiskommission Bodenreform der Provinz Brandenburg, führte er aus: „Ich bin Mischling ersten Grades. Ich versichere hierdurch an Eides statt: Sowohl mein Vater wie auch mein Großvater väterlicherseits waren jüdisch, höchstwahrscheinlich auch meine Großmutter väterlicherseits. Letzteres kann ich jedoch nicht nachweisen. Es ist jedoch anzunehmen, dass am Anfang des vorigen Jahrhunderts ein Jude keine Christin geheiratet hätte. Eheschließungen zwischen Juden und Christen waren in den kleinen Städten Posens, woher meine Großeltern stammen, fast unmöglich. Wenn das ausnahmsweise der Fall war, trat die Frau sofort zum Judentum über.“
Auch in Schreiben an den Vorsitzenden zur Durchführung der Bodenreform vom 31. Dezember 1945 und an einen Herrn ... vom 12. April 1946 bezeichnete er sich als „Mischling ersten Grades“. In einem Schreiben an den ... vom 8. Oktober 1945 erklärte er, dass im Zuge der Verhandlungen über den Verkauf des Restgutes der „Hinweis“ ergangen sei, dass er „Mischling ersten Grades sei und froh sein solle, wenn alles reibungslos vor sich gehe". In dem Schreiben an den Vorsitzenden zur Durchführung der Bodenreform vom 31. Dezember 1945 führte ... aus: "... Ich habe absichtlich bis jetzt nie das Schwere, was ich unter den Nazis erlitten habe, in der Weise erwähnt, um daraus irgendwelche Vorteile oder Bevorzugungen zu genießen. Ich glaube aber, dass eine gewisse Offenheit jetzt notwendig ist, wobei ich bemerke, dass ich keine Vorteile deswegen wünsche, sondern nur bitte, die jetzigen Gesetze mir gegenüber, soweit es tunlich ist, mit einer gewissen Milde anzuwenden. Ich bin Mischling 1. Grades und habe, wie Sie sich wohl denken können, infolgedessen unter den Nazis es fast unerträglich schwer gehabt. Einzelheiten hierüber jetzt auszuführen, würde diesen Brief zu umfangreich gestalten. Die Einzelheiten sind nicht immer schwerwiegend gewesen, aber sie gingen durch die ganzen 12 Jahre. Dies nachzufühlen vermag eigentlich nur der, der so wie ich solche jahrelangen dauernden Verfolgungen erdulden musste. Bald nach der Machtergreifung im Jahre 1933 strengten zwei ausgesprochene Nazis und PGs, Herr ... und Frau ..., einen Prozess bzgl. des Gutes ... gegen mich an. Um ihrem Prozess (den sie verloren haben) mehr Nachdruck zu geben, denunzierten sie mich bei der Gestapo. Da ich aber die völlige Unhaltbarkeit ihrer Behauptungen bis ins Kleinste beweisen konnte, wurde ich nach einer langen Untersuchung durch Gerichtsbeschluss außer Verfolgung gesetzt. Sie ließen aber auch alsdann mit ihren Anzeigen nicht nach, behaupteten u. a. ich sei Jude, um auf diese Weise meine Evakuierung oder eventuelle Verschickung in ein Konzentrationslager zu veranlassen. (In Wirklichkeit bin ich nicht Jude, sondern Mischling 1. Grades). Als sie auch damit keinen Erfolg hatten, denunzierte mich 1939 Frau ... - deren Schwager der bekannte Görlitzer war - dass ich das Reichsrechtsamt der Partei in München mittels dritter Personen zu bestechen versucht habe. Ich wurde dieserhalb am 27. Februar 1939 in Haft genommen, und nachdem durch genaueste Untersuchungen festgestellt wurde, dass auch nicht der Schimmer eines Beweises für ihre Behauptungen beizubringen war und meine völlige Schuldlosigkeit festgestellt wurde, wurde ich am 29. April 1939 aus der Haft entlassen. Es ist unglaublich, mit welchen Waffen dabei seitens der Polizei gearbeitet wurde: Am 2. und 3. Tage nach meiner Haft wurde von einem Polizeiarzt mein Geschlechtsglied besichtigt. Ich war damals 67 ¾ Jahre alt und glaubte, die Untersuchung fände statt bzgl. meiner Haftfähigkeit, da ich herzkrank bin und sehr elend war. Der Arzt besichtigte weiter nichts, nur das eben erwähnte. Als ich am nächsten Tage - ich war damals im Polizeigefängnis Schöneberg, Grunewaldstrasse - von dem Kriminalassistenten ... vernommen wurde, sagte er, der Arzt hätte festgestellt, dass ich beschnitten sei. Als ich darüber empört das Gegenteil behauptete und um sofortige erneute Untersuchung bat (ich hatte sofort das richtige Gefühl, dass ich zum Juden abgestempelt werden sollte, um leichter in ein Konzentrationslager verschickt zu werden), sagte der Assistent ..., ich solle doch ruhig zugeben, dass ich beschnitten sei, denn diese Operation könne ja auch aus sonstigen Gründen geschehen sein. Als ich es wiederum bestritt und um erneute ärztliche Untersuchung bat, wurde dies abgelehnt. Nachdem ich aus der Haft entlassen war, ging ich in den ersten Tagen nach meiner Haftentlassung in das Krankenhaus in der Turmstrasse (ich weiß heute nicht mehr, wie dasselbe heißt), und dort wurde selbstverständlich festgestellt, dass ich niemals beschnitten sei. Dieses Attest reichte ich der Staatsanwaltschaft zu den Akten ein. Ich erwähne dies nur, um die hinterhältige Art, mit der verfahren wurde, zu illustrieren. Es ist für mich kein Zweifel, hätte ich, um nur Ruhe zu haben, die Beschneidung zugegeben, so wäre ich bestimmt als Jude in ein Konzentrationslager gebracht worden. Solche und ähnliche seelische Quälereien könnte ich noch diverse angeben, ich unterlasse dies aber, um nicht den Eindruck zu erwecken, als wollte ich in irgendeiner Weise Stimmung für mich machen. ..."
In einem Verzeichnis der „Deutschen Juden (Halbjuden)“ der Stadt Coburg vom 9. August 1946 ist auch ... aufgeführt.
Mit Schreiben vom 2. Mai 1990 wandte sich der Kläger zu 1., der Enkel des ..., an den Rat des Kreises Strausberg. Darin führte er zunächst 10 Grundstücke mit Angabe der alten und z. T. auch der neuen Flurbezeichnung sowie Größenangabe auf, die nach einem Schreiben des Rates der Gemeinde ... vom 23. Januar 1950 noch im „Besitz“ von ... gewesen seien. Hinsichtlich dieser Grundstücke bat er um Mitteilung, wer nunmehr als Eigentümer im Grundbuch eingetragen sei und ggf. wann und aufgrund welcher Rechtsgrundlage sie enteignet worden seien. Ferner bat er um Mitteilung, ob noch weitere Grundstücke auf den Namen ... eingetragen seien. Weiter heißt es in dem Schreiben: „Hinsichtlich der Enteignung des Gutes ... im Jahre 1945 bitte ich Sie, auch hier mir die gesetzliche Grundlage für diese Enteignung zu nennen und mir mitzuteilen, wer heute als Eigentümer der unten aufgeführten Grundstücke eingetragen ist.“ Danach folgt eine Aufzählung von 71 Grundstücken.
In einem weiteren Schreiben des Klägers zu 1. an den Rat des Kreises Strausberg vom 4. Juli 1990 heißt es: „Ich melde hiermit im Namen von Frau ... ... als Vorerbin und im Namen der Nacherben Frau ... ... Herrn ... ... Herrn ... ... Eigentumsansprüche an folgenden Grundstücken an:“ Danach folgt die Aufzählung der bereits im Schreiben vom 2. Mai 1990 genannten 10 Grundstücke, die sich im Januar 1950 noch im „Besitz“ von ... befunden haben sollen. Weiter heißt es in dem Schreiben: „Des Weiteren melde ich hiermit Eigentumsansprüche im Namen der oben genannten Personen für sämtliche 1945 enteigneten Grundstücke des Gutes ... an: ...“ Hiernach folgt die Aufzählung der bereits im Schreiben vom 2. Mai genannten 71 Grundstücke. Das Schreiben schließt mit einem Antrag auf Rückübertragung einer in ... belegenen Parzelle mit einer Größe von ca. einem Hektar, die ... nach der Enteignung des Restgutes ... im Rahmen der Bodenreform zugewiesen worden sein soll. (Anm: ... war die Ehefrau des ..., des verstorbenen Sohnes des ...).
In einem dritten Schreiben, adressiert an die Verwaltung des Landkreises Straus-berg, vom 14. August 1990 äußerte der Kläger zu 1. sich wie folgt:
„Aufgrund der Verordnung über die Anmeldung vermögensrechtlicher Ansprüche vom 11. Juli 1990 wiederhole ich hiermit die Anmeldung der Eigentumsansprüche. Ich melde hiermit im Namen von ... (es folgen die Namen der Vorerbin sowie ..., ... und ...) Eigentumsansprüche an folgenden Grundstücken an und beantrage die Wiederherstellung der früheren Eigentumsrechte und die Aufhebung der staatlichen Verwaltung: ...(es folgt die Aufzählung der bereits in den Schreiben vom 2. Mai 1990 und 4. Juli 1990 genannten 10 Grundstücke) ..."
„Des weiteren melde ich hiermit Eigentumsansprüche im Namen der oben genannten Personen für sämtliche 1945 enteigneten Grundstücke des Gutes ... an und beantrage die Wiederherstellung der früheren Eigentumsrechte und die Aufhebung der staatlichen Verwaltung: ...(es folgt die Aufzählung der bereits in den Schreiben vom 2. Mai 1990 und 4. Juli 1990 genannten 71 Grundstücke) ...“ Am Ende des Schreibens wird der Antrag auf Rückübertragung einer ein Hektar großen Parzelle in ... wiederholt.
Im November 1996 zog das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen die Verfahren der Erben nach ... unter Berufung auf die Regelung des § 25 Abs.1 Satz 3 des Vermögensgesetzes an sich.
