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Entscheidung 10 Sa 1199/15


Metadaten

Gericht LArbG Berlin-Brandenburg 10. Kammer Entscheidungsdatum 03.12.2015
Aktenzeichen 10 Sa 1199/15 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 628 Abs 2 BGB

Leitsatz

Im Zusammenhang mit einem unbezifferten Schadenersatzbegehren kann auch der obsiegende Kläger gegen ein Versäumnisurteil Berufung einlegen.

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Versäumnisteilurteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 3. Juni 2015 - 63 Ca 6556/15 teilweise abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere

31.410,88 EUR brutto (einunddreißigtausendvierhundertzehn, 88/100)

zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Juli 2015 zu zahlen.

II. Die Kosten der Berufung trägt die Beklagte.

III. Der Wert des Berufungsverfahrens wird auf 31.410,88 EUR festgesetzt.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten im Rahmen des § 628 Abs. 2 BGB über die Höhe des dem Kläger zustehenden Schadenersatzes wegen Auflösungsverschuldens der Beklagten.

Der Kläger ist 41 Jahre alt (…. 1974), verheiratet und vier Kindern zum Unterhalt verpflichtet. Er war bei der Beklagten vom 1. Mai 2000 bis 30. April 2015 als Informatiker in Vollzeit beschäftigt. Zuvor war er bei der Beklagten bereits seit dem 1. Oktober 1999 als studentischer Mitarbeiter tätig.

Mit Wirkung ab 1. Dezember 2011 schloss der Kläger mit der O. M. GmbH, einer Tochtergesellschaft der Beklagten, unter dem 1. Dezember 2011 ein weiteres Arbeitsverhältnis mit einer Wochenarbeitszeit von 24 Stunden. Zugleich schlossen die Parteien ebenfalls unter dem 1. Dezember 2011 einen Änderungsvertrag zum Arbeitsvertrag vom 1. Mai 2000 mit einer Reduzierung der Arbeitszeit von 40 auf 16 Stunden.

In dem Änderungsvertrag ist unter anderem auch folgende Regelung enthalten:

Diese Änderung zum Arbeitsvertrag verliert ihre Wirksamkeit spätestens mit der Aufhebung oder Kündigung des Anstellungsvertrages mit der O. M. GmbH.
Solange das Beschäftigungsverhältnis mit der O. M. GmbH besteht, ist der jetzige Arbeitsvertrag unauflösbar. Sollte er dennoch – gleich aus welchen Gründen – aufgelöst werden, verpflichtet sich der Arbeitgeber für angemessenen Ersatz der Ansprüche bzw. für die entsprechende Anpassung des Arbeitsvertrages bei der O. M. GmbH derart, dass dem Arbeitnehmer hieraus keine Nachteile entstehen.

Das Arbeitsverhältnis mit der O. M. GmbH sah eine Vergütung von 3.118,87 € vor, das mit der Beklagten ab 1. Dezember 2011 noch 1.896,59 €. Die Vergütung aus beiden Arbeitsverhältnissen betrug somit zunächst 5.015,46 € brutto. Nach entsprechenden Vergütungserhöhungen betrug das Gehalt des Klägers im Februar 2015 bei der Beklagten 2.067,76 € brutto, bei der O. M. GmbH 3.334,76 €, mithin 5.402,52 €. Zuzüglich des AG-Anteils an der betrieblichen Altersversorgung in Höhe von 242,-- € und des AG-Anteils an der freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung von 349,60 € für den Kläger betrug die monatliche Vergütung des Klägers insgesamt 5.994,12 € brutto.

