1
. Die Parteien streiten über die Wirksamkeit zweier Kündigungen, die die Beklagte gegenüber dem Kläger mit Schreiben vom 29. Juni 2009 und vom 08. Juli 2009 ausgesprochen hat. Der Kläger war zunächst auf der Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages als „Head of legal Departement“ bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin tätig und wurde mit Beschluss vom 14. Juli 2008 zum Vorstand bestellt, ohne dass die Parteien dazu eine schriftliche Vereinbarung getroffen haben. Nach einem Beschluss des Vorstandes vom 29. Juni 2009, ihn mit sofortiger Wirkung abzuberufen, kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 29. Juni 2009 ebenso wie mit Schreiben vom 8. Juli 2009 das mit dem Kläger bestehende Dienstverhältnis.
Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger die Feststellung, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis weder durch die Kündigung vom 29. Juni 2009 noch durch die Kündigung vom 8. Juli 2009 aufgelöst worden ist. Zur Begründung macht er insbesondere geltend, sein ursprüngliches Arbeitsverhältnis sei durch die Bestellung zum Vorstand nicht aufgehoben, sondern ruhend gestellt worden. Mit der Abberufung sei es wieder aufgelebt und durch die Kündigungen nicht beendet worden.
Nachdem die Beklagte den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten gerügt hat, hat das Arbeitsgericht Berlin mit Beschluss vom 29. Oktober 2009 den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für zulässig erachtet. Es hat dies im Wesentlichen damit begründet, mangels Abschluss eines schriftlichen Anstellungsvertrages als Organvertreter sei der Arbeitsvertrag vom 30. April 2007 wegen fehlender Schriftform nach § 623 BGB nicht aufgehoben worden. Vielmehr sei im Zweifel davon auszugehen, dass die Parteien den Arbeitsvertrag ruhend gestellt hätten. Für dieses ruhende Arbeitsverhältnis gelte die Fiktion des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG nicht.
Gegen diesen der Beklagte am 20. November 2009 zugestellten Beschluss richtet sich ihre am 4. Dezember 2009 eingegangene sofortige Beschwerde, in der die Beklagte weiterhin davon ausgeht, zwischen den Parteien bestünde nur ein Vertragsverhältnis. Der Arbeitsvertrag habe sich in einen Dienstvertrag als Vorstand stillschweigend weiterentwickelt, ohne dass dafür die Schriftform habe eingehalten werden müssen. Der Kläger mache den Fortbestand dieses Vertragsverhältnisses geltend. Dafür sei aber das Landgericht zuständig.
Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 16. Dezember 2009 der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen.
2
. Die nach den §§ 48 ArbGG, 17a Abs. 4 Satz 3 GVG, 78 ArbGG, 567 Abs. 1 ZPO statthafte und insgesamt zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist für den vorliegenden Rechtsstreit nach § 2 Abs. 1 Nr. 3b ArbGG gegeben. Die Regelung in § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG steht dem nicht entgegen.
2.1
Nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b ArbGG sind die Gerichte für Arbeitssachen zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern über das Bestehen oder das Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses. Wer Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsgerichtsgesetzes ist, bestimmt § 5 ArbGG. Nach § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG gelten in Betrieben einer juristischen Person oder Personengesamtheit Personen nicht als Arbeitnehmer, die kraft Gesetzes, Satzung oder Gesellschaftsvertrags allein oder als Mitglieder des Vertretungsorgans zur Vertretung der juristischen Person oder der Personengesamtheit berufen sind. Die Fiktion des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG gilt unabhängig davon, ob das der Organstellung zugrunde liegende Rechtsverhältnis materiell-rechtlich ein freies Dienstverhältnis oder ein Anstellungsverhältnis ist (
BAG v. 23.8.2001 – 5 AZB 9/01 - EzA § 5 ArbGG 1979 Nr. 36
). Auch wenn das Anstellungsverhältnis zwischen juristischer Person und Vertretungsorgan wegen starker interner Weisungsabhängigkeit als Arbeitsverhältnis anzusehen sein sollte und deshalb dem materiellen Arbeitsrecht unterliegt, sind zur Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten aus dieser Rechtsbeziehung wegen § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG, § 13 GVG die ordentlichen Gerichte berufen. Nur dann, wenn die Rechtsstreitigkeit zwischen dem Mitglied des Vertretungsorgans und der juristischen Person nicht das der Organstellung zugrunde liegende Rechtsverhältnis, sondern eine weitere Rechtsbeziehung betrifft, greift die Fiktion des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG nicht ein (
BAG v. 03.02.2009 – 5 AZB 100/08 – DB 2009, 907; v. 20.08.2003 – 5 AZB 79/02 – BAGE 107,165 f. jeweils zu Geschäftsführern).
