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Entscheidung S 27 KR 145/11


Metadaten

Gericht SG Frankfurt (Oder) 27. Kammer Entscheidungsdatum 18.12.2012
Aktenzeichen S 27 KR 145/11 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 13 Abs 3 SGB 5, § 6 Abs 2 GOÄ

Leitsatz

Erklärt die Krankenkasse durch Bescheid dem Grunde nach die Inanspruchnahme einer privatärztlichen Leistung zu Lasten der gesetzlichen Krankenkasse durch den Versicherten für zulässig, muss die Krankenkasse auch die Kosten der privatärztlichen Leistung in voller Höhe lediglich begrenzt durch die Bestimmungen für privatärztliche Leistungen erstatten. Die Kostenübernahme kann dann nicht unter Verweis auf das Sachleistungsprinzip (teilweise) abgelehnt werden.

Tenor

1. Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheids vom 24.02.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.08.2011 verurteilt, dem Kläger für die am 04.07.2011, 13.07.2011, 01.08.2011, 10.08.2011, 29.08.2011 und 07.09.2011 verabreichten intravitrealen Injektionen des Medikaments Lucentis weitere 1.494,30 € zu erstatten.

2. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte zur Übernahme der Kosten für die intravitreale Injektion des VEGF-Hemmers Lucentis® verpflichtet ist.

Der 1950 geborene Kläger leidet an einer beidseitigen Visusbeeinträchtigung infolge eines diabetischen Makulaödems. Hierbei handelt es sich um eine Folgeerkrankung des beim Kläger diagnostizierten Diabetes mellitus. Es kommt zu einer Beschädigung der Gefäßwände der Netzhaut und zur zusätzlichen Bildung von kleinen Gefäßausbuchtungen, so genannten Mikroaneurysmen. Tritt Flüssigkeit aus diesen aus, kann sich im Bereich der Makula eine Schwellung (Ödem) bilden. Man spricht dann vom diabetischen Makulaödem. Der Körper versucht hierauf zu reagieren, indem er vermehrt Wachstumsfaktoren wie den VEGF (Vascular Endothelial Growth Factor) produziert, die eine Neubildung von Blutgefäßen vorantreiben. Im Ergebnis führt dies jedoch zu einer weiteren Verschlechterung des Sehvermögens bis hin zur vollständigen Erblindung (vgl. hierzu Fath, in: Deutsches Ärzteblatt 108, Heft 12, S. A-659).

Therapieoption ist insoweit der Einsatz eines VEGF-Hemmers. Zur Anwendung am Auge verfügt jedoch derzeit allein der Wirkstoff Ranibizumab, der unter dem Handelsnamen Lucentis® vertrieben wird, über eine entsprechende arzneimittelrechtliche Zulassung. Es handelt sich hierbei um einen technisch hergestellten Antikörper, für den in Studien gezeigt werden konnte, dass er sowohl in Kombination mit Laser als auch als alleinige Therapie zu einer signifikanten Verbesserung der Sehkraft führen kann. Ranibizumab wirkt durch die Blockade des VEGF (vaskulärer endothelialer Wachstumsfaktor), der bei diabetischem Makulaödem vermehrt nachgewiesen wird. Somit wirkt die Substanz auch der Neubildung von schadhaften Blutgefäßen entgegen (vgl. zum Ganzen: Informationen der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft, http://www.akdae.de/Arzneimitteltherapie/NA/Archiv/2011022-Lucentis.pdf).


Das Medikament wird direkt ins Auge gespritzt; zu Beginn der Therapie häufiger, bis eine Verbesserung des klinischen Befunds eingetreten ist. Der Antikörper wird nur dann erneut verabreicht, wenn im Zuge der erforderlichen monatlichen Nachkontrollen wieder ein signifikanter Verlust der Sehkraft festgestellt wird.

Am 22.02.2011 beantragte der Kläger die Übernahme der Kosten für die Durchführung von zunächst 3 intravitrealen Injektionen (IVI) von Lucentis® (je Auge). Der von der Klinik für Augenheilkunde des „W. Krankenhauses E.“ (im Folgenden: Augenklinik) ausgestellte Kostenvoranschlag wies insoweit ein ärztliches Honorar pro IVI in Höhe von 335,15 € analog Ziffer 1383 der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) zuzüglich der OP-Sachkosten in Höhe von 18,63 € sowie ein ärztliches Honorar in Höhe von ca. 80,00 € für eine Nachuntersuchung aus.

