Gericht | LSG Berlin-Brandenburg 7. Senat | Entscheidungsdatum | 29.01.2014 | |
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Aktenzeichen | L 7 KA 124/11 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 295 SGB 5, § 54 BMV-Ä, § 55 BMV-Ä |
1. Mangels entsprechender bundesmantel- und gesamtvertraglicher Bestimmungen sind grundsätzlich die Partner der Honorarverteilungsverträge berechtigt, die die Rechnungsunterlagen betreffenden Voraussetzungen für die Entrichtung der (einzelnen Raten der) Gesamtvergütung festzusetzen.
2. Weder aus § 295 Abs. 2 SGB V noch dem hierauf beruhenden untergesetzlichen Recht ergibt sich, dass die vollständige und korrekte Übermittlung der Einzelfallnachweise nach § 1 Abs. 2 der Anlage 6 zum Bundesmantelvertrag-Ärzte (Vertrag über den Datenaustausch auf Datenträgern) Voraussetzung für die Entstehung oder die Fälligkeit des Anspruchs auf Zahlung restlicher Gesamtvergütung ist.
3. Es bleibt offen, ob die "Abrechnung der Vergütung" gemäß § 295 Abs. 2 SGB V nicht nur die Abrechnungsprüfung der Krankenkassen nach § 106a Abs. 3 SGB V betrifft, sondern auch die zwischen Kassenärztlichen Vereinigungen und Krankenkassen abzurechnende Gesamtvergütung.
4. Der Wortlaut von Abschnitt 5.1 (letzter Satz) der Technischen Anlage zum Vertrag über den Datenaustausch auf Datenträgern (Anlage 6 zum Bundesmantelvertrag-Ärzte) bedarf einer einschränkenden Auslegung, weil andernfalls Krankenkassen in bestimmten Konstellationen einen Zinsvorteil erlangen würden, ohne dass ein rechtfertigender Grund für eine solche finanzielle Vergünstigung innerhalb des hochkomplexen Finanzierungssystems der GKV ersichtlich ist.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 7. September 2011 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Die Beteiligten streiten um einen Anspruch der Klägerin auf Zahlung von Zinsen. Streitig ist insbesondere, ob die Klägerin fristgerecht Daten an die Beklagte übermittelt hat.
Die klagende Kassenärztliche Vereinigung (KV) nahm die endgültige Rechnungslegung bezüglich des Quartals II/09 gegenüber der beklagten Krankenkasse mit Rechnungsbrief vom 4. Dezember 2009, eingegangen am 7. Dezember 2009, vor und bat um Überweisung des Restbetrages von 515.536,68 €. Die dazu gehörigen Unterlagen (sog. Formblatt 3) fügte sie als Anlage in Form einer CD-ROM mit einer kassenindividuellen Datei im chm-Format bei.
Bereits am 13. November 2009 hatte sie die die ambulanten Leistungen der Vertragsärzte in diesem Quartal betreffenden Einzelfallnachweise (sog. EFN-Daten) elektronisch an die B GmbH übersandt. Dieses Unternehmen ist im Bereich der elektronischen Datenverarbeitung u.a. für die Beklagte und zahlreiche andere Betriebskrankenkassen tätig. Innerhalb der B GmbH gibt es unterschiedliche entschlüsselungsberechtigte Stellen, die jedoch für mehrere Krankenkassen zuständig sein können. Ohne Einschaltung der Beklagten sandte die B GmbH das gesamte Datenpaket, welches auch die EFN-Daten für andere Krankenkassen enthielt, zurück, weil es Datenfehler enthielt. Diese Fehler bezogen sich nicht auf die für die Beklagte bestimmten EFN-Daten. In der Folgezeit (am 30. November 2009, am 23. Dezember 2009 sowie am 14. Januar 2010) übersandte die Klägerin an die B GmbH, u.a. bedingt durch zusätzliche Beanstandungen (fehlerhafte Krankenkassen-Institutskennzeichen), weitere Korrekturlieferungen der EFN-Daten. Nach Angaben der Beklagten konnten erst die am 14. Januar 2010 gelieferten EFN-Daten korrekt verarbeitet werden, wobei ihr die Leistungsdaten bereichseigener Ärzte erst am 22. Januar 2010 zur Verfügung gestanden hätten.
Bereits mit Schreiben vom 28. Dezember 2009 hatte die Beklagte die Klägerin darauf hingewiesen, dass der mit Rechnungsbrief vom 4. Dezember 2009 geltend gemachte Betrag derzeit nicht gezahlt werden könne, da die von ihr zu liefernden Daten nach § 295 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch (SGB V) derzeit nicht zur Verfügung stünden. Am 26. Januar 2010 ging die Restzahlung der Beklagten bei der Klägerin ein. Die daraufhin von der Klägerin geltend gemachte Zinsforderung i.H.v. 2.143,29 € – errechnet aus einem rückständigen Betrag von 509.310,03 € und einem Zinssatz von 5,12 % – wegen um 30 Tage verspäteter Restzahlung lehnte die Beklagte ab, weil die Fälligkeit der Gesamtvergütung von der Lieferung der in § 295 Abs. 2 Satz 1 SGB V bezeichneten Daten abhänge und Fehler in der Datenlieferung, gleich welcher Kasse, grundsätzlich zur Abweisung der gesamten Datenlieferung führten.
Ihre im Mai 2010 erhobene Klage hat die Klägerin u.a. damit begründet, dass die von der Beklagten vertretene Ansicht weitreichende Folgen für alle KVen hätte. Die Vertragsärzte müssten dann ihre Leistungen vollständig vorfinanzieren, solange nur eine der über 100 Betriebskrankenkassen die EFN-Daten beanstande. Das bestehende System nachgelagerter Kontrollen von Plausibilität und Wirtschaftlichkeit wäre überflüssig.
