Gericht | LSG Berlin-Brandenburg 13. Senat | Entscheidungsdatum | 23.02.2012 | |
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Aktenzeichen | L 13 SB 20/11 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 69 SGB 9 |
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 8. Dezember 2010 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Die Klägerin begehrt die Feststellung des Grades der Behinderung (GdB) von 50 statt 40 v.H. auch für den Zeitraum April 2008 bis Februar 2010.
Die 1948 geborene Klägerin beantragte am 03. August 2007 die Feststellung eines Grades der Behinderung und des Merkzeichens „G“ nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) und legte medizinische Unterlagen ihrer behandelnden Ärzte, insbesondere auch des Orthopäden Dr. H sowie diverse Radiologie- und MRT-Befunde vor. Der Beklagte holte Befundberichte der behandelnden Fachärzte für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde Dr. R, für Augenheilkunde Dr. L und für Allgemeinmedizin Dr. H sowie eine gutachterliche Stellungnahme der Ärztin D ein. Deren Einschätzungen folgend stellte der Beklagte mit Bescheid vom 04. April 2008 einen GdB von 40 fest und legte dem folgende Funktionsbeeinträchtigungen zu Grunde (in Klammern jeweils die zugeordneten Einzel-GdB):
a) Funktionsbehinderung des Kniegelenks beidseitig, Knorpelschäden am Kniegelenk beidseitig (30)
b) degenerative Veränderungen der Wirbelsäule; Wirbelsäulenverformung, Osteoporose, Funktionsbehinderung des Schultergelenks links (20)
c) chronische venöse Insuffizienz (Krampfaderleiden) des Beines beidseitig (10)
d) Schwerhörigkeit mit Ohrgeräuschen (10)
e) Bluthochdruck (10)
f) Migräne (10)
g) Schilddrüsenvergrößerung (10).
Die Feststellung des Merkzeichens „G“ lehnte der Beklagte ab.
Im Widerspruchsverfahren legte die Klägerin ein Attest des Dr. H vom 24. April 2008 sowie ein Attest des Dr. H vor. Der Beklagte holte ein Gutachten des Internisten und Psychotherapeuten Dr. T vom 05. September 2008 ein, der als weitere, jeweils mit einem Einzel-GdB von 10 zu bewertende Funktionsbeeinträchtigungen die Feststellung einer Sehminderung rechts, einer Funktionsstörung durch Fußfehlform sowie eine Funktionsbehinderung der Finger rechts befürwortete und im Übrigen die bisherigen Einschätzungen bestätigte. Mit Widerspruchsbescheid vom 13. November 2008 wies der Beklagte den Widerspruch unter Benennung der von Dr. T bezeichneten weiteren Funktionsbehinderungen zurück und führte aus, dass der GdB mit 40 zutreffend bewertet sei. Entsprechend fehle auch die Voraussetzung für die Feststellung einer erheblichen Gehbehinderung.
Mit der am 24. November 2008 zu dem Sozialgericht Berlin erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren auf Zuerkennung eines GdB von 50 ab dem 03. August 2007 weiterverfolgt. Zur Klagebegründung hat die Klägerin geltend gemacht, dass ihre Leiden im Einzelnen und deren Wechselwirkungen insgesamt mit einem höheren GdB zu berücksichtigen seien.
Das Sozialgericht hat Befundberichte der Orthopäden Dr. Hund Dr. T sowie der Internistin Dr. K eingeholt. Im Auftrag des Sozialgerichts hat zudem der Orthopäde Dr. R am 12. April 2010 ein Sachverständigengutachten erstattet und die Feststellung eines GdB von 50 ab März 2010 mit der Begründung befürwortet, dass ab diesem Zeitpunkt der Einzel-GdB für das Wirbelsäulenleiden wegen einer eingetretenen Verschlechterung von 20 auf 30 anzuheben sei. Dessen Einschätzung folgend hat der Beklagte mit Bescheid vom 21. Juni 2010 einen GdB von 50 ab März 2010 festgestellt. Die Klägerin hat das Teilanerkenntnis angenommen und die Klage im Übrigen mit der Begründung weiterverfolgt, dass das Wirbelsäulenleiden bereits ab spätestens April 2008 mit einem Einzel-GdB von 30 zu bewerten gewesen sei und hierzu insbesondere ein Attest des Dr. H vom 02. November 2010 eingereicht. Zu den Unterlagen hat der Sachverständige Dr. R am 30. November 2010 eine ergänzende Stellungnahme abgegeben und mitgeteilt, dass die Anhebung des Einzel-GdB für den Zeitraum vor März 2010 sich auch unter Berücksichtigung der eingereichten weiteren Unterlagen nicht belegen lasse.
