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Asylrecht - Hauptsacheverfahren


Metadaten

Gericht VG Potsdam 11. Kammer Entscheidungsdatum 13.12.2012
Aktenzeichen VG 11 KE 49/12 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 33 RVG, § 55 RVG, § 56 RVG, Nr 1002 RVG-VV, Nr 1003 RVG-VV

Tenor

Der Erinnerung wird nicht abgeholfen. Die Sache wird dem Oberverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.

Der Erinnerungsführer macht einen Anspruch auf PKH-Vergütung gegen die Staatskasse geltend. Er war Prozessbevollmächtigter der Aktivpartei in dem auf Anerkennung als Asylberechtigte, Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG sowie hilfsweise Feststellung der Abschiebeverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG gerichteten Verpflichtungsklageverfahren VG 6 (7) K 652/10.A (nachfolgend kurz "Ausgangsverfahren").

Der Einzelrichter der 6. Kammer verhandelte das Ausgangsverfahren am 27. Januar 2012. Ausweislich der Sitzungsniederschrift – Blatt 56 bis 57R der Gerichtsakte des Ausgangsverfahrens – war für die Beklagte des Ausgangsverfahrens kein Terminsvertreter anwesend. Der Verlauf der Verhandlung stellt sich wie folgt dar: Zunächst erhielt die Aktivpartei Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag; sodann wies der Einzelrichter darauf hin, dass die Klage keine Aussicht auf Erfolg haben dürfte, soweit sie auf die Asylanerkennung sowie den Flüchtlingsstatus nach § 60 Abs. 1 AufenthG gerichtet sei, dass jedoch Abschiebeschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zuzusprechen sein dürfte. Im Anschluss an diese Hinweise des Einzelrichters stellte der Erinnerungsführer namens seiner Mandanten einen Prozesskostenhilfeantrag – so wörtlich – "soweit mit der Klage Flüchtlingsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG begehrt wird". Anschließend wurde ein mit wörtlich derselben Einschränkung versehener PKH-Beschluss verkündet. Sodann beantragte der Erinnerungsführer namens seiner Mandanten, festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Afghanistans vorliegen, und nahm die Klage im Übrigen zurück. Am Ende der Verhandlung wurde ein Verkündungstermin anberaumt.

Nach Übersendung der Sitzungsniederschrift erklärte die Beklagte des Ausgangsverfahrens mit Schriftsatz vom 14. Februar 2012, sie sichere für den Fall der Klagerücknahme zu, ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG festzustellen. Mit Schriftsatz vom 15. Februar 2012 nahm der Erinnerungsführer namens seiner Mandanten die Klage zurück. Der Einzelrichter der 6. Kammer stellte das Ausgangsverfahren durch Beschluss vom 22. Februar 2012 ein und erlegte den Klägern die Kosten des (gerichtskostenfreie) Verfahrens auf.

Unter dem 17. September 2012 beantragte der Erinnerungsführer die Festsetzung der PKH-Vergütung in Höhe von 897,84 EUR. Der Betrag errechnete sich aus Verfahrensgebühr, Terminsgebühr, Einigungsgebühr, Post/Telekompauschale, Fahrtkosten und Mehrwertsteuer. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle forderte den Erinnerungsführer mit Verfügung vom 24. September 2012 auf, die Einigungsgebühr zu begründen und die Fahrtkosten (wegen Unleserlichkeit) zu erläutern. Mit Schriftsatz vom 1. Oktober 2012 teilte der Erinnerungsführer mit: Die Einigungsgebühr sei angefallen, weil die Kläger des Ausgangsverfahrens im Termin zunächst auf ein Urteil verzichtet hätten, obwohl der Einzelrichter die Klage hinsichtlich des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG für begründet erachtet habe, und so der Beklagten des Ausgangsverfahrens die Möglichkeit eröffnet hätten, eine entsprechende Zusicherung abzugeben, woraufhin die Klage trotz der Kostenfolge insgesamt zurückgenommen und dem Gericht die Abfassung eines Urteils erspart worden sei.

Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle setzte die PKH-Vergütung mit Festsetzungsverfügung vom 17. Oktober 2012 auf 638,33 EUR fest. Zur Begründung hinsichtlich der Kürzungen gegenüber dem Festsetzungsantrag führte sei darin aus: Die Erledigungsgebühr sei abzusetzen, weil eine über die mit der Verfahrensgebühr abgegoltene allgemeine Verfahrensförderung hinausgehende Mitwirkung des Erinnerungsführers am Zustandekommen der Erledigung nicht erkennbar sei. Hinsichtlich der Fahrtkosten sei die Entfernungsangabe aus dem Schriftsatz vom 1. Oktober 2012 zugrunde gelegt worden. Beide Absetzungen führten zu einer entsprechenden Verminderung der Mehrwertsteuer.

Die Festsetzungsverfügung wurde dem Erinnerungsführer am 24. Oktober 2012 zugestellt. Der Erinnerungsführer hat mit Schriftsatz vom 30. Oktober 2012 am 2. November 2012 Erinnerung eingelegt.

Der Erinnerungsführer trägt vor: Die Erledigungsgebühr sei zu Unrecht abgesetzt worden. Er habe selbstredend an der Erledigung des Falles mitgewirkt. Zunächst habe mit den Klägern erörtert werden müssen, ob trotz der Hinweise des Einzelrichters die Klage auch hinsichtlich der Asylanerkennung und des weitergehenden Flüchtlingsschutzes weitergeführt oder insoweit zurückgenommen werden sollte. Die Klagerücknahme insoweit sei auf ausdrückliches anwaltliches Anraten erfolgt und wäre ohne dieses ausgeblieben. Sodann hätten die Kläger ebenfalls aufgrund Anratens des Erinnerungsführers im Termin zunächst auf ein Urteil verzichtet, obwohl der Einzelrichter die Klage hinsichtlich des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG für begründet erachtet habe. Auch dies wäre ohne die anwaltliche Mitwirkung nicht erfolgt, zumal es zur Folge gehabt habe, dass die Kläger trotz Obsiegens auch insoweit mit den Kosten belastet worden seien. Ferner sei die Ansetzung für die Fahrtkosten zu verdoppeln, weil sich die Entfernungsangabe in dem zitierten Schriftsatz auf die einfache Entfernung bezogen habe.

Mit Teilabhilfebeschluss vom 23. November 2012 hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle der Erinnerung abgeholfen, soweit diese sich auf die Fahrtkosten bezog; ferner hat die Urkundsbeamtin den Teilabhilfebeschluss mit Berichtigungsbeschluss vom 13. Dezember 2012 hinsichtlich der auf die nachbewilligten Fahrtkosten entfallenen Mehrwertsteuer berichtigt. Im Übrigen, d.h. wegen der Erledigungsgebühr in Höhe von 195,00 EUR (netto, mit anteiliger Mehrwertsteuer 232,05 EUR) hat die Urkundsbeamtin der Erinnerung nicht abgeholfen und die Sache dem Gericht zur Entscheidung vorgelegt. Die Urkundsbeamtin führt zur Begründung der teilweisen Nichtabhilfe aus: Das bloße Herbeiführen einer verfahrensbeendenden Erklärung allein löse die Erledigungsgebühr nicht aus. Die Besprechungen zwischen dem Erinnerungsführer und seinen Mandanten fielen unter die mit der Verfahrensgebühr bereits abgegoltene Verpflichtung des Erinnerungsführers, seinen Mandanten zu einem verfahrensmäßig angemessenen Vorgehen zu raten.

II.

Die zulässige, insbesondere fristgerecht erhobene Erinnerung ist insoweit, wie ihr die Urkundsbeamtin nicht bereits abgeholfen hat, unbegründet.

Der Erinnerungsführer hat keinen Anspruch auf Festsetzung einer Erledigungsgebühr im Sinne der Ziffer 1003 des Gebührenverzeichnisses zum RVG nebst anteiliger Mehrwertsteuer.

Eine Erledigungsgebühr nach § 2 Abs. 2 S. 1 RVG i.V.m. Nr. 1003 VV-RVG kommt nicht in Betracht, denn der Rechtsstreit hat sich nicht "durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt", wie sie in der Erläuterung zu Nr. 1002 VV-RVG gefordert wird. Die anwaltliche Mitwirkung nach Nr. 1002 VV-RVG setzt regelmäßig eine qualifizierte besondere Tätigkeit des Rechtsanwalts voraus, denn Ziel der Einigungsgebühr ist es, die streitvermeidende oder -beendende Tätigkeit des Rechtanwalts zu fördern und damit gerichtsentlastend zu wirken.