Ab November 2014 kam es zu einem erheblichen Zahlungsverzug sowohl bei der Beklagten wie auch bei deren Tochtergesellschaft. Unter dem 27. Dezember 2014 mahnte der Kläger die Beklagte wegen der ausstehenden Novembervergütung und am 12. Januar 2015 wegen der ausstehenden Vergütungen für November und Dezember 2014. Nachdem das Gehalt für Januar 2015 bis zum 9. Februar 2015 nicht eigegangen war, kündigte der Kläger unter dem 9. Februar 2015 das Arbeitsverhältnis außerordentlich zum 30. April 2015. Unter dem 6. Februar 2015 kündigte der Kläger das Arbeitsverhältnis mit der O. M. GmbH ordentlich und fristgerecht zum 30. April 2015. Beide Kündigungen gingen den Arbeitgeberinnen jeweils am 11. Februar 2015 zu.

Mit Klage vom 6. Mai 2015 begehrte der Kläger von der Beklagten insbesondere die rückständige Vergütung sowie Schadenersatz gemäß § 628 Abs. 2 BGB wegen der entgangenen Vergütung für Mai und Juni 2015 sowie für den Verlust des Arbeitsplatzes. Während der Kläger für die Monate Mai und Juni 2015 eine Vergütung in Höhe von jeweils 5.994,12 € brutto in Ansatz brachte, stellte er hinsichtlich des weiteren Schadenersatzes für den Verlust des Arbeitsplatzes dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts. Es solle allerdings der höchstmögliche Betrag angesetzt werden und von einem Bruttogehalt von monatlich 5.994,12 € ausgegangen werden.

Im Gütetermin erschien für die Beklagte niemand, so dass hinsichtlich der meisten Anträge des Klägers ein Versäumnisteilurteil gegen die Beklagte erging. Hinsichtlich der Monate Mai und Juni 2015 verurteilte das Arbeitsgericht die Beklagte zur Zahlung von jeweils 5.994,12 € brutto. Hinsichtlich des weiteren Schadenersatzes für den Verlust des Arbeitsplatzes setzte das Arbeitsgericht einen Betrag von insgesamt 16.542,08 € brutto an. Im Rahmen eines Beschlusses über einen – abgelehnten – Urteilsberichtigungsantrag des Klägers führte das Arbeitsgericht aus, dass es von 15 Jahren und 7 Monaten entsprechend aufgerundeten 16 Jahren Betriebszugehörigkeit und 0,5 Bruttomonatsgehältern ausgegangen sei. Nach § 10 Abs. 3 KSchG sei bei der Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch das Gericht das Gehalt zugrunde zu legen, das dem Arbeitnehmer im Beendigungsmonat zustehe. Das sei hier der Monat April 2015 mit 2.067,76 € gewesen. Die erhöhte Vergütung, die der Kläger ab Mai 2015 von der Beklagten habe beanspruchen können, sei im Monat April 2015 noch nicht maßgeblich gewesen.

Das Versäumnisteilurteil vom 3. Juni 2015 wurde der Beklagten am 10. Juni 2015 zugestellt. Ein Einspruch dagegen erfolgte nicht. Dem Kläger wurde das Versäumnisteilurteil am 16. Juni 2015 zugestellt. Am 15. Juli 2015 legte der Kläger Berufung gegen das Versäumnisteilurteil ein und begründete diese nach Verlängerung der Begründungsfrist am 21. August 2015.

Der Kläger verwies in der der Beklagten am 2. September 2015 zugestellten Berufungsbegründung darauf hin, dass er trotz des obsiegenden Versäumnisteilurteils beschwert sei, da das Arbeitsgericht entgegen der Ansicht des Klägers nicht von einem Monatsgehalt von 5.994,12 € ausgegangen sei, sondern nur von Einkommen in Höhe von 2.067,76 €. Eine Beschwer könne auch ohne einen zuvor bezifferten Antrag gegeben sein. Rein formal könne vielleicht davon ausgegangen werden, dass die geringere Vergütung als Bemessungsgrundlage anzusetzen sei. Tatsächlich missachte diese formale Position aber die Änderungsvereinbarung der Parteien vom 1. Dezember 2011.

