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Grundsicherung für Arbeitsuchende - einstweilige Anordnung - endgültige Vorwegnahme der Hauptsache - vorherige Zusicherung zu den Umzugskosten - Anspruchsvoraussetzung - treuwidrige Verzögerung


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 25. Senat Entscheidungsdatum 19.06.2013
Aktenzeichen L 25 AS 1137/13 B ER ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 19 Abs 4 GG, § 86b SGG, § 22 Abs 4 SGB 2, § 22 Abs 6 SGB 2

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Neuruppin vom 25. April 2013 aufgehoben, soweit das Sozialgericht den Antragsgegner verpflichtet hat, der Antragstellerin eine Zusicherung für die Übernahme der Umzugskosten zu dem Umzug in die Wohnung J-S-B-Str. in K dem Grunde nach zu erteilen. Insoweit wird der Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.

Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander für das gesamte Verfahren nicht zu erstatten.

Der Antragstellerin wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe ohne Festsetzung von Monatsraten und aus dem Vermögen zu zahlenden Beträgen unter Beiordnung ihres Verfahrensbevollmächtigten bewilligt.

Gründe

Die Beschwerde des Antragsgegners ist zulässig. Insbesondere ist sie nicht nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ausgeschlossen. Nach dem ersten Teilsatz dieser Vorschrift ist die Beschwerde in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ausgeschlossen, wenn in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig wäre. Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG ist die Berufung nicht zulässig - präziser, bedarf sie der Zulassung -, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,- Euro nicht übersteigt. Im Beschwerdeverfahren hat die Antragstellerin zwar vor dem Umzug geschätzt, dass Umzugskosten in Höhe von 100,- bis 150,- Euro entstehen würden. Nach dem Umzug, der wohl am 11./12. Mai 2013 stattgefunden hat, hat sie erklärt, ihr seien Umzugskosten (nur) in Höhe von etwa 80,- Euro entstanden. Ungeachtet dieses geringen Betrages ist die Beschwerde gleichwohl hier statthaft, weil maßgeblich für die Bestimmung des Wertes des Beschwerdegegenstandes der Zeitpunkt der Beschwerdeeinlegung ist (für die Berufung vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage 2012, § 144, Rn. 19). Die Beschwerde ist hier vom Antragsgegner am 2. Mai 2013 eingelegt worden. Zu diesem Zeitpunkt war aber nach Aktenlage die Höhe der Umzugskosten nicht absehbar; namentlich war unklar, ob die Antragstellerin den Umzug etwa durch ein Umzugsunternehmen durchführen lassen würde. Bei dieser Sachlage hat der Wert des Beschwerdegegenstandes hier mangels anderweitiger Anhaltspunkte bei Beschwerdeeinlegung 750,- Euro überstiegen.

Die Beschwerde ist auch begründet. Zu Unrecht hat das Sozialgericht den Antragsgegner – bei verständiger Würdigung des angefochtenen Beschlusses im Wege der einstweiligen Anordnung – zur Erteilung einer Zusicherung für die Übernahme der Kosten zu dem Umzug in die von der Antragstellerin nunmehr bewohnte Wohnung verpflichtet. Denn es liegen die Voraussetzungen für die von der Antragstellerin begehrte einstweilige Anordnung hier nicht vor. Dabei sind an den Erlass der vorliegend begehrten einstweiligen Anordnung besonders strenge Maßstäbe anzulegen. Denn wie bereits die Zusicherung nach § 22 Abs. 4 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) (vgl. dazu Beschluss des Senats vom 21. Dezember 2012 – L 25 AS 3065/12 B ER –) macht auch die Zusicherung nach § 22 Abs. 6 SGB II für den jeweiligen Antragsteller überhaupt nur dann Sinn, wenn sie für alle Beteiligten auf Dauer Bindungswirkung entfaltet. Dies ist indes nur dann der Fall, wenn die von der Antragstellerin im Wege der einstweiligen Anordnung begehrte Zusicherung nach § 22 Abs. 6 SGB II nicht nur vorläufig, sondern endgültig erteilt werden müsste. Der Umstand, dass die vorherige Zusicherung gemäß § 22 Abs. 6 SGB II – anders als die Zusicherung nach § 22 Abs. 4 SGB II – echte Anspruchsvoraussetzung für den Anspruch auf Übernahme der Umzugskosten ist (vgl. nur Berlit in Münder, SGB II, 4. Auflage 2011, § 22, Rn. 119 ff., Rn. 157), rechtfertigt darüber hinaus den Schluss, an den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung auf Zusicherung der Übernahme der Umzugskosten noch strengere Maßstäbe anzustellen als an den Erlass der einstweiligen Anordnung auf Zusicherung nach § 22 Abs. 4 SGB II, und nicht – in diese Richtung könnte allerdings der Beschluss des Sozialgerichts deuten –, eine Vorwegnahme der Hauptsache im Zusammenhang mit der Zusicherung der Übernahme der Umzugskosten unter erleichterten Voraussetzungen zu ermöglichen.