Mit Urteil vom 7. September 2011 hat das Sozialgericht der Klage stattgegeben, soweit sie einen Zinsanspruch wegen verspäteter Zahlung der Restforderung betraf, den darüber hinausgehenden Anspruch auf Prozesszinsen hingegen abgelehnt. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt: Die gesamtvertragliche Vereinbarung von Verzugszinsen sei zulässig. Die sich aus der Quartalsabrechnung ergebende Restforderung der Klägerin habe die Beklagte nicht innerhalb von 20 Tagen nach Eingang beglichen, so dass die Voraussetzungen für die Zahlung von Verzugszinsen nach § 6 Abs. 2 Satz 3 des im Quartal II/09 geltenden Honorarvertrages (HV) vorgelegen hätten. Dem gegenüber sei die Übermittlung der EFN-Daten weder Voraussetzung für die Fälligkeit der Gesamtvergütung noch habe der Beklagten insofern ein Zurückbehaltungsrecht zugestanden. Auf § 295 Abs. 2 Satz 1 SGB V könne sich die Beklagte nicht berufen, weil mit der dort erwähnten „Abrechnung der Vergütung“ nicht die von der Krankenkasse an die KV zu zahlende Gesamtvergütung gemeint sei, sondern die Abrechnung der Vergütung des einzelnen Vertragsarztes gegenüber der KV. Zurückbehaltungsrechte würden vom Gesetzgeber jeweils ausdrücklich geregelt. Eine solche Regelung finde sich jedoch weder im SGB V noch im Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä). Wegen der Besonderheiten der vertragsärztlichen Gesamtvergütung scheide auch eine entsprechende Anwendung von § 273 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) über § 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V aus.
Gegen dieses ihr am 16. September 2011 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten vom 14. Oktober 2011, zu deren Begründung sie vorträgt: Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts beziehe sich die Aussage in § 295 Abs. 2 SGB V auf die Abrechnung der KV mit den Krankenkassen. Auch aus § 55 BMV-Ä ergebe sich unmittelbar, dass die Einzelfallnachweise den Abrechnungsunterlagen zuzurechnen seien. Darüber hinaus belegten auch § 303 SGB V und § 1 der Anlage 6 zum BMV-Ä sowie Abschnitt 5 der dazugehörigen Technischen Anlage, dass die Klägerin verpflichtet gewesen sei, die Einzelfallnachweise für die Abrechnung zu liefern. Dies bedeute umgekehrt, dass eine Abrechnung nicht erfolgen könne, wenn und soweit diese Daten nicht geliefert worden seien. Dem stehe nicht entgegen, dass die Einzelfallnachweise im HV ausdrücklich als Abrechnungsunterlage erwähnt worden seien, denn im HV dürfe nicht von zwingenden Vorgaben höherrangigen Rechts (hier des SGB V bzw. des BMV-Ä) abgewichen werden. Im Übrigen nähmen die Abrechnungsunterlagen unterschiedliche Lieferungswege: Während die im HV genannten Bestandteile „Rechnungsbrief“ und „Formblatt 3“ in Papier bzw. als CD unmittelbar von der Klägerin an die Beklagte übermittelt würden, würden die Einzelfallnachweise über die Annahmestelle der Krankenkassen geliefert. Insoweit dürfe davon ausgegangen werden, dass im Regionalvertrag nur die Punkte genannt seien, die unmittelbar für die Abrechnung von der Klägerin an die Krankenkasse geschickt würden. Schließlich sei zu beachten, dass für die Lieferung der Einzelfallnachweise gemäß § 1 Abs. 5 der Anlage 6 zum BMV-Ä bestimmte Höchstfristen vorgesehen seien, die unabhängig von der Übersendung der weiteren Abrechnungsunterlagen erfüllt werden müssten. Insoweit habe die KV das Verfahren im Zeitpunkt der Lieferung der Einzelfallnachweise sowie der Abrechnung selbst in der Hand. Durch die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts sei die Liquidität der KV und die Vergütung der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte keineswegs gefährdet, da über fristgerecht erfolgte Abschlagszahlungen bereits 82,5 % der Gesamtvergütung im Quartal abgeführt würden. Die EFN-Daten aller Betriebskrankenkassen würden in einem Datenpaket an die B GmbH übermittelt. Dort durchlaufe das Datenpaket eine maschinelle Fehlerprüfung. Würden in diesem Rahmen Fehler festgestellt, werde das komplette Datenpaket abgewiesen und mit einer Fehlermeldung zur Korrektur an die KV zurückgesandt. Eine Verarbeitung von korrekt gelieferten Teilmengen des Paketes durch die B GmbH erfolge nicht und sei auch nicht vorgesehen. Nur bei Fehlerfreiheit des kompletten Datenpaketes könnten die EFN-Daten durch die Datenannahmestelle verarbeitet und anschließend den einzelnen Krankenkassen zur Verfügung gestellt werden. Die EFN-Daten seien unerlässlich, um die Abrechnung der Gesamtvergütung durch die KV prüfen zu können. Sonst fehle u.a. der Abgleich der im Formblatt 3 ausgewiesenen mit den in den EFN-Daten hinterlegten Dialysesachkosten. Darüber hinaus würden die EFN-Daten herangezogen, um Leistungen, die nicht in der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung (MGV) enthalten seien, hinsichtlich ihres Umfangs zu prüfen. Hierbei würden z.B. die in Formblatt 3 abgerechneten Einzel-EBM-Positionsnummern mit den in den EFN-Daten enthaltenen abgeglichen. Schließlich ließen sich Leistungen identifizieren, welche aufgrund von Sonderverträgen dem Grunde nach über Pseudo- bzw. Sonderziffern abrechenbar seien, im Falle eines Nichtbeitritts der Beklagten jedoch keinesfalls abgerechnet werden dürften. Die gesetzlich geregelte Datenübermittelung verfolge auch einen konkreten Zweck: die mit den EFN-Daten gelieferten Diagnose- und Abrechnungsdaten bestimmten maßgeblich die Höhe der Zuweisung, welche die Krankenkassen aus dem Gesundheitsfonds bzw. aus dem morbiditätsbedingten Risikostrukturausgleich (MorbiRSA) erhielten. Da die Krankenkassen nachträgliche Meldungen dieser Daten zum Zwecke der Berücksichtigung im Rahmen des MorbiRSA zeitlich nur sehr begrenzt vornehmen könnten, gebiete sich eine zeitnahe Übermittlung der EFN-Daten. Hätte die KV die Gesamtvergütung hingegen erhalten, obgleich keine EFN-Daten vorlägen, bestehe für sie kein Anreiz mehr, diese rechtzeitig, vollständig und korrekt nachzuliefern.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 7. September 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und weist ergänzend darauf hin, dass die Abrechnung der Gesamtvergütung für ein bestimmtes Quartal nicht mit der Restzahlung der Krankenkassen erledigt sei. Vielmehr komme es aufgrund von zahlreichen Prüfanträgen der Krankenkassen nach § 106a SGB V regelmäßig zu Korrekturen des Formblattes 3 sowie der entsprechenden Zahlungen.