Der Kläger beantragt,

unter teilweiser Abänderung des Teilversäumnisurteils des Arbeitsgerichts Berlin vom 3. Juni 2015 - 63 Ca 6556/15 die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger eine angemessene Abfindung zu zahlen, die mindestens 47.952,96 € betragen sollte.

Die Beklagte beantragt

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Die Beklagte erwidert, dass angesichts des unbezifferten Antrags des Klägers in der ersten Instanz bereits keine Beschwer für den Kläger gegeben sei. Auch sei § 10 Abs. 3 KSchG eindeutig und lassen keinen Interpretationsspielraum zu. In einem am 1. Dezember 2015 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz teilte die Beklagte mit, dass das Kündigungsschutzgesetz auf das Arbeitsverhältnis der Parteien gar keine Anwendung finde, da nur drei Arbeitnehmer beschäftigt würden.

In der Berufungsverhandlung am 12. November 2015 hatte das Gericht erstmals auf die Rechtsfigur des einheitlichen Arbeitsverhältnisses bei mehreren juristischen Personen hingewiesen und einen Verkündungstermin für den 3. Dezember 2015 anberaumt.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf den vorgetragenen Inhalt der Berufungsbegründung des Klägers vom 19. August 2015, dessen Schriftsatz vom 11. November 2015 sowie nochmals vom 11. November 2015, aber eingegangen am 1. Dezember 2015, sowie den vorgetragenen Inhalt der Berufungserwiderung der Beklagten vom 14. Oktober 2015 sowie der Schriftsätze vom 26. November 2015 und 1. Dezember 2015 und das Sitzungsprotokoll vom 12. November 2015 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthaften Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht im Sinne der §§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 Zivilprozessordnung (ZPO) eingelegt und begründet worden.

Zwar hat der Kläger mit seinem dem unbezifferten Klageantrag stattgebenden Teilversäumnisurteil in erster Instanz hinsichtlich der Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes scheinbar obsiegt, so dass die für die Berufung erforderliche Beschwer fraglich sein könnte. Eine Beschwer liegt aber auch bei einem unbezifferten Antrag vor, wenn der obsiegende Kläger Ermessensfehler bei der Bestimmung der Entschädigungshöhe geltend macht (BAG, Urteil vom 10. Dezember 1996 – 1 AZR 290/96 und LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 9. Dezember 2011 – 9 Sa 557/11). Das gleiche gilt, wenn die vom Gericht festgesetzte Höhe von den angegebenen Vorstellungen des Klägers erheblich abweicht (vgl. BGH, Urteile vom 31. Januar 1969 – VI ZR 197/67 und vom 24. September 1991 – VI ZR 60/91; LAG Köln, Urteil vom 21. März 2005 – 2 Sa 1499/04).

II.

Die Berufung des Klägers ist auch begründet.

1.

Unstreitig hat der Kläger wegen des bestehenden Vergütungsrückstandes sein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten gekündigt. Diesen Rückstand hatte die Beklagte verschuldet. Insoweit wurde das Versäumnisteilurteil vom 3. Juni 2015 gegen die Beklagte rechtskräftig. Damit hat der Kläger grundsätzlich einen Schadenersatzanspruch nach § 628 Abs. 2 BGB.

Die Gehaltshöhen in den Arbeitsverhältnissen mit der Beklagten und mit der O. M. GmbH sind ebenso unstreitig wie die Einhaltung der Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB bei Ausspruch der Kündigung durch den Kläger.

2.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann ein Schadensersatzanspruch nach § 628 Abs. 2 BGB auch eine den Verlust des Bestandsschutzes des Arbeitsverhältnisses ausgleichende angemessene Entschädigung entsprechend den §§ 9, 10 KSchG umfassen (vgl. BAG, Urteil vom 16. Juli 2013 – 9 AZR 784/11 und grundlegend BAG, Urteil vom 26. Juli 2001 - 8 AZR 739/00).