Mit Bescheid vom 24.02.2011 teilte die Beklagte dem Kläger daraufhin mit, sie beteilige sich an den Kosten der beantragten 1. bis 3. Injektionen am rechten und linken Auge. Pro Injektion würden Kosten der privatärztlichen Leistung in Höhe von 153,03 € übernommen. Das Arzneimittel Lucentis® sei als Kassenrezept zu verordnen. Eine Rechtsmittelbelehrung enthielt der Bescheid nicht.

Mit Schreiben seines damaligen Bevollmächtigten vom 16.03.2011 bat der Kläger sodann die Beklagte um nähere Erläuterung, welche Kostenpositionen im Einzelnen von der Beklagten übernommen würden. Beigefügt war der Anfrage die am 21.02.2011 vom Kläger mit der Augenklinik abgeschlossene privatärztlichen Vereinbarung vom 21.02.1011, die aufgeschlüsselt nach einzelnen Gebührenziffern der GOÄ ein ärztliches Gesamthonorar einschließlich der Nachuntersuchung exklusive Arzneimittelkosten in Höhe von 415,15 € auswies.

Mit Schreiben vom 17.03.2011 teilte die Beklagte dem Kläger sodann mit, es würde lediglich ein Betrag in Höhe von 153,03 € pro Injektion erstattet. Vom Kläger seien damit pro Injektion 262,12 € selbst zu tragen.

Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 01.06.2011 erhob d. Kläger sodann gegen den Bescheid vom 24.02.2011 Widerspruch mit der Begründung, angesichts der fehlenden Abrechnungsfähigkeit der IVI mangels EBM-Ziffer als vertragsärztliche Leistung liege ein Systemversagen im Sinne der Rechtsprechung des BSG vor. Für eine bloße Zuschussleistung lasse das Gesetz insoweit keinen Raum.

Mit Schreiben vom 15.06.2011 teilte die Beklagte dem Kläger daraufhin mit, die IVI könne derzeit mangels EBM-Ziffer nicht im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung, sondern nur auf privatärztlicher Basis erbracht werden. Die Abrechnung habe auf Basis der GOÄ zu erfolgen. Insoweit sei mangels ausdrücklicher Gebührenziffer jedoch nicht auf die Gebührenziffer 1383 analog, sondern auf die GOÄ-Ziffern 256 und 445 zurückzugreifen. Hieraus ergebe sich eine Kostenbeteiligung in Höhe von lediglich 153,03 €. Ungeachtet dessen habe die Beklagte mit verschiedenen Leistungsträgern eine Vereinbarung geschlossen. Die dieser Vereinbarung angeschlossenen Augenärzte würden für jedes Auge bis zu 3 Injektionen im Sachleistungsprinzip erbringen. Die vermeintliche Lücke im vertragsärztlichen System sei somit bis zur Aufnahme der IVI in den EBM-Katalog außerhalb dieses Systems geschlossen.

In der Folgezeit teilte die Beklagte dem Kläger mit mehreren Schreiben Name und Praxissitz von Augenärzten mit, die eine Behandlung des Klägers ohne Kostenbeteiligung (mit Ausnahme der gesetzlichen Zuzahlung) desselben erbringen würden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 04.08.2011 wies die Beklagte sodann den Widerspruch des Klägers zurück. Die Begründung entspricht im Wesentlichen dem Schreiben der Beklagten vom 15.06.2011.

Mit der am 09.08.2011 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Zur Begründung verweist der Kläger u. a. auf § 13 Abs. 3 SGB V, wonach die Kosten der IVI in der entstandenen Höhe zu erstatten seien. Eine bloße Kostenbeteiligung sei dort nicht vorgesehen. Die Beklagte könne auch nicht auf den mit einzelnen Augenärzten geschlossenen Versorgungsvertrag verweisen. Denn mit diesem würde die freie Arztwahl eingeschränkt. Zudem werde mit dem Versorgungsvertrag keine flächendeckende Versorgung der Versicherten sichergestellt. Die nächste von der Beklagten benannte Behandlungsmöglichkeit des Klägers sei von dessen Wohnort 50 km entfernt. Für Standardleistungen wie die IVI, pro Jahr würden in Brandenburg weit mehr als 1.000 IVI’en durchgeführt, sei nach der BSG-Rechtsprechung lediglich eine Entfernung zum nächsten Vertragsarzt von 25 km zumutbar. Darüber hinaus sei die Teilnahme der Versicherten am Versorgungsvertrag freiwillig. Die dem Versorgungsvertrag der Beklagten angeschlossenen Ärzte würden zudem eine Vergütung in Höhe von 290,00 € erhalten. Das von der Beklagten für die reduzierte Kostenübernahme angeführte Gebot der Wirtschaftlichkeit werde damit auch von dem Versorgungsvertrag verletzt.

