Gericht | ArbG Cottbus 2. Kammer | Entscheidungsdatum | 24.04.2013 | |
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Aktenzeichen | 2 Ca 1364/12 | ECLI | ||
Dokumententyp | Teilurteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 13 AÜG, § 9 AÜG, § 10 AÜG, § 1 Abs 2 AÜG |
Wirksame Arbeitnehmerüberlassung setzt voraus, dass diese nur vorübergehend erfolgt.
Vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung ist anhand des Arbeitsplatzes beim Verleihunternehmen zu prüfen.
Unzulässige Arbeitnehmerüberlassung begründet ein Arbeitsverhältnis zum Entleiher (§ 10 Abs. 1 S. 1 AÜG).
1. Es wird festgestellt, dass zwischen dem Kläger und der Beklagten seit dem 23. Juli 2010 ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis besteht, nach welchem der Kläger bei der Beklagten als Krankenpfleger angestellt ist.
2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Ausgang des Rechtsstreits tatsächlich als Krankenpfleger zu beschäftigen.
3. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger in Anwendung des § 13 AÜG Auskunft über die wesentlichen Arbeitsbedingungen eines vergleichbaren Arbeitnehmers zu erteilen, der in der Zeit seit Juli 2010 als Krankenpfleger beschäftigt gewesen ist.
4. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
5. Der Streitwert wird auf 7.162,13 Euro festgesetzt.
Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger als Leiharbeitnehmer ein Arbeitsverhältnis zur beklagten Entleiherfirma hat und die Beklagte verpflichtet ist, ihn weiterzubeschäftigen und ihm Auskunft über die Arbeitsbedingungen eines vergleichbaren Krankenpflegers zu erteilen. Des Weiteren streiten die Parteien im Rahmen einer Stufenklage über Entgeltdifferenzansprüche.
Die Beklagte unterhält im Land Brandenburg in den Standorten Lübben, Teupitz und Brandenburg an der Havel drei Kliniken. Diese Kliniken hatte die Beklagte von dem Land Brandenburg im Wege des Betriebsübergangs im Jahr 2006 übernommen. Die Beklagte ist nicht tarifgebunden. In den Arbeitsverträgen der übernommenen Arbeitsverhältnisse ist geregelt, dass entweder der BAT-O oder der TVL zur Anwendung kommt.
Seit dem Jahr 2008 stellte die Beklagte im nicht ärztlichen Bereich grundsätzlich – von wenigen Ausnahmen abgesehen – ausschließlich Leiharbeitnehmer ein. Diese Leiharbeitnehmer entleiht sie von den konzerneigenen Tochterunternehmen Verleihunternehmen G. GmbH sowie der Verleihunternehmen P. GmbH. Diese beiden Tochterunternehmen besitzen die Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung, sind aber außerhalb des Konzerns nicht auf dem Markt tätig.
Der Kläger bewarb sich im Wege der Initiativbewerbung bei der Beklagten am 10. Juli 2008. Die Beklagte teilte dem Kläger mit, dass eine Einstellung nur über die Verleihunternehmen P. möglich sei. Nach einem von der Beklagten durchgeführten „Kennenlerngespräch“ erhielt der Kläger einen Arbeitsvertrag von der Verleihunternehmen P. An dieses Vertragsverhältnis schloss sich ein Arbeitsvertrag durch die Verleihunternehmen G. vom 23. Juli 2010 an. Nach diesem Arbeitsvertrag verpflichtet sich der Kläger in der Klinik in Teupitz sowie für den dort befindlichen Postleitzahlenbereich tätig zu werden. Auf das Arbeitsverhältnis finden nach § 2 Absatz 3 die Tarifverträge des Interessenverbands Deutscher Zeitarbeitsunternehmen und den Mitgliedsgewerkschaften des DGB in ihrer jeweiligen Fassung Anwendung.
Seit Beginn des Arbeitsverhältnisses war der Kläger durchgängig auf demselben Arbeitsplatz beschäftigt, der laut Stellenbewirtschaftungsplan der Beklagten dauerhaft besteht.
Der Kläger kündigte das Arbeitsverhältnis zur Verleihunternehmen G. GmbH zum Ablauf des 31. März 2013.
