Gericht | LSG Berlin-Brandenburg 32. Senat | Entscheidungsdatum | 14.03.2013 | |
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Aktenzeichen | L 32 AS 105/13 B | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 88 SGG, § 172 SGG, § 571 ZPO, § 193 SGG |
I.
Die Klägerin begehrt im Wege der Untätigkeitsklage von dem Beklagten die Bescheidung eines Widerspruchs.
Der Beklagte gewährte der Klägerin mit Bescheid vom 27. Dezember 2011 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Dagegen legte die Klägerin ihren Widerspruch vom 03. Januar 2012 ein.
Mit der am 04. April 2012 beim Sozialgericht Cottbus erhobenen Untätigkeitsklage hat die Klägerin begehrt, den Beklagten zu verurteilen, auf den Widerspruch der Klägerin vom 03. Januar 2012 gegen den Bewilligungsbescheid vom 27. Dezember 2011 eine Entscheidung zu erlassen.
Mit Beschluss vom 05. November 2012 hat das Sozialgericht entschieden: Der Rechtsstreit wird ausgesetzt. Dem Beklagten wird aufgegeben, innerhalb einer Frist von drei Wochen nach Zugang dieses Beschlusses über den Widerspruch der Klägerin zu entscheiden: Zwar sei der Beklagte untätig. Dafür liege aber ein wichtiger Grund vor, da der Bevollmächtigte den Beklagten mit einer Vielzahl (gerichtsbekannt mehrere 1000) von Verfahren überziehe und den Beklagten damit zwinge, Verfahren anderer, nicht von ihm vertretener Leistungsempfänger zurückzustellen. Der anderweitigen Auffassung der 32. Kammer des Sozialgerichts Cottbus sei nicht zu folgen.
Gegen den ihrem Prozessbevollmächtigten am 04. Dezember 2012 zugestellten Beschluss richtet sich, nachdem zwischenzeitlich der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13. Dezember 2012 über den Widerspruch vom 03. Januar 2012 entschieden hatte, die am 17. Dezember 2012 eingelegte Beschwerde der Klägerin.
Sie hält die Beschwerde für zulässig und begründet. Ungeachtet der bislang nicht geklärten Frage, welche Anzahl von Anträgen/Widersprüchen eines Leistungsempfängers der Behörde einen sachlichen Grund gebe, außerhalb der Fristen des § 88 Sozialgerichtsgesetz (SGG) den begehrten Bescheid zu erlassen, begegne die Auffassung erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken. Soweit der Gesetzgeber in § 88 SGG Fristen zur Bescheidung statuiert habe, sei er offensichtlich davon ausgegangen, dass die Behörde bei rechts- und ordnungsgemäßem Verwaltungshandeln innerhalb dieser Frist über die Anträge und Widersprüche entscheiden könne. Wenn jedoch - nicht nur als Belastungsspitze, sondern über einen mehrjährigen Zeitraum - zahlenmäßig hohe Antragstellung bzw. Widerspruchseinlegung auch auf strukturelle Mängel in der Organisation und Rechtmäßigkeit der Verwaltungstätigkeit zurückzuführen sei, habe die Behörde ihrerseits eine wesentliche Ursache dafür gesetzt, dass eine fristgerechte Antrags-/Widerspruchsbearbeitung nicht möglich sei.
Der Beklagte hält die Beschwerde für unzulässig und bezieht sich im Übrigen auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des sonstigen Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte, die bei der Entscheidung vorgelegen hat, verwiesen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, sie ist insbesondere statthaft.
Nach § 172 Abs. 1 SGG findet gegen die Entscheidungen der Sozialgerichte mit Ausnahme der Urteile und gegen Entscheidungen der Vorsitzenden dieser Gerichte die Beschwerde an das Landessozialgericht statt, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist.
Nach § 172 Abs. 2 SGG können prozessleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Vertagungsbeschlüsse, Fristbestimmungen, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen nicht mit der Beschwerde angefochten werden.
Dazu rechnet die Entscheidung über die Aussetzung des Verfahrens nicht.
Die Beschwerde ist ebenfalls nicht in entsprechender Anwendung des § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG, wie das Sozialgericht nach seiner Rechtsmittelbelehrung meint, ausgeschlossen.
Danach ist die Beschwerde in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ausgeschlossen, wenn in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig wäre; dies gilt auch für Entscheidungen über einen Prozesskostenhilfeantrag im Rahmen dieser Verfahren.
Bei dieser Vorschrift handelt es sich um eine abschließende Regelung, die über den ausdrücklich geregelten Sachverhalt einer entsprechenden Anwendung nicht zugänglich ist. Dies folgt insbesondere aus der Gesetzeshistorie (vgl. dazu im Einzelnen den Beschluss des erkennenden Senats vom 12. Februar 2013 – L 32 AS 5/13 B PKH, veröffentlicht in juris).
Die Beschwerde ist auch begründet.
Dies folgt allein daraus, dass das Beschwerdegericht die bis zu seiner Entscheidung eingetretenen neuen Tatsachen nach § 202 SGG i.V.m. § 571 Abs. 2 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) zu berücksichtigen (vgl. auch Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, Kommentar, 10. Auflage, § 176 Rdnr. 4) und der Beklagte zwischenzeitlich den begehrten Widerspruchsbescheid vom 13. Dezember 2012 erlassen hat und somit ein Grund für die Aussetzung des Rechtsstreites nicht mehr vorliegt.
Eine Kostenentscheidung ist nicht zu treffen. Bei Entscheidungen über Beschwerden gegen Zwischenentscheidungen in einem noch anhängigen Rechtsstreit bleibt die Entscheidung über die Kosten dieses Zwischenverfahrens der abschließenden Entscheidung des Sozialgerichts über die Kosten insgesamt (Grundsatz der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung) ungeachtet dessen vorbehalten, dass nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz zusätzliche Gebühren für ein Zwischenverfahren anfallen können (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 14. September 2012 – L 20 AS 2231/12 B, zitiert nach juris m. w. N.; Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 03. Februar 2009 – L 17 B 1036/08 U; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a. a. O., § 193 Rdnr. 2 b zum Zwischenurteil; vgl. im Übrigen Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a. a. O., § 176 Rdnr. 5a).
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).