In der Regel kann dabei die weitere Rechtsbeziehung nicht in einem während der Bestellung zum Vertretungsorgan ruhendem Arbeitsverhältnis gesehen werden, da im Abschluss des Dienstvertrages durch einen angestellten Mitarbeiter im Zweifel die konkludente Aufhebung des bisherigen Arbeitsverhältnisses liegt (
BAG v. 03.02.2009 – 5 AZB 100/08 – DB 2009, 907 f.).
Dem Arbeitnehmer muss im Regelfall klar sein, dass er, wenn nicht anderes vereinbart wird, mit dem Abschluss eines solchen Dienstvertrages seinen Status als Arbeitnehmer aufgibt. Die vertraglichen Beziehungen werden auf eine neue Grundlage gestellt, die bisherige Grundlage verliert ihre Bedeutung. Eine andere Auslegung kommt nur in Ausnahmefällen in Betracht, für die zumindest deutliche Anhaltspunkte vorliegen müssen.
Das Schriftformerfordernis des § 623 BGB für den Auflösungsvertrag wird durch den schriftlichen Dienstvertrag gewahrt; denn aus diesem ergibt sich die Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinreichend deutlich, soweit nicht etwas anderes vereinbart wird (
BAG v. 03.02.2009 – 5 AZB 100/08- a. a. O.).
.
2.2
Unter Berücksichtigung und in Anwendung dieser Grundsätze hat das Arbeitsgericht zu Recht den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für die hier streitigen Kündigungen bejaht. Vorliegend hat der Kläger deutliche Anhaltspunkte für das Vorliegen von zwei, voneinander unterscheidbaren Vertragsverhältnissen dargelegt, nämlich das unbefristete Arbeitsverhältnis, dessen Ruhen und Fortbestand der Kläger geltend macht, und das der Tätigkeit des Klägers als Vorstand zugrunde liegende Vertragsverhältnis. Mit der Bestellung des Klägers zum Vorstand haben die Parteien das unbefristete Arbeitsverhältnis weder wirksam aufgehoben noch formlos inhaltlich zu einem Vorstandsarbeitsverhältnis erweitert, das fortan allein maßgeblich für die Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien gewesen wäre.
2.2.1
Unstreitig stand der Kläger vor seiner Bestellung zum Vorstand der Beklagten in einem unbefristeten Arbeitsvertrag zu der Beklagten. Diesen unbefristeten Arbeitsvertrag haben die Parteien nicht durch Vereinbarungen über die Bestellung des Klägers als Vorstand konkludent aufgehoben. Für die Aufhebung des Arbeitsvertrages fehlte es an der nach § 623 BGB erforderlichen Schriftform. Weder existiert ein schriftlicher Aufhebungsvertrag noch wurde die Schriftform durch den Abschluss eines schriftlichen Vorstands-Dienstvertrag gewahrt. Ein solcher wurde gerade nicht schriftlich abgeschlossen.
2.2.2
Auch eine Änderung und Ablösung des bestehenden unbefristeten Arbeitsvertrages durch eine inhaltliche Erweiterung auf ein „Vorstands-Arbeitsverhältnis“ kam in der vorliegenden Konstellation formlos nicht in Betracht.
2.2.2.1
Zu einer solchen inhaltlichen Erweiterung eines Arbeitsvertrages hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg in der von der Beklagten angeführten Entscheidung (
LAG Berlin-Brandenburg v. vom 26.01.2009 - 6 Ta 174/09 - LAGE § 5 ArbGG 1979 Nr. 14
) für die Bestellung eines Arbeitnehmers zum Geschäftsführer ohne Abschluss eines schriftlichen Geschäftsführervertrages ausgeführt, Grundlage für die Geschäftsführerbestellung bilde das nur inhaltlich geänderte Arbeitsverhältnis, neben das keine weitere Rechtsbeziehung getreten sei, mit der Folge, dass für den Streit über die Wirksamkeit der Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG ausgeschlossen sei. Es fehle dann an einer klar unterscheidbaren Doppelstellung als Arbeitnehmer und Geschäftsführer.
