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Waffenbesitzkarte; Widerruf; fehlende Zuverlässigkeit; Überlassung an unbefugte Person; Waffenschrank; Schlüssel; Wohnungsschlüssel; Überlassung des Schlüssels bei Ortsabwesenheit; Vereinskamerad; Inhaber einer Waffenbesitzkarte; (keine) Ausnahme gem. § 12 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b) WaffG; (keine) sichere Verwahrung der Waffen durch Überlassung des Schlüssels zum Waffenschrank


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 11. Senat Entscheidungsdatum 16.06.2011
Aktenzeichen OVG 11 S 7.11 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 4 WaffG, § 5 WaffG, § 12 WaffG, § 45 WaffG, § 146 VwGO

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 12. Januar 2011 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Beschwerde trägt der Antragsteller.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 10.750 EUR festgesetzt.

Gründe

Der Kläger wendet sich gegen den sofort vollziehbaren Widerruf einer Waffenbesitzkarte mit Munitionserwerbsberechtigung und einer Waffenbesitzkarte für Sportschützen samt Nebenentscheidungen.

Der Antragsgegner hat seine mit Bescheid vom 4. November 2010 getroffenen Anordnungen maßgeblich darauf gestützt, dass der Antragsteller nicht die erforderliche waffenrechtliche Zuverlässigkeit besitze, da er durch Übergabe der Schlüssel zu seiner Wohnung und zu seinem Waffenschrank einem Dritten Zugriff auf seine Waffen eingeräumt habe, ohne dass dies durch § 12 WaffG gedeckt gewesen sei.

Den Antrag des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen die Widerrufsentscheidungen anzuordnen bzw. in Bezug auf die angeordneten weiteren Maßnahmen nach § 46 WaffG wiederherzustellen, hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 12. Januar 2011 abgelehnt. Die sofortige Vollziehung der Widerrufsentscheidung erscheine im überwiegenden öffentlichen Interesse geboten. Der Antragsteller besitze nicht mehr die erforderliche Zuverlässigkeit, da er seine Waffen (jedenfalls) einem zur Ausübung der tatsächlichen Gewalt über diese Gegenstände nicht berechtigten Dritten überlassen habe. Hierfür reiche die in der Übergabe der Schlüssel für seine Wohnung und für den darin befindlichen Waffenschrank liegende Einräumung der tatsächlichen Zugriffsmöglichkeit dieser anderen Person aus. Die Überlassung sei auch nicht durch § 12 WaffG gedeckt gewesen. Insbesondere sei die Überlassung nicht zum Zweck der sicheren Verwahrung erfolgt, denn die sichere Verwahrung sei im eigenen Waffenschrank des Antragstellers erfolgt und die Übergabe der Schlüssel an den Dritten habe keinen dahingehenden Zweck erfüllt. Die Einlassung des Antragstellers, er habe befürchtet, den Schlüssel zu verlieren bzw. bestohlen zu werden, vermöge nicht zu erklären und sei kein hinreichender Grund dafür, dass er einer dritten Person Zugriff auf die Waffen eingeräumt habe. Die Unzulässigkeit seiner Vorgehensweise habe er als Inhaber einer waffenrechtlichen Erlaubnis auch erkennen müssen. Dass es sich bei dem Dritten um einen „Vereinskameraden“ gehandelt habe, sei für § 12 WaffG irrelevant. Der Antragsteller habe im Verlauf des Verfahrens auch nicht den Eindruck vermittelt, dass er einsichtig sei oder etwas aus seinen Fehlern gelernt habe. Die mit dem Bescheid weiter getroffenen Nebenentscheidungen u.a. zum Unbrauchbarmachen der Waffen oder ihrer Überlassung an einen Berechtigten sowie zur Rückgabe der Waffenbesitzkarten sowie die diesbezüglich vom Antragsgegner getroffenen Anordnungen der sofortigen Vollziehung seien ebenfalls nicht zu beanstanden.