Mit Bescheid vom 29. Dezember 1997 lehnte das damals zuständige Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen die Rückübertragung u. a. des verfahrensgegen-ständlichen Grundstücks an die Erbengemeinschaft nach ... im Wesentlichen mit der Begründung ab, die vormals zum Gut ... gehörenden Grundstücke seien auf der Grundlage der Verordnung zur Durchführung der Bodenreform der Provinz Mark Brandenburg entschädigungslos enteignet worden. Die Erben nach ... seien nicht Berechtigte im Sinne des § 2 VermG, weil die auf ausdrücklichen Wunsch des ... gegen ihn, der nach dem 08. Mai 1945 noch als Eigentümer dieser Grundstücke im Grundbuch eingetragen gewesen sei, gerichtete Enteignung eine solche auf besatzungsrechtlicher bzw. besatzungshoheitlicher Grundlage sei und deswegen gem. § 1 Abs. 8 Buchstabe a VermG nicht in den Geltungsbereich des Vermögensgesetzes falle.
Die Kläger haben am 6. Januar 1998 Klage erhoben. Zur Begründung tragen sie im Wesentlichen vor: Maßgebender Vermögensverlust sei die Veräußerung des Rest-gutes ... mit Kaufvertrag vom 2. August 1943 und 9. Juni 1944. Die Enteignung nach der Bodenreform, auf welche das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen abstelle, sei demgegenüber lediglich als „Zweitenteignung“ zu betrachten. Aufgrund des Vertrages mit dem ... habe der geschädigte ... die Verfügungsgewalt über die Liegenschaften endgültig verloren, ohne diese jemals wieder erlangt zu haben. Die Enteignung nach der Bodenreform bewirke für den Geschädigten keinen weiteren Verlust an den Vermögenswerten. Zum Zeitpunkt der Enteignung im Zuge der Bodenreform sei mit dem Kaufvertrag sowohl das obligatorische als auch das dingliche Rechtsgeschäft zur Übertragung auf den ... vollzogen worden. Darüber hinaus seien sämtliche öffentlich-rechtlichen Genehmigungen erteilt und die Anträge auf Eigentumsumschreibung bei dem zuständigen Grundbuchamt gestellt gewesen. Das Grundbuchamt habe zudem mitgeteilt, dass dem Antrag auf Eigentumsüberschreibung stattzugeben sei. Das erfolgreiche Bemühen des ... kurz nach Kriegsende durch die Feststellung der Nichtigkeit des Kaufvertrages wenigstens eine ideelle Rehabilitierung erreicht zu haben, könne jedoch im Sinne der umfassenden Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts nicht die Ablehnung der Restitutionsanträge nach dem Vermögensgesetz zur Folge haben. Denn der Verlust der Verfügungsbefugnis, welcher spätestens mit der Stellung des Antrages auf Eigentumsumschreibung und der Mitteilung über dessen bevorstehender Stattgabe durch das Amtsgericht ... nach § 17 GBO mit der Folge eines Anwartschaftsrechts zugunsten des ... eingetreten sei, sei zu keiner Zeit rückgängig gemacht worden. Die dauerhafte und nachhaltige Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts entspreche aber dem Gesetzeszweck des § 1 Abs. 6 VermG. Deswegen seien die von § 1 Abs. 6 VermG erfassten Vermögensverluste nach Maßgabe des Vermögensgesetzes auch dann rückgängig zu machen, wenn der Vermögenswert nach Maßgabe der Bodenreform später erneut entzogen worden sei. § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG stelle klar, dass Ansprüche nach Abs. 6 unberührt blieben.
Bei dem Verkauf der Grundstücke mit Vertrag vom 02. August 1943/19. Juni 1944 habe es sich um einen Zwangsverkauf gehandelt, bei welchem nach Maßgabe des II. Abschnitts der Verordnung BK/O (49) der Alliierten Kommandantur Berlin vom 26. Juli 1949 die Verfolgungsbedingtheit bereits gesetzlich vermutet werde. ... sei „Mischling 1. Grades“ im Sinne von § 2 Abs. 2 der 1. Verordnung zum Reichsbürgergesetz in Verbindung mit dem Runderlass des Reichsministers des Innern vom 26. November 1935 gewesen, wie auch die 3. Kammer in ihrem Urteil vom 21. Dezember 2005 – 3 K 77/05 - festgestellt habe. Darüber hinaus sei der Abschluss des Kaufvertrages unter bewusster Ausnutzung der durch die nationalsozialistischen Machtverhältnisse bedingten Verfolgungssituation des ... zustande gekommen. Dieser habe den Kaufvertrag vom 02. August 1943/09. Juni 1944 nur auf erheblichen Druck seitens des Erwerbers ... und der SS abgeschlossen. Die vorgelegten Dokumente zeigten hinreichend und schlüssig, dass der ... unter Zuhilfenahme der SS und unter Mitwirkung von ... das Wissen um die jüdische Herkunft von ... benutzt hätten, um das Eigentum am Gut ... zu erlangen. Der Beweis, dass das Rechtsgeschäft ohne die Herrschaft des Nationalsozialismus abgeschlossen worden wäre, könne nicht geführt werden. Insbesondere nach Abschluss des Nachtrags vom 9. Juni 1944 zum Kaufvertrag vom 02. August 1943 sei klar gewesen, dass es zu dem ursprünglich vereinbarten Grundstückstausch nicht mehr kommen werde und der vereinbarte Preis von 0,30 RM/qm zu einem Verlust von 342.146,38 RM geführt habe. Ein derartiges Zusatzgeschäft hätte kein Verkaufswilliger abgeschlossen. Einem Schreiben des Rechtsanwalts ... vom 21. Oktober 1997 zufolge habe der Sohn von ..., ... jun., diesem während der gemeinsamen Kriegsgefangenschaft erklärt, dass sein Vater Beziehungen zu dem damaligen Polizeipräsidenten ... unterhalten habe, der – wohl nach Zahlungen des Vaters – seine „schützende Hand über den Vater und die Familie gehalten“ habe, sodass diese den Krieg überlebt hätten.
Auch der Landrat des Landkreises ... habe in seinem Bescheid vom 29. Dezember 2003 festgestellt, dass ... als „Mischling 1. Grades“ zu den Kollektivverfolgten gezählt habe.
Dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. Juni 2007 – 8 C 8.06 –, wonach ... nicht zum Personenkreis der Kollektivverfolgten gehöre, weil zur Zeit des Nationalsozialismus keine Erkenntnisse vorgelegen hätten, dass er „Mischling 1. Grades“ gewesen sei, und heutige Erkenntnisquellen nicht zu berücksichtigen seien, sei nicht zu folgen. Dem Bundesverwaltungsgericht sei entgegenzuhalten, dass mancher Betroffene gerade aufgrund der spezifischen Verfolgungssituation keine Unterlagen aus der damaligen Zeit mehr besäße. Es unterliege keinem Zweifel, dass der alliierte Gesetzgeber der Rückerstattungsanordnung nicht beabsichtigt habe, Personen, die zum Personenkreis der kollektiv Verfolgten gehört hätten, dies aber nur aufgrund neuer Dokumente hätten nachweisen können, von der Rückerstattung auszuschließen. In der bisherigen Rechtsprechung zum Rückerstattungsrecht sei stets unumstritten gewesen, dass der Nachweis über die Verfügbarkeit von Erkenntnissen und Erkenntnismitteln zur Zeit des Nationalsozialismus nicht hätte erbracht werden müssen. In den rückerstattungsrechtlichen Verfahren sei es üblich gewesen, dass die Antragsteller ihre Zugehörigkeit zu einer verfolgten Personengruppe durch ausländische Personenstandsdokumente nachgewiesen hätten, die weit nach dem Ende der nationalsozialistischen Herrschaft erstellt worden seien. In der Rechtsprechung zum Rückerstattungsrecht sei es auch niemals auf eine etwaige Kenntnis der nationalsozialistischen Machthaber über die Zugehörigkeit eines Betroffenen zu einer verfolgten Personengruppe angekommen. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts führe zu einem Ausschluss jüdisch Verfolgter aus dem Kreis der Rückerstattungsberechtigten, soweit diese ihre Zugehörigkeit zum verfolgungsrelevanten Personenkreis zu verschleiern versucht hätten und aufgrund der verfolgungsbedingten Vernichtung von Altdokumenten auf Erkenntnisquellen aus späterer Zeit zurückgreifen müssten. Dem Bundesverwaltungsgericht sei auch nicht darin zu folgen, dass sich untere Ebenen und Instanzen mit ihren Angriffen gegen ... nicht hätten durchsetzen können. Nach den Grundsätzen des Rückerstattungsrechts und der dazu ergangenen Rechtsprechung der Rückerstattungsgerichte sei nur die Absicht der deutschen Regierung oder der NSDAP maßgebend, den jüdischen Personenkreis ausschließen zu wollen. Allein die Verfolgungsabsicht der NSDAP sei ausreichend. Nicht erforderlich sei hingegen, dass sich die Absicht des deutschen Staates oder der NSDAP auch stets erfüllt und Erfolg gehabt haben müsse. ... sei auch entgegen dem Bundesverwaltungsgericht als „Mischling 1. Grades“ behandelt worden. Dies ergebe sich bereits daraus, dass sein Eigentum in die Aufstellung der Judengüter über 75 ha aufgenommen worden sei, wobei es sich um einen Vorgang des Vermögensentzugs durch Arisierung in der Folge der Verordnung über den Einsatz des jüdischen Vermögens vom 03. Dezember 1938 gehandelt habe. Diesbezüglich hätten Ermittlungen nicht etwa aufgrund seines Status als „Mischling 1. Grades“, sondern nur hinsichtlich der Einschätzung, ob er Jude hinsichtlich § 5 Abs. 2 der Ersten VO zum Reichsbürgergesetz war, geschwebt, da ansonsten, wie bei einem anderen Eigentümer in Spalte 7 vermerkt worden wäre, „soll Mischling 2. Grades sein“.
Dem Geschädigten könne auch nicht nachteilig ausgelegt werden, dass er nicht im Zuge der 11. Verordnung zum Reichsbürgergesetz belangt worden sei, da diese nur für Auslandsjuden gegolten habe, wozu dieser, selbst wenn er „Volljude“ gewesen wäre, nicht gehört habe. Halte man diesen Umstand für eine Voraussetzung eines Rückübertragungsanspruchs, würde der Personenkreis der Berechtigten de facto auf den Kreis der in die Konzentrationslager Deportierten beschränkt.
