Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 11. Senat | Entscheidungsdatum | 25.01.2019 | |
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Aktenzeichen | OVG 11 S 77.18 | ECLI | ECLI:DE:OVGBEBB:2019:0125.11S77.18.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 80 Abs 3 VwGO, § 80 Abs 5 VwGO, § 146 VwGO |
Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 30. Oktober 2018 wird teilweise geändert.
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen die mit Ziffer 4 des Bescheides vom 12. Juli 2018 erfolgte Androhung der Ersatzvornahme wird angeordnet.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, der diese selbst trägt, tragen die Antragstellerin zu 7/8 und der Antragsgegner zu 1/8.
Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird für beide Instanzen auf 4.750,- EUR festgesetzt.
I.
Die Antragstellerin wendet sich im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 12. Juli 2018, mit dem dieser ihr die Beseitigung einer wasserbaulichen Anlage innerhalb von 3 Wochen nach Bekanntgabe der Anordnung aufgegeben und die sofortige Vollziehung dieser Maßnahme angeordnet sowie die Ersatzvornahme angedroht hat. Hiergegen hat die Antragstellerin, soweit der Bescheid die Beseitigung des Zugangssteges betrifft, Widerspruch erhoben, über den der Antragsgegner – soweit ersichtlich – noch nicht entschieden hat.
Ihren Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs „gegen die Beseitigungsanordnung des Antragsgegners vom 12. Juli 2018 (…) soweit die in dem Bescheid getroffenen Anordnungen der Antragsgegnerin die Beseitigung des Zugangsstegs zur Betonplattform betreffen“ hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 30. Oktober 2018 mit der Begründung abgelehnt, weder die Beseitigungsanordnung vom 12. Juli 2018, noch die Anordnung der sofortigen Vollziehung, noch die Androhung der Ersatzvornahme begegne rechtlichen Bedenken.
Hiergegen richtet sich die fristgemäß eingelegte und begründete Beschwerde der Antragstellerin.
II.
Die zulässige Beschwerde ist nur im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
1. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Ablehnung ihres Antrags auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen die mit dem Bescheid vom 12. Juli 2018 angeordnete Beseitigungsverfügung hat keinen Erfolg, weil ihre Begründung eine Änderung oder Aufhebung des angefochtenen Beschlusses nicht rechtfertigt (§ 146 Abs. 4 VwGO).
Die Antragstellerin macht geltend, die angegriffene Beseitigungsverfügung sei ermessensfehlerhaft, da von dem Zugangssteg, der beseitigt werden solle, keine Gefahr in Gestalt einer Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgehe, die in der konkreten Situation den mit der Beseitigungsverfügung verbundenen erheblichen Eingriff in ihre Rechte rechtfertige. Die von ihr errichtete Steganlage, die sich von der am 14. August 2015 genehmigten Anlage nur dadurch unterscheide, dass sie „als Oberfläche nicht ein Metallraster, sondern Holzbohlen“ habe, sei wie die am 14. August 2015 genehmigte Anlage „nicht geeignet, die Schutzziele zu beeinträchtigen“. Das Verwaltungsgericht habe im angegriffenen Beschluss eine Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch den errichteten Zugangssteg nicht erneut geprüft, sondern sich auf sein Urteil vom 22. März 2018 in der Streitsache VG 10 K 106.16 berufen. Da dieses Urteil jedoch nicht rechtskräftig sei und eine „viel größere Anlage“ als den errichteten Zugangssteg betreffe, habe das Verwaltungsgericht das Urteil nicht als feststehend unterstellen dürfen.
