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Entscheidung VK 55/09


Metadaten

Gericht Vergabekammer Potsdam Entscheidungsdatum 26.01.2010
Aktenzeichen VK 55/09 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Leitsatz

Abschluss eines Vertrages über die Lieferung, Installation, Schulung und Einführung eines Laborinformationssystems

Tenor

1. Der Nachprüfungsantrag wird verworfen.

2. Der Antragsteller trägt die Kosten (Gebühren und Auslagen) des Verfahrens.

3. Die Gebühr für das Verfahren wird auf … EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Auftraggeberin ist eine 100%ige Tochtergesellschaft der G… mbH … – ebenso, wie die K… GmbH ... Der Antragsteller hatte mit anwaltlichem Schriftsatz vom 1. Dezember 2009 die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens gegen die G… (VK 50/09) und gegen die K… GmbH … (VK 51/09) beantragt, da er davon ausging, dass eine der genannten Gesellschaften Verträge über Laborsoftware mit der Firma I… geschlossen hatten. Aus den anwaltlichen Stellungnahmen der Auftraggeberseite in den obigen Parallelverfahren ergab sich, dass die Auftraggeberin dieses Nachprüfungsverfahrens Vertragspartei der mit der Firma I… geschlossenen Verträge über Laborsoftware ist.

Nachdem die Vergabekammer dem Antragsteller auf Anfrage die Vereinbarung vom 23. April 2009 zwischen der Auftraggeberin und der Firma I… unter Beachtung des Geheimschutzes zur Kenntnis gegeben hatte, hat der Antragsteller mit anwaltlichem Schriftsatz vom 17. Dezember 2009 einen Antrag auf Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens auch gegen die Auftraggeberin dieses Verfahrens gestellt.

Zur Begründung hat er vorgetragen, dass die K… GmbH seit dem Jahr 1998 die vom Antragsteller entwickelte Labor-EDV „LA…“ sowie das EDV-System „LE…“ einsetze. In dieser Zeit habe es keinerlei Beanstandungen gegeben. Die Verträge seien ungekündigt. Mitte Juli 2009 habe der Antragsteller erfahren, dass die G… das System der Firma I… seit dem … 2009 in den Krankenhäusern in … und … sowie im … Krankenhaus der K… GmbH einsetze, ohne dass zuvor eine Ausschreibung stattgefunden habe.

Dieses Verhalten habe der Antragsteller mit Schreiben vom 16. Juli 2009 gegenüber der G… und der K… GmbH gerügt. Daraufhin sei es mit dem Antragsteller zu – aus heutiger Sicht – Scheinverhandlungen über eine Fortsetzung und gegebenenfalls Modifizierung seiner Labor-Software-Verträge am Standort … Krankenhaus gekommen. Verhandelt worden sei mit der Geschäftsführung der G… unter Beteiligung von Mitarbeitern der K… GmbH, nicht jedoch mit Mitarbeitern der Auftraggeberin dieses Verfahrens. Aus Sicht des Antragstellers seien die Gespräche zunächst recht vielversprechend gewesen, jedoch mit Ablauf des 22. Oktober 2009 von der Gegenseite abgebrochen worden – vermutlich in der irrigen Annahme, dass ein Nachprüfungsantrag nach Ablauf der Sechsmonatsfrist des § 101 b Abs. 2 GWB (n.F.), gerechnet vom Abschluss der Vereinbarung vom 23. April 2009, unzulässig wäre. Der eigentliche Vertrag mit der Firma I… sei jedoch, wie aus den gegnerischen Stellungnahmen der Parallelverfahren VK 50/09 und VK 51/09 hervorgehe, erst am … 2009 geschlossen worden.