Entgegen dem Bundesverwaltungsgericht sei das Reichssippenamt keinesfalls die allein maßgebliche Instanz gewesen, die über die Frage der Herkunft nicht arischer Personen zu entscheiden gehabt habe. Der Umstand, dass dieses vorliegend keine Entscheidung getroffen habe, rechtfertige keinesfalls den Schluss, dass ... kein Mitglied eines verfolgten Personenkreises gewesen wäre. Solange vom Reichssippenamt keine Stellungnahme erfolgt sei, die den Arierstatus oder zumindest die Herkunft als „Mischling 2. Grades“ belegt habe, sei dies zwangsläufig dem Betroffenen zur Last gefallen, dem es oblegen habe, einen Entlastungsbeweis zu beschaffen. Da das Reichssippenamt bei ihren Recherchen auf jüdische Mitarbeiter des Gesamtarchivs der deutschen Juden zurückgegriffen habe, bestehe für die Annahme, dass diese selbst betroffenen Personen im Zweifel eine jüdische Abstammung unterstellt hätten, kein Anlass. Bei dem Schreiben der Deutsch-polnischen Gesellschaft vom 15. Februar 1939 handle es sich um ein Gefälligkeitsgutachen. Denn diese Gesellschaft habe Kenntnis davon gehabt, dass ein Verwandter des ... lange Zeit den Vorsitz der Gesellschaft geführt habe. Die Gesellschaft habe daher keine Auskünfte erteilt, welche dessen Familie geschadet hätten, sondern im Gegenteil, um diese zu schützen. Die Aussage, dass die jüdischen Personenstandsregister nicht mehr verfügbar gewesen seien (Schreiben des Deutschen Generalkonsulats Posen vom 11. Mai 1937), während ein Eintrag sowohl zu ... als auch zu deren Kindern in den christlichen Personenstandsregistern fehle, verweise eindeutig auf eine jüdische Herkunft der in dem Schreiben erwähnten Personen. Das Bundesverwaltungsgericht übersehe außerdem, dass bereits aufgrund der zeitgenössischen Dokumente nachgewiesen bzw. aufgrund der bereits zur Zeit des Nationalsozialismus vorhandenen Erkenntnisquellen verifizierbar gewesen sei, dass ... „Mischling 1. Grades“ gewesen sei. Neben der Mitteilung der NSDAP-Ortsgruppe Lichterfelde vom 22. April 1938, die bereits festgestellt habe, dass ... „Mischling 1. Grades“ gewesen sei, sei ausweislich der Abstammungsbescheide des Reichssippenamtes vom 14. November 1941 und 01. Mai 1942 der Sohn von ..., ..., zunächst als „Mischling 1. Grades“ und sodann als „Mischling 2. Grades“ anerkannt worden. ... habe damit als Vater eines „Mischlings 2. Grades“ davon ausgehen müssen, dass er selbst als „Mischling 1. Grades“ gegolten habe. In beiden Abstimmungsbescheiden sei das Reichssippenamt davon ausgegangen, dass der Vater von ..., ..., Volljude sei, was impliziere, dass auch dessen Mutter ... jüdischer Herkunft gewesen sein müsse. Die Bewertung der Mitteilung der United Hebrew Congregation St. Louis vom 26. August 1997 stelle keine Erkenntnis dar, die zur Zeit des Nationalsozialismus nicht verfügbar gewesen wäre, sondern bestätige nur, was bereits während des Nationalsozialismus allgemein bekannt gewesen sei.
Sofern das Bundesverwaltungsgericht im Hinblick auf das Schreiben ... an Herrn ... vom 17. März 1944 ausführe, er habe angesichts „der unbedingten Gerechtigkeit ...in unserem Staat... und der Sauberkeit der behördlichen Maßnahmen“ nichts zu befürchten gehabt, habe es sich bei dessen Formulierung nur um eine Vorsichtsmaßnahme gehandelt, weil das Abstreiten einer Gefährdungslage bedeutet hätte, die Vorwürfe einzuräumen. ... habe offenbar versucht, ... unter Bezugnahme auf dessen Abstammung einzuschüchtern und unter Ausnutzung der Bedrohungssituation zu einem Rückverkauf an ihn zu bewegen. Da die Liegenschaft aber bereits 1943 unter Zwang an den ... veräußert gewesen sei, sei es nicht mehr möglich gewesen, ihn abermals zu einem Verkauf zu erpressen. Seine Formulierung stelle damit nur den Sarkasmus eines bereits um seinen Besitz gebrachten Mannes dar.
Sofern man vorliegend nicht von einer kollektiven Verfolgung ausgehe, liege jedenfalls eine Individualverfolgung vor. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts entfalte keine Bindungskraft, da es im vorliegenden Verfahren um einen anderen Vermögenswert gehe.
Die Kläger beantragen,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen Brandenburg vom 29. Dezember 1997 zu verpflichten, den Klägern das Eigentum an dem Flurstück ... der Flur ..., Gemarkung ..., zurück zu übertragen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt unter Bezugnahme auf den angefochtenen Bescheid des Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen im Übrigen vor: Ein vermögensrechtlich relevan-ter Vermögensverlust am Restgut ... liege entgegen der Auffassung der Kläger nicht schon in dem Abschluss des Kaufvertrages zwischen ... und dem ... vom 02. August 1943 und der Auflassung vom selben Tag. Ein solcher sei vielmehr erst in der Enteignung im Zuge der sog. demokratischen Bodenreform zu sehen. Ein schuldrechtliches Rechtsgeschäft könne nur dann Anknüpfungspunkt für eine rechtliche Prüfung nach § 1 Abs. 6 VermG sein, wenn sich der später eingetretene Vermögensverlust als Vollzug dieses Rechtsgeschäfts darstelle. Hieran fehle es im vorliegenden Fall. Zu einem grundbuchlichen Vollzug gem. § 873 Abs. 1 BGB des zwischen ... und dem ... abgeschlossenen Kaufvertrages sei es nicht gekommen. Der ... sei niemals als Eigentümer des Restgutes ... im Grundbuch eingetragen worden. ... habe mit Eingang des Antrages auf Eigentumsum-schreibung bei dem zuständigen Grundbuchamt die Verfügungsgewalt über den beantragten Vermögenswert nicht verloren. Gem. § 873 Abs. 2 BGB sei mit der - im Zusammenhang mit der Antragstellung erfolgten – Einreichung des notariell beurkun-deten Kaufvertrages bei dem Grundbuchamt lediglich eine Bindung der Vertragspar-teien an die abgegebenen Erklärungen eingetreten, ohne dass hiermit bereits ein Eigentumsübergang auf den ... verbunden gewesen wäre. Aus den vorgenannten Gründen könne hier auch von einer Doppelschädigung keine Rede sein, da es nämlich an einer „ersten“ und „zweiten“ Vermögensschädigung fehle.
Die 3. Kammer hat mit Beschluss vom 21. Juli 2006 wegen des Schwebens von Vergleichsverhandlungen im Einverständnis der Beteiligten das Ruhen des damals unter dem Aktenzeichen 3 K 24/98 geführten Verfahrens angeordnet. Nachdem die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. Juni 2007 - 8 C 8.06 - ergangen war, hat der Prozessbevollmächtigte der Kläger mit Schriftsatz vom 17. April 2008 die Wiederaufnahme des Verfahrens beantragt. Das vorliegende Verfahren wird nach Wiederaufnahme und Abtrennung von dem Verfahren 8 (3) K 607/08 unter dem o. g. Aktenzeichen fortgeführt.
Mit Bekanntmachung des § 29 Absatz 3 Vermögensgesetzes in der Fassung des Entschädigungsrechtsänderungsgesetzes vom 10. Dezember 2003 ging die behörd-liche Zuständigkeit für dieses Verfahren auf das Bundesamt zur Regelung offener Vermögensfragen (im Folgenden: BARoV) und später auf dessen Funktionsnach-folger, das Bundesamt für Zentrale Dienste und offene Vermögensfragen, über.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Streitakten, der Streitakten der Verfahrens 8 K 607/08 und 3 K 77/05 sowie der im Verfahren 8 K 607/08 beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
Die Verpflichtungsklage ist zulässig.
Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. Juni 2007 – 8 C 8.06 – entfaltet keine Rechtskraftwirkung gemäß § 121 VwGO, da es im vorliegenden Verfahren um ein Grundstück geht, welches in dem Verfahren 8 C 8.06 nicht Streitgegenstand war.
Die Klage ist begründet.
Der angefochtene Bescheid des Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen Brandenburg vom 29. Dezember 1997 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten. Sie haben Anspruch auf Rückübertragung des streitigen Grundstücks (§ 113 Abs. 5 VwGO).
Rechtsgrundlage für die Rückübertragung sind §§ 3 Abs. 1, 2 Abs. 1, 1 Abs. 6 VermG. Danach sind Vermögenswerte, die einer schädigenden Maßnahme im Sinne des § 1 unterlagen und in Volkseigentum überführt oder an Dritte veräußert wurden, auf Antrag an die Berechtigten zurückzuübertragen, soweit dies nicht nach dem Vermögensgesetz ausgeschlossen ist. Gemäß § 1 Abs. 6 VermG ist das Vermögensgesetz entsprechend auf vermögensrechtliche Ansprüche von Bürgern und Vereinigungen anzuwenden, die in der Zeit vom 30. Januar 1933 bis zum 8. Mai 1945 aus rassischen, politischen, religiösen oder weltanschaulichen Gründen verfolgt wurden und deshalb ihr Vermögen infolge u. a. von Zwangsverkäufen verloren haben. Gemäß § 1 Abs. 6 Satz 2 VermG wird zugunsten des Berechtigten ein verfolgungsbedingter Vermögensverlust vermutet, wenn die Voraussetzungen des Art. 3 REAO vorliegen. Dabei ist es nicht erforderlich, dass die Geschädigten individuellen Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt waren (Art. 3 Abs. 1 Buchst. a REAO), vielmehr reicht es aus, wenn sie zu einem Personenkreis gehörten, der in seiner Gesamtheit von der deutschen Regierung oder der NSDAP verfolgt wurde (Art. 3 Abs. 1 Buchst. b REAO). Zu diesem Personenkreis gehörten schon seit dem 30. Januar 1933 nicht nur Juden im Sinne der nationalsozialistischen Rassegesetze, sondern auch "Mischlinge ersten Grades" (Urteile vom 13. September 2000 - BVerwG 8 C 21.99 - Buchholz 428 § 1 Abs. 6 VermG Nr. 8 S. 39 und vom 29. März 2006 - BVerwG 8 C 15.05 - BVerwGE 125, 359 <362> = Buchholz 428 § 1 Abs. 6 VermG Nr. 36; so auch weitgehend die rückerstattungsrechtliche Rechtsprechung, vgl. CoRA vom 22. September 1950, RzW 1951, 66; BOR Herford, RzW 1951, 244; KG Berlin (West), RzW 1952, 381 f.; WK Kassel, RzW 1949, 26). Als "Mischlinge ersten Grades" wurden auf der Grundlage des § 2 Abs. 2 Satz 1 der Ersten Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 14. November 1935 (RGBl I S. 1333, geändert durch Verordnung vom 5. Dezember 1938, RGBl I S. 1751) alle Personen angesehen, die von zwei "der Rasse nach volljüdischen" Großeltern abstammten. Nach Satz 2 der Vorschrift galt als "volljüdisch" ein Großelternteil "ohne weiteres, wenn er der jüdischen Religionsgemeinschaft angehört hat". Nicht zu den Kollektivverfolgten gehörten jedoch auch nach der rückerstattungsrechtlichen Rechtsprechung (vgl. CoRA, RzW 1951, 227; BOR, RzW 1954, 102; OLG Frankfurt, RzW 1949, 9; OLG Hamm, RzW 1949/50, 442; s. a. Schwarz, Rückerstattung nach den Gesetzen der alliierten Mächte, 1974, S. 127 m. w. N.) die "Mischlinge zweiten Grades", die nur einen "volljüdischen" Großelternteil hatten.