Durch Urteil vom 08. Dezember 2010 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und ausgeführt, dass die Feststellung eines GdB von 50 zu einem früheren Zeitpunkt nach dem Ergebnis der medizinischen Ermittlungen zutreffend abgelehnt worden sei. Dies ergebe sich insbesondere aus dem Gutachten des Dr. R sowie dessen ergänzender Stellungnahme und dem Gutachten des Dr. T. Die von der Klägerin in Bezug genommenen medizinischen Unterlagen –insbesondere die Atteste des Dr. H sowie des Dr. R- würden hingegen über die bloße Aufzählung von Diagnosen bzw. pauschale Wertungen zum anerkannten degenerativen Wirbelsäulenleiden nicht hinausgehen.
Gegen das am 31. Dezember 2010 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 30. Januar 2011 Berufung zum Landessozialgericht eingelegt und die Feststellung des GdB von 50 auch für den Zeitraum April 2008 bis Februar 2010 begehrt. Sie verweist darauf, dass das Sozialgericht den GdB wegen des Wirbelsäulenleidens entsprechend der Einschätzung des Dr. H schon ab spätestens 24. April 2008 (Tag der letzten Behandlung bei Dr. H) mit einem Einzel-GdB von 30 hätte berücksichtigen müssen und damit schon ab diesem Zeitpunkt ein GdB von 50 vorliege. Die Einschätzung des Dr. R, dass sich das Wirbelsäulenleiden über Jahrzehnte verschlechtert habe, eine Höherbewertung des GdB andererseits aber erst ab der Begutachtung feststellbar sei, überzeuge nicht.
Der Senat hat zur weiteren Sachaufklärung ein Gutachten des Orthopäden Dr. E vom 29. Mai 2011 eingeholt. Dieser bestätigte das Vorliegen eines GdB von 50 ab März 2010. Der Eintritt eines GdB von 50 zu einem früheren Zeitpunkt sei nicht feststellbar, insbesondere sei eine Höherbewertung des Wirbelsäulenleidens mit einem Einzel-GdB von 30 erst ab März 2010 möglich.
Zu dem Gutachten hat die Klägerin durch Schreiben vom 10. September 2011 Stellung genommen und Atteste der Dr. R vom 22. September 2011 und der Dr. K vom 27. Februar 2011 eingereicht. Sie hat weiterhin vorgetragen, der Orthopäde Dr. H könne bezeugen, dass schwere Wirbelsäulenschäden jedenfalls ab Antragstellung im August 2007 vorgelegen hätten.
Die Klägerin beantragt
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 8. Dezember 2010 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 4. April 2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13. November 2008 und des Bescheides vom 21. Juni 2010 zu verpflichten, für die Klägerin auch für die Zeit vom 24. April 2008 bis zum 28. Februar 2012 einen Grad der Behinderung von 50 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält seine Entscheidung für zutreffend und verweist ergänzend darauf, dass die begehrte Anhebung des GdB auf 50 schon ab einem früheren Zeitpunkt nach den eingeholten Gutachten und vorliegenden medizinischen Unterlagen nicht gerechtfertigt sei. Die Bewertung des Wirbelsäulenleidens mit einem Einzel-GdB von 30 zu einem früheren Zeitpunkt sei nach den den medizinischen Unterlagen zu entnehmenden objektiven Befunden nicht möglich und die entsprechende Einschätzung des Dr. H nicht nachvollziehbar.
Dem Senat haben die Verwaltungsvorgänge des Beklagten vorgelegen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze, das Protokoll und die Verwaltungsvorgänge des Beklagten.
Die Berufung ist gemäß §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz – SGG – zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben, jedoch unbegründet.
Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Bescheid des Beklagten vom 04. April 2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13. November 2008 und des Bescheides vom 21. Juni 2011, der gemäß § 96 SGG Gegenstand des laufenden Verfahrens geworden ist, ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Feststellung eines GdB von 50 für den Zeitraum ab dem 24. April 2008 bis Februar 2010.
Nach den §§ 2 Abs. 1, 69 Abs. 1 IX sind die Auswirkungen der länger als sechs Monate anhaltenden Funktionsstörungen nach Zehnergraden abgestuft entsprechend den Maßstäben des § 30 des Bundesversorgungsgesetzes zu bewerten. Hierbei sind als antizipiertes Sachverständigengutachten die vom Bundesministerium für Gesundheit und soziale Sicherung herausgegebenen Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit (AHP) heranzuziehen, und zwar entsprechend dem streitgegenständlichen Zeitraum in der Fassung 2008. Seit dem 01. Januar 2009 sind die in der Anlage zu § 2 Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2412) festgelegten „Versorgungsmedizinischen Grundsätze“ in Form einer Rechtsverordnung in Kraft, welche die AHP –ohne Eintritt einer grundsätzlichen Änderung hinsichtlich der medizinischen Bewertung - abgelöst haben.
Die Klägerin hat danach keinen Anspruch auf die Feststellung eines GdB von 50 ab April 2008 bis Februar 2010, da die Voraussetzungen für die Feststellung eines höheren GdB als 40 für diesen Zeitraum nicht nachgewiesen sind. Dies ergibt sich aus einer Gesamtschau der vorhandenen medizinischen Unterlagen. Insbesondere ist insoweit das vom Senat eingeholte Gutachten des Facharztes für Orthopädie Dr. E vom 29. Mai 2011 und zudem die Gutachten des Dr. R und des Dr. T von Bedeutung.
Liegen – wie hier – mehrere Beeinträchtigungen am Leben in der Gesellschaft vor, ist der GdB gemäß § 69 Abs. 3 SGB IX nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzustellen. Dabei verbietet sich die Anwendung jeglicher Rechenmethoden, insbesondere die bloße Addition der Einzel-GdB (Teil A Nr. 3a der Anlage zu § 2 VersMedV bzw. Teil A Nr. 19.1 AHP 2008 Seite 24). Nach Teil A Nr. 3c der Anlage zu § 2 VersMedV (bzw. Teil A Nr. 19.3 AHP 2008 Seite 25) ist bei der Beurteilung des Gesamt-GdB von der Funktionsstörung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt, und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird. Leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB-Grad von 10 bedingen, führen grundsätzlich nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung; auch bei leichten Funktionsstörungen mit einem GdB-Grad von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (Teil A Nr. 3 d) aa) – ee) der Anlage zu § 2 VersMedV sowie Teil A Nr. 19 Abs. 1, 3, 4 und Teil A Nr. 19 AHP 2008 Seite 24 ff.).
Hauptleiden der Klägerin sind seit März 2010 die Funktionsbehinderungen der Wirbelsäule in Form von Verschleißerscheinungen der Halswirbelsäule mit deutlichen funktionellen Auswirkungen bei Einengung des Spinalkanals, Verschleißerscheinungen der Brustwirbelsäule mit Dorsalgien bei Fehlstatik sowie erheblichen Verschleißerscheinungen der Lendenwirbelsäule mit Lumboischialgien bei im MRT nachgewiesener erheblicher Enge des Spinalkanals und deutlicher Funktionsbehinderung, die für den Zeitraum bis Februar 2010 mit einem Einzel-GdB von 20 und erst ab März 2010 mit einem Einzel-GdB von 30 zu bewerten sind.
Nach Teil A Nr. 26.18 AHP 2008 (Seite 116) und Teil B Nr. 18.9 der Anlage zu § 2 der VersMedV sind Wirbelsäulenschäden mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurzdauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) mit einem GdB von 10 zu bewerten. Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) sind mit einem GdB von 20 und Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten mit einem GdB von 30-40 zu bewerten.