Der Kläger ist der Auffassung, seit dem 1. Dezember 2011 dürfe Arbeitnehmerüberlassung nur noch vorübergehend erfolgen. Dieser Begriff sei arbeitsplatzbezogen. Es liege zudem eine rechtswidrige „Strohmannkonstruktion“ vor. Verleihfreie Zeiten seien nicht vorgesehen und in diesem Modell der konzerneigenen Arbeitnehmerüberlassung nicht denkbar. Erfolge die Arbeitnehmerüberlassung aber nicht mehr vorübergehend, sei ein Arbeitsverhältnis zum Entleiher anzunehmen. Ein Auskunftsanspruch ergebe sich jedenfalls entsprechend § 13 AÜG.
Der Kläger beantragt,
1. festzustellen, dass zwischen dem Kläger und der Beklagten seit dem 23.07.2010 ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis besteht, nach welchem der Kläger bei der Beklagten als Krankenpfleger angestellt ist.
2. die Beklagte - für den Fall des Obsiegens in der 1. Instanz - zu verurteilen, den Kläger bis zum rechtskräftigen Ausgang des Rechtsstreits tatsächlich als Krankenpfleger zu beschäftigen.
3. a) die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger in Anwendung des § 13 AÜG Auskunft über die wesentlichen Arbeitsbedingungen eines vergleichbaren Arbeitnehmers zu erteilen, der in der Zeit seit Juli 2010 als Krankenpfleger beschäftigt gewesen ist
und
b) die Beklagte nach Erteilung der Auskunft zu 3 a) zu verurteilen,
aa) die sich aufgrund der Auskunft ergebende, noch zu bestimmende Differenzvergütung für die Zeit seit dem 23.10.2010 nachzuzahlen, welche sich berechnet aus dem regelmäßigen tariflichen Entgelt eines Krankenpflegers abzüglich der bereits bezogenen Vergütung; die nachzuzahlenden Beträge sind mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jeweils ab dem 31. Tage seit Fälligkeit zu verzinsen,
und
bb) dem Kläger über die Differenzvergütung hinaus beginnend ab dem 23.07.2010 diejenigen sonstigen noch zu bestimmenden Arbeitsbedingungen zu gewähren, die ein Krankenpfleger der Beklagten in den Jahren 2010 und 2011 bezogen hat.
Der Beklagtenvertreter beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung, der Begriff „vorübergehend“ im AÜG habe keine eigenständige Bedeutung. Jedenfalls sei es von der unternehmerischen Freiheit gedeckt, auch Dauerarbeitsplätze mit Leiharbeitnehmern zu besetzten. Die vorübergehende Beschäftigung sei der Leiharbeit immanent.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.
A.
Die Klage ist begründet. Zwischen den Parteien besteht seit dem 23. Juli 2010 ein Arbeitsverhältnis. Auch hat die Beklagte den Kläger bis zur rechtskräftigen Entscheidung weiterzubeschäftigen. Dem Kläger steht schließlich ein Auskunftsanspruch über die wesentlichen Arbeitsbedingungen zu.
I.
Zwischen den Parteien ist am 23. Juli 2010 ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen.
Zwar schlossen der Kläger und die Verleihunternehmen G. GmbH schriftlich einen Arbeitsvertrag, nach dessen Inhalt der Kläger als Leiharbeitnehmer bei der Beklagten tätig werden sollte. Das sich ergebende Vertragsverhältnis ist jedoch wegen gesetzlicher Umgehung unwirksam. Denn die Parteien des schriftlichen Arbeitsvertrages wussten, dass keine vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung beabsichtigt war, sondern der Kläger auf einem Dauerarbeitsplatz beschäftigt werden sollte.
1. Nach § 1 Absatz 1 Satz 2 AÜG erfolgt die Überlassung von Arbeitnehmern an Entleiher vorübergehend.
Nach der von der Kammer vertretenen Auffassung, ist der Begriff entsprechend einer richtlinienkonformen Auslegung arbeitsplatzbezogen. Entscheidend ist, ob der Arbeitnehmer auf einem Dauerarbeitsplatz beim Entleiher eingesetzt werden soll. Nach der Richtlinie muss ein berechtigtes Flexibilisierungsinteresse vorliegen, das von reinen Kostensenkungsstrategien unterschieden werden kann, vergleiche Brors, AuR 2013, S. 113 mit weiteren Nachweisen.
a) Als Tatbestandsmerkmal einer Arbeitnehmerüberlassung schränkt das Erfordernis der vorübergehenden Überlassung die Zulässigkeit der Arbeitnehmerüberlassung ein, vergleiche LAG Baden-Württemberg vom 22. November 2012, 11 Sa 84/12, Juris und LAG Berlin-Brandenburg vom 9. Januar 2013, 15 Sa1635/12, Juris mit weiteren Nachweisen.