Dieses Vorbringen verhilft der Beschwerde nicht zum Erfolg. Die rechtliche Annahme des Verwaltungsgerichts, die von der Antragstellerin errichtete Anlage sei formell illegal, greift die Antragstellerin nicht an. Auf die von der Antragstellerin bestrittene materielle Illegalität der Anlage kommt es ausgehend hiervon nicht an. Denn das Verwaltungsgericht hat bei der Prüfung, ob die Beseitigungsverfügung ermessensfehlerfrei ergangen ist – selbstständig tragend und ohne, dass die Antragstellerin dies beanstandet hat – festgestellt, dass die Beseitigungsverfügung als wasserrechtliche Anordnung „bereits dann gerechtfertigt (ist), wenn eine Gewässerbenutzung ohne die erforderliche Genehmigung erfolgt und damit illegal“ ist. Nur „im Übrigen“ hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass die Errichtung der Steganlage auch materiell rechtswidrig ist. Unabhängig hiervon trifft es nicht zu, dass sich die errichtete Anlage nur insoweit von der am 14. August 2015 genehmigten Anlage unterscheidet, als Holzbohlen statt eines Gitterostes verwendet wurden. Vielmehr ist der errichtete Steg mit einer Breite von 1,60 m auch 30 cm zu breit, da die Genehmigung vom 14. August 2015 nur einen Zugangssteg von 1,30 m Breite erlaubt, so dass das Urteil vom 22. März 2018 (VG 10 K 106.16) bezogen auf den Zugangssteg, um den es hier allein geht, auch keine „viel größere Anlage“ betrifft.
Der Einwand der Antragstellerin, bei dem errichteten Zugangssteg handele es sich nur um eine „provisorische Maßnahme“ für die Zeit, bis über ihren Antrag auf Zulassung der Berufung (OVG 11 N 56.18) entschieden sei, mit dem diese sinngemäß geltend macht, eine formelle Rechtswidrigkeit bestehe nur vorübergehend, nämlich bis zur endgültigen Entscheidung über die Genehmigung vom 14. August 2015, greift ebenfalls nicht durch. Die Antragstellerin geht insofern von einem falschen Sachverhalt aus. Denn der errichtete Zugangssteg entspricht – wie bereits dargelegt – dem mit Bescheid vom 14. August 2015 genehmigten Zugangssteg nicht. Auch von einer teilweisen Übereinstimmung kann hier nicht ausgegangen werden. Denn die Antragstellerin hat nicht dargelegt, dass der 1,60 m breite Steg durch die Beseitigung konkret benannter Teile auf die genehmigte Breite von 1,30 verkleinert werden kann. Ausgehend hiervon ist es auch nicht, wie die Antragstellerin weiter meint, „absolut unverhältnismäßig (…) hier jetzt und nicht dann, wenn das Verfahren um die Genehmigung rechtskräftig geklärt ist, tätig zu werden“.
Der Einwand der Antragstellerin, die errichtete Anlage ersetze eine frühere, weitgehend gleichartige Anlage, der von ihr errichtete Zugangssteg unterscheide sich von dieser allein dadurch, dass nunmehr die Stegfläche 20 cm breiter als bei der früheren Anlage sei, führt zu keiner anderen Entscheidung. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, „der Umstand, dass in der Vergangenheit vor dem Grundstück M. in … Berlin einmal eine Steganlage bestanden haben (….) mag, legitimiert nicht die Errichtung einer Steganlage an gleicher Stelle ohne die erforderliche Genehmigung“, greift das Beschwerdevorbringen mit dem allein fristgerecht eingegangen Schriftsatz vom 14. November 2018 nicht an. Dass die frühere Anlage, auf die sich die Antragstellerin bezieht, genehmigt war, macht sie darin ebenso wenig geltend. Im Übrigen wäre ein etwaiger Bestandsschutz mit dem Abriss der alten Steganlage erloschen. Das Vorbringen der Antragstellerin im erst nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist eingegangenen Schriftsatz vom 28. Dezember 2018, mit strom- und schifffahrtspolizeilicher Genehmigung vom 11. April 2016 sei ihr erlaubt worden „eine Zugangssteganlage zur Plattform … zu errichten und zu betreiben“, stellt gegenüber dem allein rechtzeitigen Vorbringen im Schriftsatz vom 14. November 2018 eine neue Einwendung dar, die als verspätetes Vorbringen nicht zu berücksichtigen ist. Hiervon abgesehen ersetzt eine strom- und schifffahrtspolizeiliche Genehmigung nicht die erforderliche wasserrechtliche Legitimation (vgl. § 31 Abs. 6 WaStrG).