Der Berichterstatter hat den Rechtsstreit mit den Beteiligten am 10. Januar 2014 erörtert.
Nach dem Vorbringen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat haben mit Ausnahme der Beklagten alle Betriebskrankenkassen, die die Restforderung verspätet beglichen, die von ihr geltend gemachten Zinsen gezahlt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitverhältnisses wird Bezug genommen auf die Gerichtsakten und die Verwaltungsakten der Beklagten, die in der mündlichen Verhandlung vorgelegen haben.
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Im Ergebnis zu Recht hat das Sozialgericht den Zinsanspruch der Klägerin wegen verspäteter Zahlung der Gesamtvergütung dem Grunde und der Höhe nach bejaht.
I. Die Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Zinsanspruch findet sich in § 6 Abs. 2 des im Quartal II/09 geltenden HV. Darin heißt es:
„Die KV Berlin erstellt quartalsweise gegenüber den Krankenkassen eine endgültige Abrechnung der Gesamtvergütung inklusive der abgerechneten Vergütung für Einzelleistungen, Substitutionsbehandlungen der Drogenabhängigkeit und der Pauschalen per Rechnungsbrief inklusive der dazu gehörenden Unterlagen (Formblatt 3). Eine sich aus dieser endgültigen Quartalsabrechnung ergebende unstreitige Restforderung gegenüber der Krankenkasse ist innerhalb von 20 Tagen nach Eingang der endgültigen Quartalsabrechnung von der Krankenkasse zu begleichen. Nach Ablauf dieser Zahlungsfrist ist Verzug eingetreten und sind von der Krankenkasse Verzugszinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz p.a. (§ 288 Abs. 1 und 2 BGB) zu bezahlen. Die Vertragspartner sollen durch Nachfragen (z.B. per Email) mit darauf hinwirken, dass Verzugszinsen möglichst vermieden werden.“
Abs. 3 dieser Vorschrift regelt ergänzend:
„Sind die rechnungsbegründenden Unterlagen in Teilen nachweislich fehlerhaft, kann die Zahlung nicht vollständig verweigert oder aufgeschoben werden. Ein Einbehalt eines Rechnungsbetrages ist bei nachweislich fehlerhafter Rechnungsstellung nur bis zur Höhe des fehlerhaften Betrages zulässig. Kürzungen sind gegenüber der KV Berlin schriftlich zu erklären und zu begründen.“
II. Die Zahlungsfrist von 20 Tagen gemäß § 6 Abs. 2 Satz 2 HV endete, ausgehend vom Zugang der endgültigen Rechnung bei der Beklagten am 7. Dezember 2009, am 27. Dezember 2009. Diese Frist wahrte die erst am 26. Januar 2010 bei der Klägerin eingegangene Zahlung offenkundig nicht, sodass sich die Beklagte in Verzug befand und ein Anspruch auf Verzugszinsen für 30 Tage auf der Grundlage eines Zinssatzes von 5,12 %, d.h. 5 % über dem ab dem 1. Juli 2009 geltenden Basiszinssatz von 0,12 % (Deutsche Bundesbank, Mitteilung Nr. 1001/2009 vom 30. Juni 2009 – Bekanntmachung über den Stand des Basiszinssatzes ab 1. Juli 2009, Bundesanzeiger 2009, 2302), besteht. Fehler bei der Berechnung der Zinsforderung sind weder ersichtlich noch geltend gemacht.
III. Dem steht nicht entgegen, dass die korrekte und vollständige Lieferung der EFN-Daten durch die Klägerin erst zum 14. Januar 2010 erfolgte. Weder ist die Lieferung dieser Daten Voraussetzung für den Anspruch der Klägerin auf Zahlung der restlichen Gesamtvergütung (hierzu unter 1.) noch resultiert aus der fehlenden oder unvollständigen Datenlieferung ein Zurückbehaltungsrecht der Beklagten (hierzu unter 2.).
1. Der Anspruch der Klägerin auf Zahlung der Restforderung, die sich aus der endgültigen Abrechnung der Gesamtvergütung inklusive der abgerechneten Vergütung für Einzelleistungen, Substitutionsbehandlungen der Drogenabhängigkeit und der Pauschalen (im Folgenden vereinfachend: Gesamtvergütung) ergibt, setzt nicht die Übermittlung vollständiger und korrekter EFN-Daten an die Beklagte voraus.
a. Nach § 87a Abs. 3 Satz 1 SGB V vereinbaren die KV und die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich jährlich bis zum 31. Oktober für das Folgejahr mit Wirkung für die Krankenkassen die von den Krankenkassen mit befreiender Wirkung an die jeweilige KV zu zahlenden morbiditätsbedingten Gesamtvergütungen für die gesamte vertragsärztliche Versorgung der Versicherten mit Wohnort im Bezirk der KV. Auch wenn diese mit Wirkung zum 1. Januar 2009 in Kraft getretene Regelung für den vertragsärztlichen Bereich von der (im vertragszahnärztlichen Bereich nach wie vor geltenden) Vorgängerregelung in § 85 Abs. 2 SGB V insofern abweicht, als die Gesamtvergütung nicht mehr in die Gesamtverträge nach § 83 SGB V eingebettet ist, bleiben die Partner der Bundesmantelverträge nach § 82 SGB V berechtigt, allgemeine (z.B. das Verfahren betreffende) Regelungen über die Entrichtung der Gesamtvergütung zu treffen, was durch § 82 Abs. 3 SGB V (in der seit dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung) mittelbar belegt wird.
