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Auswirkungen des EuGH Urteils Reemtsma


Metadaten

Gericht FG Berlin-Brandenburg 7. Senat Entscheidungsdatum 17.08.2016
Aktenzeichen 7 K 7246/14 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 163 AO, § 15 Abs 1 S 1 Nr 1 UStG

Leitsatz

Ein Steuerpflichtiger, der auf Rechnungen mit Vorsteuerausweis die Umsatzsteuer an den Rechnungsaussteller zahlt, obwohl die abgerechneten Leistungen nicht vom Rechnungsaussteller, sondern von einem Dritten erbracht werden, und dem es nicht gelingt, die gezahlte Umsatzsteuer vom Rechnungsaussteller zurückzuerlangen, kann die Erstattung der Umsatzsteuer nicht von seinem Betriebstättenfinanzamt verlangen.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt im Billigkeitswege die Gewährung von Vorsteuer und Erstattungs-zinsen.

Die Klägerin ist ein vornehmlich im Bereich des Tiefbaus und der Bodensanierung geschäftstätiges, in C… geschäftsansässiges Bauunternehmen in der Rechtsform einer Gesellschaft mbH. Überwiegend für im Bundesland Sachsen-Anhalt belegene Industriebaustellen zog sie eine einzelunternehmerisch geführte, als B… firmierende Subunternehmung mit Sitz in D… – fortan: HC – heran. Grundlage war ein in zwei Entwürfen vorliegender Dienstvertrag – fortan: DV – zwischen der Klägerin und der HC, demnach die HC ab dem 01.01.1998 für die Klägerin im Geschäftsbereich Ost beratend tätig werden, insbesondere die Koordination von Angebotskalkulationen, die Arbeitsvorbereitung und die Durchführung leisten sollte (§ 1 DV). HC gebührte gegenüber der Klägerin dabei für die Abstellung eines Mitarbeiters ein monatliches Pauschalhonorar in Höhe von 14.480,-- DM zuzüglich Mehrwertsteuer (§ 3 Abs. 1 DV).

Inhaberin dieses Unternehmens war Frau E… . Als technischen Angestellten stellte sie laut Ehegatten-Arbeitsvertrag vom 15.12.1997 mit Wirkung vom 01.01.1998 ihren Ehegatten, Herrn F…, bei einer regulären Arbeitszeit von 20 Stunden/Woche für ein (Brutto-)Monatsgehalt in Höhe von 1.800,-- DM an.

Nach einer von F… und der Klägerin als L.(etter)O.(f)I.(ntent) überschriebenen Erklärung vom 10.12.1997 sollte er ab dem 01.01.1998 für ein monatliches (Brutto-)Honorar in Höhe von 14.800,-- DM, einem 13. Gehalt als Weihnachts- und einem halben Gehalt als Urlaubsgeld auch für die Klägerin als freier Mitarbeiter tätig sein. Vorgesehen waren hiernach des Weiteren ungeachtet einer 6-monatigen Probezeit eine Kündigungsfrist von 12 Monaten zum Quartalsende, ein 30-tägiger Urlaubsanspruch nach Tarifvertrag Bau, eine 6-wöchige Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle und die Abrechnung seiner Honoraransprüche über die HC.

Im Rahmen seiner Bauleitertätigkeit führte ihn die Klägerin auf ihrem betriebsinternen Verteilerstempel für bei ihr eingehende Geschäftsbriefe; insofern fand sich auf dem Eingangsstempel ein Feld mit der Bezeichnung „G…“. Einbezogen war F… des Weiteren in den Verteiler für den Empfang der Mitarbeiterneujahrsrundbriefe der Klägerin. Gegenüber den Geschäftspartnern der Klägerin trat er in deren Namen auf, indem er ihre Geschäftsschreiben mit Vertretungszusatz abzeichnete. Die Gewährung von Erholungsurlaub beantragte F… gegebenenfalls gegenüber der Klägerin; die Klägerin ihrerseits führte für F… eine Urlaubsliste und kürzte sein Urlaubskontingent um in Anspruch genommene Erholungstage.

In den Streitjahren 1998 bis 2001 stellte die HC der Klägerin jeweils mehrere, in der Regel monatliche (Subunternehmer-)Rechnungen mit gesondert ausgewiesener Umsatzsteuer in Höhe von 33.045,66 DM (1998), 33.801,11 DM (1999), 31.236,22 DM (2000) und 42.244,61 DM (2001), insgesamt in Höhe von 140.327,60 DM (= 71.743,36 €). In den Streitjahren 2002 und 2003 belief sich die in den entsprechenden Rechnungen der HC ausgewiesene Umsatzsteuer auf 23.315,61 € (2002) bzw. 10.861,89 € (2003). Wegen der Rechnungsdaten und -beträge im Einzelnen nimmt das Gericht auf die Vereinbarung vom 14.05.2013 (Bl. 22 f. Gerichtsakte -GA-) Bezug. Die aus den Streitjahren 1998 bis 2002 datierenden Rechnungen beglich die Klägerin vollständig. Von den aus dem Streitjahr 2003 herrührenden Rechnungen ließ die Klägerin zwei Rechnungen unbezahlt. Der auf sie entfallende Umsatzsteuerbetrag beträgt 2.443,21 €.

