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Steg; Steganlage; Nutzungsuntersagung; formelle Baurechtswidrigkeit; Fehlen einer Baugenehmigung; Baugenehmigungspflicht; Freistellung; gewerblich betriebene Steganlage; Anlage zur Freizeitgestaltung


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 2. Senat Entscheidungsdatum 15.03.2013
Aktenzeichen OVG 2 S 69.12 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 146 Abs 4 S 6 VwGO, § 1 Abs 2 Nr 2 BauO BB, § 55 Abs 7 Nr 8 BauO BB, § 87 WasG BB, § 14 BauNVO

Leitsatz

Die Errichtung und Änderung von der Freizeitgestaltung dienenden Stegen in Gewässern bedarf nach § 55 Abs. 7 Nr. 8 BbgBO keiner Baugenehmigung (vgl. zur notwendigen wasserrechtlichen Genehmigung § 87 BbgWG).

Tenor

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 28. September 2012 wird mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung geändert. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die im Bescheid des Antragsgegners vom 23. Mai 2012 verfügte Nutzungsuntersagung wird wiederhergestellt.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde hat Erfolg. Die vom Antragsgegner mit Bescheid vom 23. Mai 2012 unter Anordnung des Sofortvollzugs verfügte Nutzungsuntersagung erweist sich nach der im vorliegenden Verfahren nur möglichen und gebotenen summarischen Prüfung unter Berücksichtigung der vom Antragsteller dargelegten Gründe (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) als voraussichtlich rechtswidrig. Daher überwiegt das Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs. Die angegriffene Entscheidung ist entsprechend zu ändern.

1. Der Antragsgegner hat die auf § 51 Abs. 1 und 2 i.V.m. § 73 Abs. 3 BbgBO gestützte Nutzungsuntersagung damit begründet, dass die Steganlage ohne die nach § 54 BbgBO erforderliche Baugenehmigung errichtet worden sei. Der Antragsteller macht demgegenüber zu Recht geltend, dass die Voraussetzungen für eine Baugenehmigungsfreiheit nach § 55 Abs. 7 Nr. 8 BbgBO vorliegen. § 55 Abs. 7 BbgBO stellt die Errichtung und Änderung im Einzelnen aufgezählter baulicher Anlagen auf Camping- oder Wochenendhausplätzen, in Gärten und zur Freizeitgestaltung vom Erfordernis einer Baugenehmigung frei. Dazu gehören nach § 55 Abs. 7 Nr. 8 BbgBO „Stege in Gewässern, wie Boots- oder Badestege“.

a) Der Annahme des Verwaltungsgerichts, die Freistellung gelte nur für Stege, die als untergeordnete Nebenanlage oder Einrichtung errichtet werden, vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Das Verwaltungsgericht stützt sich insoweit vor allem auf die Gesetzesbegründung zur Ursprungsfassung der Brandenburgischen Bauordnung vom 1. Juni 1994 (GVBl. I S. 126 – BbgBO a.F. –), in der die damals in § 67 Abs. 7 BbgBO a.F. enthaltene Regelung mit der zuvor einschlägigen Bestimmung des § 63 Abs. 1 der BauO vom 20. Juli 1990 (GBl. der DDR I S. 929) verglichen und ausgeführt wird, der Katalog des Absatzes 7 konkretisiere und erweitere die Genehmigungsfreiheit der bisher nur in den Nummern 21 und 25 geregelten Nebenanlagen im Sinne des § 14 BauNVO (LT-Drs. 1/2760, S. 116).

Zu Recht verweist der Antragsteller demgegenüber auf die Gesetzesmaterialien zu den seitdem erfolgten Änderungen der Brandenburgischen Bauordnung. Die Gesetzesbegründung zur Urfassung der Brandenburgischen Bauordnung bietet jedenfalls unter Berücksichtigung der nachfolgenden Änderungen der Bauordnung keine hinreichende Grundlage für die Annahme, die Freistellung von Stegen vom Erfordernis einer Baugenehmigung gelte nur für untergeordnete Nebenanlagen oder Einrichtungen im Sinne des § 14 BauNVO.