Der Antragsteller sei antragsbefugt, denn er habe sein Interesse am Auftrag sowohl gegenüber der G… als auch gegenüber der K… GmbH mehrfach bekundet und neben Updates und Ergänzungspaketen für die Software die Ausweitung der Softwareanwendung auf die Krankenhäuser in … und … angeboten. Es liege in der Natur der Sache, dass der bisherige Vertragspartner im Falle der Neuvergabe ein Interesse daran habe, den Zuschlag zu erhalten. Die Gesellschaften hätten sich jedoch gegen die Angebote des Antragstellers entschieden. Die Auftraggeberin könne sich hinsichtlich der mit dem Antragsteller geführten Verhandlungen nicht auf Unkenntnis berufen, denn ihre Geschäftsführer seien personenidentisch mit denen der G… sowie denen der K… GmbH. Daher müsse sich jede Gesellschaft das Wissen der anderen zurechnen lassen.

Dem Nachprüfungsverfahren stehe nicht gemäß § 114 Abs. 2 GWB der bereits geschlossene Vertrag vom … 2009 entgegen, weil dieser Vertrag analog § 13 Satz 6 VgV (a.F.) in Verbindung mit § 131 Abs. 8 GWB (n.F.) nichtig sei. Anzuwenden sei die vor dem 24. April 2009 geltende Rechtslage, da zumindest die Muttergesellschaft G… bereits im Februar 2009 Verhandlungen über neu zu beschaffende Laborsoftware geführt habe. Zwar bestehe keine Rügepflicht, der Antragsteller habe gleichwohl mit Schriftsatz vom 17. Dezember 2009 und damit unverzüglich nach Kenntnis über die Identität des Vertragschließenden gegenüber der Auftraggeberin gerügt.

Die Begründetheit des Nachprüfungsantrages ergebe sich aus § 97 Abs. 7 i.V.m. Abs. 1 GWB, denn der Antragsteller habe einen Anspruch auf Einhaltung der einschlägigen Vergabebestimmungen, hier der Vergabe nach Ausschreibung im offenen Verfahren. Ausnahmegründe seien nicht ersichtlich. Es handele sich nicht um die Beauftragung einer zusätzlichen Leistung im Sinne einer Erweiterung der seit mehreren Jahren zur Firma I… bzw. ihrer Rechtsvorgänger bestehenden Verträge, weil die Auftraggeberin für alle drei Kliniken der G…-Gruppe, damit auch für das beispielsweise doppelt so viele Einheiten benötigende … Krankenhaus der K… GmbH, beschafft habe.

Der Antragsteller beantragt,

1. festzustellen, dass der zur Beschaffung und Wartung der Laborsoftware „I…“ geschlossene Vertrag nichtig und der Antragsteller in seinen Rechten verletzt ist,

2. die Auftraggeberin zu verpflichten, die Vergabe zur Beschaffung und Wartung von Laborsoftware unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer neu durchzuführen,

3. dem Antragsteller Einsicht in die Vergabeakten gemäß § 111 Abs. 1 GWB zu gewähren,

4. die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers gemäß § 128 Abs. 4 GWB für notwendig zu erklären,

5.  der Auftraggeberin die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung des Antragstellers aufzuerlegen.

Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 27. Dezember 2009 beantragt die Auftraggeberin,

 die Anträge des Antragstellers mit Schreiben vom 17. Dezember 2009 zu Ziffern 1., 2. und 5. zurückzuweisen.

Die Entscheidung zu den Anträgen Ziffern 3. und 4. stellt sie in das Ermessen der Vergabekammer. Unter Bezugnahme auf den Vortrag in den Parallelverfahren VK 50/09 und VK 51/09, insbesondere, dass nach Kenntnis der Auftraggeberin der Antragsteller Software wohl nicht entwickelt, sondern vertreibt, entgegen dem Vortrag des Antragstellers dessen Software im … Krankenhaus nicht beanstandungsfrei funktioniert habe und die mit ihm geschlossenen Verträge auch gekündigt seien, hätten die G… und die K… GmbH keineswegs Scheinverhandlungen mit ihm geführt, um einem Nachprüfungsantrag zu entgehen. Bereits in den Verhandlungen sei dem Antragsteller deutlich gemacht worden, dass die Gespräche und Erörterungen nur deshalb stattfänden, um festzustellen, ob das Produkt des Antragstellers brauchbar und einsatzfähig sei. Nach Kenntnis, dass sein Produkt nicht erfolgversprechend sein werde, seien die Verhandlungen formell abgebrochen worden und nicht „im Sande verlaufen“. Die Frist des § 101 b GWB (n.F.) habe mit Blick auf den (ersten) Vertragsschluss mit der Firma I…, die rechtliche Bindevereinbarung vom 23. April 2009, keine Rolle gespielt. Es habe tatsächlich ein Interesse am Produkt des Antragstellers bestanden, auch wenn es „quasi zur Verhandlung aufgenötigt“ worden sei.