Mit ihren Umsatzsteuererklärungen 1998 bis 2001 machte die Klägerin aus den Rechnungen der HC den Vorsteuerabzug geltend. Für das Streitjahr 1998 stand ihre Umsatzsteuererklärung einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich. Für die Folgejahre 1999 bis 2001 standen die Umsatzsteuererklärungen der Klägerin ebenfalls Steuerfestsetzungen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich.

Auch dem mit ihrer Umsatzsteuererklärung 2002 in Ansatz gebrachten Vorsteuerabzug lagen in Höhe von 23.315,61 € die Rechnungen der HC zugrunde. Sie stand wiederum einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich. Ihrer Umsatzsteuererklärung 2003, die hinsichtlich der Rechnungen der HC einen Vorsteuerabzug in Höhe 10.861,89 € betraf, stimmte das Finanzamt I… zu.

Der strafrechtliche Schlussbericht des Finanzamts für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung H… – Steuerfahndungsstelle – vom 07.11.2002 über ein gegen F… wegen des Verdachts unter anderem [u.a.] der Beihilfe zur Umsatzsteuerhinterziehung zugunsten der Klägerin eingeleitetes Ermittlungsverfahren kam zu der Einschätzung, dass F… betreffend die über die HC abgerechneten Leistungen als leitender Angestellter der Klägerin im Rahmen eines zu ihr bestehenden Arbeitsverhältnisses tätig geworden sei. Unter diesen Umständen seien die entsprechenden Rechnungen der HC als Scheinrechnungen zu bezeichnen, die es der Klägerin hätten ermöglichen sollen, sie zum Betriebsausgaben- ebenso wie zum Vorsteuerabzug heranzuziehen.

Dieser Ansatz lag auch einem weiteren (Fahndungs-)Bericht des Finanzamts für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung H… – Steuerfahndungsstelle – vom 08.07.2003 betreffend eine gegen beide Eheleute F… und E… eingeleitete, u.a. auf die Umsatzsteuer 1998 bis 2001 bezogene Fahndungsprüfung zugrunde. Darüber hinaus war hervorgehoben, dass Frau E… ihr Unternehmen offensichtlich lediglich deshalb gegründet habe, um ihrem Ehemann F… im Hinblick auf dessen offene Steuerverbindlichkeiten gegenüber dem FA J… verdeckte Gehaltszahlungen zu ermöglichen.

Dem folgend änderte der Beklagte mit Verweis auf einen über eine auch bei der Klägerin erfolgte Außenprüfung aufgenommenen Prüfungsbericht vom 08.10.2003 auf der Grundlage von § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung –AO– die Umsatzsteuerfestsetzungen 1998 bis 2001 mit Umsatzsteuerbescheiden 1998 bis 2001 alle vom 12.11.2003. Darin wurden Zinsen zur Umsatzsteuer in Höhe von 3.622,- € für 1998, 2.673,- € für 1999, 1.515,- € für 2000 und 754,- € für 2001 festgesetzt. Die Rechnungen der HC waren nunmehr von dem der Klägerin gewährten Vorsteuerabzug ausgenommen. Hiergegen erhob die Klägerin Einspruch. Im Laufe des Einspruchsverfahrens änderte das Finanzamt mit Umsatzsteuerbescheiden 2002 und 2003 jeweils vom 30.04.2007 auch die Umsatzsteuerfestsetzungen 2002 und 2003 und setzte Zinsen in Höhe von 4.310,- € für 2002 und 1.356,- € für 2003 fest. Wiederum kürzte es den Vorsteuerabzug der Klägerin hinsichtlich der ihr von Seiten der HC erteilten Rechnungen in Höhe von 23.315,61 € (2002) bzw. 10.861,89 € (2003), insgesamt in Höhe von 34.177,50 €. Die Klägerin erhob dagegen ebenfalls Einspruch. Mit Einspruchsentscheidung vom 19.10.2007 wies das Finanzamt die auf die geänderten Umsatzsteuerfestsetzungen 1998 bis 2001 bezogenen Einsprüche als unbegründet zurück. Ein Billigkeitsbegehren lehnte das Finanzamt am 10.09.2008 ab und wies den diesbezüglichen Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 21.11.2008 als unbegründet zurück. Darin verwies das Finanzamt darauf, dass der Klägerin zivilrechtliche Ansprüche gegen E… wegen der an diese gezahlten Umsatzsteuer zustünden, so dass auch unter Berücksichtigung des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union -EuGH- vom 15.03.2007 C-35/05 – Reemtsma (Umsatzsteuer-Rundschau -UR- 2007, 343) kein Anspruch auf Gewährung des Vorsteuerabzugs aus Billigkeitsgründen bestehe. Ein solcher Anspruch komme allenfalls in Betracht, wenn E… erwiesener Maßen zahlungsunfähig sei. An einem solchen Nachweis fehle es.