Die Kammer übersieht dabei nicht, dass die Auslegung des Begriffs „vorübergehend“ in § 1 Absatz 1 Satz 2 AÜG umstritten ist.
aa) Während ein Teil der Rechtsprechung und der Literatur der Auffassung ist, der Begriff „vorübergehend“ habe keinen eigenen Regelungsinhalt. Es handele sich um eine Beschreibung ohne eigenen Regelungsgehalt, die dauerhafte Überlassung von Arbeitnehmern an einen Entleiher sei von der europäischen Richtlinie und vom AÜG nicht für unzulässig erklärt, vergleiche exemplarisch und mit weiteren Nachweisen: Lembke, DB 2011, S. 411, Thüsing-Stiebert, DB 2012, 632 und LAG Berlin-Brandenburg vom 16. 10. 2012 – 7 Sa 1182/12, Juris.
bb) Ein anderer Teil der Rechtsprechung und der Literatur ist dagegen der Auffassung, die Richtlinie und eine entsprechende richtlinienkonforme Auslegung des § 1 AÜG enthalte ein Verbot der Dauerüberlassung auf einem Dauerarbeitsplatz beim Entleiher, Hamann, EuZA 2009, S. 287, Ulber AuR 2010, S. 10, Brors, AuR 2013, S. 108ff. und LAG Berlin-Brandenburg vom 9.1.2013 – 15 Sa 1635/12 und LAG Baden-Württemberg vom 22.11.2012, 11 Sa 84/12.
cc) Der deutsche Gesetzgeber hat sich bei Einfügung des Begriffs „vorübergehend“ an den Wortlaut der Richtlinie gehalten und diesen wiedergegeben. Eine richtlinienkonforme Auslegung kann nur anhand des Wortlauts und der Ziele der Richtlinie erfolgen. Ziel der Richtlinie ist es aber, den Schutz des Leiharbeitnehmers zu gewährleisten und zu verbessern. Die Mitgliedstaaten sind aufgerufen, entsprechenden Missbrauch zu verhindern, vergleiche ausführlich zur Auslegung der Richtlinie Brors, AuR 2013, S. 108ff. Ein solcher Missbrauch liegt aber vor, wenn das verleihende Konzernunternehmen nur an einen oder mehrere Konzernunternehmen Arbeitnehmer verleiht, eine verleihfreie Zeit von vornherein nicht angedacht ist und die Einschaltung dieses verleihenden Unternehmens nur dazu dient, Lohnkosten zu senken oder kündigungsschutzrechtliche Wertungen ins Leere laufen zu lassen, vergleiche LAG Berlin-Brandenburg vom 9.1.2013 – 15 Sa 1635/12, Juris.
b) Gemessen an diesen Grundsätzen liegt im vorliegenden Fall eine nicht nur vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung vor. Der Arbeitsvertrag des Klägers sieht ausschließlich die Tätigkeit in der Klinik in Teupitz vor. Dass damit noch weitere Tätigkeiten im Postleitzahlengebiet verbunden sein sollen, ist rein theoretischer Natur, denn im Postleitzahlengebiet ist eine Tätigkeit als Krankenpfleger nicht denkbar, weil keine anderen Vertragspartner für die Verleihunternehmen G. GmbH, den Verleiher, vorhanden sind.
Auch arbeitete der Kläger dauerhaft auf ein und demselben Arbeitsplatz seit dem 23. Juli 2010.
c) Rechtsfolge dieses dauerhaften Einsatzes auf einem Stammarbeitsplatz beim Entleiher ist nach zutreffender Auffassung, dass zwischen dem Entleiher und dem Arbeitnehmer aufgrund einer Umgehung von arbeitsrechtlichen Schutzvorschriften ein Arbeitsverhältnis zum Entleiher zustande kommt, vergleiche die ausführliche Begründung bei Brors, AuR 2013, S. 108ff. Bei einem Umgehungsgeschäft finden die umgangenen Vorschriften Anwendung, vergleiche Staudinger/Looschelders/Olzen, § 242 BGB Rn 217; Reichmann, Gesetzes-umgehung, 1967, S. 78, zitiert nach Brors, AuR 2013, S. 108.