2.1

Maßgebend dafür ist, dass der Schadensersatzanspruch aus § 628 Abs. 2 BGB hinsichtlich des Vergütungsausfalls auf den Zeitraum der fiktiven ordentlichen Kündigungsfrist beschränkt ist (vgl. BAG 26. Juli 2001 - 8 AZR 739/00 - zu B III 2 d der Gründe, BAGE 98, 275). Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer Kündigungsschutz genießt und das Arbeitsverhältnis ohne das vertragswidrige Verhalten des Arbeitgebers nicht aufgelöst worden wäre. Der kündigende Arbeitnehmer verzichtet in diesen Fällen auf den durch die Kündigungsschutzbestimmungen vermittelten Bestandsschutz. Seine Lage ist mit derjenigen des unberechtigt gekündigten Arbeitnehmers vergleichbar, der einen Auflösungsantrag nach § 9 oder § 13 KSchG gestellt hat, weil ihm die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar ist.

Der Arbeitgeber darf aber nicht dadurch bessergestellt werden, dass er anstatt eine unberechtigte außerordentliche Kündigung auszusprechen und damit gegebenenfalls abfindungspflichtig nach § 13 Abs. 1 Satz 3, §§ 9, 10 KSchG zu werden, durch vertragswidriges Verhalten den Arbeitnehmer zur außerordentlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses veranlasst (vgl. BAG, Urteil vom 26. Juli 2001 - 8 AZR 739/00).

Den Arbeitnehmer trifft damit neben der für die Dauer der Kündigungsfrist entfallenen Vergütung ein weiterer wirtschaftlicher Verlust, für den er einen angemessenen Ausgleich verlangen kann. Für die Bemessung dieses Ausgleichs bietet es sich an, auf die Abfindungsregelungen der §§ 9, 10, 13 KSchG abzustellen. Das Gesetz bestimmt in diesen Vorschriften den Wert des Bestandsschutzes, wenn das Festhalten am Arbeitsplatz für den Arbeitnehmer unzumutbar ist. Diese gesetzliche Wertung rechtfertigt es, den Verlust des Bestandsschutzes als normative Schadensposition anzuerkennen.

2.2

Voraussetzung für den Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers ist jedoch, dass im Falle einer unberechtigten Arbeitgeberkündigung die §§ 9, 10 bzw. § 13 KSchG Anwendung fänden (BAG, Urteil vom 21. Mai 2008 - 8 AZR 623/07). Nachdem die Berufungserwiderungsfrist am 2. Oktober 2015 abgelaufen war, hat die Beklagte erstmals mit Schriftsatz vom 1. Dezember 2015 bestritten, dass das Kündigungsschutzgesetz auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung finde.

Dieser Vortrag war aufgrund der Vorschrift des § 67 Abs. 4 ArbGG allerdings nicht mehr zu berücksichtigen. Denn nach dieser Vorschrift sind neue Verteidigungsmittel des Berufungsbeklagten, soweit deren Vorbringen zulässig ist, in der Berufungserwiderung (hier: bis 2. Oktober 2015) vorzubringen. § 67 Abs. 4 Satz 2 ArbGG regelt, dass Verteidigungsmittel später nur noch zuzulassen sind, wenn sie