Die dagegen erhobene Klage wies der erkennende Senat mit Urteil vom 17.02.2011 7 K 7402/07 als unbegründet ab. Hinsichtlich des Billigkeitsanspruchs hielt er der Klägerin entgegen, dass die Zahlungsunfähigkeit der E… nicht nachgewiesen worden sei. Die darauf erhobene Nichtzulassungsbeschwerde wies der Bundesfinanzhof -BFH- mit Beschluss vom 27.12.2012 V B 31/11 (BFH/NV 2013, 944) als unbegründet zurück.

Mit Urteil vom 26.06.2012 verurteilte das Kammergericht E…, wegen ungerechtfertigter Bereicherung i.S. des § 812 Abs. 1 Satz 2, 1. Alt. Bürgerliches Gesetzbuch -BGB- an die Klägerin 105.920,86 € nebst Zinsen zu zahlen. Ferner wurden die der Klägerin zu erstattenden Kosten auf 11.352,92 € nebst Zinsen festgesetzt.

In 2013 berichtigte E… als Inhaberin von HC die gegenüber der Klägerin in den Streitjahren erteilten Rechnungen in Ziff. 4 der Vereinbarung vom 14.05.2013, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird (Bl. 22 f. GA). Sodann machte E… gegenüber dem für sie zuständigen Finanzamt K… Berichtigungsansprüche nach § 14c Abs. 2 Satz 3 Umsatzsteuergesetz -UStG- geltend und trat diese zur Tilgung der ihr gegenüber titulierten Forderungen mit der Vereinbarung vom 14.05.2013 und der Abtretungsanzeige vom 25.05./21.06.2013 an die Klägerin ab. Die Klägerin wurde ermächtigt, die Ansprüche der E… gegenüber dem Finanzamt K… (ggf. auch gerichtlich) geltend zu machen. In der Folge zahlte das Finanzamt K… daraufhin 97.944,07 € an die Klägerin. Zwischen E… und der Klägerin war die Geltung des § 367 BGB vereinbart.

Am 30.11.2012 beantragte die Klägerin beim Finanzamt erneut unter Berufung auf das Urteil des EuGH vom 15.03.2007 C-35/05 – Reemtsma (UR 2007, 343), die Vorsteuer aus den Eingangsrechnungen der HC im Billigkeitswege zum Abzug zuzulassen und die Erstattungsbeträge zu verzinsen. Dabei legte sie ein Schreiben einer L… GmbH vom 26.11.2012 an den Bevollmächtigten der Klägerin vor, in dem die L… GmbH vortrug, sich als langjährige Bevollmächtigte der E… zu äußern. Diese sei nicht in der Lage, auf die ihr gegenüber titulierte Forderung der Klägerin Zahlungen zu leisten. Mit einem monatlichen Nettoeinkommen von 1.700,- € müsse sie sich, ihren seit Jahren arbeitssuchenden Ehemann und ihre 16jährige Tochter, eine Schülerin, unterhalten. Alle Vermögenswerte seien bereits zur Finanzierung des Lebensunterhalts veräußert worden. Den Antrag der Klägerin lehnte das Finanzamt mit Verfügung vom 04.04.2013 (Bl. 37 GA), auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, ab. Das Finanzamt vertrat die Auffassung, es sei ein Grundprinzip des Mehrwertsteuerrechts, dass es einen Vorsteuerabzug nur aufgrund tatsächlich erbrachter Eingangsleistungen gebe, woran es im Streitfall fehle. Dagegen legte die Klägerin am 06.05.2013 Einspruch ein und machte geltend, ein Unternehmer dürfe im Ergebnis nicht doppelt mit Umsatzsteuer belastet werden. Ferner sei die Versagung des Zinsanspruchs unionsrechtswidrig. Dem hielt das Finanzamt entgegen, dass im Verfahren des EuGH vom 15.03.2007 C-35/05 – Reemtsma (UR 2007, 343) tatsächlich durchgeführte Leistungen vorgelegen hätten. Ferner stehe die Uneinbringlichkeit der gegenüber E… titulierten Forderung nicht fest. Schließlich sei die Klägerin nicht gutgläubig gewesen, da sie F… in ihr Unternehmen eingegliedert und daher die fehlende Leistungserbringung durch E… gekannt habe. Die Klägerin hielt gleichwohl an ihrem Begehren fest und wandte ein, es bestehe kein Anlass, nicht steuerbare Vorgänge vom Gutglaubensschutz auszuschließen, weil es sich insoweit um gängige Abgrenzungsprobleme handele. Überdies habe E… die Umsatzsteuer an das Finanzamt K… abgeführt. Während des Einspruchsverfahrens teilte die Klägerin mit, dass das Finanzamt K… 97.944,07 € gezahlt habe und dass sich die Klägerin wegen der noch offenen Zinsen mit dem Finanzamt K… ins Benehmen setzen werde. Sie schlage vor, den hiesigen Vorgang bis auf weiteres ruhen zu lassen. Dem trat das Finanzamt entgegen und ging auch nicht auf das Angebot der Klägerin ein, dass E… gegenüber dem Finanzamt oder einem Notar ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse darlege. Vielmehr wies das Finanzamt den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 27.08.2014 als unbegründet zurück. Es sei nicht unbillig, der Klägerin den Vorsteuerabzug zu versagen, da es den gesetzgeberischen Intentionen entspreche, wenn der Vorsteuerabzug versagt werde, soweit den Vorsteuer ausweisenden Rechnungen keine tatsächlichen Leistungen zugrunde lägen. Abweichendes ergebe sich nicht aus dem EuGH-Urteil „Reemtsma“, da im dortigen Fall tatsächlich Leistungen erbracht worden seien. Ferner habe die Klägerin nicht nachgewiesen, dass die titulierten Ansprüche der Klägerin gegenüber E… wegen deren wirtschaftlicher Lage faktisch nicht durchsetzbar seien.