Eine derartige qualifizierte Tätigkeit des Erinnerungsführers, die zur Erledigung des Rechtsstreits beigetragen hätte, ist hier nicht ersichtlich. Der Erinnerungsführer beruft sich hier allein auf seine Einwirkung auf die eigenen Mandanten. Zwar wird in den Kommentaren zum RVG auch die Einwirkung auf den (von den Kommentarverfassern offenbar als besonders störrisch oder einigungsunwillig unterstellten) eigenen Mandanten als Regelbeispiel für eine solche qualifizierte Tätigkeit angesehen (vgl. Gerold/Schmidt, RVG, 19. Auflage 2010, VV 1002 Randnr. 50+51). Eine solche Einwirkung auf den eigenen Mandanten ist hier jedoch nicht erledigungskausal.

Der Erinnerungsführer will zunächst auf die eigenen Mandanten eingewirkt haben, damit diese nur noch Abschiebeschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG beantragen und die ursprünglich weitergehende Klage zurücknehmen. Zwar mag diese Einwirkung des Erinnerungsführers auf die Kläger des Ausgangsverfahrens an sich den Tatbestand der Mitwirkung des Rechtsanwalts ausfüllen. Dies ist für die vorliegend in Streit stehende PKH-Vergütung jedoch irrelevant, denn der Erinnerungsführer hat PKH ausschließlich für die Geltendmachung des Abschiebeschutzes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG beantragt und bewilligt bekommen. Die Bemühungen des Erinnerungsführers bezüglich solcher Teile des Streitgegenstandes, die nicht von der PKH-Bewilligung umfasst werden, mögen daher lobenswert sein, können jedoch die Bemessung der PKH-Vergütung nicht beeinflussen.

Der Erinnerungsführer will ferner auf die eigenen Mandanten eingewirkt haben, damit diese nicht auf einer sofortigen Urteilsverkündung bestehen, sondern sich damit einverstanden erklären, dass der im Termin abwesenden Beklagten des Ausgangsverfahrens durch Anberaumung eines Verkündungstermins Gelegenheit zur Klaglosstellung gegeben wird. Insoweit übersieht der Erinnerungsführer, dass seine Mandanten keinen Anspruch auf die sofortige Verkündung eines sogenannten "Stuhlurteils" haben; vielmehr steht es allein im Ermessen des Gerichts, ob sofort oder am Ende des Sitzungstages oder erst in einem gesonderten Verkündungstermin eine Entscheidung verkündet wird. Eine ausdrückliche Zustimmung der Mandanten des Erinnerungsführers zu der von dem Einzelrichter praktizierten Verfahrensweise mag erfreulich sein und zu einer entspannten Sitzungsatmosphäre beigetragen haben, war aber schon mangels Erforderlichkeit nicht kausal dafür, dass der erkennende Einzelrichter sein Ermessen zur weiteren Verfahrensgestaltung in einer bestimmten Weise ausgeübt hat.

Die Abgabe der Rücknahmeerklärung, nachdem die Beklagte des Ausgangsverfahrens mit Schriftsatz vom 14. Februar 2012 Abhilfe zugesichert hatte, genügt als Mitwirkung des Erinnerungsführers nicht (vgl. Gerold/Schmidt, a.a.O. Randnr. 43).

Soweit mangels Begründetheit der Erinnerung eine Abhilfe nicht in Betracht kommt, hat das Gericht nicht selbst zu entscheiden, sondern die Sache dem nächsthöheren Gericht vorzulegen, § 56 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 33 Abs. 4 Satz 2 RVG. Dies gilt auch, wenn – wie hier – lediglich eine Teilabhilfe stattgefunden hat, und zwar unabhängig von der Frage, ob der verbliebene Teil der Beschwerde allein noch den Beschwerdewert erreicht (vgl. Bischof/Jungbauer/Bräuer/Curkovic/Mathias/Uher, RVG, 4. Auflage, § 33 Randnr. 42).

III.

Diese Entscheidung war gemäß § 56 Abs. 2 in Verbindung mit § 33 Abs. 8 RVG durch den Einzelrichter zu treffen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 56 Abs. 2 Sätze 2 und 3 RVG.

Einer Rechtsmittelbelehrung bedarf es wegen des Anfalls der Sache bei dem Oberverwaltungsgericht nicht.