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Antrag auf Zulassung der Berufung; besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten (verneint); ernstliche Zweifel (verneint); grundsätzliche Bedeutung (verneint); keine Einzelrichterübertragung; Auseinanderfallen von Erschließungsbeitragspflicht und grundstücksbezogenen Artzuschlag; Erschließungseinheit; Zusammenfassungsentscheidung der Gemeinde; zeitliche Anforderungen; Erschließungsanlage; natürliche Betrachtungsweise; funktionelle Abhängigkeit


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 5. Senat Entscheidungsdatum 21.08.2014
Aktenzeichen OVG 5 N 2.14 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 6 VwGO, § 124 Abs 2 Nr 1 VwGO, § 124 Abs 2 Nr 2 VwGO, § 124 Abs 2 Nr 3 VwGO, § 124a Abs 4 S 4 VwGO, § 124a Abs 5 S 2 VwGO, § 130 Abs 2 S 3 BauGB, § 131 Abs 1 BauGB, § 133 Abs 1 BauGB, § 133 Abs 2 BauGB, § 134 Abs 1 BauGB, § 130 Abs 2 S 2 aF BBauG

Tenor

Der Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 18. März 2011 wird abgelehnt.

Die Kosten des Zulassungsverfahrens trägt der Beklagte.

Der Streitwert wird für die zweite Rechtsstufe auf 15.304,68 EUR festgesetzt.

Gründe

Der in erster Linie auf den Zulassungsgrund der besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO), desweiteren auf die Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Antrag des Beklagten hat keinen Erfolg. Sein fristgerechtes Vorbringen, das den Prüfungsumfang für das Oberverwaltungsgericht bestimmt (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO), rechtfertigt die Zulassung der Berufung nicht.

Der Beklagte zeigt mit seinem Zulassungsvorbringen keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf. Solche liegen vor, wenn eine Rechtssache in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht entscheidungserhebliche Fragestellungen aufwirft, die sich im Zulassungsverfahren nicht verlässlich beantworten lassen und daher die Durchführung eines Berufungsverfahrens erfordern. Das ist hier nicht der Fall.

Die Auffassung des Beklagten, dass die Rechtssache schon deshalb schwierig sei, weil sie nicht gemäß § 6 VwGO auf den Einzelrichter übertragen worden sei, vor der Urteilsfindung zwei Ortstermine stattgefunden hätten, die Schwierigkeit der Rechtsfragen in dem im vorläufigen Rechtsschutzverfahren ergangenen Beschluss ausdrücklich bestätigt und diese dort offen geblieben seien und im Übrigen der Vorsitzende der Kammer in der mündlichen Verhandlung auf die besondere Schwierigkeit des Streitfalls hingewiesen habe, überzeugt nicht.

Die Verwendung der Begrifflichkeit „besonderer Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art“ in § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VwGO und in § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO bedeutet nicht, dass aus der Nichtübertragung des Rechtsstreits durch die Kammer auf den Einzelrichter auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO geschlossen werden kann. Die Frage, ob im erstinstanzlichen Verfahren die Kammer oder der Einzelrichter über den Rechtsstreit entscheiden soll, ist aus einem anderen Blickwinkel und auf der Grundlage eines anders aufbereiteten Streitstoffes zu beantworten als die Frage, ob die erstinstanzliche Entscheidung einer Überprüfung in einem Berufungsverfahren bedarf. Entscheidend für die Beurteilung des Zulassungsgrundes des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO kann daher nur die Sichtweise des Oberverwaltungsgerichts im Zeitpunkt seiner Entscheidung und nicht die das höhere Gericht ohnehin nicht bindende Einschätzung des Schwierigkeitsgrades durch die Vorinstanz sein. Das Rechtsmittelgericht baut auf der Vorarbeit auf, die in dem erstinstanzlichen Gerichtsverfahren geleistet worden ist. Ein ursprünglich schwieriger Fall, den das Verwaltungsgericht nach aufwändiger Aufklärung des Sachverhalts und gründlicher rechtlicher Aufarbeitung entschieden hat, muss aus der maßgeblichen Sicht des Rechtsmittelgerichts keine besonderen Schwierigkeiten mehr aufweisen. Von Letzterem ist vorliegend bei Würdigung des Zulassungsvorbringens des Beklagten auszugehen.