Darauf hat die Klägerin am 29.09.2014 Klage erhoben, die sie im Wesentlichen mit ihrem vorgerichtlichen Vortrag begründet. Sie ist der Auffassung, danach sei der Beklagte verpflichtet, ihr die noch ausstehenden Beträge zu erstatten. Es sei unbeachtlich, ob dem originären Vorsteueranspruch die Steuerfreiheit oder die Nichtsteuerbarkeit der ihr gegenüber erbrachten Leistungen entgegengestanden habe. Aus der EuGH-Rechtsprechung folge, dass sie zwar zunächst auf den Zivilrechtsweg verwiesen werden könne, um ihren Anspruch auf Erstattung irrtümlich oder fehlerhaft gezahlter Umsatzsteuer geltend zu machen. Wenn jedoch der Erstattungsanspruch scheitere, weil der Aussteller der ursprünglichen Rechnung nicht in der Lage sei, die Zahlung zu erbringen, stehe ihr gegen das eigene Betriebsstättenfinanzamt ein Erstattungsanspruch zu. Daher sei das Ermessen des Beklagten auf die Anerkennung des Vorsteueranspruchs im Billigkeitswege reduziert. Die Höhe des Anspruchs ergebe sich daraus, dass die Klägerin von den ihr durch das Finanzamt K… überwiesenen 97.944,07 € einen Betrag von 47.082,78 € auf Kosten des Zivilverfahrens und zivilrechtliche Erstattungszinsen verbucht habe, so dass per 22.11.2013 eine Forderung in Höhe von 58.838,08 € gegen E… bestanden habe. Bis zum 17.08.2016 seien darauf weitere Zinsen in Höhe von 6.826,35 € aufgelaufen, woraus sich die Klageforderung in Höhe von 65.664,43 € ergebe. Wegen der Einzelheiten wird auf die Aufstellung der Klägerin (Anlage 6 zum Schriftsatz vom 08.08.2016, Bl. 158 GA) verwiesen. Die Klägerin räumt ein, dass es höchstrichterlich ungeklärt sei, ob Beträge, die wegen der Tilgungsreihenfolge des § 367 BGB zunächst auf Nebenforderungen verbucht wurden, im Billigkeitswege von ihrem Betriebsstättenfinanzamt gefordert werden können. Im Streitfall spreche dafür, dass das Betriebsstättenfinanzamt seit 2007 die Gewährung des Vorsteueranspruchs im Billigkeitswege versagt habe. Die Klägerin habe von einer anderweitigen Verschuldung des F… nichts gewusst, sondern davon erst im Rahmen des Vorprozesses durch einen Detektiv erfahren. Sie habe auch keine Kenntnis von dem gegen F… geführten Strafverfahren, so dass entsprechende Unterlagen und Angaben im hiesigen Verfahren nicht verwertet werden dürften. Eine Gefährdung oder Hinterziehung von Umsatzsteuer habe nicht vorgelegen, weil die von der Klägerin als Vorsteuer abgezogenen Beträge durch die Umsatzsteuerzahlungen der HC ausgeglichen worden seien. Die bisherige Auffassung des BFH, dass Rechnungsberichtigungen nach § 14c Abs. 2 Satz 3 UStG nur ex nunc wirkten, stehe im Angesicht des Vorlageverfahrens zu den Wirkungen einer Rechnungsberichtigung auf dem Prüfstand. Der in der Hauptsache geltend gemachte Erstattungsanspruch unterliege unionsrechtlich der Verzinsung. Ferner begehrt sie die Beiladung des Finanzamts K… . Sie beabsichtige, dem Erstattungsantrag aus abgeleitetem Recht der E… (einschließlich Zinsen) gegenüber dem Finanzamt K… nachzugehen. Dazu solle dem Finanzamt K… im Wege der Beiladung rechtliches Gehör gewährt und Gelegenheit gegeben werden, sich an dem hiesigen Verfahren zu beteiligen, um eine einheitliche Entscheidung zu ermöglichen.