Das weitere Beschwerdevorbringen, die Beseitigungsverfügung sei ermessensfehlerhaft, weil sie gegen die „Zusicherung vom 6. Juni 2018“ verstoße, verhilft der Beschwerde ebenfalls nicht zum Erfolg. Die Antragstellerin trägt hierzu vor, entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts beziehe sich der dort verwendete Begriff „Vollzugsmaßnahmen“ nicht auf andere Maßnahmen, da diese genehmigt worden seien und die Errichtung des Steges gerade kompensieren sollten. Vielmehr habe mit Blick darauf, dass mit den Kompensationsmaßnahmen begonnen worden sei und diese beendet werden sollten, ein berechtigter Anlass bestanden, auf den Vollzug einer Beseitigungsanordnung vorerst zu verzichten, was erfolgt sei. Dieser Vortrag ist schon nicht nachvollziehbar, denn es ist weder dargelegt noch sonst erkennbar, dass der Abriss des in Rede stehenden Zugangssteges die Beendigung der Kompensationsmaßnahmen (z.B. Pflanzung und Unterhaltung eines Röhrichtgürtels) behindern oder gar vereiteln hätte können. Unabhängig hiervon kann sich das Schreiben des Antragsgegners vom 6. Juni 2018 schon deshalb nicht auf den in Rede stehenden Zugangssteg beziehen, weil der Antragsgegner von dessen Errichtung ausweislich seines Verwaltungsvorganges erst am 27. Juni 2018, d.h. nach dem 6. Juni 2018, erfahren hat.
Soweit die Antragstellerin meint, die Beseitigungsverfügung sei rechtswidrig, weil sie von ihr ein Verhalten verlange, zu dem sie nicht in der Lage sei, ohne in Rechte Dritter einzugreifen, da der zu beseitigende Zugangssteg nicht in ihrem, sondern im Gemeinschaftseigentum der W... stehe, führt dies zu keiner anderen Entscheidung. Das Verwaltungsgericht weist insofern zu Recht darauf hin, dass das Fehlen einer Duldungsverfügung „nicht die Rechtmäßigkeit“ der Ordnungsverfügung berührt; Rechte Dritter berühren vielmehr allein deren Durchsetzbarkeit (BVerwG, Urteil vom 28. April 1972 – IV C 22.71 –, juris, Rn. 18 m.w.N., Beschluss vom 29. Mai 1991 – 4 CB 16/91 – juris, Rn. 5).
Auch die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Anordnung der sofortigen Vollziehung begegne keinen rechtlichen Bedenken, greift die Antragstellerin nicht erfolgreich an. Die Feststellung des Verwaltungsgerichts, der Antragsgegner habe die Anordnung des Sofortvollzugs im Bescheid vom 12. Juli 2018 „in einer den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO genügenden Art und Weise sowohl schriftlich wie auch inhaltlich zutreffend begründet“, da „ein besonderes Interesse an der sofortigen Vollziehung der Beseitigungsanordnung schon wegen der von der errichteten Anlage ausgehenden negativen Vorbildwirkung“ bestehe, lässt die Antragstellerin unbeanstandet. Soweit sie auf ein „Überwiegen der privaten Interessen und das Fehlen von öffentlichen Interessen“ verweist bzw. meint, „die Abwägung“ müsse zu ihren Gunsten ausfallen, verkennt sie, dass das Verwaltungsgericht mit Blick auf die für rechtmäßig erachtete Beseitigungsverfügung zu Recht keine (weitere) Abwägung vorgenommen hat. Daher geht auch ihr Einwand ins Leere, die zusätzlichen Beeinträchtigungen durch die Boote am neuen Steg könnten aufgrund des Umstands, dass die Anbindepfähle beseitigt seien, „keine Rolle bei der Abwägung mehr spielen“.
2. Die Beschwerde der Antragstellerin hat allerdings Erfolg, soweit das Verwaltungsgericht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen die mit Ziffer 4 des Bescheides vom 12. Juli 2018 erfolgte Androhung der Ersatzvornahme abgelehnt hat.