Die Halswirbelsäule der Klägerin weist einen röntgenologisch nachgewiesenen erheblichen Verschleißzustand auf, der mit deutlich über das alterübliche Maß hinausgehenden Funktionsbehinderungen verbunden ist. Auch seitens der Lendenwirbelsäule besteht eine deutliche Funktionsbehinderung mit eingeschränkter statitischer Belastbarkeit, so dass Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten vorliegen. Dies entnimmt der Senat dem Gutachten des Dr. E. Aus den gefundenen Funktionsbeeinträchtigungen leitet der Sachverständige überzeugend die Einschätzung her, dass das Wirbelsäulenleiden der Klägerin ab März 2010 mit einem Einzel-GdB von 30 zu bewerten ist. Die Feststellung eines Einzel-GdB von 40 ist unter Berücksichtigung der Tatsache, dass Nervenwurzelreizzustände nicht nachweisbar sind, nicht gerechtfertigt.
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist jedoch nicht nachgewiesen, dass die Wirbelsäulenerkrankungen bereits ab April 2008 mit einem Einzel-GdB von 30 zu bewerten waren. Dies lässt sich weder dem Vortrag der Klägerin, noch den vorliegenden medizinischen Unterlagen mit der für diese Feststellung erforderlichen, an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit entnehmen. Insofern überzeugt die Einschätzung des Dr. E, dass die Feststellung eines Einzel-GdB von 30 für das Wirbelsäulenleiden schon ab April 2008 bis Februar 2010 nicht möglich ist. Der Sachverständige führt hierzu aus, dass gegenüber dem im April 2008 bestehenden Gesundheitszustand wesentliche Änderungen eingetreten seien und die degenerativen Veränderungen seitens der Wirbelsäule zugenommen hätten. Dies ergebe sich aus den Untersuchungsbefunden sowie den dokumentierten röntgenologischen Unterlagen und weiteren vorliegenden medizinischen Unterlagen. Eine Osteoporose sei durch den behandelnden Arzt Dr. H lediglich in den Jahren 1991 bis 1993 als Diagnose aufgeführt worden. Darüber hinaus seien keine Funktionsausmaße mitgeteilt worden, so dass eine Verschlechterung der Wirbelsäulenerkrankung bis April 2008 nicht zu objektivieren sei. Röntgenologisch würden sich in den Verlaufskontrollen zunehmende Verschlechterungen der Befunde finden, die die Feststellung eines GdB von 30 für das Wirbelsäulenleiden ab der Gutachtenerstellung durch Dr. R rechtfertigen würden. Für den davor liegenden Zeitraum sei eine solche Feststellung indes nicht möglich.
Diese Einschätzungen des Sachverständigen Dr. E entsprechen den oben dargestellten Kriterien der AHP 2008 bzw. der VersMedV für Wirbelsäulenerkrankungen und sind überzeugend (§ 128 Abs. 1 Satz 1 SGG). Sie werden bestätigt durch die weiteren vorliegenden Sachverständigengutachten des Dr. R und des Dr. Tdie beide ebenfalls einen Einzel-GdB von 30 für das Wirbelsäulenleiden im April 2008/September 2008 (D bzw. bis Februar 2010 (Dr. R) nach Untersuchung der Klägerin sowie Auswertung der vorliegenden medizinischen Befunde und Unterlagen verneinen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den weiteren vorgelegten Unterlagen und zudem nicht aus den Attesten des Dr. H, auf die die Klägerin sich insofern insbesondere stützt. Mit diesen Attesten hat sich insbesondere der Sachverständige Dr. R in seiner ergänzenden Stellungnahme ausführlich auseinandergesetzt und überzeugend dargelegt, dass eine Feststellung des Einzel-GdB von 30 für die Wirbelsäulenleiden für einen früheren Zeitpunkt als März 2010 nicht möglich sei. Im Übrigen wird auf die ausführlichen und überzeugenden Gründe des Urteils des Sozialgerichts, denen sich der Senat anschließt, gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug genommen. Der Senat teilt die überzeugend und detailliert belegte Auffassung des Sozialgerichts, dass Funktionsbefunde, die Rückschlüsse auf den Schweregrad der Funktionsstörungen vor März 2010 zulassen, den vorliegenden medizinischen Unterlagen wie auch den Attesten des Dr. H nicht zu entnehmen sind. Es ist auch weder erkennbar, noch vorgetragen worden, dass solche Unterlagen für den noch streitigen Zeitraum April 2008 bis Februar 2010 noch ermittelbar wären.