2.2.2.2
Eine solche inhaltliche Erweiterung des unbefristeten Arbeitsvertrages des Klägers als schuldrechtliche Grundlage für seine Tätigkeit als Vorstand konnte hier indes nicht angenommen werden. Zwar bedurfte es auch hier für die Tätigkeit des Klägers als Vorstand grundsätzlich einer schuldrechtlichen Grundlage, die noch nicht allein durch die Bestellung zum Vorstand begründet wird. Das Organverhältnis ist von dem Anstellungsverhältnis des Vorstandes, das der Bestellung zugrunde liegt, zu unterscheiden. Grundlage für das Anstellungsverhältnis konnte jedoch nicht ein nur inhaltlich geänderter Arbeitsvertrag sein. Anders als der Geschäftsführer, bei dem je nach Ausgestaltung des Geschäftsführervertrages bei entsprechender Weisungsgebundenheit auf der Grundlage eines Arbeitsvertrages tätig werden kann, ist der Vorstand wegen der ihm nach § 76 Abs. 1 AktG zugewiesenen autonomen Leitungsbefugnis und der damit verbundenen Weisungsungebundenheit kein Arbeitnehmer (
MünchKomm AktG 3. Aufl. § 84 Rz.51 m.w.N
). Für die Umwandlung des Arbeitsverhältnisses in einen Vorstandsanstellungsvertrag, der nicht Arbeitsvertrag wäre, bedürfte es aber dann der Schriftform nach § 623 BGB, da dies der Beendigung des Arbeitsvertrages gleichkäme.
Die konkludenten Erklärungen der Parteien zum Anstellungsvertrag als Vorstand konnten aber auch nicht ohne weiteres dahingehend ausgelegt werden, dass der unbefristete Arbeitsvertrag nur inhaltlich geändert als Grundlage für die Anstellung des Klägers als Vorstand dienen und dieser fortan allein maßgeblich für die Rechtsbeziehungen der Parteien sein sollte. Vielmehr war hier – wie das Arbeitsgericht bereits ausgeführt hat – davon auszugehen, dass die Parteien das unbefristete Arbeitsverhältnis für die Zeit des Vorstandsanstellungsvertrages zum Ruhen gebracht haben.
Sollte als Grundlage der Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien allein der inhaltlich erweiterte Arbeitsvertrag des Klägers dienen, hätten die Parteien das unbefristete Arbeitsverhältnis zugleich formlos in einen befristeten Anstellungsvertrag umgewandelt. Denn der Anstellungsvertrag zum Vorstand kann gemäß § 84 Abs. 1 Satz 5 i. V. mit Satz 1 AktG auf höchstens 5 Jahre geschlossen werden. Ein unbefristeter Vertrag ist auch dann nicht zulässig, wenn die Möglichkeit der ordentlichen Kündigung vorgesehen wird. Wird ein unbefristeter Vertrag geschlossen, erweist sich dieser nicht als unwirksam, gilt aber auf die von Gesetzes wegen zulässige Zeit begrenzt
(vgl. BAG v. 26.08.2009 – 5 AZR 522/08 – DB 2009, 2480-2482)
. Der Annahme einer solchen konkludenten vollständigen Ablösung des Arbeitsvertrages durch den Vorstandsvertrag stand indes der Sinn und Zweck des Schriftformerfordernisses nach § 14 Abs. 4 TzBfG entgegen.
Das Schriftformerfordernis dient der Rechtsklarheit. Dem Arbeitnehmer soll anders als bei dem Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrags deutlich vor Augen geführt werden, dass sein Arbeitsverhältnis mit dem Abschluss des befristeten Vertrags zu einem bestimmten Zeitpunkt automatisch enden wird und daher keine dauerhafte Existenzgrundlage bilden kann
(BAG v 03.09.2003 - 7 AZR 106/03 AP Nr 4 zu § 14 TzBfG).
Diese Warnfunktion wäre aber bei der Annahme einer vollständigen Ablösung des unbefristeten Arbeitsvertrages durch den Vorstandsanstellungsvertrag nicht gewahrt. Für den Kläger wurde aus dem konkludenten Abschluss des Vorstandsanstellungsvertrags gerade nicht hinreichend deutlich, dass er damit seinen Status als Arbeitnehmer und zwar auf der Grundlage eines unbefristeten Arbeitsvertrages vollständig aufgibt.
2.3
Fehlte es aber an einer Beendigung bzw. Ablösung des unbefristeten Arbeitsvertrages durch den Vorstandsanstellungsvertrag, war von einer klar unterscheidbaren Doppelstellung als Arbeitnehmer und Vorstandsmitglied auszugehen. Für die Frage der Beendigung des vom Vorstandsanstellungsvertrag zu trennenden Arbeitsverhältnisses ist der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten gegeben.
3
. Aus diesen Gründen war die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin zurückzuweisen, mit der Folge, dass die Beklagte gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu tragen hat. Der Verfahrenswert war auf ein Drittel des Hauptsachestreitwertes festzusetzen (vgl. BAG v. 3.2.2009 5 AZB 100/08 – a. a. O.).
4
. Mangels grundsätzlicher Bedeutung oder Divergenz zur höchstrichterlichen Rechtsprechung bestand kein Anlass, die Rechtsbeschwerde gemäß § 17a Abs. 4 Satz 5 GVG zuzulassen.