Der Kläger beantragt zuletzt,

die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 24.02.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.08.2011 zu verurteilen, dem Kläger für die ihm am 04.07.2011, 13.07.2011, 01.08.2011, 10.08.2011, 29.08.2011 und 07.09.2011 verabreichte intravitreale Injektion des Medikaments Lucentis® weitere 1.494,30 € zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte meint, eine Versorgungslücke bestehe gegenwärtig nicht mehr. Allein im Land Brandenburg hätten sich bereits 118 Augenärzte an dem Versorgungsvertrag beteiligt. 24 davon würden die IVI vornehmen. Zudem seien dem Kläger zusätzlich noch 3 am Versorgungsvertrag beteiligte Ärzte in Berlin benannt worden. Die mit der fehlenden vertragsärztlichen Versorgung einhergehenden Beschränkungen seien zumutbar und mit dem Recht der freien Arztwahl vereinbar. Der Kläger sei daher verpflichtet, die von der Beklagten angebotene Sachleistung in Anspruch zu nehmen, bevor er diese auf Kostenerstattung in Anspruch nimmt. § 13 Abs. 3 SGB V sei wegen der nunmehr fehlenden Versorgungslücke nicht anwendbar. Ungeachtet dessen sei die eingereichte privatärztliche Liquidation überhöht. Entsprechend der Empfehlungen des GKV-Spitzenverbandes sei lediglich ein GOÄ-Honorar in Höhe von 76,93 € pro Injektion abrechenbar (Ziffer 442 und 257).

Während des Klageverfahrens hat der Kläger die Rechnungen der Augenklinik für 6 IVI’s im Zeitraum 04.07.2011 bis 07.09.2011 (3 Behandlungszyklen je Auge) eingereicht. Pro IVI ist ein Rechnungsbetrag unter Benennung der GOÄ-Ziffern in Höhe von insgesamt 402,08 € ausgewiesen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.

Entscheidungsgründe

1. Die Klage ist als kombinierte (Teil-)Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG) zulässig und begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Übernahme sämtlicher privatärztlicher Behandlungskosten, die ihm im Rahmen der Verabreichung der intravitrealen Injektionen (IVI) des VEGF-Hemmers Lucentis® entstanden sind. Pro Auge handelt es sich hierbei um jeweils 3 Behandlungszyklen mit Kosten von jeweils 402,08 €. Abzüglich der bereits von der Beklagten geleisteten 153,03 € verbleibt damit eine noch zu übernehmende Differenz in Höhe von jeweils 249,05 €. Dies ergibt bei 3 Behandlungszyklen pro Auge einen Gesamtnachzahlbetrag in Höhe von 1.494,30 € (3 Behandlungszyklen x 2 Augen x 249,05 €).

Der Bescheid der Beklagten erweist sich somit, soweit die Kostenübernahme auf 153,03 € pro Injektion begrenzt wurde, als rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Die Beklagte war daher unter teilweiser Aufhebung und Abänderung des streitgegenständlichen Bescheids zur vollständigen Kostenübernahme zu verurteilen.