2. Für die Zeit seit dem 1. Dezember 2011 folgt die Annahme eines Arbeitsverhältnisses zum Entleiher, der Beklagten auch daraus, dass das verleihende Konzernunternehmen den Kläger nicht nur vorübergehend überlassen hat und für diese Form der Arbeitnehmerüberlassung eine Genehmigung nicht vorlag.
Hier folgt die Kammer der ausführlichen Begründung des LAG Berlin-Brandenburg vom 09.01.2013 – 15 Sa 1635/12, die hier wie folgt wörtlich wiedergegeben wird:
„Gesetzestechnisch ist die Umsetzung der Leiharbeitsrichtlinie hinsichtlich des Merkmals „vorübergehend“ dadurch erfolgt, dass diese Voraussetzung im Bereich der Erlaubnispflicht festgeschrieben wurde. Die nicht vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung ist nicht erlaubnisfähig (Böhm DB 2012, 918, 919; Düwell dbr 7/2011, 10, 12). Einem Unternehmen, das erklärtermaßen ausschließlich Dauerverleih betreiben will, kann somit ab dem 1. Dezember 2011 für diese Art der Gewerbeausübung keine Erlaubnis erteilt werden.
Ist - wie hier – schon vor den obigen Stichtag eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung erteilt worden, so ist im Hinblick auf die Sanktionen gem. §§ 9 Ziff. 1, 10 I AÜG nicht nur zu prüfen, ob eine Erlaubnis vorliegt (so LAG Berlin- Brandenburg 16.10.2012 – 7 Sa 1182/12 – Juris Rdnr. 27), sondern es ist auch festzustellen, welchen Inhalt sie nunmehr hat. Im Rahmen des gesetzgeberischen Handelns kann sowohl die Erlaubnispflichtigkeit ausgedehnt als auch die Erlaubnisfähigkeit eingeschränkt werden. Letzteres ist mit dem 1. Dezember 2011 hinsichtlich des Merkmals „vorübergehend“ erfolgt. Die gesetzliche Neuregelung hat daher zur Folge, dass schon erteilte Genehmigungen im Umfang beschränkt werden, nämlich auf die nur vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung. Dies ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz. Ein Handeln der Erlaubnisbehörde ist nicht erforderlich.
Diese Regelungstechnik findet sich auch in anderen Bereichen, in denen ein gesetzliches Verbot mit Erlaubnisvorbehalt anzutreffen ist. So hat der Gesetzgeber zum Beispiel in der jüngeren Vergangenheit das Recht der Fahrerlaubnisse neu geregelt mit der Folge, dass ab Vollendung des 50. Lebensjahres Personen mit der Fahrerlaubnis der alten Klassen 2 und 3 bestimmte Kraftfahrzeuge und Fahrzeugkombinationen nicht mehr führen dürfen. Diese Wirkungen werden auch nicht durch entziehende Verwaltungsakte hergestellt. Diese Änderungen und der (teilweise) Verlust einer Fahrerlaubnis trat vielmehr durch das Gesetz selbst ein (anschaulich VG Münster 04.02.2005 – 10 K 3931/03 – Juris Rdnr. 18).
Überwiegend wird in der Literatur bemängelt, dass der Gesetzgeber zwar ein neues Tatbestandsmerkmal eingeführt hat, dieses aber nicht mit der Schaffung einer (gesonderten) Sanktionsnorm begleitet war. Dem ist zuzugeben, dass der Gesetzgeber zu früheren Zeiten bei der Überschreitung einer bestimmten Höchstüberlassungsdauer in § 1 II AÜG a. F. vermutet hatte, dass Arbeitsvermittlung vorliegt. Aus der Regelung des § 13 AÜG a. F., der nach Auffassung des BAG vom Wortlaut her nur den Entgeltschutz gegenüber dem Entleiher regelte, hat die Rechtsprechung abgeleitet, dass in den Fällen der vermuteten Arbeitsvermittlung ein Arbeitsverhältnis ausschließlich mit dem Entleiher zustande kommt (BAG 10.02.1977 – 2 ABR 80/76 – NJW 1977, 1413 zu II 2b der Gründe). Im Laufe des hiesigen Gesetzgebungsverfahrens zur Umsetzung der Leiharbeitsrichtlinie hatte der Gesetz-geber hinsichtlich des Merkmals „vorübergehend“ ursprünglich nur in § 1 II AÜG eine Ergänzung vorgesehen, wonach Arbeitsvermittlung vermutet wird, wenn die Überlassung nicht nur vorübergehend erfolgt (vgl. zu diesem Stadium Hamann, NZA 2011, 70, 74). Wäre es hierbei verblieben, dann wäre in der Tat als Sanktion wahrscheinlich nur in Betracht gekommen, dass die Erlaubnisbehörde den Entzug der Erlaubnis prüft (so Hamann a. a. O.). Diese Regelungstechnik hat der Gesetzgeber dann jedoch nicht weiterverfolgt. Das Merkmal „vorübergehend“ wurde von der Regelung zur Arbeitsvermittlung abgekoppelt und statt-dessen im Bereich des § 1 I AÜG angesiedelt. Damit betraf es nunmehr den Bereich der Erlaubnisfähigkeit. Für eine Arbeitnehmerüberlassung, die sich außerhalb des erlaubnis-fähigen Bereichs des § 1 AÜG bewegt, kann es jedoch keine Erlaubnis geben. Dies eröffnet die Möglichkeit, die schon vorhandenen Sanktionen in §§ 9, 10 AÜG direkt anzuwenden.