Für eine endgültige Vorwegnahme der Hauptsache, für die § 86b Abs. 2 SGG bereits seinem Wortlaut nach keine geeignete Grundlage darstellt, ist im Lichte des in Artikel 19 Abs. 4 des Grundgesetzes verankerten Gebots effektiven Rechtsschutzes also nur dann Raum, wenn zwingende Gründe eine solche Entscheidung gebieten. Die Anlegung des oben skizzierten besonders strengen Maßstabes im Zusammenhang mit der Zusicherung zur Übernahme der Umzugskosten gebietet es darüber hinaus, dass sich der jeweilige Antragsteller ganz konkret nicht nur mit seinem Umzugswunsch an den Grundsicherungsträger gewandt hat, sondern darüber hinaus auch die Notwendigkeit einer Hilfe zum Umzug und mindestens auch die Art, wie der Umzug bewerkstelligt werden soll – also etwa gewerblich oder privat – dargelegt hat. Bereits an Letzterem fehlt es hier. Denn nach Aktenlage hat die Antragstellerin in den jeweiligen Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren nicht zu erkennen gegeben, dass zum Umzug eine Hilfe benötigt wird und welcher Art diese Hilfe sein soll. Demgemäß hat der Antragsgegner auch - anders als das Sozialgericht meint - keine Verwaltungsentscheidung über die Zusicherung zur Übernahme zu den Umzugskosten getroffen. Dies gilt zum einen in Bezug auf die Bescheide vom 5. Juni und 6. August 2012 jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. November 2012 und zum anderen in Bezug auf den Bescheid vom 14. Februar 2013. Denn jeweils hat der Antragsgegner lediglich über den Anspruch der Antragstellerin auf Zusicherung zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft gemäß § 22 Abs. 4 SGB II entschieden. Soweit in den Bescheiden jeweils als allgemeiner Hinweis erklärt wird, dass Umzugkosten nach § 22 Abs. 6 SGB II nicht übernommen würden, handelt es sich insoweit um keine Entscheidung über die Ablehnung der Zusicherung zu den Umzugskosten, zumal die Antragstellerin eine solche jeweils auch nicht beantragt hatte.

Demnach hat die Antragstellerin erstmals mit ihrem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung am 4. April 2013 erklärt, eine Zusicherung zur Übernahme der Umzugskosten zu begehren. Auch hier hat sie aber – wie auch im gesamten erstinstanzlichen Verfahren – nicht dargelegt, auf welche Art und Weise der Umzug vorgenommen werden soll, ob also insbesondere ein gewerbliches Umzugsunternehmen beauftragt, oder aber der Umzug in Eigenregie vorgenommen werden soll.

Liegen die besonders strengen Anforderungen für eine Vorwegnahme der Hauptsache demnach hier bereits aus den genannten Gründen nicht vor, so merkt der Senat ergänzend an, dass auch andere Erwägungen die Vorwegnahme der Hauptsache hier nicht tragen. So ist etwa nicht erkennbar, dass die Antragstellerin ohne die begehrte Zusicherung zur Übernahme der Umzugskosten nicht in der Lage gewesen wäre umzuziehen, was bereits der Umstand erhellt, dass sie tatsächlich während des Beschwerdeverfahrens ohne die begehrte Zusicherung umgezogen ist. Anders als das Sozialgericht meint, ist die Vorwegnahme der Hauptsache hier aber auch nicht etwa deshalb erforderlich, weil der Antragstellerin im Verfahren der Kostenerstattung der Umzugskosten die fehlende vorherige Zusicherung in jedem Fall vorgehalten würde, die Antragstellerin mithin schutzlos stünde. Zwar ist einzuräumen, dass - wie bereits dargelegt - die vorherige Zusicherung zur Übernahme der Umzugskosten regelmäßig Anspruchsvoraussetzung für den Anspruch auf Übernahme der Umzugskosten ist. Allerdings ist die vorherige Zusicherung dann nicht erforderlich, wenn eine fristgerecht mögliche Entscheidung vom Verwaltungsträger treuwidrig verzögert worden ist (Bundessozialgericht <BSG>, Urteil vom 6. Mai 2010 – B 14 AS 7/09 R – juris). Ob die Antragstellerin mit diesem Einwand tatsächlich durchdringt, was bei fehlender Befassung des Antragsgegners im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren unwahrscheinlich sein dürfte, ist für die hier vorzunehmende Beurteilung unmaßgeblich. Denn jeweils ist die Verpflichtung des Antragsgegners zur Erteilung einer Zusicherung und die damit verbundene Vorwegnahme der Hauptsache nicht erforderlich. Denn entweder kann der Antragstellerin im Verfahren über die Übernahme der Umzugskosten nach Maßgabe der zitierten Rechtsprechung des BSG das Fehlen der vorherigen Zusicherung nicht vorgehalten werden. Oder ihr kann das Fehlen vorgehalten werden, weil ein Fall einer treuwidrigen Verzögerung einer Entscheidung nicht vorliegt. Auch und gerade in diesem Fall ist es aber nicht geboten, den Antragsgegner jetzt im Wege der einstweiligen Anordnung unter Vorwegnahme der Hauptsache zur Erteilung der Zusicherung zu verpflichten.

Der Antragstellerin war gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit §§ 114 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO) für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe ohne Festsetzung von Monatsraten und aus dem Vermögen zu zahlenden Beträgen unter Beiordnung ihres Verfahrensbevollmächtigten zu bewilligen, weil sie nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage ist, die Kosten der Prozessführung auch nur anteilig aufzubringen und ihre Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint. Ob die Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder mutwillig erscheint, ist nicht zu prüfen, weil der Antragsgegner die Beschwerde eingelegt hat, § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 119 Abs. 1 Satz 2 ZPO.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG analog und folgt dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).