Die Kläger, die die Rückübertragung u. a. des streitbefangenen Grundstücks mit Schreiben vom 14. August 1990 rechtzeitig angemeldet haben, sind als Rechtsnachfolger des früheren Eigentümers ... Berechtigte im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 VermG, weil das Eigentum an diesem Grundstück Gegenstand eines Zwangsverkaufes im Sinne des § 1 Abs. 6 VermG war. Anders, als das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen Brandenburg der angefochtenen Entscheidung zu Grunde gelegt hat, hat ... sein Eigentum an dem streitbefangenen Grundstück nicht erst durch die gegen ihn gerichtete Enteignung im Zuge der Bodenreform verloren mit der Folge, dass das Vermögensgesetz gem. § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG keine Anwendung fände.
Der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts hat in seinem Urteil vom 16. Dezember 1998 – 8 C 14/98, zitiert nach juris, Rn 25 f.) zur Auslegung und „richtigen Leseart“ des § 1 Abs. 6 VermG ausgeführt:
„... 4. § 1 Abs. 6 VermG setzt mit seiner Bezugnahme auf Art. 3 REAO ferner voraus, dass die Rechtsvorgänger der Kläger einer "ungerechtfertigten Entziehung" ausgesetzt waren, und versteht darunter die verfolgungsbedingte "Veräußerung oder Aufgabe" von Vermögensgegenständen.
a) Die Tatbestandsvoraussetzung des Zwangsverkaufs bzw. der ungerechtfertigten Entziehung erfordert zunächst einen Vermögensverlust durch "Veräußerung" (vgl. Art. 3 Abs. 1 REAO). Darunter ist entsprechend der rückerstattungsrechtlichen Rechtsprechung jedes entgeltliche Rechtsgeschäft zu verstehen, das den Vermögensverlust unmittelbar bewirkte. Mit "Veräußerung" ist dabei nicht die dingliche Eigentumsübertragung, sondern das Kausalgeschäft gemeint, mit dem sich der Veräußerer in bindender Weise wirtschaftlich des Vermögensgegenstandes entäußert hatte (vgl. ORG Berlin, Urteil vom 7. Januar 1958 - ORG/A/536 - RzW 1958, 96 Nr. 11; OLG Hamm, Urteil vom 12. Juli 1951 - 13 RW 349/51 - RzW 1951, 326 f. Nr. 23; BGH, Urteil vom 13. Juli 1960 - IV ZR 25/60 - RzW 1961, 21 Nr. 9). Schon der Abschluss eines wirksamen Kausalgeschäfts verschafft dem Erwerber nämlich einen durchsetzbaren Anspruch auf Übereignung des Vermögenswertes. Die Anknüpfung an das Kausalgeschäft ist rückerstattungsrechtlich aber vor allem deshalb gerechtfertigt, weil der Druck auf die Willensfreiheit der Verfolgten bereits auf der Ebene des Kausalgeschäfts erfolgt und die Beweiserleichterung des Rückerstattungsrechts gerade die Rückgängigmachung solcher Rechtsgeschäfte ermöglichen soll. Dass der Begriff der Veräußerung gemäß Art. 3 Abs. 1 REAO nur das entgeltliche Rechtsgeschäft erfasst, das unmittelbar den auszugleichenden Vermögensverlust bewirkt hat, ergibt sich aus den Widerlegungstatbeständen des Art. 3 Abs. 2 REAO. Diese setzen mit der Angemessenheit des Kaufpreises und der freien Verfügbarkeit über ihn die Entgeltlichkeit eines konkreten Rechtsgeschäfts voraus.
b) Die Verfolgungsbedingtheit ("ungerechtfertigt") des Rechtsgeschäfts wird zugunsten der Verfolgten von Gesetzes wegen - widerlegbar - vermutet (Art. 3 Abs. 1 REAO); in diesem Sinne ist auch die Verwendung des Begriffs "Zwangsverkauf" in § 1 Abs. 6 Satz 1 VermG zu verstehen: Zwangsverkäufe, Enteignungen oder auf andere Weise eingetretene Vermögensverluste sind restitutionsbegründende Schädigungen und damit "ungerechtfertigte Entziehungen" im Sinne des alliierten Wiedergutmachungsrechts; ein Zwangsverkauf liegt danach vor, wenn in der maßgeblichen Zeit ein (individuell oder kollektiv) Verfolgter durch entgeltliches Veräußerungsgeschäft einen unmittelbaren Vermögensverlust erlitten hat und zwischen der Verfolgung und dem Vermögensverlust - sei es durch Nachweis, sei es aufgrund der gesetzlichen Vermutung - eine Kausalität besteht, die Veräußerung also verfolgungsbedingt ("zwangsweise") erfolgte. Letztlich erweist sich deshalb die gesetzliche Anknüpfung des Restitutionsanspruchs in § 1 Abs. 6 Satz 1 VermG an Vermögensverluste durch die Verfolgung ("deshalb") infolge von "Zwangsverkäufen" als eine insoweit tautologische Formulierung. Der Schädigungstatbestand des § 1 Abs. 6 VermG ist nämlich anhand der früheren Rückerstattungsregelungen und der dazu ergangenen Rechtsprechung, mithin im Lichte des Art. 3 Abs. 1 REAO - auf die § 1 Abs. 6 Satz 2 VermG Bezug nimmt - auszulegen (BTDrucks 12/2480 S. 39; Beschluss vom 20. Mai 1998 - BVerwG 7 B 440.97 - VIZ 1998, 452; Urteile vom 26. Juni 1997 - BVerwG 7 C 53.96 - Buchholz 428 § 3 VermG Nr. 18 S. 14 <16> und vom 27. Mai 1997 - BVerwG 7 C 67.96 - Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 112 S. 337 f.).
Die Gleichsetzung von "Zwangsverkauf" im Sinne von § 1 Abs. 6 VermG und "ungerechtfertigter Entziehung" im Sinne von Art. 2 und 3 REAO entspricht auch Sinn und Zweck des § 1 Abs. 6 VermG sowie der bewussten Anknüpfung des dort geregelten Rückerstattungsanspruchs an die alliierten Wiedergutmachungsregelungen. Denn § 1 Abs. 6 VermG soll eine "Wiedergutmachungslücke" schließen und für erlittenes NS-Unrecht auf dem Gebiet der ehemaligen DDR und des sowjetischen Sektors von Berlin in gleicher Weise Wiedergutmachung gewähren wie (zuvor) im übrigen Bundesgebiet (vgl. Urteile vom 6. April 1995 - BVerwG 7 C 5.94 - BVerwGE 98, 137 <143> und vom 18. Mai 1995 - BVerwG 7 C 19.94 - BVerwGE 98, 261 <265>).
In den Blick zu nehmen ist nach Art. 3 REAO also zunächst das konkrete zum Vermögensverlust führende Rechtsgeschäft; an ihm sind die Widerlegungstatbestände des Art. 3 Abs. 2 REAO zu messen. Die Einbeziehung weiterer, über das konkrete, der Widerlegung zugängliche Rechtsgeschäft hinausreichender Sachverhalte ist nach dem System des Art. 3 REAO erst auf einer späteren Ebene vorgesehen. Trotz Zahlung eines frei verfügbaren angemessenen Kaufpreises kann nämlich eine Veräußerung gleichwohl alleinige Folge der Verfolgung sein; das wäre beispielsweise - selbst bei Erzielung eines besonders hohen Kaufpreises - dann der Fall, wenn der Verfolgte zum Vertragsabschluss etwa zugunsten eines nationalsozialistischen Funktionsträgers gezwungen worden wäre. Den Umstand, dass die Widerlegungstatbestände des Art. 3 Abs. 2 REAO nur für bestimmte typische Sachverhalte tragfähig sind, stellt Art. 3 Abs. 2 Satz 1 REAO dadurch in Rechnung, dass der Anspruchsberechtigte durch andere - nicht durch die Widerlegungstatbestände erfasste - Tatsachen die Verfolgungsbedingtheit des erlittenen Vermögensverlustes nachweisen oder glaubhaft machen kann...“
Diese Auslegung hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 13. Dezember 2006 – 8 C 3/06 -, zitiert nach juris, Rn 24 f., bestätigt.
Zwar war ... formal noch nach dem 08. Mai 1945 als Eigentümer der verkauften Grundstücke im Grundbuch von ... eingetragen. Unter Berücksichtigung der vorstehenden Grundsätze ist der Vermögensverlust hinsichtlich der im Kaufvertrag vom 02. August 1943 bezeichneten Parzellen mit einer Gesamtgröße von 2.148.405 qm allerdings spätestens mit Eingang der in diesem Kaufvertrag anderseits dargelegten Auflassungserklärungen des ... einerseits und des ... (genauer: des für den ... handelnden Grafen von ...) und des Antrags auf Eigentumsüberschreibung vom 09. August 1944 beim Grundbuchamt in ... eingetreten. Ausweislich des Schreibens des Amtsgerichts ... vom 05. Oktober 1944 ist der Antrag auf Grundbuchumschreibung vor dem 05. Oktober 1944 bei dem Grundbuchamt eingegangen. ... konnte von der Erklärung der Auflassung an den Rechtsverlust nicht mehr verhindern. Er hat die Verfügungsbefugnis über die veräußerten Flächen zu keinem Zeitpunkt mehr zurückerlangt. Der ... hat vielmehr noch im Oktober 1945 auf Erfüllung des Kaufvertrages bestanden.