Soweit der Beklagte eine besondere rechtliche Schwierigkeit darin erblickt, dass das Verwaltungsgericht bei dem vom N... aus erschlossenen und gewerblich genutzten Grundstück des Klägers von der höchstrichterlich nicht geklärten Möglichkeit eines Auseinanderfallens von Erschließungsbeitragspflicht und Artzuschlag für die gewerbliche Nutzung ausgegangen sei, kann ihm nicht gefolgt werden. Dass das Verwaltungsgericht eine Erschließungsbeitragspflicht bejaht, die Rechtmäßigkeit des von dem Beklagten erhobenen grundstücksbezogenen Artzuschlages hingegen verneint hat, ist ohne weiteres damit zu erklären, dass die Erschließungsbeitragspflicht gemäß § 133 Abs. 1 BauGB an den durch die bloße Inanspruchnahmemöglichkeit der Erschließungsanlage ausgelösten Erschließungsvorteil nach § 131 Abs. 1 BauGB anknüpft, während bei dem Artzuschlag für die gewerbliche Nutzung nach § 6 Abs. 2 Nr. 1 Buchstaben a) bis e) der einschlägigen Erschließungsbeitragssatzung der Fontanestadt Neuruppin vom 13. Mai 2002 - EBS - auf die tatsächliche gewerbliche Nutzung des Grundstücks im Zeitpunkt der Entstehung der Beitragspflicht abzustellen ist. Ist aber die tatsächliche gewerbliche Nutzung für die Erhebung des Artzuschlages entscheidend, kann nicht unberücksichtigt bleiben, wenn bei einem doppelt erschlossenen Grundstück der durch die gewerbliche Nutzung verursachte Ziel- und Quellverkehr nicht über die abzurechnende Erschließungsanlage, sondern ausschließlich über eine andere Anbaustraße erfolgt. Denn in diesen Fällen ist der Anknüpfungspunkt für den Artzuschlag, der durch die tatsächliche gewerbliche Nutzung vermehrte Vorteil des Grundstückseigentümers, durch die abzurechnende Erschließungsanlage gerade nicht gegeben, sodass die Erhebung eines Artzuschlages nicht gerechtfertigt ist (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 23. Januar 1998 - BVerwG 8 C 12.96 -, juris Rdnr. 16). So liegt der Fall hier, weil sich die Zufahrt zu dem auf dem klägerischen Grundstück betriebenen Gewerbe unstreitig nicht an der abzurechnenden Erschließungsanlage N..., sondern an der L... befindet. Vor diesem Hintergrund weist das von dem Beklagten monierte Auseinanderfallen von Erschließungsbeitragspflicht und Artzuschlag keine besonderen rechtlichen Schwierigkeiten auf und bedarf im Hinblick auf die zitierte Rechtsprechung auch keiner höchstrichterlichen Klärung (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 23. Januar 1998, a.a.O., Leitsatz und Rdnr. 1).

Anders als der Beklagte meint, ergeben sich weder besondere rechtliche Schwierigkeiten der Rechtssache noch ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils daraus, dass das Verwaltungsgericht bei der Beurteilung des Artzuschlages für die gewerbliche Nutzung die bauplanungsrechtliche Situation unbeachtet gelassen hat und als Konsequenz eine zu einem späteren Zeitpunkt von der Erschließungsanlage N... aus in zulässiger Weise tatsächlich angelegte Zufahrt zum Grundstück des Klägers beitragsrechtlich unberücksichtigt bleibt. Es ist unerheblich, dass die in Rede stehenden tatsächlichen Verhältnisse vom Kläger möglicherweise geändert werden könnten. Denn es entspricht den Grundsätzen des allgemeinen Abgabenrechts, auf die im Zeitpunkt der Heranziehung vorliegenden Umstände abzustellen. Veränderungen der maßgebenden Situation, die erst nach Wirksamwerden eines Heranziehungsbescheides eintreten, werden regelmäßig nicht berücksichtigt. Das Abgabenrecht ist darauf angewiesen, die Prüfung der Voraussetzungen der Abgabenpflicht auf einen bestimmten Zeitpunkt zu fixieren. Dieser maßgebende Zeitpunkt wird für das Erschließungsbeitragsrecht durch die §§ 133 Abs. 2, 134 Abs. 1 BauGB bestimmt. Rechtliche Bedenken gegen diese zeitliche Fixierung, die in aller Regel zu sachgerechten Ergebnissen führt, bestehen nicht. Die Möglichkeit einer späteren Änderung der tatsächlichen Verhältnisse ist vielmehr dem grundstücksbezogenen Artzuschlag immanent (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 23. Januar 1998, a.a.O., Rdnr. 20 m.w.N.).