Mit seiner dagegen fristgemäß erhobenen Beschwerde macht der Antragsteller insbesondere geltend, dass die Übergabe der Schlüssel für den in seiner Wohnung befindlichen Waffenschrank an den D. keine Einräumung der tatsächlichen Gewalt über die Waffen dargestellt habe. Mit der Übergabe der Schlüssel zur Verwahrung sei weder eine Mitbenutzung durch den D. beabsichtigt gewesen noch habe der Antragsteller ein derartiges eigenmächtiges Handeln des D., der selbst Inhaber waffenrechtlicher Erlaubnisse und ihm als zuverlässiger Sportschützenkamerad bekannt gewesen sei, annehmen müssen. Wenn man die Verwahrung der Schlüssel als Übergabe ansehen wolle, sei jedenfalls die Auslegung des § 12 WaffG nicht nachvollziehbar, wonach die Waffen durch die jeweils weniger als einen Monat betragende Schlüsselverwahrung nicht nur vorübergehend überlassen worden seien. Zudem gelte die in § 12 Abs. 1 Buchst. a) WaffG aufgenommene Definition von „vorübergehend“ als nicht über einen Monat hinausgehend nicht, wenn eine Besitzübergabe zum Zweck der sicheren Aufbewahrung gem. § 12 Abs. 1 Buchst. b) WaffG erfolge. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts habe die Übergabe des Schlüssels an den D. auch der sicheren Verwahrung gedient. Dem Antragsteller sei natürlich bekannt, dass Waffen nur an Personen mit entsprechenden waffenrechtlichen Erlaubnissen überlassen werden dürften. Er habe die Aufbewahrung der Schlüssel jedoch nicht als Einräumen eines Zugriffs verstanden. Ein diesbezüglicher Lernprozess sei ihm vom Antragsgegner nicht eingeräumt worden. Tatsächlich könne er sich als Abhilfemaßnahme etwa die Anschaffung eines mit einem elektronischen Code gesicherten Verschlusses oder Aufbewahrungsortes vorstellen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat auf der Grundlage des nach § 146 Abs. 4 Sätze 3 und 6 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) allein maßgeblichen Beschwerdevortrages in der Sache keinen Erfolg.

Denn die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass die dem Antragsteller erteilten waffenrechtlichen Erlaubnisse gem. § 45 Abs. 2 WaffG zu widerrufen gewesen seien, weil er nicht mehr die gem. § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG erforderliche Zuverlässigkeit besitze, da er seine Waffen durch die Übergabe des Schlüssels zu seinem Waffenschrank (jedenfalls) einem zur Ausübung der tatsächlichen Gewalt über diese Gegenstände nicht berechtigten Dritten überlassen habe (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 c WaffG), ist auch in Ansehung dieses Vorbringens nicht zu beanstanden.

Zunächst fehlt es entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht an einer Überlassung der Waffen an den - zu deren Besitz nicht berechtigten - Dritten D. In der Rechtsprechung ist geklärt, dass ein Überlassen im Sinne dieser Vorschrift schon dann vorliegt, wenn der Überlassende einer anderen Person die Möglichkeit einräumt, sich selbständig der Waffe zu bedienen (dazu sowie zum folgenden BVerwG, Urteil v. 6. Dezember 1978 - I C 7.77 -, DÖV 1979, 567 f., hier zit. nach juris Rn 18; dem folgend BayVGH, Beschluss v. 18. Dezember 2001 - 21 ZS 01.1719 -, zit. nach juris Rn 20). Nach der allein der gesetzlichen Zielsetzung entsprechenden weiten Auslegung des Begriffs des Überlassens liegen die dafür maßgeblichen Voraussetzungen vor, wenn die dritte Person die Möglichkeit hat, selbständig und ohne Mitwirkung des anderen über die Waffe zu verfügen. Darauf, ob eine (Mit-)Benutzung der Waffen durch den Dritten beabsichtigt und erlaubt war, kommt es danach nicht an. Da der Antragsteller dem als Mieter einer Wohnung in seinem Haus wohnenden Herrn D. nicht nur die Schlüssel zu seinem Waffenschrank, sondern unstreitig auch einen u.a. für die Tür zu seiner Wohnung passenden Generalschlüssel überlassen hatte (so die ausdrückliche Bestätigung im an den Antragsgegner gerichteten Schreiben vom 28. Oktober 2010, Bl. 88 ff. des Verwaltungsvorgangs), hatte dieser die Möglichkeit, selbständig und ohne Mitwirkung des Antragstellers über die Waffe zu verfügen. Der Annahme eines „Überlassens“ im dargelegten Sinne steht dabei auch nicht entgegen, dass eine Mitbenutzung durch den D. nicht beabsichtigt gewesen seiund der Antragsteller ein eigenmächtiges Handeln des ihm als zuverlässiger Sportschützenkamerad und Inhaber waffenrechtlicher Erlaubnisse bekannten D. auch nicht habe annehmen müssen, denn darauf kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.