Der Senat sah sich insofern auch nicht zu weiteren Ermittlungen, insbesondere der Vernehmung des die Klägerin bis April 2008 behandelnden Orthopäden Dr. H, gedrängt. Schließlich ergibt sich auch keine andere Einschätzung des Wirbelsäulenleidens für die Vergangenheit aus der von der behandelnden Ärztin der Dr. R nunmehr mitgeteilten Verdachtsdiagnose eines Morbus Bechterew, welcher ebenfalls Funktionsbefunde, die Rückschlüsse auf den Schweregrad der Funktionsstörungen vor März 2010 zulassen, nicht zu entnehmen sind.
Zudem leidet die Klägerin unter einem deutlichen Verschleißzustand des rechten Kniegelenks -beginnend auch links- mit schmerzhafter Funktionsbehinderung, Zustand nach Arthroskopie und Meniskusteilentfernung rechts, einer deutlichen Coxarthrose rechts und beginnend links bei geringer Hüftdysplasie mit geringen funktionellen Auswirkungen und schmerzhafter Belastungsminderung, die seit April 2008 mit einem Einzel-GdB von 30 zu bewerten sind.
Es besteht ein erheblicher Knorpelschaden schon seit April 2008, der röntgenologisch nachweisbar ist. Die Funktionseinschränkungen bei der Untersuchung durch den Sachverständigen Dr. E waren geringgradig, die Knorpelschäden bedingen jedoch eine deutliche Minderbelastbarkeit.
In Übereinstimmung mit der Anlage zu § 2 VersMed V, Teil B Nr. 18.14 sowie Nr. 26.18 AHP 2008 (Seite 126) sowie der Anlage zu § 2 VersMed V, Teil B Nr. 18.14 sowie Nr. 26.18 AHP 2008 (Seite 125) bewertet der Sachverständige Dr. E die Kniegelenksleiden unter Berücksichtigung der geringen funktionellen Behinderungen des Hüftgelenks rechts überzeugend mit einem Einzel-GdB von 30. Danach sind einseitige Bewegungseinschränkungen im Kniegelenk mittleren Grades bei einer Streckung/Beugung bis 0-10-90 anzunehmen und mit einem GdB von 20 zu bewerten sowie einseitige Bewegungseinschränkungen im Kniegelenk stärkeren Grades bei einer Streckung/Beugung bis 0-30-90 anzunehmen und mit einem GdB von 30 zu bewerten. Ausgeprägte Knorpelschäden mit anhaltenden Reizerscheinungen und Bewegungseinschränkungen sind darüber hinaus mit einem GdB von 30-40 zu bewerten. Hinsichtlich der Hüftgelenksleidens hat der Sachverständige hierbei zudem die Vorgaben der Anlage zu § 2 VersMed V, Teil B Nr. 18.14 sowie Nr. 26.18 AHP 2008 (Seite 125) berücksichtigt.
Weiter bestehen bei der Klägerin als Funktionsbeeinträchtigungen ein Reizzustand des linken Schultergelenks mit schmerzhafter Funktionseinschränkung, eine schmerzhafte Funktionseinschränkung beider Hände bei geringer Daumensattelgelenksarthrose und beginnender Fingergelenksarthrose, die mit einem Einzel-GdB von 10 zu bewerten sind. Dies entnimmt der Senat dem Sachverständigengutachten des Dr. E, dessen Einschätzung mit den Kriterien der Anlage zu § 2 VersMed V, Teil B Nr. 18.13 sowie Nr. 26.18 AHP 2008 (Seite 119) übereinstimmt und von den Vorgutachtern bestätigt sowie von den Beteiligten nicht in Abrede gestellt wird.