Entgegen der Auffassung des Beklagten stellt sich die Frage, ob die Gemeinde vor der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht eine Entscheidung zur Bildung einer Erschließungseinheit getroffen haben muss, nicht als derart schwierig dar, dass sie einer Beantwortung in einem Berufungsverfahren bedürfte. Das Verwaltungsgericht hat die Ansicht vertreten, dass die Erschließungsanlagen N... und L... nicht als Erschließungseinheit nach § 130 Abs. 2 Satz 3 BauGB i.V.m. § 5 Abs. 1 EBS zu sehen seien, bei deren Vorliegen es für die Erhebung des Artzuschlages nicht maßgeblich wäre, von welcher Erschließungsanlage aus der Kläger sein Gewerbe betreibe. Der nach dem 1. Mai 2008 gefasste Beschluss der Fontanestadt Neuruppin ... über die rückwirkende Bildung einer Erschließungseinheit sei nämlich keine ausreichende rechtliche Grundlage für die gemeinsame Abrechnung des N... mit der L... Die Wahlfreiheit der Gemeinde, von der ihr durch den Gesetzgeber eingeräumten Möglichkeit zur Aufwandsermittlung grundsätzlich nach ihrem Ermessen Gebrauch zu machen, ende mit der endgültigen Herstellung der Erschließungsanlage, d.h. mit dem Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht, hier also mit Ablauf des 30. April 2008. Diese verwaltungsgerichtliche Würdigung ist nicht zu beanstanden. Sie fußt auf dem abgabenrechtlichen, die Vorschrift des § 130 Abs. 2 Satz 3 BauGB ebenso wie deren inhaltsgleiche Vorgängernorm des § 130 Abs. 2 Satz 2 BBauG prägenden Grundsatz, dass die Beitragspflicht für ein Grundstück bezogen auf die erstmalige Herstellung einer bestimmten Erschließungsanlage nur einmal entsteht und, ist sie einmal entstanden, nicht nachträglich zu einem anderen Zeitpunkt und in anderer Höhe noch einmal entstehen kann. Sind - wie hier - für eine bestimmte beitragsfähige einzelne Erschließungsanlage die Voraussetzungen erfüllt, von denen das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht abhängt, entsteht die Beitragspflicht für ihre erstmalige endgültige Herstellung gemäß § 133 Abs. 2 BauGB kraft Gesetzes unabhängig von einem darauf gerichteten Willen der Gemeinde. Die Möglichkeit einer (nachträglichen) Bildung einer Erschließungseinheit ist danach ausgeschlossen, der entstandene beitragsfähige Aufwand darf dann ausschließlich für die einzelne Erschließungsanlage ermittelt und auf die von ihr erschlossenen Grundstücke verteilt werden (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 9. Dezember 1983 - BVerwG 8 C 112.82 -, juris Rdnr. 26).

Will die Gemeinde das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht für eine einzelne Erschließungsanlage verhindern und sich die Möglichkeit der Bildung einer Erschließungseinheit offen halten, kann sie das dadurch erreichen, dass sie die eine Einheit bildenden Erschließungsanlagen rechtzeitig, also bevor eine sachliche Beitragspflicht für eine Einzelanlage entstanden ist, zur gemeinsamen Abrechnung zusammenfasst. Eine solche Entscheidung sperrt das Entstehen einer Beitragspflicht für jede der betroffenen Einzelanlagen (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 26. September 1983 - BVerwG 8 C 47.82 u.a. -, juris Rn. 22). Der Vorhalt des Beklagten, dass es dabei zu einem Ermessensfehlgebrauch kommen könne, weil vor Entstehung der sachlichen Beitragspflicht der für die Zusammenfassung maßgebliche Sachverhalt noch gar nicht feststehe, verkennt, dass die Gemeinde eine Prognoseentscheidung trifft, für deren Rechtmäßigkeit allein die im Entscheidungszeitpunkt vorliegenden Daten maßgeblich sind (vgl. Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Auflage 2012, § 14 Rdnr. 38).

Der Hinweis des Beklagten, dass das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 3. Februar 1989 - BVerwG 8 C 66.87 -, juris Leitsatz 1, von dem oben zitierten Urteil vom 9. Dezember 1983, a.a.O., ausdrücklich abgewichen sei, geht ins Leere. Die in Rede stehende Abweichung bezog sich auf die Bedeutung öffentlich-rechtlicher Baubeschränkungen bei der Verteilung des Erschließungsaufwandes und ließ die Anforderungen an eine rechtmäßige gemeindliche Entscheidung zur Bildung einer Erschließungseinheit unberührt. Von diesen Anforderungen abzuweichen bestand auch deshalb kein Anlass, weil in dem der Entscheidung vom 3. Februar 1989 zu Grunde liegenden Fall die Zusammenfassungsentscheidung der Gemeinde rechtzeitig getroffen worden war (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 3. Februar 1989, a.a.O., juris Rdnrn. 4 und 12).