Aufgrund dessen sah der – im Falle der beklagten Betriebskrankenkasse einschlägige – BMV-Ä vor, dass die Krankenkassen die Gesamtvergütung nach Maßgabe der Gesamtverträge und der in Formblatt 3 festgelegten Kriterien an die KV entrichten und die Vertragspartner den Inhalt des Formblattes 3 vereinbaren (§ 54 Abs. 2 Sätze 1 und 2 BMV-Ä). Die Aufbereitung der Abrechnungsunterlagen sowie das Nähere über den Datenträgeraustausch sind in Anlage 6 zum BMV-Ä geregelt (§ 55 BMV-Ä). Weder der BMV-Ä noch seine Anlage 6 sehen indes ausdrückliche Regelungen vor, welche Unterlagen im einzelnen Voraussetzung für die Zahlung der (letzten Rate der) Gesamtvergütung sind. Dies ist insofern konsequent, weil bundesrechtlich weder nach dem SGB V noch nach dem BMV-Ä Regelungen zur ratierlichen Zahlung der einer KV quartalsweise zustehenden Vergütung bestehen, sondern „nur“ auf KV-Ebene durch § 6 Abs. 1 HV monatliche Abschlagszahlungen der einzelnen Krankenkassen an die Klägerin i.H.v. 27,5 % der je Quartal vereinbarten morbiditätsbedingten Gesamtvergütung und 27,5 % der je Quartal erwarteten Vergütung für Einzelleistungen, Substitutionsbehandlungen der Drogenabhängigkeit und Pauschalen vorgesehen sind. Angesichts dessen kann eine Antwort auf die vorliegende nur die jeweils letzte Quartalsrate betreffende Rechtsfrage nicht in bundesrechtlichen Vorschriften gefunden werden.
Jedenfalls waren mangels entsprechender bundesmantel- und gesamtvertraglicher Bestimmungen grundsätzlich die Partner der Honorarverteilungsverträge berechtigt, die die Rechnungsunterlagen betreffenden Voraussetzungen für die Entrichtung der (einzelnen Raten der) Gesamtvergütung festzusetzen. Dass der Anspruch auf Zahlung der restlichen Gesamtvergütung nicht vor der Lieferung der EFN-Daten entsteht oder fällig wird, ist indes den Bestimmungen des HV nicht zu entnehmen. Vielmehr soll dieser Anspruch nach § 6 Abs. 2 Satz 1 HV nur von den „dazu gehörenden Unterlagen“ abhängen; als solche sieht der HV nur das sog. Formblatt 3 an, welches die Beklagte bereits mit der Rechnung vom 4. Dezember 2009 erhielt.
b. Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten ergibt sich auch nicht aus § 295 Abs. 2 SGB V bzw. dem hierauf beruhenden untergesetzlichen Recht, dass die vollständige und korrekte Übermittlung der EFN-Daten Voraussetzung für die Entstehung oder die Fälligkeit des Anspruchs der Klägerin auf Zahlung restlicher Gesamtvergütung ist.
aa. § 295 Abs. 2 Satz 1 SGB V in der 2009 geltenden Fassung hatte folgenden Wortlaut:
„Für die Abrechnung der Vergütung übermitteln die Kassenärztlichen Vereinigungen im Wege elektronischer Datenübertragung oder maschinell verwertbar auf Datenträgern den Krankenkassen für jedes Quartal für jeden Behandlungsfall folgende Daten:
1. Angaben nach § 291 Abs. 2 Nr. 1, 6 und 7,
2. Arzt- oder Zahnarztnummer, in Überweisungsfällen die Arzt- oder Zahnarztnummer des überweisenden Arztes,
3. Art der Inanspruchnahme,
4. Art der Behandlung,
5. Tag der Behandlung,
6. abgerechnete Gebührenpositionen mit den Schlüsseln nach Absatz 1 Satz 5, bei zahnärztlicher Behandlung mit Zahnbezug und Befunden,
7. Kosten der Behandlung,
8. Zuzahlungen nach § 28 Abs. 4.“
Dem Auftrag, das Nähere zu Form und Inhalt der Abrechnungsunterlagen für die vertragsärztlichen Leistungen zu vereinbaren (§ 295 Abs. 3 Satz 1 SGB V in der 2009 geltenden Fassung), haben die Partner der Bundesmantelverträge durch § 55 BMV-Ä sowie in der darauf fußenden Anlage 6 zum BMV-Ä (Vertrag über den Datenaustausch auf Datenträgern – DTA-V) entsprochen.
In dieser Anlage in ihrer 2009 geltenden Fassung (im Folgenden: DTA-V 2009) haben die Vertragspartner in Kapitel I. („Datenlieferungen der Kassenärztlichen Vereinigungen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung an die Krankenkassen bzw. deren Verbände“), Abschnitt 1 („Aufbereitung und Weiterleitung der Abrechnungsunterlagen“), u.a. folgendes vereinbart:
„§ 1 Art und Inhalt der Abrechnungsunterlagen
(1) Die Abrechnung der ärztlichen Leistungen durch die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte und ärztlich geleiteten Einrichtungen erfolgt mittels der vereinbarten EDV-Verfahren. Die gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen über Art und Umfang der aufzunehmenden Daten sind zu beachten.
(2) Die Kassenärztlichen Vereinigungen erstellen und übermitteln für jede Krankenkasse je Behandlungsfall für die Versicherten mit Wohnort im Bezirk der Kassenärztlichen Vereinigung einen Datensatz mit dem Nachweis der von jeder Arztpraxis gegenüber der jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigung abgerechneten Leistungen (Einzelfallnachweis). […]
(3) Die Kassenärztlichen Vereinigungen erstellen folgende Leistungsnachweise pro Krankenkasse, für die Versicherten mit Wohnort im Bereich der Kassenärztlichen Vereinigung
1. ein Formblatt 3 für bereichseigene Ärzte,
2. ein Formblatt 3 für bereichsfremde Ärzte,
3. ein Formblatt 3 - in der Zusammenfassung bereichseigene und bereichsfremde Ärzte.
Rechnungsverändernde Korrekturen sind in Formblatt 3 zeitnah zu berücksichtigen. Eine Konkretisierung der Frist bleibt den Partnern der Gesamtverträge vorbehalten. […]
(5) Die Lieferung der Datenträger nach Abs. 2 und 4 an die Krankenkassen erfolgt spätestens bis zum Ende des fünften auf das Abrechnungsquartal folgenden Monats.
(6) Die Lieferung der Datenträger für die Abrechnung der Fremdarztfälle nach Abs. 2 und 4 sowie der Formblätter nach Abs. 3 an die Krankenkassen erfolgt spätestens bis zum Ende des sechsten auf das Abrechnungsquartal folgenden Monats.
(7) Die Weiterleitung der Daten nach Abs. 1 kann unter Beachtung der Vorschriften des § 80 SGB X gemäß besonderer Regelungen nach Anlage zu diesem Vertrag auch unmittelbar an eine von der Krankenkasse mit der Datenverarbeitung beauftragte Stelle erfolgen.