Selbst wenn man den rechtlichen Standpunkt einnähme, der durch den Kaufvertrag vom 02. August 1943/19. Juni 1944 herbeigeführte Vermögensverlust sei nach dem 08. Mai 1945 (zumindest) für eine „juristische Sekunde“ dadurch rückgängig gemacht worden, dass die Bodenreformenteignung – nicht wie zuvor beabsichtigt - gegen den ..., sondern auf Drängen des ... gegen diesen gerichtet worden ist, ist der Geltungsbereich des Vermögensgesetzes mit Blick auf den Gesetzeszweck, nämlich eine dauerhafte und nachhaltige Wiedergutmachung des während der NS-Zeit erlittenen Vermögensverlustes, trotz der Bodenreformenteignung eröffnet. Nach § 1 Abs. 8 a) 2. H.S. VermG bleiben Ansprüche nach den Absätzen 6 und 7 unberührt. Die Kläger weisen zu Recht darauf hin, dass auch im vorliegenden Falle – das Vorliegen eines verfolgungsbedingten Zwangsverkaufes im Sinne des § 1 Abs. 6 VermG unterstellt - die Grundsätze der sog. Zweitenteignung zur Anwendung kommen müssen. Danach sind die durch § 1 Abs. 6 erfassten Vermögensverluste nach Maßgabe des VermG auch dann rückgängig zu machen, wenn der betreffende Vermögenswert später unter sowjetischer Besatzungshoheit (d. h. zwischen dem 08. Mai 1945 und dem 07. Oktober 1949) dem neuen Eigentümer oder nach vorübergehender Rückerstattung des Vermögens nach dem 08. Mai 1945 – dem Verfolgten des NS-Regimes bzw. seinen Erben erneut entzogen wurde. Die Erstreckung des Anwendungsbereichs des Vermögensgesetzes auf die Fälle der sog. Zweitenteignung entspricht dem Gesetzeszweck. Bei formaler Betrachtung trifft es zwar zu, dass der verfolgungsbedingte Vermögensverlust in diesen Fällen bereits durch die vor der Zweitenteignung erfolgte vorübergehende Rückerstattung des Vermögenswertes rückgängig gemacht worden ist. Der Zweck des § 1 Abs. 6 ist damit jedoch nicht erfüllt. Denn die Vorschrift zielt auf eine dauerhafte und nachhaltige Wiedergutmachung des während der NS-Zeit erlittenen Vermögensverlustes ab. Die lediglich vorübergehende (meist nur wenige Wochen oder Monate andauernde) Wiedererlangung der Verfügungsgewalt wird diesem Ziel nicht gerecht. Nach der Vorstellung, die dem Gesetz insoweit zugrunde liegt, stellt die vorübergehende Rückerstattung gleichsam nur einen Versuch der durch § 1 Abs. 6 VermG bezweckten Wiedergutmachung dar. § 1 Abs. 6 VermG führt aus dieser Sicht lediglich das zu Ende, was seinerzeit bereits begonnen wurde. Darin liegt kein Widerspruch zu Abs. 8 Buchst. a, weil die Regelung des Abs. 6 in diesen Fällen nicht auf die Korrektur einer Maßnahme unter sowjetischer Besatzungshoheit, sondern ausschließlich auf die Korrektur nationalsozialistischen Unrechts abzielt. Erstere ist lediglich mittelbare Folge der Letzteren, die das Gesetz allein im Auge hat. Art 41 Abs. 1 und 3 EV i. V. m. Nr. 1 der GEmErkl. stehen gleichfalls nicht entgegen, weil die GemErkl. zu den in § 1 Abs. 6 behandelten Fällen keine Aussage trifft (Neuhaus in Fieberg u. a. VermG, § 1, Rn 157,158).
Damit ist der Anwendungsbereich des § 1 Abs. 6 VermG eröffnet.
Die Voraussetzungen für die Feststellung einer schädigenden Maßnahme im Sinne des § 1 Abs. 6 Satz 1 VermG in Gestalt einer „ungerechtfertigten Entziehung“ nach § 1 Abs. 6 Satz 2 VermG i. V. m. Art. 3 Abs. 1 REAO liegen vor. Nach § 1 Abs. 6 Satz 2 VermG wird bei Veräußerung oder Aufgabe der Vermögensgegenstände zugunsten des Berechtigten ein verfolgungsbedingter Vermögensverlust nach Maßgabe des II. Abschnitts der Anordnung BK/0 (49) 180 der Alliierten Kommandantur Berlin vom 26. Juli 1949 (VOBl. für Groß-Berlin I S. 221 - REAO) und damit der Zwangscharakter des Rechtsgeschäfts vermutet. Die gesetzliche Vermutung gemäß Art. 3 Abs. 2 und 3 REAO kann für Veräußerungen nach dem 14. September 1935 (Inkrafttreten des 5. Reichsbürgergesetzes) nur durch den Beweis widerlegt werden, dass 1. der Verkäufer einen angemessenen Kaufpreis erlangt hat und er 2. über ihn frei verfügen konnte sowie dass 3. das Rechtsgeschäft seines wesentlichen Inhaltes auch ohne die Herrschaft des Nationalsozialismus abgeschlossen worden wäre oder der Erwerber in besonderer Weise und mit wesentlichem Erfolg den Schutz der Vermögensinteressen des Berechtigten oder seines Rechtsvorgängers wahrgenommen hat. Ist die gesetzliche Vermutung widerlegt worden, so kann der Berechtigte dennoch die Rückübertragung beanspruchen, wenn andere Tatsachen eine ungerechtfertigte Entziehung beweisen oder für eine solche Entziehung sprechen (Art. 3 Abs. 2 Satz 1. 1. Hs. REAO). Die erschwerten Voraussetzungen der Widerlegung der Entziehungsvermutung für die ab dem 15. September 1935 vorgenommenen Veräußerungen haben ihren Grund darin, dass durch die Nürnberger Gesetze vom 15. September 1935 die bis dahin bestehende Zwangslage der Juden wesentlich verschärft worden ist und deshalb für die ab diesem Datum abgeschlossenen Veräußerungsgeschäfte in erhöhtem Maße vermutet werden muss, dass das Rechtsgeschäft von Seiten des Veräußerers nicht freiwillig getätigt worden ist (BVerwG, Urteil vom 23. Oktober 2003, 7 C 64/02, juris, unter Berufung auf OLG Hamm, Rzw 1951, 326.
Vorliegend ist die Kammer überzeugt, dass ... sogenannter "Mischling ersten Grades“ war und damit zum Kreis der Verfolgten i. S. v. § 1 Abs. 6 VermG gehörte. Die 3. Kammer hat in ihrem Urteil vom 21. Dezember 2005 – 3 K 77/05 – S. 27 f dazu ausgeführt:
„...Er gehörte als sogenannter "Halbjude" ("Mischling ersten Grades") zu dem Personenkreis, dessen Ausschließung aus dem kulturellen und wirtschaftlichen Leben Deutschlands die nationalsozialistische Herrschaft aus rassischen Gründen beabsichtigte (Art. 3 Abs. 1 Buchst. b REAO). Die hier in Rede stehende rassische Verfolgung wurde bereits im alliierten Rückerstattungsrecht als Kollektivverfolgung angesehen (Schwarz, Rückerstattung nach den Gesetzen der alliierten Mächte, München 1974, S. 126 f.). Wie dort zählen auch im Vermögensrecht Juden und sogenannte "Mischlinge ersten Grades" zu den kollektiv Verfolgten, sogenannte "Mischlinge zweiten Grades" hingegen nicht (Schwarz, Rückerstattung nach den Gesetzen der alliierten Mächte, München 1974, S. 127, BVerwG, Urteil vom 13. September 2000 - 8 C 21.99 -, ZOV 2001, 58, 60). Für die Bestimmung dessen, was mit Rasse gemeint ist, ist keine wissenschaftliche Auslegung maßgeblich, sondern allein die Terminologie der NS-Rassenideologie, (Wassmuth, in: Rechtshandbuch Vermögen und Investitionen in der ehemaligen DDR, Rdnr. 168 zu § 1 VermG). Gehörte der Antragsteller oder sein Rechtsvorgänger zum Kreis der Kollektivver-folgten, kommt es auf den Nachweis individueller Verfolgungsmaßnahmen i. S. v. Art. 3 Abs. 1 Buchst. a REAO nicht an (BVerwG, Urteil vom 24. Februar 1999 - 8 C 16/98 -, S. 13 des Urteilsumdrucks).
Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 der Ersten Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 14. November 1935 war "jüdischer Mischling", wer von einem oder zwei der Rasse nach "volljüdischen" Großeltern abstammte. Nach Satz 2 galt als „volljüdisch ein Großelternteil ohne Weiteres, wenn er der jüdischen Religionsgemeinschaft angehört hat“. Zum Teil wird in der Literatur (vgl. Neuhaus, in: Fieberg/Reichenbach/Messer-schmidt/Neuhaus, VermG, Rdnr. 138 zu § 1 VermG) als "Mischling ersten Grades" bezeichnet, wer vorgenannter Vorschrift unterfiel, also auch bereits derjenige, der nur über einen jüdischen Großelternteil verfügte. Demgegenüber zeigen zwei gegenüber ... , dem Sohn von ..., ergangene Bescheide des Reichssippenamtes, dass als "Mischlinge zweiten Grades" diejenigen galten, die einen jüdischen Großelternteil hatten, während bei zwei jüdischen Großeltern eine Einstufung als "Mischlinge ersten Grades" erfolgte (so auch Schwarz, Rückerstattung nach den Gesetzen der alliierten Mächte, München 1974, S. 127 Fn. 6.). Die Kammer ist davon überzeugt, dass seine beiden Großelternteile väterlicherseits Juden im Sinne der NS-Rassengesetzgebung waren. Dass der Großvater von ..., Joel ..., Jude im Sinne der NS-Rassengesetzgebung war, ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Aber auch die Großmutter des ... väterlicherseits, ... geb. ..., war zur Überzeugung der Kammer Jüdin im Sinne der NS-Rassengesetzgebung. Zwar liegen - worauf der Kläger zu Recht hinweist - keine amtlichen Unterlagen darüber vor, die die Zugehörigkeit von ..., geb. ..., zur jüdischen Glaubensgemeinschaft oder ihre Abstammung belegen. Zu der Überzeugung, dass die Großmutter des ... zumindest zum jüdischen Glauben übergetreten war, ist die Kammer auf der Grundlage einer Reihe von Indizien gelangt. Diese ergeben sich insbesondere aus dem von der Beigeladenen vorgelegten "Attest" des Königlichen Kreisgerichts Posen vom 22. November 1877 über die Heirat zwischen ..., die Tochter des ... und der ... (in der Urkunde: "Hannchen) ..., und dem Kaufmann ... im Jahre 1871 sowie andererseits der Sterbeurkunde des ... (Anm.:des Sohnes der ... ... und des Vaters von ...), vom 8. August 1942, in der dessen Religionszugehörigkeit mit "mosaisch" angegeben ist. Die Kammer zieht aus dem Inhalt der benannten Urkunden den Schluss, dass die Großmutter des ... Jüdin war. In dem "Attest" wird die Tochter der ... als "jüdische Glaubensgenossin" und damit als dem jüdischen Glauben zugehörig bezeichnet. Da in der jüdischen Religion die Religionszu-gehörigkeit grundsätzlich matrialinear weitergegeben wird, das heißt, Jude oder Jüdin nur wird, dessen oder deren Mutter jüdisch ist, muss danach die Mutter der ..., ..., jüdischen Glaubens gewesen sein. Eben diesen Schluss zieht die Kammer auch aus der Sterbeurkunde für den Sohn der ..., in der dieser als „mosaisch“ bezeichnet wird.