a) Entgegen der bisher zur vorliegenden Rechtsfrage ergangenen Rechtsprechung (vgl. etwa LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15.11.2012 – L 5 KR 330/11; SG Oldenburg, Urteil vom 15.06.2012 – S 61 KR 304/11; SG Aachen, Urteil vom 11.03.2010 – S 2 (15) KN 115/08 KR, alle veröffentlicht in JURIS-Datenbank) bedarf es zur Begründung eines Anspruchs des Klägers auf vollständige Kostenübernahme keines Rückgriffs auf den in § 13 Abs. 3 SGB V normierten Kostenerstattungsanspruch. Aus diesem Grund bedarf es auch keiner weiteren Auseinandersetzung mit der Frage, ob die Beklagte die infolge der fehlenden vertragsärztlichen Abrechnungsmöglichkeit mangels gebührenrechtlicher Erfassung der IVI im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) bestehende „Lücke“ in der vertragsärztlichen Versorgung (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 03.04.2001 – B 1 KR 40/00 R; BSG, Urteil vom 21.06.2011 – B 1 KR 17/10 R, beide veröffentlicht in JURIS-Datenbank) durch den Abschluss eines gesonderten Versorgungsvertrages („Vertrag zur ambulanten ärztlichen Versorgung gem. § 73c SGB V“, Beiheft I zur Gerichtsakte) mit einzelnen ärztlichen Leistungserbringern geschlossen hat. Zwar kann ein Kostenerstattungsanspruch im Sinne des § 13 Abs. 3 SGB V ausgeschlossen oder höhenmäßig begrenzt sein, wenn die Krankenkasse wie hier den Versicherten von sich aus auf günstige(re) Möglichkeiten der angemessenen Selbstbeschaffung hinweist (vgl. BSG, Urteil vom 11.09.2012 – B 1 KR 3/12 R, Rz. 34, veröffentlicht in JURIS-Datenbank). Dem könnte allerdings hier der in § 6 Abs. 1, Abs. 2 S. 3 Nr. 1 des vorgenannten Versorgungsvertrages geregelte Freiwilligkeitsvorbehalt für Versicherte entgegenstehen. Danach ist der Versicherte nur dann berechtigt, die dem Versorgungsvertrag angeschlossenen ärztlichen Leistungserbringer in Anspruch zu nehmen, wenn er seine freiwillige Teilnahme zuvor schriftlich erklärt hat (vgl. hierzu SG Aachen, Urteil vom 11.03.2010 – S 2 (15) KN 115/08 KR, veröffentlicht in JURIS-Datenbank).

Dies kann jedoch letztlich für die Entscheidung des konkreten Rechtsstreits offen bleiben. Denn die Beklagte hat dem Kläger mit dem Erlass des streitgegenständlichen Bescheides dem Grunde nach die Inanspruchnahme privatärztlicher Leistungen in Form der IVI des Medikaments Lucentis® gestattet. Nicht anders lässt sich der Bescheidtenor verstehen, wenn es dort heißt, für die Inanspruchnahme der privatärztlichen Leistung würden Kosten in Höhe von 153,03 € pro Injektion übernommen. Wenn jedoch wie hier aufgrund des durch die Beklagte erteilten Bescheides dem Grunde nach die Inanspruchnahme einer privatärztlichen Leistung zu Lasten der gesetzlichen Krankenkasse durch den Versicherten zulässig ist, muss die Beklagte auch die Kosten der privatärztlichen Leistung in voller Höhe lediglich begrenzt durch die Bestimmungen für privatärztliche Leistungen tragen. Insoweit kann nichts anderes gelten, als im Anwendungsbereich des § 13 Abs. 3 SGB V (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 11.09.2012 – B 1 KR 3/12 R, veröffentlicht in JURIS-Datenbank).

Kein rechtlich beachtlicher Einwand ist es demgemäß, wenn die Beklagte, nachdem sie die Inanspruchnahme privatärztlicher Leistungen bereits genehmigt hat, auf nunmehr geschaffene Sachleistungsmöglichkeiten verweist. Will sie stattdessen die geschuldete IVI (vgl. hierzu ausführlich LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15.11.2012 – L 5 KR 330/11, Rz. 21 f., veröffentlicht in JURIS-Datenbank, m. w. Nw.) jetzt ausschließlich im Wege der Sachleistung erbringen, muss sie zunächst die zuvor getroffene Bewilligungsentscheidung unter Beachtung der in den §§ 45, 48 SGB X geregelten Voraussetzungen aufheben. Andernfalls verbleibt es hinsichtlich der dem Grunde nach genehmigten privatärztlichen Versorgung bei der Bindungswirkung des zuvor erteilten Bewilligungsbescheids.

b) Ausgehend davon kann die Beklagte allenfalls einwenden, die für die einzelnen Behandlungszyklen erstellten privatärztlichen Rechnungen seien überhöht und damit nicht in voller Höhe zu übernehmen. Denn geht es wie hier allein um die Kosten einer ärztlichen Behandlung, besteht ein Vergütungsanspruch des Arztes für eine ärztliche Behandlung nur, wenn er dem Patienten darüber eine ordnungsgemäße Abrechnung nach den Bestimmungen der GOÄ erteilt hat (BSG, Urteil vom 11.09.2012 – B 1 KR 3/12 R, veröffentlicht in JURIS-Datenbank, m. w. Nw.). Nach § 1 Abs. 1 GOÄ bestimmen sich nämlich die Vergütungen für die beruflichen (privatärztlich erbrachten) Leistungen der Ärzte (ausschließlich) nach dieser Verordnung, soweit nicht durch Bundesgesetz etwas anderes bestimmt ist.