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 04.04.2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27.08.2014 den Beklagten zu verpflichten, im Wege einer abweichenden Steuerfestsetzung im Billigkeitswege einen Vorsteuererstattungsanspruch in Höhe von 65.664,43 € nebst 6 % Zinsen/Jahr ab dem 18.08.2016 festzusetzen und

die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren für notwendig zu erklären,

hilfsweise, die Zeugin E… entsprechend den Beweisanträgen in den Schriftsätzen vom 31.03.2015, Seite 2, und vom 08.08.2016, Seite 8 mit der Anschrift M…-straße in D… als Zeugin zu vernehmen,

weiter hilfsweise, dem Gerichtshof der Europäischen Union gem. Artikel 267 AEUV die folgenden Fragen vorzulegen:

1. Gelten die Aussagen der Urteile Reemtsma vom 15.03.2007 C- 35/05, Rn. 42 und Banca Antoniana vom 5.12.2011 C-427/10, Rn. 28 über die Erstattung von Vorsteuerbeträgen bei Insolvenz des Rechnungsausstellers auch in den Fällen, in denen ein nicht umsatzsteuerbarer Vorgang dazu führt, dass dem Empfänger einer Rechnung der Vorsteuerabzug versagt wird und der Aussteller wirtschaftlich nicht in der Lage ist, den Betrag an den Empfänger der Rechnung zurückzuzahlen?

2. Hängt die Verpflichtung des Fiskus zur Erstattung der verlorenen Vorsteuer davon ab, dass der Aussteller der Rechnung den Betrag an das Finanzamt abgeführt hatte? Ist die Verpflichtung der Höhe nach auf die Zahlbeträge beschränkt, die der Rechnungsaussteller an das eigene Finanzamt abgeführt hatte? Wird der Anspruch des Rechnungsempfängers auf Erstattung der Vorsteuer gegen den Fiskus begrenzt, wenn die spätere Rückzahlung der Vorsteuerbeträge anders verwendet oder verrechnet wird, z.B. durch Verrechnung mit Kosten und Zinsen nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften? Kommt es insoweit darauf an, ob das Finanzamt einen Antrag des Rechnungsempfängers auf Erstattung der Vorsteuern abgelehnt hatte, bevor die Kosten und Zinsen entstanden sind, obwohl es feststand, dass der Aussteller der Rechnung zu einer Erstattung der an ihn gezahlten Beträge wirtschaftlich nicht in der Lage war? Kommt es darauf an, dass die Zahlungsunfähigkeit des Rechnungsausstellers objektiv bestand oder muss der Rechnungsempfänger dies bei seinem Erstattungsantrag nachweisen? Genügt es für den Nachweis, wenn die Zahlungsunfähigkeit objektiv gegeben ist und sich der Rechnungsempfänger auf die Zeugenaussage des Rechnungsausstellers beruft?

3. Ist der Anspruch des Rechnungsempfängers gegen das Finanzamt zu verzinsen ab dem Zeitpunkt, ab dem der Empfänger der Rechnung das eigene Finanzamt um Erstattung der von ihm zuvor korrigierten Vorsteuer gebeten hatte, weil der Aussteller der Rechnung wirtschaftlich nicht in der Lage war, die Zahlbeträge zu erstatten?

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hält die Klage für unzulässig, weil die Klägerin erstmals im Klageverfahren die Erstattung der Differenz aus dem korrigierten Vorsteuerabzug und den von E… erstatteten Beträgen begehre. Insoweit fehle es an der Durchführung des Vorverfahrens i.S. des § 44 Finanzgerichtsordnung -FGO-. Jedenfalls sei die Klage unbegründet. Der Beklagte wiederholt dazu im Wesentlichen die Gründe der Einspruchsentscheidung. Einer Beiladung des Finanzamts K… tritt er entgegen. Aus der Entscheidung im hiesigen Verfahren ergäben sich keine Auswirkungen auf das Besteuerungsverfahren der E… beim Finanzamt K… .