Die Richtigkeit dieser Schlussfolgerungen wird auch nicht durch den Inhalt des Schreibens der Deutsch-Polnischen Gesellschaft vom 15. Februar 1939 in ausreichendem Maße in Zweifel gezogen. Die Deutsch-Polnische Gesellschaft vermutet, dass es sich bei der Ehe zwischen ... und der ... um eine Mischehe gehandelt habe, mithin diese keine Jüdin gewesen sei. Dafür spräche, dass die beiden Töchter (Cäcilie und Ernestine) christliche Vornamen erhalten hätten. Diese Vermutung ist bereits für die Tochter, der ..., Ernestine ... durch ihren urkundlich nachweisbaren jüdischen zweiten Vornamen "Esther" widerlegt. Im Übrigen sprechen auch die historischen Gegebenheiten gegen das Vorliegen einer Mischehe zwischen dem Juden ... ... und ... ..., geb. ... Zwar lassen sich weder Ort noch Datum der Heirat zwischen ... ... und ... ... amtlich belegen. Die Kammer geht aber - mangels gegenteiliger Erkenntnisse - davon aus, dass die Ehe zwischen ... ... und ... ... 1830 im Posener Land geschlossen wurde. Aus den Angaben in einer Chronik der Familie ... aus dem Jahre 1948 lässt sich als Jahr der Heirat 1830 entnehmen. Ferner lässt sich dieser Chronik entnehmen, dass alle fünf Kinder von ... und ..., nämlich Saul, Simon, Caecillie, Louis und Ernestine in Oberzycko (Obersitzko) im damaligen Landkreis Samter (so auch die Angaben zu ... in dessen Sterbe-urkunde) geboren wurden.
Zum damaligen Zeitpunkt bestand die Möglichkeit der Schließung einer Mischehe zwischen Juden und Christen in Preußen nicht (Obersitzko war zur Zeit der Eheschließung 1830 Teil des Regierungsbezirks Posen und preußisch). Da die Zivilehe in Preußen erst 1872 eingeführt wurde, mussten sich Juden bis dahin, soweit diese unter sich heirateten, vom königlichen Amtsgericht aufbieten lassen. Dies zeigt im Übrigen auch der in dem "Attest" vom 22. November 1877 beurkundete Umstand, dass diese Heirat zwischen ... ... ... und ... ... im Jahre 1871 vor einem preußischen Gericht geschlossen und dort registriert wurde. Im Posener Land wurden Juden frühestens ab 1833 naturalisiert, das heißt, sie erhielten in Ausnahmefällen die preußischen Bürgerrechte zuerkannt (vgl. Artur Kronenthal: Die Naturalisation und die Berufe der Juden in der Provinz Posen vor Hundert Jahren, Jüdische Familienforschung, Burg, bez. Magdeburg, Jahrgang VII, 1931, Heft 26 und 27). Die volle Gleichberechtigung erhielten jüdische Bürger in Preußen jedoch erst 1869 durch Verdikt Wilhelm II., durch welches religiöse Unabhängigkeit gewährt wurde. Ohne Verleihung des Bürgerrechts war die Eheschließung Juden und Nichtjuden deshalb bis 1869 nicht möglich. Die Eheschließung zwischen ... ... und ... ... erfolgte 1830. ... ... soll nach den Angaben der Beigeladenen 1834 naturalisiert worden sein. Doch selbst zwischen naturalisierten Juden und Christen war die Genehmigung faktisch ausgeschlossen. Beleg hierfür ist der Fall Ferdinand Falkson. Falkson, ein jüdischer Königsberger Arzt, bemühte sich 1844 um die Genehmigung einer Ehe mit einer Christin. Trotz Bemühungen an höchster Stelle, namentlich dem preußischen Kultusminister Eichhorn sowie König Wilhelm IV., verwehrte ihm Letzterer die Eheschließung, da "nach den bestehenden Gesetzen eine solche Ehe nicht für zulässig erachtet werden könne." (vgl. Julius Schoeps, Direktor des Moses-Mendelsohn-Zentrums, "Emanzipation der Herzen oder: der Fall Ferdinand Falkson", in PreußenJahrBuch, Berlin 2001). Im Übrigen ist auch der Umstand, dass nach Mitteilung der United Hebrew Congregation St. Louis vom 26. August 1997 ... ... ... auf einem jüdischen Friedhof beigesetzt wurde, ein Indiz dafür, dass sie, wenn sie auch nicht der „jüdischen Rasse“ angehörte, doch zumindest zum jüdischen Glauben übergetreten war. Denn nach Mitteilung der United Hebrew Congregation St. Louis vom 26. August 1997 waren nach den damals geltenden Regelungen und Vorschriften ausschließlich jüdische Beerdigungen auf dem Friedhof zulässig. Nach § 2 Abs. 2 Satz 2 der Ersten Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 14. November 1935 galt sie danach aber als „volljüdisch“, mit der Folge, dass ... "Mischling ersten Grades" i. S. d. NS-Rassengesetzgebung war.“
Diesen Ausführungen schließt sich die erkennende Kammer an. Demgegenüber erscheint die vom Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 21. Juni 2006 geäußerte Kritik an der von der 3. Kammer vorgenommenen Zuordnung des ... zum Kreis der Kollektivverfolgten bedenklich. Soweit es das Schreiben der United Hebrew Congregation St. Louis vom 26. August 1997 als neue Erkenntnisquelle nicht für zulässig hält, ist dem entgegenzuhalten, dass bereits die übrigen von der 3. Kammer angeführten Indizien, die auf während der NS-Zeit bereits vorliegenden Dokumenten beruhten, den Schluss zuließen, dass ... ..., geb. ..., Jüdin war. Demzufolge hatte die NSDAP-Ortsgruppe Lichterfelde in ihrem Schreiben vom 22. April 1938 aufgrund der von ... ... vorgelegten Unterlagen diesem gegenüber bestätigt, „Mischling 1. Grades“ zu sein. Dass sich dieser Umstand herumgesprochen hatte, ergibt sich daraus, dass er von Siedlern als „Jude“ beschimpft wurde. Insoweit kommt es auf das Schreiben der United Hebrew Congregation St. Louis vom 26. August 1997, dass im Übrigen nur Umstände bestätigt, die bereits während der NS-Zeit gegeben waren, nicht mehr entscheidend an. Zu Recht weisen die Kläger darauf hin, dass es für das Vorliegen einer kollektiven Verfolgung bzw. einer entsprechenden Absicht auf den Willen bzw. die Kenntnis der entsprechenden Umstände der NSDAP oder der deutschen Regierung ankam, vgl. Art. 3 Abs. 1 b) REAO. Für die Annahme einer Verfolgungsabsicht ist demnach nicht erforderlich, dass sich alle mit ... ... und seinen Grundstücken befassten staatlichen Behörden über dessen Eigenschaft als „Mischling 1. Grades“ bewusst waren und konkrete Verfolgungsmaßnahmen beabsichtigten. Vielmehr reicht eine entsprechende Kenntnis der NSDAP aus. Dass ... ... in letzter Konsequenz keine weiteren Repressalien bzw. ein tödliches Schicksal ereilten, beruht offensichtlich nicht zuletzt darauf, dass der damalige Polizeipräsident ... ... seine „schützende Hand“ über ihn hielt, ungeachtet dessen, dass er ... ... mit Hinweis auf dessen teilweise nichtarische Herkunft unter Druck setzte. Den Klägern kann damit schlechterdings nicht entgegen gehalten werden, ihr Rechtsvorgänger habe keine Verfolgung befürchten müssen. Ungeachtet dessen teilt die Kammer die Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts nicht, die darauf hinausläuft, dass in Zweifelsfällen der als Jude bzw. Mischling Verfolgte bzw. dessen Rechtsnachfolger die Beweislast für die Verfolgung tragen sollen, weil im Zweifel gerade der Betreffende durch Vorlage eines Ariernachweises seine nichtjüdische Herkunft zu beweisen hatte, wollte er nicht als „Nichtarier“ gelten. Einen Ariernachweis konnte ... ... aus den dargelegten Gründen gerade nicht vorlegen. Deshalb kann auch dem Umstand, dass das Reichssippenamt bis Kriegsende keinen Abstammungsnachweis ausstellte, nicht gefolgert werden, ... ... sei nicht „Mischling 1. Grades“ gewesen bzw. habe keine Verfolgungsmaßnahmen befürchten müssen. Insoweit haben die Kläger im Übrigen unwidersprochen vorgetragen, dass das Reichssippenamt zur Herstellung der Abstammungsbescheide auf jüdische Mitarbeiter zurückgegriffen hätte, so dass nicht davon ausgegangen werden kann, diese hätten stets zum Nachteil des Betroffenen Bescheide ausgestellt.