Die Einwände des Antragsstellers gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass die Ermöglichung des Zugriffs des Herrn D. auf die Waffen des Antragstellers nicht durch § 12 WaffG gedeckt war, greifen ebenfalls nicht durch. Der Antragsteller geht - ebenso wie das Verwaltungsgericht - davon aus, dass ein Fall des § 12 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) WaffG schon deshalb nicht vorgelegen habe, weil die als Überlassung gewertete Schlüsselübergabe nicht einem eigenen Bedürfnis des Verwahrers, des Herrn D., sondern einem Bedürfnis des Antragstellers gedient habe. Lediglich ergänzend („Darüber hinaus …“), und ohne dass es hierauf noch entscheidungserheblich angekommen wäre, hat das Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang weiter darauf hingewiesen, dass die seit ca. Oktober 2008 regelmäßig während der Woche wiederkehrende Überlassung nicht lediglich vorübergehend und „höchstens für einen Monat“ gewesen sei. Seine Auffassung, dass auch kein Fall des § 12 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b) WaffG vorgelegen habe, hat das Verwaltungsgericht demgegenüber nicht mit einer mehr als vorübergehenden Dauer, sondern allein damit begründet, dass die Überlassung der Waffen nicht „zum Zweck der sicheren Verwahrung“ erfolgt sei. Die Ausführungen des Antragstellers zu der Frage, ob unter den Begriff „vorübergehend“ i.S.d. § 12 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b) WaffG auch ein über einen Monat hinausgehender Zeitraum subsumiert werden könnte, gehen insoweit an den tragenden Entscheidungsgründen vorbei. Der Einwand des Antragstellers, dass die Verwahrung des Schlüssels zu seinem Waffenschrank durch den Herrn D. entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts der sicheren Verwahrung i.S.d. § 12 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b) WaffG gedient habe, da es bei der Verwahrung in einem mit einem herkömmlichen Schloss verschließbaren Waffenschrank nicht nur um die Aufbewahrung der Waffen in demselben, sondern auch um die sichere Verwahrung des Schlüssels gegen den Zugriff Unbefugter gehe, überzeugt nicht. Denn die Überlassung des Schlüssels an einen Dritten ist - anders als eine Übergabe der Waffen selbst zur sicheren Verwahrung - ersichtlich nicht geeignet, die Sicherheit der verwahrten Waffen zu erhöhen, da etwa das Risiko eines Diebstahls der im Waffenschrank eingeschlossenen Waffen aus der während einer Abwesenheit des Bewohners leeren Wohnung hierdurch in keiner Weise verringert wird. Der Antragsgegner hat zu Recht darauf hingewiesen, dass selbst ein möglicher Diebstahl des Schlüssels zum Waffenschrank - zumal an einem anderen als dem Aufbewahrungsort der Waffen - kein vergleichbares Risiko eines Zugriffs unberechtigter Dritter auf die Waffen begründet. Mit den Beschwerdegründen wird nicht nachvollziehbar dargelegt und ist auch sonst nicht erkennbar, inwiefern die Überlassung des Schlüssels zum Waffenschrank an einen im Hinblick auf die verwahrten Waffen „Unbefugten“ geeignet sein könnte, die Verwahrung dieser Waffen besser - oder auch nur ebenso gut - zu gewährleisten wie die Mitnahme und Verwahrung des Schlüssels durch den ortsabwesenden Antragsteller selbst, der während seiner Anwesenheit vor Ort ja offenbar auch in der Lage ist, den Schlüssel zum Waffenschrank ordnungsgemäß zu verwahren und nicht zu verlieren.

Die feststehenden Tatsachen begründen auch die Sorge, dass der Antragsteller nicht über die erforderliche Zuverlässigkeit i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG verfügt. Soweit der Antragsteller kritisiert, das Verwaltungsgericht werfe ihm zu Unrecht vor, dass er nicht einsichtig sei und im Laufe des Verfahrens nicht den Eindruck vermittelt habe, aus Fehlern etwas gelernt zu haben, weil der Antragsgegner ihn nicht beraten, ihm insbesondere keine andere Art der Verwahrung aufgegeben und ihm damit die Möglichkeit zu einem solchen Lernprozess im Laufe des Verfahrens nicht eingeräumt habe, vermag dies auch nicht etwa eine positive Zukunftsprognose zu begründen. Denn das Verwaltungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass es dem Antragsteller als Inhaber einer waffenrechtlichen Erlaubnis bekannt sein musste, dass er dritten Personen keinen Zugriff auf seine Waffen einräumen durfte, und bei Anwendung der diesbezüglich gebotenen Sorgfalt war und ist es auch ohne rechtlichen Hinweis seitens der Behörde erkennbar, dass ein solcher Zugriff durch die Übergabe des Schlüssels zum Waffenschrank an eine zugleich über einen Wohnungsschlüssel verfügende Person ermöglicht wird. Angesichts einer derartigen Verkennung grundlegender waffenrechtlicher Pflichten bietet allein die vom Antragsteller nunmehr angebotene Umstellung der Waffenverwahrung - etwa auf einen mit elektronischem Code gesicherten Waffenschrank - keine hinreichende Gewähr dafür, dass der Antragsteller die waffenrechtlichen Sicherheitsanforderungen zukünftig in der gebotenen Weise beachten wird.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 , § 52 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).