Ferner sah § 19 dieser Anlage („Technische und organisatorische Form der Datenübermittlung“) folgendes vor:
(1) Die technische und organisatorische Form der Datenübermittlung wird in der jeweils gültigen Technischen Anlage (TA) geregelt. Sie ist Bestandteil dieses Vertrages.
(2) Bei einer Lieferung von Produktionsdaten ist von der Korrektheit der gelieferten Daten auszugehen, wenn die Vorgaben des Vertrages über den Datenaustausch auf Datenträgern und der jeweils gültigen Technischen Anlage erfüllt sind. Fehlerhafte oder unvollständige Datenlieferungen sind umgehend, jedoch längstens bis zum Ablauf einer Frist von neun Wochen nach bestätigtem Eingang der Daten zu reklamieren. Erfolgt bis zum Ablauf dieser Frist keine detaillierte Reklamation seitens der in der TA als „Datenannahmestellen“ aufgeführten, annehmenden Institution, erlischt die Verpflichtung der Kassenärztlichen Vereinigung zu einer Neulieferung der quartalsbezogenen Abrechnungsdaten.
(3) Werden die Voraussetzungen der Reklamation gemäß Absatz 2 ordnungsgemäß erfüllt, ist die Kassenärztliche Vereinigung verpflichtet, innerhalb von neun Wochen nach Erhalt der Reklamation korrigierte Abrechnungsdaten an die reklamierende Stelle zu übermitteln.
(4) Ab wann eine Datenlieferung als fehlerhaft anzusehen ist, ist in der Technischen Anlage spezifiziert.
Zur Konkretisierung dieser Vorgaben haben die Vertragspartner in der Technische Anlage zum Vertrag über den Datenaustausch auf Datenträger – TA – (hier: Version 1.15) nicht nur die Datenannahmestellen der einzelnen KVen und Krankenkassen festgelegt (konkret: die B GmbH als Datenannahmestelle der Beklagten, vgl. Abschnitt 6.2 TA), sondern auch folgendes vereinbart:
Abschnitt 2.1 Grundsätzliche Festlegungen zur Abwicklung des Datenaustauschs
(1) Die nach dieser Technischen Anlage zu übermittelnden Daten müssen inhaltlich den Regelungen des Vertrages zum Austausch von Daten auf Datenträgern entsprechen. Soweit auf Landesebene ergänzende vertragliche Vereinbarungen für Datenlieferungen abgeschlossen werden, sind die daraus resultierenden Regelungen durch Ergänzung der Technischen Anlage auf Bundesebene festzulegen. […]
(6) Werden bei oder nach dem Austausch Mängel festgestellt, die eine ordnungsgemäße Verarbeitung der Daten ganz oder teilweise beeinträchtigen, werden keine Daten übernommen. In diesem Fall ist die Fehlerbehandlung nach Abschnitt 5.2 anzuwenden.
Abschnitt 5 Fehlerverfahren und Fehlerbehandlung
Abschnitt 5.1 Fehlerverfahren
Die nachfolgend aufgeführten Prüfungen werden in Abhängigkeit vom Inhalt der einzelnen Datensätze im Sinne eines Fehlererkennungsverfahrens durchgeführt. Die Prüfung der eingehenden Daten erfolgt in drei Abstufungen, aus denen sich der Grad der Fehler und die darauf folgende Reaktion ableiten.
Stufe 1
Die Stufe 1 umfaßt die technischen und logistischen Prüfungen, z.B. die Feststellung der Lesbarkeit des Datenträgers allgemein und die Prüfung auf zulässige Kommunikationspartner usw.
Stufe 2
Die Stufe 2 beinhaltet die syntaktischen Prüfungen.
Stufe 3
In Stufe 3 werden die formalen Prüfungen, z.B. Prüfungen gegen Infrastruktur-Dateien wie GO-Stammdateien durchgeführt.
Die Stufen 1 - 3 stellen maschinelle Prüfungen dar, die auch ohne direkte Sachbearbeitung durchführbar sind, also eine maschinelle Reaktion möglich machen. Diese Stufen laufen grundsätzlich gleichartig bei allen Datenannahmestellen ab. Systematische Fehler führen grundsätzlich zur Abweisung der gesamten Datenlieferung.
Abschnitt 5.2 Fehlerbehandlung
(1) Der Absender ist über die festgestellten Mängel unverzüglich zu unterrichten; die Begründungen für die Zurückweisung sind dem Absender soweit wie möglich in nachvollziehbarer Form mitzuteilen. Dieser ist verpflichtet, seinerseits unverzüglich die zurückgewiesenen Daten zu berichtigen und die korrigierten Daten erneut zu übermitteln.
(2) Grundsätzlich erfolgt der Austausch fehlerhafter Daten durch den Austausch der gesamten Datei. Im Falle der Zurückweisung darf der Datenträger nicht gelöscht werden, damit die Fehlerursache beim Absender festgestellt werden kann.
(3) Ist bilateral auch der Austausch fehlerhafter Teilmengen einer Datei vereinbart worden, dürfen jeweils nur vollständige Pakete ausgetauscht werden. Auf die Regelungen zur Dateibezeichnung bzgl. Lieferungsart und Folgenummern wird verwiesen.
(4) Jede erneute Datenübermittlung nach Rückweisung einer Daten-Lieferung setzt eine neue 3-Monatsfrist gemäß Abschnitt 2.1 Abs. 5 dieser Technischen Anlage in Gang. […]
bb. Diese Regelungen erlauben nicht die von der Beklagten gezogenen Schlüsse.
(1) Allerdings betrifft § 295 Abs. 2 SGB V durchaus die Abrechnung der Gesamtvergütung.
(a) Insoweit kann dahinstehen, ob der Gesetzgeber, wie vom Sozialgericht angenommen, begrifflich immer streng zwischen der Gesamtvergütung, d.h. der der KV zur Erfüllung ihres Sicherstellungsauftrags zustehende, mit befreiender Wirkung gezahlte Vergütung seitens der Krankenkassen, und sonstigen Vergütungen unterscheidet. Die Abrechnung der den einzelnen Vertragsärzten zustehende Vergütung, mit anderen Worten die Honorarverteilung und -abrechnung, kann die Vorschrift des § 295 Abs. 2 SGB V schon nach ihrem Sinn und Zweck nicht betreffen. Denn für die Honorarverteilung und -abrechnung, an der nur die Vertragsärzte und die KVen, nicht aber die Krankenkassen beteiligt sind, bedarf es keinerlei Datenübermittlung von den KVen an die Krankenkassen.