Mit Beschluss vom 15.06.2016 hat der Berichterstatter den Antrag auf Beiladung des Finanzamts K… zurückgewiesen. Der geltend gemachte Anspruch der Klägerin gegenüber dem Beklagten sei nicht mit dem Erstattungsanspruch aus abgeleitetem Recht der E… identisch. Es bestehe keine verfahrensrechtliche Verknüpfung. Es sei nicht ersichtlich, warum sich die verfahrensrechtliche Situation der Klägerin durch eine Beiladung des Finanzamts K… verbessern sollte, zumal nicht ersichtlich sei, dass überhaupt ein Verfahren der Klägerin beim Finanzamt K… anhängig sei. Dagegen hat die Klägerin am 06.07.2016 Beschwerde eingelegt, die der Senat dem BFH vorgelegt hat. Dort ist sie unter dem Az. V B 103/16 anhängig, wobei der Klägerin bis zum 31.08.2016 Fristverlängerung zur Begründung der Beschwerde gewährt wurde.

Dem Gericht haben die Streitakte des Verfahrens 7 K 7402/07 sowie je ein Band Rechtsbehelfs- und Umsatzsteuerakten vorgelegen, die vom Beklagten für die Klägerin unter der Steuer-Nr. … geführt werden.

Entscheidungsgründe

I. Da die von der Klägerin gegen den Beschluss über die Ablehnung der Beiladung eingelegte Beschwerde keine aufschiebende Wirkung hat (§ 131 Abs. 1 FGO), ist das Gericht nicht gehindert, in der Sache zu entscheiden. Zudem erscheint zweifelhaft, ob die Beschwerde gegen einen ablehnenden Beschluss aufschiebende Wirkung haben kann (vgl. die ständige Rechtsprechung zu ablehnenden Verwaltungsakten). Schließlich hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung keine Verschiebung des Termins beantragt.

II. Die Klage ist zulässig.

1. Das Vorverfahren i.S. des § 44 FGO wurde durchgeführt. Die Klägerin hatte mit Schriftsatz vom 28.11.2013 den Beklagten von der Zahlung der 97.944,07 € unterrichtet und deutlich gemacht, dass sie weiterhin den Restbetrag von ca. 7.000,- € und die Zinsen begehre. Sie hat zwar in erster Linie ihre Ansprüche gegenüber dem Finanzamt K… thematisiert, aber dass sie sich jedenfalls hilfsweise vorbehielt, diese Ansprüche gegenüber dem Finanzamt I… geltend zu machen, ergibt sich schon daraus, dass sie den Einspruch nicht zurücknahm, sondern vielmehr ausdrücklich aufrecht erhielt. Das hat erkennbar auch das Finanzamt so verstanden, weil es am 03.12.2013 eine Gegenäußerung in der Sache abgegeben und den Einspruch nicht als unzulässig wegen Hauptsachenerledigung verworfen hat. Dass die Klägerin nunmehr ihr Begehren - ausgehend von der zivilrechtlichen Tilgungsreihenfolge - anders beziffert als noch im Einspruchsverfahren, stellt nur eine andere Berechnungsweise des dem Grunde nach gleich bleibenden Begehrens dar. Denn die nunmehr geltend gemachte Forderung und das Begehren auf Zahlung von 7.000,- € und die Geltendmachung von Zinsen seit dem Entstehen der Vorsteuerrückforderungsansprüche führen zu ähnlichen wirtschaftlichen Ergebnissen. Das Begehren im Klageverfahren deckt sich daher mit dem, das die Klägerin bei Erlass der Einspruchsentscheidung geltend gemacht hat.

2. Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klage ergeben sich auch nicht daraus, dass die Klägerin ihr Klagebegehren nicht den verschiedenen Veranlagungszeiträumen zugeordnet hat. Denn die Klägerin macht der Sache nach eine Art Ausfallhaftung des Fiskus für den ihr gegen die Rechnungsausstellerin E… zustehenden zivilrechtlichen Anspruch geltend. Dieser ist jedoch in einer Gesamtsumme tituliert und davon ausgehend teilweise getilgt worden. Eine Zuordnung des offenen Anspruchs auf einzelne Veranlagungszeiträume ist daher nicht möglich.

III. Die Klage ist unbegründet.

Die Klägerin wird i.S. des § 101 FGO durch die Versagung der begehrten Billigkeitsmaßnahmen nicht in ihren Rechten verletzt.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich im Streitfall um eine Ermessensentscheidung handelt, die in den Grenzen des § 102 FGO der Überprüfung unterliegt.

1. Einem Erfolg der Klage steht nicht entgegen, dass der erkennende Senat mit seinem rechtskräftigen Urteil vom 17.02.2011 7 K 7402/07 eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen abgelehnt hat. Daraus ergibt sich für den Streitfall keine entgegenstehende materielle Rechtskraftwirkung (§ 110 FGO). Denn die Klägerin hat im neuerlichen Billigkeitsverfahren neue Beweismittel vorgelegt (Schreiben der R vom 26.11.2012) oder angeboten (Darlegung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse durch E… gegenüber dem Finanzamt oder einem Notar).