nach der Berufungsbegründung entstanden sind oder
das verspätete Vorbringen nach der freien Überzeugung des Landesarbeitsgerichts die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögern würde oder nicht auf Verschulden der Partei beruhen.Wie die Beklagte im Schriftsatz vom 1. Dezember 2015 ausgeführt hat, waren nach ihrer Ansicht im Zeitpunkt der Kündigung des Klägers inklusive des Geschäftsführers der Beklagten nur noch drei Arbeitnehmer beschäftigt. Insofern kann dieser Vortrag nicht erst nach der Berufungsbegründung entstanden sein, wäre dann aber auch wieder unerheblich, weil es, wie die Beklagte zutreffend ausführt, auf die Lage des Betriebes zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs ankommt. Anhaltspunkte, dass das verspätete Vorbringen nicht auf Verschulden der Beklagten beruhe, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Insofern kommt es allein darauf an, ob das verspätete Vorbringen nach der freien Überzeugung des Landesarbeitsgerichts die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde. Diese Verzögerung ist hier allerdings offensichtlich. Weder in der Berufungserwiderung vom 14. Oktober 2015, zu deren Erstellung die Frist vom Gericht noch verlängert wurde, noch am 12. November 2015 in der Berufungsverhandlung hat die Beklagte auch nur angedeutet, dass eine Nichtanwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes denkbar wäre. Gleiches gilt für die Ausführungen im Schriftsatz der Beklagten vom 26. November 2015. Erst ca. 40 Stunden vor der Urteilsverkündung wurde diese Behauptung, zumal ohne Beweisantritt, vorgebracht.In jedem Fall hätte der Verkündungstermin verschoben und erneut eine Stellungnahme des Klägers eingeholt werden und im Bestreitensfall eine Beweisaufnahme durchgeführt werden müssen. Dieses hätte die Erledigung des Rechtsstreits offensichtlich verzögert.

Aus Sicht der Beklagten mag diese Entscheidung ungerecht erscheinen, aber hier hatte sie vielfach Zeit, auf den Umstand nur noch einen Kleinbetrieb zu betreiben, hinzuweisen, sowohl in erster wie auch in zweiter Instanz. Insofern ist der Vortrag auch nach § 67 Abs. 3 ArbGG zurückzuweisen, weil keinerlei Anhaltspunkt ersichtlich ist, dass die Beklagte nicht aus grober Nachlässigkeit erst jetzt diesen Vortrag erbracht hat.

3.

Da danach für die Entscheidung in diesem Rechtsstreit davon auszugehen ist, dass das Kündigungsschutzgesetz auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung findet, konnte die dem Kläger erstinstanzlich zugesprochene Abfindung noch einmal hinsichtlich ihrer Höhe verändert werden.

3.1

Wie unter 2.1 bereits ausgeführt, steht dem Arbeitnehmer, welcher aus wichtigem Grund sein Arbeitsverhältnis fristlos beendet hat, ein Anspruch wegen der entstehenden Vergütungseinbuße zwar nur für die Dauer der Kündigungsfrist zu, zum Ausgleich für den Verlust des sozialen Besitzstandes kann der Arbeitnehmer jedoch eine Abfindung in Anlehnung an die Vorschriften der §§ 9 und 10 KSchG verlangen (BAG, Urteil vom 20. November 2003 – 8 AZR 608/02).

Bei der Berechnung der Abfindungshöhe ist insbesondere auf das sogenannte Auflösungsverschulden abzustellen. Irgendwelche Anhaltspunkte, welche zu Lasten des Klägers gehen könnten, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

Zwar hat der Kläger alsbald nach Ausspruch seiner Eigenkündigung ein neues Arbeitsverhältnis begründet. Er verdient aber weniger und hat als Alleinverdiener Unterhaltspflichten gegenüber seiner Ehefrau und seinen vier minderjährigen Kinder. Auch im Fall einer nahtlosen Anschlussbeschäftigung erleidet der Arbeitnehmer eine nachhaltige Beeinträchtigung des zuvor bestehenden „sozialen Besitzstandes", in dem er in den ersten sechs Monaten des neuen Arbeitsverhältnisses keinen Kündigungsschutz genießt und im Falle eines erneuten Arbeitsplatzverlustes durch betriebsbedingte Kündigung in der Sozialauswahl hinter länger beschäftigten Kräften zurückstehen muss. Dementsprechend kann allein das Vorliegen einer Anschlussbeschäftigung für sich genommen weder einen Wegfall noch eine Beschränkung der Abfindung auf einen symbolischen Betrag begründen (LAG Hamm, Urteil vom 25. März 2010 – 8 Sa 1663/09).