(b) Die in § 295 Abs. 2 SGB V den KVen auferlegte Datenübermittlung dient in jedem Fall der Abrechnungsprüfung der Krankenkassen nach § 106a Abs. 3 SGB V, wonach die Krankenkassen die Abrechnungen der Vertragsärzte prüfen, insbesondere hinsichtlich des Bestehens und des Umfangs ihrer Leistungspflicht, der Plausibilität von Art und Umfang der abgerechneten Leistungen bzw. der Plausibilität der Zahl der vom Versicherten in Anspruch genommenen Vertragsärzte, und die KVen unverzüglich über die Durchführung der Prüfungen und deren Ergebnisse unterrichten. Dies ergibt sich aus der Gesetzesbegründung zur Änderung der Vorschrift durch das zum 1. Januar 2004 in Kraft getretene GKV-Modernisierungsgesetz (GMG). Bis zum 31. Dezember 2003 sah § 295 Abs. 2 Satz 1 SGB V nur vor, dass die KVen für die Abrechnung der Vergütung den Krankenkassen, auf Verlangen auf Datenbändern oder anderen maschinell verwertbaren Datenträgern, für jedes Quartal die für die vertragsärztliche Versorgung erforderlichen Angaben über die abgerechneten Leistungen fallbezogen, nicht versichertenbezogen übermitteln. Die 2009 geltende Fassung dieser Vorschrift geht im Kern auf das GMG zurück, bei dessen Erlass der Gesetzgeber die Übermittlung weiterer Daten als erforderlich ansah „für Zwecke der mit diesem Gesetz eingeführten versichertenbezogenen Abrechnungsprüfung der vertragsärztlichen Leistungen nach § 106a Abs. 3 durch die Krankenkassen“ (BT-Drs. 15/1525, S. 147). Sprachlich verunglückt meint „für die Abrechnung der Vergütung“ somit jedenfalls die Prüfung der von den Vertragsärzten vorgenommenen Abrechnung durch die Krankenkassen (vgl. Bayer. LSG, Urteil vom 17. Dezember 2012, Az.: L 12 KA 5021/09, juris - Revision beim BSG anhängig unter B 6 KA 19/13 R; SG Düsseldorf, Urteil vom 10. Februar 2010, Az.: S 2 KA 4/08, juris).
(c) Der Wortlaut von § 295 Abs. 2 Satz 1 SGB V legt indes auch das von der Beklagten vertretene Normverständnis nahe, demzufolge die Datenübermittlung erfolgt, um den Krankenkassen die Überprüfung der von den KVen abgerechneten (Gesamt-)Vergütung zu ermöglichen. Auch hierfür lässt sich die Gesetzesbegründung zum GMG ins Felde führen: Sie enthält ebenso den Hinweis, dass die „Abrechnungen der Kassenärztlichen Vereinigungen gegenüber den Krankenkassen […] künftig im Wege elektronischer Datenübertragung oder maschinell verwertbar auf Datenträgern übermittelt“ werden (BT-Drs. 15/1525, S. 148). Diente § 295 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB V allein der Vorbereitung der Abrechnungsprüfung nach § 106a Abs. 3 SGB V, machte die Erwähnung dieser „Abrechnungen“ keinen Sinn.
(2) Letztlich kann dieser Streit jedoch offen bleiben. Selbst wenn § 295 Abs. 2 SGB V die Abrechnung der Gesamtvergütung betrifft, folgt daraus nicht, dass ohne die vollständige und korrekte Datenlieferung nach § 295 Abs. 2 Satz 1 SGB V der Anspruch der KV auf Zahlung der restlichen Gesamtvergütung nicht entstehe oder nicht fällig werde. Eine solche rechtliche Verknüpfung zwischen den Datenübermittlungspflichten nach § 295 Abs. SGB V einerseits und den in §§ 82, 85 und 87a SGB V enthaltenen Bestimmungen zur (morbiditätsbedingten) Gesamtvergütung ist weder dem Gesetzeswortlaut noch der -begründung zu entnehmen. Ihr steht aber auch die – untergesetzliches Bundesrecht einschließende – Gesetzessystematik entgegen. So werden nach Abs. 5 von § 56 BMV-Ä („Prüfung der Abrechnungsunterlagen und der Kontenführung“) die Anspruchsnachweise (ergänze: der KV) den Krankenkassen nach erfolgter Abrechnung zur Verfügung gestellt; Näheres wird im Gesamtvertrag vereinbart. Dies legt nahe, dass eine kassenseitige Überprüfung der von der Gesamtvergütung im einzelnen umfassten vertragsärztlichen Leistungen der Quartalsabrechnung nachgelagert ist, weil andernfalls die auch die EFN-Daten beinhaltenden Anspruchsnachweise „mit“ und nicht „nach“ der Abrechnung hätte übermittelt werden müssen. Ferner belegt § 1 Abs. 3 Satz 2 der Anlage 6 zum BMV-Ä, dass „rechnungsverändernde Korrekturen“ auch noch nach Zugang des für die Abrechnung maßgeblichen Formblatts 3 und somit auch nach der Zahlung der sich aus der Quartalsabrechnung ergebenden Restforderung möglich sind.
Der Hinweis der Beklagten auf § 303 SGB V ist verfehlt. Nach Abs. 3 Sätze 1 und 2 dieser Vorschrift haben die Krankenkassen, wenn die ihnen nach § 291 Abs. 2 Nr. 1 bis 10, § 295 Abs. 1 und 2, § 300 Abs. 1, § 301 Abs. 1, §§ 301a und 302 Abs. 1 SGB V zu übermittelnden Daten nicht im Wege elektronischer Datenübertragung oder maschinell verwertbar auf Datenträgern übermittelt werden, die Daten nachzuerfassen. Erfolgt die nicht maschinell verwertbare Datenübermittlung aus Gründen, die der Leistungserbringer zu vertreten hat, haben die Krankenkassen die mit der Nacherfassung verbundenen Kosten den betroffenen Leistungserbringern durch eine pauschale Rechnungskürzung in Höhe von bis zu 5 v.H. des Rechnungsbetrages in Rechnung zu stellen. Diese Regelungen betreffen von vornherein nur eine Datenübermittlung, die – abweichend vom vorliegenden Fall – weder elektronisch noch auf maschinell verwertbaren Datenträgern (z.B. einer CD-ROM), also in Papierform durchgeführt wird. Nur in diesem Fall hat die Krankenkasse die Daten nachzuerfassen, und nur wegen einer solchen Nacherfassung ist sie zur Rechnungskürzung nach Satz 2 der Vorschrift berechtigt und verpflichtet. Für eine Abhängigkeit der Verpflichtung, die Gesamtvergütung innerhalb einer vertraglich vereinbarten Frist zu zahlen, von einer anderweitig geregelten Datenlieferung ergibt sich aus § 303 Abs. 3 SGB V nichts, zumal diese Regelung offen lässt, ob die Rechnungskürzung innerhalb der vertraglich vereinbarten Zahlungsfrist erfolgen muss oder auch nachträglich erfolgen kann.