2. Es kann dahingestellt bleiben, ob für das Finanzamt Anlass bestanden hätte, im Einspruchsverfahren E… zu ihren Vermögensverhältnissen anzuhören. Denn bei den Erwägungen des Beklagten zur Durchsetzbarkeit der Forderung der Klägerin gegenüber E… handelte es sich um eine bloße Hilfserwägung, während das Finanzamt seine Entscheidung in der Hauptsache auf andere Kriterien stützte. Der Hilfscharakter ergibt sich daraus, dass das Finanzamt auf Seite 5, Mitte der Einspruchsentscheidung (Bl. 27 GA) ausführt: „Insoweit ist es auch unbeachtlich, ob diese Steuer von der Fa. HC bezahlt wurde bzw. ob die Efin. ihren zivilrechtlich[en] Rückgriffsanspruch gegenüber der Fa. HC letztendlich durchsetzen kann.“

3. Im Hauptpunkt hat das Finanzamt vielmehr seine Ablehnung darauf gestützt, dass im Streitfall seitens der HC keine Leistung erbracht worden sei, während im Fall des Urteils „Reemtsma“ tatsächlich Leistungen seitens der als Leistungserbringerin auftretenden Unternehmerin erbracht worden seien, allerdings mit einem anderen als dem ursprünglich angenommenen Leistungsort.

a) Den entsprechenden Erwägungen des Beklagten ist zuzustimmen, da aufgrund der Feststellungen des Senats in seinem Urteil vom 17.02.2011 7 K 7402/07, die auch von der Klägerin nicht substantiiert angegriffen werden, feststeht, dass nicht HC die Bauleiterleistungen an die Klägerin erbracht hat, sondern F…, allerdings nichtsteuerbar als Arbeitnehmer der Klägerin.

Der Klägerin ist allerdings einzuräumen, dass dem Tenor zu 3. im Urteil des EuGH vom 15.03.2007 C-35/05 – Reemtsma (UR 2007, 343, Rn 42) nicht ausdrücklich zu entnehmen ist, dass es für die Bejahung eines „Direktanspruchs“ gegen das Betriebsstättenfinanzamt des Rechnungsempfängers, der Umsatzsteuer an den Rechnungsaussteller gezahlt hat, erforderlich ist, dass den Rechnungen tatsächlich Leistungen des Rechnungsausstellers zugrunde lagen. Der Beklagte weist aber zu Recht darauf hin, dass in dem dem Urteil Reemtsma zugrunde liegenden Sachverhalt tatsächlich Leistungen seitens des Rechnungsausstellers an Reemtsma erbracht wurden. Ferner hat auch der BFH (Urteil vom 30.06.2015 VII R 42/14, juris, Rn 26 a.E.) in einem obiter dictum Zweifel daran anklingen lassen, ob die ansonsten für eine Billigkeitsmaßnahme nach § 163 AO sprechenden Gesichtspunkte gelten, wenn den Rechnungen, auf die Umsatzsteuer an den Rechnungsaussteller gezahlt wurde, keine Leistungen zugrunde lagen (ablehnend insoweit auch FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26.06.2014 5 K 5148/12, EFG 2015, 534, Revision anhängig unter dem Az. XI R 36/14).

Für die Auffassung des Beklagten spricht, dass ein Leistungsempfänger, dem keine Leistungen erbracht werden (oder jedenfalls nicht die Leistungen, für die abgerechnet wird) im Regelfall keinen Anlass hat, die ihm in Rechnung gestellte Umsatzsteuer zu begleichen. Er ist daher weniger schutzwürdig als andere Leistungsempfänger, bei denen am Ende der Vorsteuerabzug (ohne die Gewährung von Billigkeitsmaßnahmen) verloren geht, weil die umsatzsteuerliche Würdigung hinsichtlich des Leistungsorts, der Steuerfreiheit oder der Steuerbarkeit am Ende nicht den ursprünglichen Erwartungen entspricht.

Im Streitfall wurden der Klägerin zwar Leistungen erbracht, jedoch nicht von der Rechnungsausstellerin HC, sondern von F… . Da F… keine Rechnungen ausgestellt hatte, lag auf der Hand, dass die Leistungen des F… keinen Vorsteueranspruch nach sich zogen.

Jedenfalls kannte die Klägerin im Streitfall die Umstände, die dazu führten, dass der erkennende Senat die Erbringung von Leistungen der HC an die Klägerin verneinte. Sie hatte selbst F… in der im Urteil vom 17.02.2011 7 K 7402/07 festgestellten Weise in ihr Unternehmen eingegliedert. Es kann dahin gestellt bleiben, ob die in den Streitjahren für die Klägerin tätigen Geschäftsführer davon Kenntnis hatten, da eine Kenntnis des unmittelbaren Vorgesetzten des F… für eine Zurechnung gegenüber der Klägerin ausreichend ist (vgl. BFH, Urteil vom 19.05.2010 XI R 78/07, BFH/NV 2010, 2132, Rn 30). Es erscheint nicht vorstellbar, dass die im Verfahren 7 K 7402/07 festgestellten Umstände dem unmittelbaren Vorgesetzten des F… verborgen bleiben konnten. Auch die Klägerin hat derartiges nicht behauptet.