Steht nach alldem die Auffassung des Verwaltungsgerichts, wonach die Bildung einer Erschließungseinheit an einer wirksamen Zusammenfassungsentscheidung der Fontanestadt Neuruppin scheitere, im Einklang mit abgabenrechtlichen Grundsätzen und der höchstrichterlichen Rechtsprechung, liegt es auf der Hand, dass der Beklagte insoweit eine Zulassung der Berufung auch nicht auf die Zulassungsgründe der ernstlichen Richtigkeitszweifel und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zu stützen vermag.

Schließlich rechtfertigen weder die vom Verwaltungsgericht vorgenommene erschließungsbeitragsrechtliche Einordnung der L... noch die in dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Juni 2009 - BVerwG 9 C 2.08 -, juris, enthaltenen erschließungsbeitragsrechtlichen Maßstäbe eine Zulassung der Berufung wegen besonderer Schwierigkeiten der Rechtssache oder ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils. Das Verwaltungsgericht hat mit Blick auf die zitierte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Juni 2009 ausgeführt, dass sich die Bildung einer Erschließungseinheit auch nicht zu einer Rechtspflicht im Sinne einer unausweichlichen „Ermessensreduzierung auf Null“ verdichtet habe. Unabhängig davon, dass es vor dem Entstehen der sachlichen Beitragspflicht keine entsprechende Willensbetätigung der Fontanestadt Neuruppin gegeben habe, lägen die Voraussetzungen zur Bildung einer Erschließungseinheit nicht vor. Die Zusammenfassung von zwei oder mehr selbständigen Erschließungsanlagen zu einer Erschließungseinheit setze tatbestandlich voraus, dass zwischen ihnen eine funktionale Abhängigkeit dergestalt bestehe, dass die Anlieger der einen Anlage auf die Benutzung der anderen Anlage angewiesen seien, um das übrige Straßennetz der Gemeinde zu erreichen. An dieser funktionellen Abhängigkeit mangele es hier, weil die eine U-Form aufweisende L..., die am N... beginne und ohne weitere Anbindung an das Straßennetz wieder in ihn einmünde, bei natürlicher Betrachtungsweise in zwei selbständige Erschließungsanlagen (ehemalige P... als östlicher Schenkel sowie restlicher Teil der L...) zerfalle, die nicht aufeinander angewiesen seien, um das übrigen Straßennetz zu erreichen. Beide Anlagen besäßen jeweils zwei Anschlüsse an das übrige Straßennetz der Gemeinde. Einerseits grenzten sie aneinander und andererseits jeweils an den N.... Da sie keine unselbständigen Stichstraßen (Anhängsel) des N... seien, komme es auch nicht entscheidungserheblich darauf an, dass die frühere P... weniger als 100 Meter Länge aufweise.

Ungeachtet dessen, dass das Verwaltungsgericht die Bildung einer Erschließungseinheit mit der selbständig tragenden Begründung verneint hat, dass es an einer wirksamen Zusammenfassungsentscheidung der Fontanestadt Neuruppin ... fehle, zeigt der Beklagte mit seiner Einschätzung, dass es sich bei der L... um eine einheitliche Erschließungsanlage handele, weil die Unterschiede der „3 Äste des ‚U‘“ gering seien, keine komplizierte Rechtsfrage auf. Vielmehr stellt er lediglich seine eigene Betrachtungsweise gegen die des Verwaltungsgerichts, ohne - im Gegensatz zu diesem - alle insoweit relevanten Umstände zu würdigen.