(3) Sogar wenn der Senat mit der Beklagten annähme, ohne vollständige und korrekte Datenübermittlung nach § 295 Abs. 2 SGB V würde der Anspruch der Klägerin auf die sich aus der Quartalsabrechnung ergebende Restforderung nicht fällig, würde dies zu keinem anderen Ergebnis führen.
(a) Zunächst bestehen Zweifel, ob überhaupt von einer verspäteten Datenübermittlung auszugehen ist. Dies wäre nur dann der Fall, wenn die Datenlieferung der Klägerin vom 13. November 2009 nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprach und die Beklagte bzw. die B GmbH als die von ihr beauftragte Datenannahmestelle daher zur Zurückweisung der Daten befugt war. Zwar besteht zwischen den Beteiligten kein Dissens darüber, dass das am 13. November 2009 versandte Datenpaket fehlerhafte Daten enthielt. Nach Abschnitt 5.1 TA (letzter Satz) berechtigen jedoch nur „systematische“ Fehler zur Zurückweisung der gesamten Datenlieferung. Wann ein „systematischer“ Fehler in diesem Sinne vorliegt, ist weder der TA noch dem DTA-V zu entnehmen. Auch das Vorbringen der Beklagten lässt jede Erläuterung hierzu vermissen.
(b) Der Senat kann aber auch zugunsten der Beklagten unterstellen, dass ein systematischer Fehler vorlag. Gleichwohl hätte im konkreten Fall keine Befugnis bestanden, die gesamte Datenlieferung zurückzuweisen.
(aa) Die (hier unterstellte) Fehlerhaftigkeit der Daten musste nicht von der Krankenkasse selbst angezeigt, sondern durfte auch von der von ihr beauftragten Datenannahmestelle vorgenommen werden. Insoweit haben sich die Vertragspartner in Abschnitt 1 („Allgemeines“) Abs. 2 TA darauf geeinigt, dass die in Abschnitt 6.2 genannten Datenannahmestellen „gemäß §§ 2 Abs. 5, 4 Abs. 5, 7 Abs. 3 und 8 Abs. 5“ DTA-V als vereinbart gelten, und es dürfte ein Redaktionsversehen sein, dass die in Bezug genommenen Vorschriften des DTA-V nicht die im Jahre 2009 geltende, hier anzuwendende Fassung des DTA-V betreffen, sondern die mehrfach geänderte, ursprünglich aus dem Jahre 1994 stammende Vorgängerfassung. Dass § 1 Abs. 7 DTA-V 2009 nur zur „Weiterleitung der Daten […] an eine von der Krankenkasse mit der Datenverarbeitung beauftragte Stelle“ ermächtigt, ist hierbei unschädlich, da § 19 Abs. 2 Satz 3 DTA-V 2009 den Datenannahmestellen ausdrücklich die Befugnis zur „Reklamation“ fehlerhafter oder unvollständiger Datenlieferungen erteilt.
(bb) Der Beklagten ist zuzugeben, dass der Wortlaut von Abschnitt 5.1 letzter Satz TA die von der B GmbH vorgenommene Zurückweisung der Datenlieferung vom 13. November 2009 zu tragen scheint. Nach Auffassung des Senats liegt dem aber ein zu weitgehendes Verständnis dieser Vorschrift zugrunde. Bei deren wörtlichem Verständnis würden in bestimmten Konstellationen Krankenkassen einen Zinsvorteil erlangen, ohne dass ein rechtfertigender Grund für eine solche finanzielle Vergünstigung ersichtlich ist. Der vorliegende Fall veranschaulicht dies in besonderer Weise: das Datenpaket der KV umfasste EFN-Daten für mehrere Krankenkassen, die fehlerhaften Daten hingegen betrafen nur eine oder mehrere andere Krankenkassen, jedenfalls nicht die Klägerin. Würde dies zulässigerweise zur Zurückweisung des gesamten Datenpakets berechtigen – mit der Folge fehlender Fälligkeit der KV-seitig geltend gemachten Restforderung –, würde die Beklagte von der Fehlerhaftigkeit der andere Krankenkassen betreffende Daten in finanzieller Hinsicht profitieren, obwohl dem keine eigene Leistung (der Beklagten), aber auch keine Pflichtverletzung der Klägerin gerade ihr gegenüber voranging. Dass die Vorschriften des SGB V die Vertragspartner zur Schaffung solcher Regelungen ermächtigen wollten, welche einem Träger zufällig entstehende finanzielle Vorteile innerhalb des im Übrigen hochkomplexen Finanzierungssystems der GKV begründen, ist nicht erkennbar. Aufgrund dessen ist Abschnitt 5.1 letzter Satz TA dahin auszulegen, dass (einzelne) systematische Fehler nur zur Abweisung derjenigen Teile der gesamten Datenlieferung führen, die der von den Fehlern betroffenen Krankenkasse zuzuordnen sind. Die Beklagte bzw. die B GmbH hätte somit nicht die ihr zuzuordnenden Teile der Datenlieferung vom 13. November 2009 abweisen dürfen, sondern nur die Teile, die der von den Fehlern betroffene Krankenkasse zuzuordnen waren.