b) Zugunsten der Klägerin ergibt sich nichts aus dem im Vorverfahren angeführten Urteil des EuGH vom 31.01.2013 C-643/11 – LVK, UR 2013, 346 (gleichlautend: EuGH, Urteil vom 31.01.2013 C-642/11 – Stroy trans, UR 2013, 275). Daraus ergibt sich vielmehr, dass bei fehlender Leistungserbringung ein herabgesetzter Vertrauensschutz besteht und dass die Mitgliedstaaten bei fehlender Leistungserbringung zu Recht auch dann den Vorsteuerabzug des Rechnungsempfängers versagen, wenn aufgrund der Haftung nach § 14c UStG noch ein Steueranspruch gegen den Rechnungsaussteller besteht. Allerdings muss diesem die Möglichkeit der Rechnungsberichtigung eingeräumt werden, was im nationalen Recht durch § 14c Abs. 2 Sätze 3 ff. UStG umgesetzt und im Streitfall durch die Berichtigung der E… mit anschließenden Erstattungsbescheiden des Finanzamts K… angewendet wurde.

c) Zu Unrecht wendet die Klägerin ein, der Steueranspruch sei nicht gefährdet gewesen, weil E… die von ihr geschuldete Umsatzsteuer an ihr Finanzamt abgeführt habe. Denn – wie im Verfahren 7 K 7402/07 festgestellt – der Umsatzsteuerschuld der E…, die bei objektiver Betrachtung auf § 14 Abs. 3 UStG a.F. und § 14c Abs. 2 UStG n.F. beruhte, stand kein Vorsteueranspruch der Klägerin gegenüber, so dass bis zur Rückzahlung der Vorsteuer durch die Klägerin der ihr gegenüber bestehende Steueranspruch des Fiskus beeinträchtigt war.

d) Das Urteil des EuGH vom 20.10.2011 C-94/10 – Danfoss (HFR 2011, 1393) sieht das Gericht für den Streitfall nicht als aussagekräftig an, weil es sich mit dem Verbrauchsteuerrecht befasst, das nicht die Besonderheiten des Vorsteuerabzugs kennt. Für den Streitfall unergiebig ist auch das Urteil des EuGH vom 15.12.2011 C-427/10 – Banca Antoniana (UR 2012, 184), weil es in diesem Urteil darum ging, ob die Finanzbehörde die Korrektur von Umsatzsteuerfestsetzungen unter Hinweis auf Ausschlussfristen verweigern darf, wenn der Unternehmer die von seinen Kunden vereinnahmte Umsatzsteuer auf steuerfreie Leistungen an die Kunden aufgrund zivilgerichtlicher Entscheidungen erstatten musste. Auch in diesem Fall hat der Rechnungsempfänger Leistungen vom Rechnungsaussteller erhalten.

4. Wenn der Klägerin in der Hauptsache zu folgen gewesen wäre, könnte zwar ein Zinsanspruch in Betracht kommen (vgl. die Nachweise zur EuGH-Rechtsprechung bei Herbert, MwStR 2014, 266). Allerdings setzt der Zinsanspruch voraus, dass dem Steuerpflichtigen unionsrechtlich fundierte Ansprüche vorenthalten werden, woran es im Streitfall fehlt. Ob der Klägerin aus abgetretenem Recht der E… Zinsansprüche zustehen, ist gegenüber dem Finanzamt K… zu klären.

5. Es besteht kein Anlass, das hiesige Verfahren bis zur Entscheidung des EuGH in den Verfahren C-374/16 – Geissel (auf Vorlagebeschluss des BFH vom 06.04.2016 XI R 20/14, Deutsches Steuerrecht -DStR- 2016, 1532) oder C-375/16 – Butin (auf Vorlagebeschluss des BFH vom 06.04.2016 V R 25/15, DStR 2016, 1527) auszusetzen. Insoweit geht es schwerpunktmäßig um die Frage, welche Bedeutung die Angabe der Anschrift in der zum Vorsteuerabzug legitimierenden Rechnung hat und darum, inwieweit Gutglaubensgesichtspunkte im Rahmen der Steuerfestsetzung zu berücksichtigen sind. Steuerfestsetzungen sind im hiesigen Verfahren nicht angefochten.

6. Von einer EuGH-Vorlage sieht der Senat nach Art. 267 Abs. 2, und Abs. 3 des EU-Arbeitsweisevertrags – AEUV – ab, weil es maßgeblich auch auf Fragen der Auslegung nationalen Rechts (insb. § 163 AO) ankommt.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

V. Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, weil das Gericht die Frage, inwieweit einem Rechnungsempfänger bei Zahlungsunfähigkeit des Rechnungsausstellers aus Billigkeitsgründen der Vorsteuerabzug erhalten bleibt, höchstrichterlich nicht als geklärt ansieht.