Dem steht auch nicht entgegen, dass das BAG die Anwendung der §§ 9, 10 AÜG für den Fall abgelehnt hat, dass im Baubereich illegaler Verleih gem. § 1b AÜG vorlag (BAG 13.12.2006 – 10 AZR 674/05 – NZA 2007, 751; Anm. Hamann, jurisPR-ArbR 13/2007 Anm. 1). Dort ging es um die analoge Anwendung der Sanktionsnormen. Dies hat das BAG mit dem Hinweis verneint, dass es an einer planwidrigen Gesetzeslücke fehle. Im hiesigen Fall geht es demgegenüber um die direkte Anwendung der §§ 9, 10 AÜG.
Die hier gefundene Auslegung ist auch im Hinblick auf die Umsetzung der Leiharbeitsrichtlinie geboten. Ein Verstoß gegen § 1 I 2 AÜG muss auch deswegen individualrechtlich sanktionierbar sein, weil sonst das Sanktionsgebot nach Art. 10 Leiharbeitsrichtlinie leer liefe. Zwar gehen die Arbeitsgerichte zunehmend davon aus, dass bei einem Dauerverleih der Betriebsrat des Entleiherbetriebes der Einstellung von Leiharbeitnehmern nach § 99 BetrVG widersprechen kann (ArbG Cottbus 25.04.2012 – 2 BV 8/12 – Juris; ArbG Cottbus 22.08.2012 – 4 BV 2/12 – Juris ; LAG Niedersachsen 19.09.2012 – 17 TaBV 124/11 – Juris ; LAG Berlin-Brandenburg 19.12.2012 – 4 TaBV 1163/12), doch wäre eine solche Sanktion nur lückenhaft. Nicht in jedem Betrieb bestehen Betriebsräte. Diese sind auch nicht verpflichtet, einer Einstellung zu widersprechen. Darüber hinaus kann das Entleihunternehmen die Maßnahme nach § 100 BetrVG jedenfalls vorläufig durchführen.“
II.
Der Kläger hat einen Anspruch auf vorläufige Weiterbeschäftigung. Die Kammer hat entschieden, dass ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien besteht. Nach der ständigen Rechtsprechung, vergleiche BAG GS vom 27. Februar 1985 – GS 1 /84 – AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht, besteht bei Feststellung eines Arbeitsverhältnisses in erster Instanz ein Weiterbeschäftigungsanspruch für den Arbeitnehmer.
III.
Die Beklagte ist auch verpflichtet, dem Kläger in entsprechender Anwendung des § 13 AÜG Auskunft über die wesentlichen Arbeitsbedingungen eines vergleichbaren Arbeitnehmers zu erteilen, der in der Zeit seit Juli 2010 als Krankenpfleger beschäftigt gewesen ist.
Die Klage ist als Stufenklage zulässig und begründet, vergleiche § 254 ZPO. Der Kläger kann die entsprechende Vergütungsdifferenz erst einklagen, wenn die Beklagte über die wesentlichen Arbeitsbedingungen eines vergleichbaren Arbeitnehmers aufgeklärt hat. Die Auskunftsklage ist auch bestimmt genug im Sinne des § 253 Absatz 2 Nr. 2 ZPO, denn die Formulierung entspricht § 13 AÜG, so auch LAG Berlin-Brandenburg vom 9.1.2013 – 15 Sa 1635/12 in der Parallelentscheidung.
B.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten, da über die Zahlungsklage noch nicht entschieden werden kann. Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf § 61 ArbGG, 3 ZPO.