Die dem Kläger unter dem 21.11.2011 durch die Augenklinik erteilten Rechnungen, in denen (u. a. analog) auf Gebührenziffern der GOÄ verwiesen wird, genügen gem. § 12 GOÄ formal den Anforderungen an das rechtswirksame Entstehen eines ärztlichen Vergütungsanspruchs. Ob dies bereits für eine Kostenübernahmeanspruch in voller Höhe genügt (so jedenfalls SG Oldenburg, Urteil vom 15.06.2012 – S 61 KR 304/11, veröffentlicht in JURIS-Datenbank) oder darüber hinaus die Abrechnung nicht offensichtlich wegen eines Verstoßes gegen die GOÄ rechtswidrig sein darf (so wohl LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15.11.2012 – L 5 KR 330/11, Rz. 21 f., veröffentlicht in JURIS-Datenbank), kann ebenfalls offen bleiben. Denn entgegen der Auffassung der Beklagten wurden dem Kläger hier zutreffend pro Behandlungszyklus einschließlich Nachbehandlung Kosten in Höhe von 402,08 € in Rechnung gestellt.

aa) Hier haben die behandelnden Ärzte die Gebühren für die Injektion von Lucentis® als auch für die Nachbehandlung nach der GOÄ berechnet. Da auch in der GOÄ eine Gebührennummer für die Injektion von Lucentis® nicht ausdrücklich bestimmt ist, durften sie hierfür in Anwendung des § 6 Abs. 2 GOÄ das Honorar einer gleichwertigen Leistung des Gebührenverzeichnisses berechnen. Die von den behandelnden Ärzten insoweit analog der Abrechnung zugrunde gelegte GOÄ-Nr. 1383 (Vitrektomie, Glaskörperstrangdurchtrennung, als selbständige Leistung) ist insoweit zutreffend (ebenso LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15.11.2012 – L 5 KR 330/11; SG Aachen, Urteil vom 11.03.2010 – S 2 (15) KN 115/08 KR; VG Ansbach, Urteil vom 26.01.2011 – AN 15 K 08.02057 u. a., alle veröffentlicht in JURIS-Datenbank). Denn mit dieser Analogziffer wird eine nach Art, Kosten und Zeitaufwand gleichwertige Leistung herangezogen. Zwar ist der Beklagten zuzugeben, dass es sich bei der IVI selbst nicht um eine Augenoperation handelt, bei der wie bei der Vitrektomie Teile des Glaskörpers entfernt werden. Allerdings handelt es sich entgegen der Beklagten ebenso wenig um eine Periduralinjektion (GOÄ-Nr. 256) oder gar eine Injektion in den Subarachnoidalraum (GOÄ-Nr. 257). Soweit die Beklagte auf die beiden zuletzt genannten GOÄ-Ziffern zurückgreifen will, weicht sie nicht nur von sämtlichen Abrechnungsempfehlungen anderer Institutionen ab (vgl. etwa Gebührenausschuss der Bundesärztekammer, Deutsches Ärzteblatt 107, Heft 27, S. A-1372; Bundesärztekammer, Deutsches Ärzteblatt 109, Heft 39, S. A-1952; Bundesärztekammer, Deutsches Ärzteblatt 109, Heft 41, S. A-2056; vgl. ferner VG Ansbach, Urteil vom 26.01.2011 – AN 15 K 08.02057 u. a., Rz. 34, veröffentlicht in JURIS-Datenbank), sondern bagatellisiert gleichsam den vorgenommenen Eingriff:

So werden etwa gegenüber einer „normalen“ Injektion deutlich erhöhte Anforderungen an die Durchführung der Injektion selbst als auch an den Behandlungsort gestellt (vgl. Empfehlung der Deutschen Opthalmologischen Gesellschaft, der Retinologischen Gesellschaft und des Berufsverbandes der Augenärzte Deutschlands für die Durchführung von intravitrealen Injektionen, April 2007, abrufbar über www.augeninfo.de/patinfo/0704ivi.pdf). So wird dort die folgende Vorgehensweise verpflichtend empfohlen: Pupillenerweiterung, topische Anästhesie, Spülung der Augenoberfläche, Desinfektion der periokularen Haut der Lider und der Zilien, Chirurgische Händedesinfektion und sterile Operationshandschuhe, Abdecken des Patienten mit sterilem Tuch, Einsetzen eines sterilen Lidspekulums, Einführen der Kanüle in 3,5 mm Abstand zum Limbus, stufenweises Vorgehen mit Verschieben der Bindehaut, postoperativ Prüfung auf Lichtscheinwahrnehmung, Augendruckkontrolle postoperativ (insbesondere bei einem Injektionsvolumen von mehr als 0,1 ml). Die IVI muss ausgehend von den vorgenannten Empfehlungen in einem für intraokulare Operationen geeigneten Raum erfolgen. Der Operationssaal muss zudem über eine näher definierte Ausstattung verfügen, die denen bei ambulanten Operationen entspricht.

Unter Berücksichtigung der vorgenannten räumlichen und apparativen Anforderungen sowie der für die IVI verlangten Hygienstandards, die allesamt im Rahmen der Tatbestandsmerkmale „Zeit- und Kostenaufwand“ im Sinne des § 6 Abs. 2 GOÄ einfließen müssen, handelt es sich bei der IVI durchaus um einen einer ambulanten Operation wie der Vitrektomie vergleichbaren Eingriff. Soweit die Beklagte hinsichtlich des Zeitaufwands, lediglich auf das unmittelbare Verabreichen des Medikaments abstellt, ist dies zur Bewertung des Zeit- und Kostenaufwands ersichtlich zu kurz gegriffen (ebenso VG Ansbach, a. a. O.). Da es sich bei der IVI zudem um einen Eingriff in den „hinteren“ Augenabschnitt handelt, ist die „Art“ der Leistung auch nicht mit der GOÄ-Ziffer 1384, sondern mit der GOÄ-Ziffer 1383 gleichwertig.

bb) Die Berechnung eines 2,3fachen Gebührensatzes kann auf § 5 Abs. 2 GOÄ gestützt werden und ist daher ebenso wenig zu beanstanden. Dies gilt in gleicher Weise, für die weiteren in den Rechnungen ausgewiesenen Gebührenziffern 1 (Beratung), 6 (Untersuchung), 1201 (Refraktionsbestimmung), 1242 (Binokulare Untersuchung) sowie 1256 (Applanationstonometrie), die nicht Bestandteil der in der GOÄ-Ziffer 1383 geregelten Leistung sind (vgl. § 4 Abs. 2a GOÄ).

Im Ergebnis ergibt sich daher für die IVI pro Behandlungszyklus und Auge folgende Berechnung:

2500   

 (GOÄ-Ziffer 1383)

 x 0,0582873 €

 (§ 5 Abs. 1 GOÄ)

 x 2,3 Steigerungssatz

 =    

335,15 €

80    

 (GOÄ-Ziffer 1)

 x 0,0582873 €

 (§ 5 Abs. 1 GOÄ)

 x 2,3 Steigerungssatz

 =    

 10,72 €

100     

 (GOÄ-Ziffer 6)

 x 0,0582873 €

 (§ 5 Abs. 1 GOÄ)

 x 2,3 Steigerungssatz

 =    

 13,41 €

89    

 (GOÄ-Ziffer 1201)

 x 0,0582873 €

 (§ 5 Abs. 1 GOÄ)

 x 2,3 Steigerungssatz

 =    

11,93 €

152     

 (GOÄ-Ziffer 1242)

 x 0,0582873 €

 (§ 5 Abs. 1 GOÄ)

 x 2,3 Steigerungssatz

 =    

 20,38 €

100     

 (GOÄ-Ziffer 1256)

 x 0,0582873 €

 (§ 5 Abs. 1 GOÄ)

 x 1,8 Steigerungssatz (§ 5 Abs. 3 GOÄ)

 =    

 10,49 €

In der Addition weisen somit die Einzelrechnungen der Augenklinik für jeden einzelnen Behandlungszyklus einen zutreffenden und deshalb von der Beklagten zu übernehmenden Gesamtbetrag in Höhe von 402,08 € aus. Abzüglich der bereits gezahlten 153,03 € verbleibt der im Tenor ausgewiesene noch zu zahlende Restbetrag.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.