Das Verwaltungsgericht hat angenommen, dass die Androhung der Ersatzvornahme keinen rechtlichen Bedenken begegnet, ohne in diesem Zusammenhang auf die Frage einer erforderlichen Duldungsverfügung einzugehen. Die Antragstellerin beanstandet demgegenüber zu Recht, dass der von ihr errichtete Zugangssteg im Gemeinschaftseigentum der W...‘ stehe und der Antragsgegner die Beseitigungsverfügung nicht vollziehen dürfe, ohne zuvor die Rechte des Dritten zu regeln.
Ein in ein Gewässer hineinragender Bootssteg – wie der hier in Rede stehende Zugangssteg – ist ungeachtet seiner festen Verbindung durch Stützpfähle mit dem Gewässergrundstück in seiner Gesamtheit wesentlicher Bestandteil des Grundstückes, von dem aus der Steg angelegt ist (vgl. BGH, Urteil vom 30. November 1966 – V ZR 199/63 –, juris, Rn. 24). Der von der Antragstellerin errichtete Zugangssteg wurde – hiervon geht der Bescheid des Antragsgegners vom 12. Juli 2018, Ziffer 1, selbst aus – vor dem Grundstück M... in … Berlin errichtet. Der im Verwaltungsvorgang des Antragsgegners befindliche Grundbuchauszug (... weist Herrn S... als Miteigentümer des Grundstückes M... aus; diesen hat die Antragstellerin ausweislich der von ihr vorgelegten Übersicht „Eigentümer und werdende Eigentümer mit Sondernutzungsrecht an der Steganlage der O... als ein Mitglied der W... benannt. Ausgehend hiervon sind Rechte Dritter an dem Zugangssteg, dessen Beseitigung der Antragsgegner der Antragstellerin aufgegeben hat, hinreichend belegt.
Die Androhung der Ersatzvornahme stellt eine Vollstreckungsmaßnahme dar, der – sollte sie wegen dieses Mangels nicht sogar materiell rechtswidrig sein – zumindest ein Vollstreckungshindernis entgegensteht, wenn die durchzuführende Ersatzvornahme – wie hier – zwingend mit der Inanspruchnahme des Eigentums Dritter einhergeht, es jedoch an einer Duldungsverfügung gegenüber dem Eigentümer fehlt (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 3. September 2018 – 11 A 546/15 –, juris Rn. 70 m.w.N.). Dabei kann hier dahinstehen, ob die Duldungsverfügung an die Wohnungseigentümergemeinschaft oder deren Mitglieder zu richten ist (vgl. zur Teilrechtsfähigkeit einer WEG: BGH, Beschluss vom 2. Juni 2005 – V ZB 32/05 – juris), da jedenfalls Eigentum eines Dritten betroffen ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 155 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Die Kostenverteilung berücksichtigt, dass die Bedeutung der Androhung von Zwangsmitteln in Anlehnung an Ziffer 1.7.1 des Streitwertkatalogs mit ca. 1/8 des Streitwerts der zugehörigen Hauptsache zu bemessen ist.
Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG, die Abänderung des erstinstanzlich festgesetzten Streitwerts zudem auf § 63 Abs. 3 Nr. 2 GKG. Bei der Bestimmung des Streitwerts legt der Senat Bezug nehmend auf Ziffer 51.2.3 des Streitwertkatalogs zunächst für die angeordnete Beseitigung des Steges einschließlich eines Liegeplatzes den Regelstreitwert zu Grunde und berücksichtigt mit Blick auf die dort liegenden drei Motorboo für die zwei weiteren Liegeplätze jeweils 750,- Euro. Zu dem sich hieraus ergebenden Betrag von 6.500,- Euro sind die veranschlagten Kosten der Ersatzvornahme zu addieren, allerdings nur bezogen auf den Zugangssteg, nicht jedoch auf die Anbindepfähle, denn insofern hat die Antragstellerin weder Widerspruch erhoben noch Antrag auf Eilrechtsschutz gestellt. Den resultierenden Betrag von (6.500,- Euro + 3.000,- Euro=) 9.500,- Euro hat der Senat mit Bezug auf das Eilverfahren halbiert.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).