Die vom Verwaltungsgericht angenommene Beschränkung der Privilegierung auf derartige Nebenanlagen hat von vornherein keinen Eingang in den Wortlaut der Regelung gefunden. Soweit die Bauordnung von 1994 eine Größenbegrenzung der vom Baugenehmigungserfordernis freigestellten Stege vorsah – die Privilegierung erfasste in der ursprünglichen Fassung des § 67 Abs. 7 Nr. 8 BbgBO a.F. „Bootsstege ohne Aufbauten bis 1 m Breite“ – ist dies bereits durch das Änderungsgesetz vom 18. Dezember 1997 (GVBl. I S. 124) aufgegeben worden. Seitdem lautete Nr. 8 zunächst „Bootsstege, ausgenommen Anlegestellen für die öffentliche Schiffahrt“ bzw. seit der Novellierung der Brandenburgischen Bauordnung mit Gesetz vom 16. Juli 2003 (GVBl. I S. 210, nunmehr in § 55 Abs. 7 BbgBO) nur noch „Bootsstege“, bis die Vorschrift schließlich mit Änderungsgesetz vom 14. Juli 2008 (GVBl. I S. 172) den heutigen Wortlaut erhielt. Die vom Antragsteller zu Recht angeführte Gesetzesbegründung für die zuletzt erfolgte Änderung spricht vor diesem Hintergrund dafür, dass es neben dem eingrenzenden Merkmal, dass die Stege der Freizeitgestaltung dienen, nur noch auf die Abgrenzung gegenüber Schiffsanlegern ankommen sollte (vgl. LT-Drs. 4/5691, S. 29: „Erfasst werden alle Stege, die vom Ufer ins Gewässer führen und im Rahmen der Freizeitgestaltung genutzt werden. Boots- und Badestege sind meist schmale und schlanke Konstruktionen. Schiffsanleger sind massive Konstruktionen mit Pollern zum Festmachen von Fahrgast- oder Frachtschiffen und mit Dalben zum Schutz vor kräftigen Bewegungen der Schiffe bei Wellengang.“).

Zudem war die Bezugnahme auf den Begriff der Nebenanlage in § 14 BauNVO bereits in der Gesetzesbegründung zu der im Jahre 2003 in Kraft getretenen Novelle der Brandenburgischen Bauordnung nicht aufgegriffen worden. Stattdessen wurde darauf verwiesen, dass Bootsstege als bauliche Anlagen in Gewässern der Genehmigungspflicht nach § 87 BbgWG und, soweit Bootsstege zugleich als Liegeplätze für Sportboote dienen, der – inzwischen entfallenen – Genehmigungspflicht nach § 50 BbgNatSchG a.F. unterlägen (vgl. LT-Drs. 4/5691, S. 127). Dies deutet darauf hin, dass die Freistellung von Bootsstegen von der Baugenehmigungspflicht jedenfalls seit der 2003 erfolgten Neufassung der Bauordnung tragend auf der Erwägung beruht, dass diese Anlagen bereits einer anderweitigen präventiven Kontrolle im Rahmen des wasserrechtlichen Genehmigungsverfahrens unterliegen.

b) Die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Steganlage sei nicht nach § 55 Abs. 7 Nr. 8 BbgBO vom Erfordernis einer Baugenehmigung ausgenommen, erweist sich auch nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig. Das Verwaltungsgericht hat unter Hinweis auf die anderweit übliche baurechtliche Begrifflichkeit zutreffend entschieden, dass es der Annahme einer baulichen Anlage zur Freizeitgestaltung im Sinne des § 55 Abs. 7 BbgBO nicht entgegensteht, wenn die Anlage gewerblich betrieben wird. Eine Differenzierung nach gewerblichen und nicht gewerblichen Steganlagen erschiene zudem nicht als überzeugend, da etwa von Vereinen betriebene nicht gewerbliche Sammelsteganlagen durchaus eine ähnliche Größe erreichen und vergleichbare baurechtliche Fragen aufwerfen können wie gewerblich betriebene Steganlagen.

2. Auf das weitere Beschwerdevorbringen des Antragstellers, namentlich seine These, die Steganlage sei eine Nebenanlage einer sonstigen Anlage des öffentlichen Verkehrs (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 BbgBauO), nämlich des Schwielowsees als Bundeswasserstraße (vgl. Anlage 1 zum WaStrG, Lfd. Nr. 60), weshalb sie vom Anwendungsbereich der Brandenburgischen Bauordnung ausgenommen sei und dem Antragsgegner insoweit von vornherein keine bauaufsichtlichen Befugnisse zustünden, kommt es im vorliegenden Verfahren nicht entscheidend an.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).