Die Auftraggeberin des hiesigen Verfahrens sei rechtlich vollkommen selbstständig und eigenständig. Der Antragsteller könne sich daher nicht auf sein gegenüber der G… und der K… GmbH geäußertes Interesse berufen mit der Folge, dass die zur de-facto-Vergabe entwickelten Rechtsgrundsätze hier gegenüber der Auftraggeberin, der M… GmbH, nicht greifen.

Im Übrigen habe der Antragsteller seine Rechte verwirkt. Der Vertrag mit der Firma I… werde seit nunmehr mehr als einem halben Jahr vollzogen. Der Antragsteller habe sein Produkt, das überdies nicht identisch mit dem der Firma I… sei, monatelang zur Verhandlung gestellt und sich auf diesem Wege, in Kenntnis des Zeitablaufs bis zum Scheitern der Verhandlungen, aller etwaigen Ansprüche begeben. Solche im Nachhinein geltend zu machen, sei missbräuchlich und als unzulässige Rechtsausübung abzuweisen. Die Auftraggeberin müsse sich nicht etwaige Kenntnisse der Geschäftsführungen der Auftraggeberinnen der Parallelverfahren wegen Personenidentität zu ihrer Geschäftsführung zurechnen lassen. Vielmehr seien die notwendigen rechtlichen Schritte gegenüber jeder einzelnen Gesellschaft innerhalb etwaig vorgesehener Fristen gesondert einzuleiten.

Der unzulässige Antrag wäre zudem nicht begründet, denn die Auftraggeberin habe, wie in den Parallelverfahren bereits ausführlich dargelegt, lediglich eine Erweiterung der Leistungen zu den seit mehreren Jahren bestehenden ursprünglichen Verträgen mit der Firma I… bzw. deren Rechtsvorgängerin vorgenommen. Nur aufgrund der langjährigen Vertragsbeziehungen und aufgrund der Tatsache, dass die Firma I… ein funktionierendes System vertreibe, habe eine Erweiterung auch auf die „Partnerkrankenhäuser“ erfolgen können. Denn mit Errichtung eines Zentrallabors musste eine mit den vorhandenen Gegebenheiten kompatible und problemlos erweiterbare Software zum Einsatz kommen. Diesen Anforderungen kann das Produkt des Antragstellers, wie aus der Vergangenheit bekannt, nicht genügen. Die Auftraggeberin habe hier den Auftrag zulässigerweise im Verhandlungsverfahren ohne vorherige öffentliche Vergabebekanntmachung unter Beachtung der §§ 101 Abs. 7, 97 Ziffer 2 GWB i.V.m. § 4 Abs. 1 VgV und – hieraus folgend – unter Einbeziehung der Vorschrift des § 3 a Ziffer 2 Buchst. e) VOL/A vergeben können.

Durch Verfügung des Vorsitzenden der Kammer vom 30. Dezember 2009 wurde die Entscheidungsfrist nach § 113 Abs. 1 Satz 2 GWB bis zum 29. Januar 2010 verlängert.

Auf die der Vergabekammer vorgelegten Unterlagen zur Auftragsvergabe sowie die eingereichten Schriftsätze der Beteiligten wird ergänzend Bezug genommen.

II.

Der Nachprüfungsantrag ist unzulässig. Dieser Umstand rechtfertigt es, dem Akteneinsichtsbegehren im Übrigen nicht zu entsprechen und ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden, §§ 111 Abs. 1, 112 Abs. 1 Satz 3 GWB.