Unter Berücksichtigung des einseitigen Auflösungsverschuldens der Beklagten und der langjährigen Betriebszugehörigkeit des Klägers käme im Grundsatz die Ausschöpfung des gesetzlich vorgesehenen Rahmens mit 12 Bruttomonatsverdiensten in Betracht. Angesichts der Anschlussbeschäftigung ist jedenfalls eine Unterschreitung der sogenannten Regelabfindung in Höhe von einem halben Bruttomonatsverdienst je Beschäftigungsjahr (vgl. auch § 1a KSchG) nicht angezeigt. Insofern hat das Arbeitsgericht bei Annahme eines halben Bruttomonatsgehalts pro Beschäftigungsjahr grundsätzlich zutreffend entschieden.

3.2

Allerdings hat das Arbeitsgericht die besondere Verknüpfung der beiden Arbeitsverhältnisse des Klägers nicht hinreichend berücksichtigt und deshalb ein zu niedriges Bruttomonatseinkommen angesetzt.

Auf der Arbeitgeberseite können mehrere rechtlich selbständige Personen an demselben Arbeitsverhältnis beteiligt sein (BAG, Urteile vom 15. Dezember 2011 - 8 AZR 692/10 und vom 27. März 1981 - 7 AZR 523/78). Stehen mehrere natürliche oder juristische Personen in arbeitsrechtlichen Beziehungen zu demselben Arbeitnehmer, liegen nicht notwendig mehrere getrennte Arbeitsverhältnisse vor. Vielmehr kann auch ein einheitliches Arbeitsverhältnis gegeben sein. Erforderlich ist ein rechtlicher Zusammenhang der arbeitsvertraglichen Beziehungen des Arbeitnehmers zu den einzelnen Arbeitgebern, der es verbietet, diese Beziehungen rechtlich getrennt zu behandeln (BAG, Urteil vom 19. April 2012 – 2 AZR 186/11). Der rechtliche Zusammenhang kann sich insbesondere aus einer Auslegung des Vertragswerks der Parteien ergeben (BAG, Urteil vom 15. Dezember 2011 - 8 AZR 692/10). Nach Maßgabe von §§ 133, 157 BGB ist zu prüfen, ob nach den Vorstellungen der Vertragschließenden die einzelnen Vereinbarungen nur gemeinsam gelten und zusammen durchgeführt werden sollen, das heißt Teile eines einzigen Gesamtgeschäfts sein sollen.

In einem solchen Fall sind auch im Rahmen § 628 Abs. 2 BGB die Vergütungen aus den mehreren Arbeitsverhältnissen insgesamt für die Berechnung des Schadenersatzes zu beachten.

3.3

Dass die beiden Arbeitsverhältnisse einheitlich zu behandeln sind, ergibt sich nach Ansicht der Kammer zweifelsfrei aus dem zwischen den Parteien vereinbarten Änderungsvertrag vom 1. Dezember 2011. Sowohl die Unauflöslichkeit des einen Arbeitsverhältnisses und des dort bereits formulierten bedingten Schadenersatzanspruchs als auch des Nachteilsverbots verbinden die beiden Arbeitsverhältnisse in einer Art und Weise, die eine getrennte Betrachtung nicht zulassen.

Insofern war von dem Gesamtbruttoeinkommen des Klägers aus beiden Arbeitsverhältnissen in rechnerisch unstreitiger Höhe von 5.994,12 € brutto auszugehen. Dieses führt unter Beachtung der bereits erstinstanzlich dem Kläger zugesprochenen Summe zu dem tenorierten Betrag in Höhe von 31.410,88 EUR brutto (47.952,96 € - 16.542,08 €).

Der Zinsanspruch und der Zinsbeginn waren zwischen den Parteien unstreitig.

III.

Die Kostenentscheidung folgt § 64 Abs.6 ArbGG in Verbindung mit § 91 Abs. 1 ZPO. Die Beklagte hat als unterlegene Partei im Berufungsverfahren die Kosten zu tragen.

Die Zulassung der Revision gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG kam nicht in Betracht, da die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorgelegen haben.