Für die Beurteilung der Ausdehnung einer Erschließungsanlage, d.h. der Frage, wo eine selbständige Erschließungsanlage beginnt und endet, kommt es weder auf die Parzellierung noch auf eine einheitliche oder unterschiedliche Straßenbezeichnung an; maßgebend ist vielmehr das Erscheinungsbild, also die tatsächlichen Verhältnisse, wie sie z.B. durch die Straßenführung, Straßenbreite, Straßenlänge und Straßenausstattung geprägt werden und sich im Zeitpunkt des Entstehens sachlicher Beitragspflichten einem unbefangenen Beobachter bei natürlicher Betrachtungsweise darstellen (ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, vgl. nur Urteil vom 21. September 1979 - BVerwG 4 C 55.76 -, juris Rdnr. 13). Das Verwaltungsgericht ist zu der Erkenntnis gelangt, dass sich die ehemalige P... bei natürlicher Betrachtungsweise schon auf Grund ihrer größeren Breite von 5,60 Meter sowie ihrer Ausstattung mit beidseitigen Hochborden und Straßeneinläufen so sehr von dem übrigen Verlauf der L... unterscheide, dass sie eine eigene Anlage bilde. Der Rest der L... mit einer Breite bis zu 4,80 Meter sei - obwohl er im rechten Winkel abknicke - als eine weitere Anlage zu betrachten. Denn er sei im Wesentlichen gleichförmig angelegt; jeweils eine einheitliche Straßenfläche mit identischem Verbundpflaster am Straßenrand und einer sich anschließenden Regenentwässerung. Beide Straßenabschnitte verfügten weder über Hochborde noch Straßeneinläufe und seien - im Gegensatz zur ehemaligen P...- in derselben Bauklasse ausgebaut. Diese Gesamtbetrachtung vermag der Beklagte mit seinem Zulassungsvorbringen schon deshalb nicht zu erschüttern, weil er mit keinem Wort auf die vom Verwaltungsgericht für maßgeblich erachteten Unterschiede in der Straßenausstattung mit Hochborden und Straßeneinläufen eingeht, sondern sich insoweit darauf beschränkt, auf die einheitliche Asphaltdecke und die zwei rechten Winkel der L... hinzuweisen.

Der Vorhalt des Beklagten, das Verwaltungsgericht benenne nicht die erschließungsbeitragsrechtliche Konsequenz, soweit es die deutlich unter 100 Meter, nämlich nur etwa 60 Meter lange ehemalige P... einerseits ...als selbständigen Schenkel sehe, diese andererseits aber auch nicht für eine unselbständige Stichstraße des N... halte, verfängt nicht. Das Verwaltungsgericht hat die vom Beklagten vermisste erschließungsbeitragsrechtliche Konsequenz dadurch gezogen, dass es die ehemalige P... ausdrücklich als eigenständige Erschließungsanlage gewertet hat. Dieser Wertung steht auch nicht die geringe Länge der ehemaligen P... entgegen. Die Qualifizierung einer Verkehrsanlage als beitragsfähige Erschließungsanlage setzt nicht voraus, dass diese eine bestimmte Mindestgröße erreicht (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 18. Mai 1990 - BVerwG 8 C 80.88 -, juris Rdnr. 17).

Schließlich hat das Verwaltungsgericht nicht die Maßstäbe der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Juni 2009, a.a.O, juris, verkannt, indem es eine funktionale Abhängigkeit der Erschließungsanlagen verneint hat. Das Bundesverwaltungsgericht hat klargestellt, dass die Zusammenfassung von zwei (oder mehr) selbständigen Erschließungsanlagen zu einer Erschließungseinheit tatbestandlich voraussetze, dass zwischen ihnen eine funktionale Abhängigkeit bestehe und eine solche nur angenommen werden könne, wenn ausschließlich eine Anlage einer anderen Anlage die Anbindung an das übrige Straßennetz vermittle, was typischerweise bei einer Hauptstraße mit einer davon abzweigenden selbständigen Stichstraße sowie bei einer „Ringstraße“, die von der Hauptstraße abzweige und - ohne Anschluss an das übrige Straßennetz - in sie wieder einmünde, gegeben sei (vgl. Urteil vom 10. Juni 2009, a.a.O., juris Leitsatz 1 sowie Rdnrn. 24 und 25). Hieran gemessen ist die Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht zu beanstanden. Der Umstand, dass die ... einen vergleichbaren Verlauf wie die in dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts beschriebene „Ringstraße“ aufweist, rechtfertigt keine erschließungsrechtliche Gleichbehandlung. Bedeutsam ist vielmehr, dass in dem vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall die „Ringstraße“ eine einheitliche Erschließungsanlage darstellte (vgl. Urteil vom 10. Juni 2009, a.a.O., juris Rdnr. 15), bei der eine funktionelle Abhängigkeit von der Hauptstraße gegeben war. Im vorliegenden Fall zerfällt die L... indes nach den von dem Beklagten nicht erfolgreich in Zweifel gezogenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts in zwei Erschließungsanlagen, die zwar jeweils funktionell von der Erschließungsanlage N... abhängig sind, aber untereinander in keinem funktionellen Abhängigkeitsverhältnis stehen, sodass es nicht gerechtfertigt ist, die drei Erschließungsanlagen zur gemeinsamen Aufwandsermittlung und -verteilung zusammenzufassen (siehe zum vergleichbaren Fall zweier selbständiger, jeweils von der gleichen Hauptstraße abzweigenden Sackgassen Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 25. Februar 1994 - BVerwG 8 C 14.92 -, juris Leitsatz 1 und Rdnr. 21).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).