2. Die Beklagte war aber auch nicht befugt, den mit der Rechnung vom 4. Dezember 2009 geltend gemachten Restbetrag zurückzubehalten.
a. Der Senat muss nicht abschließend entscheiden, ob § 273ff BGB über § 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V im Vertragsarztrecht entsprechende Anwendung findet (so BSG, Urteil vom 28. Mai 2003 – B 3 KR 10/02 R –, juris, für das Verhältnis zwischen Krankenkassen und Krankenhäusern). Nach der (zivilrechtlichen) Legaldefinition des Zurückbehaltungsrechts in § 273 Abs. 1 BGB kann der Schuldner, wenn er aus demselben rechtlichen Verhältnis, auf dem seine Verpflichtung beruht, einen fälligen Anspruch gegen den Gläubiger hat, die geschuldete Leistung verweigern, bis die ihm gebührende Leistung bewirkt wird, sofern nicht aus dem Schuldverhältnis sich ein anderes ergibt.
b. Jedenfalls kann sich die Beklagte auf ein (den Verzugseintritt hinderndes) Zurückbehaltungsrecht nicht berufen.
aa. Der Senat lässt ausdrücklich offen, ob der Annahme des Sozialgerichts zu folgen ist, Zurückbehaltungsrechte würden – zumindest im Vertragsarztrecht – vom Gesetzgeber stets ausdrücklich angeordnet. Für die Annahme des Sozialgerichts spricht neben der nur den vertragszahnärztlichen Bereich betreffenden Regelung in § 85 Abs. 4f SGB V auch das Zurückbehaltungsrecht bei Verletzung des Sicherstellungsauftrags aus von der KV zu vertretenden Gründen nach § 75 Abs. 1 Satz 3 SGB V in der 2009 geltenden Fassung (i.V.m. § 54 Abs. 3 BMV-Ä). Beide Vorschriften belegen, dass das Rechtsinstitut des Zurückbehaltungsrechts auch dem Sozial- und insbesondere dem Vertragsarztrecht nicht fremd ist. Ob allein daraus der Umkehrschluss gerechtfertigt ist, dass den Krankenkassen in anderen als den ausdrücklich genannten Fällen kein Zurückbehaltungsrecht zusteht, erscheint indes fraglich.
bb. Auf jeden Fall ergibt sich aus dem zwischen den Beteiligten bestehenden Schuldverhältnis „ein anderes“ i.S.v. § 273 Abs. 1 BGB. Denn durch § 6 Abs. 3 Satz 1 HV haben die Beteiligten ausdrücklich ausgeschlossen, dass aufgrund einer nur teilweisen Fehlerhaftigkeit der rechnungsbegründenden Unterlagen die (gesamte geforderte) Zahlung vollständig aufgeschoben wird. Vielmehr sollte nach Satz 2 dieser Regelung ein Zurückbehaltungsrecht in Form eines Einbehalts des Rechnungsbetrages nur bis zur Höhe des fehlerhaften Betrages zulässig sein. Darin liegt eine die gesetzlichen Bestimmungen über das Zurückbehaltungsrecht in zulässiger Weise derogierende vertragliche Regelung. Die Beklagte war demnach – folgt man ihrer Prämisse, dass auch die EFN-Daten zu den rechnungsbegründenden Unterlagen i.S.v. § 6 Abs. 3 HV zählen – nach dieser vertraglichen Bestimmung im Dezember 2009 im Hinblick auf die teilweise Fehlerhaftigkeit dieser Daten nur zur Ausübung eines auf eine Teilforderung begrenzten Zurückbehaltungsrechts befugt.
Die somit zu weitreichende Ausübung des grundsätzlich bestehenden Zurückbehaltungsrechts lässt sich auch nicht – etwa im Sinne eines darin enthaltenen „Minus“ – dahin auslegen, dass darin zumindest die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts im vertraglich zulässigen Umfang liegt. Abgesehen davon, dass es an Vortrag der Beklagten zum vertraglich zulässigen Umfang fehlt, ist im vorliegenden Fall eine – von § 6 Abs. 3 HV vorausgesetzte – Kausalität zwischen der Fehlerhaftigkeit der Daten und der Höhe der geltend gemachten Restforderung ausgeschlossen, weil die Datenfehler gerade nicht das für die Beklagte bestimmte Datenpaket betrafen.
Ob darüber hinaus eine Berufung der Beklagten auf den in § 6 Abs. 3 HV vorgesehene Einbehalt auch deswegen ausscheidet, weil sie entgegen Satz 3 dieser Bestimmung die Kürzung nicht vor Verzugseintritt gegenüber der Klägerin erklärte und ihre Begründung nicht den konkreten Fehler benannte, kann auf sich beruhen.
cc. Angesichts dessen ist es unerheblich, ob die Beklagte für die Zwecke des MorbiRSA auf eine zeitnahe Lieferung der EFN-Daten angewiesen ist.
(1) Gäbe es insoweit einen ernsthaften Konflikt, etwa weil zu befürchten ist, dass die Datenübermittlung durch die Klägerin regelhaft zu spät erfolgt, dass die Beklagte ihren Meldepflichten im Rahmen des MorbiRSA nicht nachkommen kann oder ihr gar verringerte Zuweisungen aus diesem Ausgleichsmechanismus zustehen, hätte die Beklagte auf andere Regelungen innerhalb des HV hinwirken müssen. Da dieser indes von allen Krankenkassen(-verbänden) gemeinsam abgeschlossen wurde und alle Krankenkassen in gleicher Weise den Regelungen des MorbiRSA unterworfen sind, ist nicht anzunehmen, dass der erwogene Konflikt von allen der am HV beteiligten Krankenkassen(-verbänden) verkannt wurde.
(2) Insbesondere aber sind die von der Beklagten im Zusammenhang mit dem MorbiRSA zu beachtenden Meldepflichten so großzügig ausgestaltet, dass ihr diesbezügliches Vorbringen aus Sicht des Senats in keiner Weise nachvollziehbar ist. Die von der Beklagten ins Feld geführte Bestimmung des § 30 Abs. 4 Satz 1 RSA-Verordnung sah und sieht eine Datenübermittlung durch die Krankenkasse an das Bundesversicherungsamt zum 15. August des dem Berichtsjahr folgenden Jahres vor. Die Beklagte hätte im hiesigen Fall somit erst zum 15. August 2010 die erforderlichen Daten übermitteln müssen. In Anbetracht der Tatsache, dass die Klägerin die EFN-Daten erstmals am 13. November 2009 versandte und bis zum Verzugseintritt am 29. Dezember 2009 schon zwei Korrekturlieferungen (am 30. November 2009 und am 23. Dezember 2009) erfolgt waren, ist die Befürchtung der Beklagten, vollständige und korrekte EFN-Daten könnten ihr auch bis zum 15. August 2010, d.h. über 7 Monate später, nicht zur Verfügung stehen, ohne jede Substanz.
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 1 und 2 (VwGO) und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreites.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Gründe hierfür nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.