Die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts in dem Urteil vom 21. Juni 2007, Rn. 46 zu dem Schreiben vom 17. März 1944 an ... ... überzeugen nicht. In Anbetracht des Vorstehenden erscheint der klägerische Vortrag plausibel, dass es sich bei der in Rede stehenden Formulierung („Bei der unbedingten Gerechtigkeit, die in unserem heutigen Staate herrscht und der Sauberkeit aller behördlichen Maßnahmen habe ich so etwas nicht zu befürchten“) um eine zynische Bemerkung handelt, die aber im Hinblick auf die anderen Schreiben des ... ... nicht den Schluss zulassen, er habe keine Verfolgung befürchten müssen bzw. es habe bei dem in Rede stehenden Kaufvertrag keine unzulässige Druckausübung gegeben. ... ... konnte – insbesondere im Hinblick auf die gewisse Protektion durch ... ... – davon ausgehen, dass er bei Eingehen auf die Forderungen der Käuferseite nichts zu befürchten hatte, was jedoch an der erpresserischen Art des Zustandekommens des Kaufvertrages nichts ändert. Aus dem Umstand, dass ... ... Courage gezeigt und energisch seine Interessen vertreten hat, kann somit nicht geschlossen werden, ihm hätten keinerlei Repressalien gedroht. Seit der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten im März 1933 stand die Familie des ... ... unter Druck. Dies zeigen bereits die Vorgänge in seinem familiären Umfeld. So wurde seinem Sohn ... bereits 1933 wegen dessen jüdischer Abstammung Berufsverbot als Schauspieler erteilt (Die Welt vom 14. Dezember 1973 und DPA-Nachricht zu seinem Tode vom 07. Januar 1988). Die Schwester des ..., Olga ..., die mit dem Schriftsteller Heinrich ..., einem "Volljuden" verheiratet war, war - wie sich dem von ihr nach dem Kriege verfassten Lebenslauf entnehmen lässt - seit der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten Repressalien ausgesetzt. Aufgrund der exponierten Stellung ihres Ehemannes hatten sie Hausdurchsuchungen über sich ergehen lassen müssen und ihr Ehemann war Verhören durch die Gestapo ausgesetzt gewesen. Sie selbst bezeichnet sich in dem Lebenslauf als „Mischling 1. Grades“ und führt aus, sie hätte sich während der NS-Zeit zur Irreführung der Gestapo als „Mischling 2. Grades“ ausgegeben. Einem Artikel des Tagesspiegel vom 6. September 1981 zufolge – „Rettungsmedaille rettet Menschenleben“ -, der einen Bericht ihrer Tochter zum Gegenstand hat, entgingen sie und ihr Ehemann nur durch Zufall der Deportation.
Für den auf ... ... lastenden Verfolgungsdruck sprechen nach Auffassung der Kammer nicht zuletzt seine immer wiederkehrenden Beteuerungen und Angaben, er sei "nur" sog. "Mischling 2. Grades" wie auch (gerade) seine Anfrage an die Deutsch-Polnische Gesellschaft zur Klärung der Abstammung seiner Großmutter ... ..., um seine Einordnung nach den Nürnberger Gesetzen als "Mischling ersten Grades" ausschließen zu können. Es liegt auf der Hand, dass ... ... während der nationalsozialistischen Herrschaft kein Interesse daran hatte, dass dieser Umstand weiter bekannt wurde und sich, wie seine Schwester Olga ..., deshalb als „Mischling 2. Grades“ bezeichnete, was den Klägern deshalb nicht zu Nachteil gereichen kann. Erst nach dem Krieg räumte er im Schreiben vom 31. Dezember 1945 ein, „Mischling 1. Grades“ zu sein. Eine Anfrage bei der Deutsch-Polnische Gesellschaft wäre nicht erforderlich gewesen, wenn ... ... sich frei von jeglicher Verfolgungsgefahr gesehen hätte. Im Hinblick auf das unwidersprochen gebliebene klägerische Vorbringen, wonach die Deutsch-Polnische Gesellschaft wegen der zu ... ... bestehenden verwandtschaftlichen Beziehungen des Vorsitzenden nicht dazu neigte, eine diesen belastende Auskunft zu erteilen, kann deren Schreiben vom 15. Februar 1939 nicht entscheidend für die Annahme herangezogen werden, ... ... sei nicht „Mischling 1. Grades“ gewesen.
Dafür, dass er dies war, spricht demgegenüber die Aufnahme seines Gutes ... in der Gemeinde ... in eine Liste der "Judengüter über 75 ha", die vom Oberpräsidenten der Provinz Mark Brandenburg am 30. August 1939 erstellt wurde. Aus dieser Liste ergab sich, "welche Betriebe inzwischen arisiert worden sind (gerötet) und für welche noch die Verfahren schweben." In der Liste war allerdings auch vermerkt, dass Ermittlungen, ob ... Jude im Sinne der Nürnberger Gesetze sei, noch schwebten. Die Kläger tragen insoweit jedoch überzeugend vor, dass dies der Annahme, dass ... ... „Mischling 1. Grades“ war, nicht entgegensteht und auch nicht zwangsläufig bedeutet, dass die Behörden nicht davon ausgingen, sondern vielmehr darauf hindeutet, dass ermittelt werden sollte, ob er „Jude“ gemäß § 5 der Ersten Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 14. November 1935 war, weil er in diesem Fall unter die Verordnung über den Einsatz des jüdischen Vermögens vom 3. Dezember 1938 gefallen wäre und nach deren § 6 zur Veräußerung seines Grundvermögens hätte gezwungen werden können. Andernfalls wäre anzunehmen, dass vorliegend wie bei einem anderen Eigentümer in Spalte 7 vermerkt worden wäre, „soll Mischling 2. Grades sein“. Zutreffend machen die Kläger geltend, dass ihnen nicht entgegengehalten werden kann, dass ... ... nicht im Zuge der 11. Verordnung zum Reichsbürgergesetz belangt worden sei, da diese nur für Auslandsjuden galt, wozu dieser, selbst wenn er „Volljude“ gewesen wäre, nicht gehörte und im Übrigen bei einem solchen Rechtsverständnis der Personenkreis der Berechtigten de facto auf den Kreis der in die Konzentrationslager Deportierten beschränkt würde.
Die Verfolgungsbedingtheit des Vermögensverlustes, also die Kausalität zwischen der kollektiven Verfolgung des ... ... durch den NS-Staat und der von ihm vorgenommenen Veräußerung des verfahrensgegenständlichen Grundstücks mit Kaufvertrag vom 02. August 1943/09. Juni 1944, wird gemäß § 1 Abs. 6 S. 2 i. V. m. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b REAO vermutet. Da die Veräußerung des Grundstücks nach dem 15. September 1935 erfolgte, kann die vermutungsbelastete Beklagte die Vermutung einer ungerechtfertigten Vermögensentziehung nur durch Nachweis der in Art. 3 Abs. 3 und Art. 3 Abs. 2 REAO bestimmten Tatsachen widerlegen. Die gesetzliche Vermutung in Art. 3 Abs. 2 und 3 REAO ist nur dann widerlegt, wenn die dort aufgeführten Hilfstatsachen zur Überzeugung des Gerichts und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festgestellt sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. November 2003, 8 C 10/03, BVerwGE 119, 232-245). Bei den widerleglichen Vermutungen - wie hier - ist dem Gegner der Beweis des Gegenteils der vermuteten Tatsache eröffnet. Es muss der volle Beweis des Nichtvorliegens der vermuteten Tatsache geführt werden. Dieser Beweis ist kein Gegenbeweis, sondern selbst der Hauptbeweis, mithin der Beweis für die Wahrheit einer Behauptung, während es der Gegenbeweis einer nicht beweisbelasteten Partei ermöglicht, die Überzeugung des Richters von der Wahrheit einer beweisbedürftigen Tatsache zu erschüttern (vgl. BGH, MDR 1978, 914; BGH, MDR 1983, 830; BVerwG, Urteil vom 26. November 2003, - 8 C 10/03 - a. a. O.). Für die Widerlegung der Vermutung durch die Führung des Beweises des Gegenteils genügt es nicht, dass ein anderer möglicher Hergang des Geschehens dargetan wird. Es ist vielmehr der volle Beweis des Gegenteils zu führen (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. November 2003, - 8 C 10/03 - a. a. O.)
Es kann dahingestellt bleiben, ob der im Kaufvertrag vom 02. August 1943/09. Juni 1944 vereinbarte Kaufpreis in Höhe von 0,30 RM pro qm angemessen war und ... ...- die Angemessenheit des Kaufpreises unterstellt - über diesen frei verfügen konnte (vgl. Art. 3 Abs. 2 REAO). Auf die Frage der Angemessenheit des Kaufpreises und die freie Verfügbarkeit über ihn kommt es hier nicht an. Denn der Beklagten ist es nicht gelungen, den vollen Beweis des Gegenteils dafür zu erbringen, dass der Kaufvertrag vom 02. August 1943/ 09. Juni 1944 seinem wesentlichen Inhalt nach auch ohne die Herrschaft des Nationalsozialismus abgeschlossen worden wäre (Art. 3 Abs. 3 Buchst. a REAO).
Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 26. November 2003, 8 C 10/03 a. a. O. zu den Voraussetzungen für die Möglichkeit nach Art. 3 Abs. 3 Buchst. a REAO, die Vermutung eines verfolgungsbedingten Vermögensverlustes zu widerlegen, ausgeführt:
"... Die gesetzliche Vermutung der verfolgungsbedingten Entziehung (des Zwangsverkaufs) kann mit dem Beweis der hypothetischen Tatsache widerlegt werden, ´dass das Rechtsgeschäft seinem wesentlichen Inhalt nach auch ohne die Herrschaft des Nationalsozialismus abgeschlossen worden wäre. Der Senat hat in Anknüpfung an die Rechtsprechung der Rückerstattungsgerichte (vgl. Urteil vom 24. Januar 2002 - BVerwG 8 C 12.01 - BVerwGE 115, 360 <366> = Buchholz 428 § 1 Abs. 6 VermG Nr. 14) näher dargelegt, wann ein Rechtsgeschäft seinem wesentlichen Inhalt nach auch ohne die Herrschaft des Nationalsozialismus abgeschlossen worden wäre. Der Rückgriff auf die alte rückerstattungsrechtliche Rechtsprechung ist bei der Auslegung des § 1 Abs. 6 VermG geboten (vgl. Urteil vom 22. Februar 2002 - BVerwG 7 C 12.00 - BVerwGE114, 68), da eine solche Auslegung gerade zur Schließung der auf dem Gebiet der ehemaligen DDR bestehenden Wiedergutmachungslücke beiträgt. Ein Rechtsgeschäft wäre seinem wesentlichen Inhalt nach auch ohne die Herrschaft des Nationalsozialismus zustande gekommen, wenn der Vertragsschluss von nationalsozialistischem Verfolgungsdruck unbeeinflusst war und auf anderen Ursachen beruhte (vgl. Säcker, VermG, 1995, Rn. 180 zu § 1 VermG). Die nationalsozialistischen Unrechtsmaßnahmen müssen beim Vorliegen dieser hypothetischen Tatsache hinweggedacht werden können, ohne dass der konkrete Erfolg des Vertragsschlusses entfiele (Säcker, a. a. O., Rn. 180 zu § 1 VermG). Damit muss der Ursachenzusammenhang mit Sicherheit ausgeschlossen sein. Eine bloße Wahrscheinlichkeit genügt nicht (vgl. ORG Herford, RzW 1962, 161; ORG Nürnberg, RzW 1957, 99; Schwarz, in: Die Wiedergut-machung nationalsozialistischen Unrechts in der Bundesrepublik Deutschland, Band I S. 163). Solche Fälle fehlenden Ursachenzu-sammenhangs sind etwa bei Veräußerung von Vermögenswerten im Rahmen regulärer Geschäftstätigkeit, zum Zwecke der Sanierung eines Unternehmens oder anlässlich üblicher Nachlassauseinandersetzungen (vgl. Säcker, a. a. O., Rn. 180 zu § 1 VermG; CoRA, RzW 1954, 195; Rädler/Raupach/Bezzenberger, Rn. 142/30 zu § 1 VermG; Schwarz, in: Die Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts der Bundes-republik Deutschland, Band I, S. 164; Wasmuth, Rechtshandbuch Vermögen und Invest. in der ehem. DDR, Kommentar) oder bei Feilbieten einer Ware vor dem 30. Januar 1933, sowie bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten/Überschuldung ohne Zusammenhang mit der NS-Herrschaft (vgl. Urteil vom 24. Januar 2002 - BVerwG 8 C 12.01 - a. a. O. unter Hinweis u. a. auf Götze, Die Rückerstattung in Westdeutschland und Berlin 1950, S. 164 f.) bejaht worden. Hingegen reicht jeder adäquat kausale Verursachungsbeitrag, der auf einem Verfolgungsmotiv beruht, aus, um die Annahme auszuschließen, das Rechtsgeschäft wäre auch ohne die Herrschaft des Nationalsozialismus abgeschlossen worden (Säcker, a. a. O., Rn. 180; Rädler/Raupach/ Bezzenberger, a. a. O., Rn. 142/30). Dabei belegt bereits der Wortlaut des Art. 3 Abs. 3 REAO, dass die Widerlegung durch Beweis, dass das Rechtsgeschäft auch ohne die Herrschaft des Nationalsozialismus abgeschlossen worden wäre, schon bei Mitursächlichkeit der Herrschaft des Nationalsozialismus ausgeschlossen ist (vgl. Urteil vom 24. Januar 2002 - BVerwG 8 C 12.01 - BVerwGE 115, 360 <366> = Buchholz 428 § 1 Abs. 6 VermG Nr. 14 - unter Hinweis auf ORG Nürnberg, Urteil vom 23. Januar 1956 - ORG/III/493 - RzW 1956, 194 zur gleich lautenden Vorschrift des § 4 Abs. 1a REG für die US-amerikanische Zone). Es ist insoweit zumindest eine gesteigerte Wahrscheinlichkeit erforderlich, die nach der Lebenserfahrung der Gewissheit so gut wie gleich kommt, damit eine Mitursächlichkeit ausgeschlossen ist (vgl. auch ORG Herford, Urteil vom 31. Oktober 1961 - ORG II/638 - RzW 1962, 161; Urteil vom 24. Januar 2002 - BVerwG 8 C 12.01 - a. a. O.).“
Nach Maßgabe dessen ist die Mitursächlichkeit des Nationalsozialismus für den Abschluss des Kaufvertrages vom 02. August 1943/09. Juni 1944 nicht widerlegt und auch nicht widerlegungsfähig.
Für die Mitursächlichkeit der NS-Herrschaft bei dem Verkauf des verfahrensgegen-ständlichen Grundstücks im August 1943/Juni 1944 spricht die Höhe des von ... ... erlösten Kaufpreises und insbesondere die Änderung des ursprünglichen Kaufvertrages durch Nachtrag vom 09. Juni 1944. Denn statt dem wirtschaftlich zum damaligen Zeitpunkt sinnvolleren und deshalb von ... ... stets eingeforderten Grundstückstausch musste er sich nun mit einer ungesicherten Kaufpreisstundung zufriedengeben. Des Weiteren schuldete ... ... ... ... die Zahlung von 133.679, 25 RM. Diesen Betrag sollte der ... zunächst im Zusammenhang mit dem Kaufvertrag für Rechnung des ... ... leisten und zwar offenbar durch Zahlung von 18.000 Mark an ... und 115.679, 25 Mark an ... Auf diese Zahlung verzichtete ... ..., nachdem ihm ... ..., der vom ... mit der Verschaffung des Gutes ... beauftragt worden war, mit Verhaftung gedroht hatte. Eine derartige Verschlechterung der Kaufvertragsbedingungen hätte ein wirtschaftlich denkender Kaufmann nicht freiwillig hingenommen. Es spricht alles dafür, dass die Abänderung der Kaufvertragsbedingungen zuungunsten des ... ... den Verfolgungs-umständen geschuldet war.
... ... hat in seinem Schreiben vom 31. Dezember 1945 an den Vorsitzenden der Kreiskommission zur Durchführung der Bodenreform dargestellt, dass bereits 1933 zwei "ausgesprochene Nazis und Parteigenossen, ... ... und ... ...“ gegen ihn im Ergebnis erfolglos einen Prozess bezüglich des Gutes ... angestrengt hätten. Nach den Angaben des ... ... war ... ... die Schwägerin des ... ...; dieser war stellvertretender Gauleiter in Berlin. ... ... war seit 1929 Eigentümer des Rittergutes ..., bis ... ... dieses im Rahmen eines Zwangsvollstreckungsverfahrens im Jahre 1932 erworben hatte. Den Angaben des ... ... lässt sich weiter entnehmen, dass er von ... ... und ... ... nach Ende des Prozesses unter anderem mit der Behauptung, er sei Jude, unter Druck gesetzt wurde, um auf diese Weise seine "Evakuierung oder eventuelle Deportation in ein Konzentrationslager" zu veranlassen. Nach einer Denunziation durch ... ..., sei er unter dem Vorwurf das Reichsrechtsamt der NSDAP in München bestochen zu haben, von Februar 1939 bis Ende April 1939 in Haft genommen worden. Die Kammer ist der Auffassung, dass ... ... vor diesem Hintergrund und in Kenntnis der spätestens seit 1935 systematisch durchgeführten Arisierungen jüdischen Vermögens aus Furcht, als Jude oder als sog. "Mischling ersten Grades" das Gut ... ohne Gegenleistung an ... ... oder an andere Nutznießer des national-sozialistischen Regimes zu verlieren, die parzellierten Grundstücke - so auch das verfahrensgegenständliche Grundstück - ohne Rücksicht auf seine ursprüngliche Kalkulation und ohne Rücksicht auf die Kaufpreisentwicklung möglichst schnell veräußerte. Das Bestehen der Mitursächlichkeit des Nationalsozialismus für den Abschluss des hier in Rede stehenden Kaufvertrages ist damit nicht widerlegt.
Selbst wenn man jedoch mit dem Bundesverwaltungsgericht die Zugehörigkeit des ... ... zu den Kollektivverfolgten verneint und davon ausgeht, dass er nur „Mischling 2. Grades“ war und als solcher von einer individuellen Verfolgung betroffen sein konnte (Kimme, Offene Vemögensfragen, § 1 Abs. 6 VermG, Rdnr. 6.21), liegt es auf der Hand, dass er den streitgegenständlichen Kaufvertrag vom 02. August 1943/09 Juni 1944 unter Zwang, ausgeübt durch den Erwerber, den ... ..., respektive die für diesen handelnden Personen sowie die SS, und damit infolge einer Individualverfolgung gemäß Art. 3 Abs. 1 a) REAO abgeschlossen hat. ... ... hat bereits vor dem Ende der nationalsozialistischen Herrschaft in zahlreichen Schreiben ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er das Restgut ... nicht habe verkaufen wollen und den Kaufvertrag nur unter Zwang abgeschlossen habe. Die Zustimmung zu dem am 02. August 1943 abgeschlossenen Kaufvertrag und dem Nachtrag vom 9. Juni 1944 erteilte ... ... nur aus dem Grund, weil er von den Vertretern bzw. Beauftragten des ... bei den Vertragsverhandlungen erheblich unter Druck gesetzt wurde. Der damalige Berliner Polizeipräsident ... ... sowie der damalige Generaldirektor der Allianz-Versicherung in Berlin ..., welcher ebenfalls auf Seiten des ... die Kaufverhandlungen geführt hatte, erklärten, der ... bekomme das Gut auch ohne Abschluss des Kaufvertrages, ggfs. durch Enteignung. Der Polizeipräsident drohte mit einer Vorladung und einer Anzeige bei der Staatsanwaltschaft wegen Preisüberschreitung. Beide wiesen dabei auf die Tatsache hin, dass ... ... „Nichtarier“ sei. Dass der Kaufpreis von 30 Pfennig pro Quadratmeter nicht überhöht war, ergibt sich daraus, dass ausgehend von dem Schreiben des ... ... vom 27. Mai 1944 an den ... ... dieser zeitgleich mit ... ... einen Vertrag schloss, wonach ... ... sich verpflichtete, das Gut ... dem ... zu verschaffen. Als Entgelt sollte er 45 Pf./m² erhalten, was der Differenz des Verkaufspreises von 30 Pf./m² und dem Preis von 75 Pf./m², den der ... Herrn ... gegenüber akzeptiert hatte, entsprach.
Am 14. September 1944 teilte ... ... die Zwangsausübung dem Rittmeister a. D. von ... mit der Bitte um strengste Vertraulichkeit mit. Im Schreiben vom 04. August 1944 an ... wies ... ... darauf hin, dass er ... nicht verkauft hätte, „wenn es nicht der Zwang gewesen wäre, mich dem Willen der hinter meiner Käuferin stehenden Gewalt beugen zu müssen“. Auch gegenüber dem Rechtsanwalt Dr. ... schildert ... ... in seinem Schreiben vom 8. Oktober 1945, dass das SS-Wirtschaftsamt an dem Ankauf interessiert gewesen sei, wobei er ausdrücklich darauf hinwies, dass er mit der Drohung, er sei „Mischling 1. Grades“ und solle froh sein wenn alles reibungslos vor sich gehe, konfrontiert worden sei.
Restitutionsausschlussgründe sind weder vorgetragen worden noch ersichtlich.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. § 709 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen den § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.