Aus denselben Erwägungen hält der Senat die Einschätzung der internistischen Leiden (Stoffwechselstörung der Schilddrüse mit Teilentfernung sowieBluthochdruckerkrankung unter Berücksichtigung der Vorgaben in Teil A Nr. 26.9 und 26.15 AHP 2008 -Seiten 75 und 100- und Teil B Nr. 9.3 und 15.6 der Anlage zu § 2 der VersMedV) sowie der Sehminderung rechts (unter Berücksichtigung der Vorgaben in der Anlage zu § 2 VersMed V, Teil B Nr. 4 und Nr. 4.5 sowie Nr. 26.4 AHP 2008 –Seite 52) mit einem Einzel-GdB von jeweils 10 durch den Sachverständigen Dr. E für überzeugend.
Letztlich überzeugt auch die Einschätzung des Sachverständigen Dr. E, dass der röntgenologisch nachgewiesene Verschleißzustand des linken oberen Sprunggelenks ohne Funktionseinschränkungen und ohne Belastungsbeschwerden keinen Einzel-GdB rechtfertigt. Auch die Einschätzung des Sachverständigen, dass für die geringe Krampfaderbildung ohne Schwellneigung ein Einzel-GdB nicht gerechtfertigt ist, steht mit der Anlage zu § 2 VersMed V, Teil B Nr. 9.2.1 sowie Nr. 26.9 AHP 2008 (Seite 73) in Einklang, wonach erst arterielle Verschlusskrankheiten und Arterienerkrankungen an den Beinen mit ausreichender Restdurchblutung, Pulsausfall ohne Beschwerden oder mit geringen Beschwerden (Missempfindungen in Wade und Fuß bei raschem Gehen) mit einem GdB von 0-10 zu bewerten sind.
Unter Berücksichtigung der Sachverständigengutachten des Dr. R und des Dr. T geht der Senat zudem davon aus, dass bei der Klägerin eine Migräne und eine Schwerhörigkeit mit Ohrgeräuschen bestehen, die ebenfalls jeweils mit enem GdB von 10 zu bewerten sind. Die Bewertung der Migräne erfolgt in Übereinstimmung mit Teil B Nr. 2.3 der Anlage zu § 2 der VersMedV sowie Teil A Nr. 26.2 der AHP 2008 (Seite 39), die der Schwerhörigkeit mit Ohrgeräuschen unter Beachtung von Teil B Nr. 5.2, 5.3 der Anlage zu § 2 VersMedV sowie Teil A Nr. 26.5 AHP 2008 (Seite 56-61).
Aus den genannten Funktionsbeeinträchtigungen ist unter Berücksichtigung der oben dargestellten Kriterien für den Zeitraum ab März 2010 ein GdB von insgesamt 50 und für den davor liegenden streitigen Zeitraum seit April 2008 bis Februar 2010 ein GdB von 40 zu bilden.
Ausgehend von dem Wirbelsäulenleiden der Klägerin, das ab März 2010 mit einem Einzel-GdB von 30 und für den davor liegenden Zeitraum mit einem Einzel-GdB von 20 zu berücksichtigen ist, findet ab März 2010 eine Erhöhung des GdB um 10 auf 50 statt. Für den Zeitraum April 2008 bis Februar 2010 ist die Bildung eines GdB von 50 unter Berücksichtigung des mit 30 zu bewertenden Kniegelenksleiden sowie des in diesem Zeitraum noch mit 20 zu bewertenden Wirbelsäulenleidens nicht möglich, da dies auf eine unzulässige Addition der beiden Einzel-GdB hinauslaufen würde. Auch eine weitere Erhöhung ist durch die jeweils mit 10 bewerteten weiteren Einzel-GdB nach Teil A Nr. 3 d) ee) der Anlage zu § 2 VersMedV und Teil A Nr. 19 Abs. 1, 3, 4 und AHP 2008 (Seite 26) in aller Regel und so auch im vorliegenden Fall nicht gerechtfertigt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst. Bei der Entscheidung war zu beachten, dass im Laufe des Verfahrens eine Änderung im Sinne einer Verschlechterung der gesundheitlichen Situation der Klägerin eingetreten ist, auf die der Beklagte umgehend nach deren Feststellung durch den Sachverständigen Dr. R mit einem Teilanerkenntnis reagiert hat. Die Auferlegung eines Teils der Kosten entsprechend diesem Teilanerkenntnis ist danach nicht gerechtfertigt.
Die Revision war mangels Vorliegen der Voraussetzungen von § 160 Abs. 2 SGG nicht zuzulassen.