Anzuwenden ist vorliegend das GWB in der bis zum 24. April 2009 geltenden Fassung (a.F.), denn die Überleitungsvorschrift des § 131 Abs. 8 GWB (n.F.) bestimmt u.a., dass Vergabeverfahren, die vor dem 24. April 2009 begonnen haben, … nach den bisher hierfür geltenden Vorschriften zu beenden sind. Es kann insoweit dahinstehen, ob auf den Zeitpunkt der Vereinbarung vom … 2009 oder des … Vertrages vom … 2009 abzustellen ist. Der … Vertrag basiert auf der Vereinbarung aus April 2009 und beiden Vereinbarungen sind, dies wird von Auftraggeberseite nicht in Abrede gestellt, Vorüberlegungen zum Abschluss der streitigen Verträge sowie die Erstellung eines Leistungsverzeichnisses und die Abgabe des Angebotes der Firma I… zeitlich vorausgegangen.

Die Auftraggeberin ist als öffentlicher Auftraggeber im Sinne von § 98 Nr. 2 GWB zu qualifizieren. Sie ist in der Rechtsform einer gemeinnützigen privaten Kapitalgesellschaft organisiert, deren Stammkapital mittelbar von Stellen gehalten wird, die unter § 98 Nr. 1 GWB fallen; sie ist eine 100%ige Tochtergesellschaft der G… mbH, die ihrerseits in der Rechtsform einer privaten Kapitalgesellschaft von den Landkreisen … und … sowie der Stadt … betrieben wird, drei Gesellschaftern, die Stellen i.S.d. § 98 Nr. 1 GWB sind.

Die angerufene Vergabekammer ist für die Entscheidung über den Antrag zuständig. Der streitige Vertragsschluss ist als Dienstleistungsauftrag dem Land … zuzurechnen und übersteigt nach den der Vergabekammer vorgelegten Unterlagen den maßgeblichen Schwellenwert von 206.000,00 EUR, §§ 104 Abs. 1, 99 Abs. 4, 100 Abs. 1, 127 Nr. 1 GWB i.V.m. Artikel 2 der VO (EG) Nr. 1422/2007 vom 4. Dezember 2007. Auch unterliegt das Zustandekommen des zur Nachprüfung durch die Vergabekammer des Landes Brandenburg gestellten Vertragsschlusses dem vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren nach § 102 GWB (BGH, Beschluss vom 1. Februar 2005 – X ZB 27/04); aus der Auslegung gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben folgt (EuGH, Urteil vom 11. Januar 2005 – Rs. C-26/03, Rn. 33), dass bereits die Entscheidung, kein geregeltes Vergabeverfahren durchzuführen, der Nachprüfung zugänglich sein muss.

Die Zulässigkeit des Nachprüfungsbegehrens des Antragstellers scheitert nicht an der Antragsbefugnis. Antragsbefugt ist nach § 107 Abs. 2 GWB jedes Unternehmen, das ein Interesse am Auftrag hat und eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht. Das Unternehmen hat dabei darzulegen, dass ihm durch die behauptete Verletzung der Vergabevorschriften ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.

Hohe Anforderungen werden an die Darlegungslast im Hinblick auf einen zumindest drohenden Schaden im Sinne des § 107 Abs. 2 GWB nicht gestellt (BVerfG, Beschluss vom 29. Juli 2004 – 2 BvR 2248/03). Der Schadensbegriff muss unter dem Gesichtspunkt der Gewährung des Primärrechtsschutzes betrachtet und ausgelegt werden. Hiernach genügt ein Antragsteller seiner Darlegungslast, wenn er eine Verletzung seiner Rechte aus § 97 Abs. 7 GWB geltend macht. Das hat der Antragsteller vorliegend getan, indem er vorgetragen und beanstandet hat, dass eine Vergabe im offenen Verfahren nicht stattgefunden hat. Er hätte sich, ebenso wie die Firma I… mit ihrem Produkt, um die Ausstattung der von den Gesellschaften der G…-Gruppe betriebenen Krankenhäuser mit Laborsoftware beworben, wenn er rechtzeitig Kenntnis von der konkreten Vertragsabsicht im Rahmen einer – hier unterlassenen – Ausschreibung erhalten hätte. Ihm drohe ein Schaden, da ihm als langjährigem Vertragspartner der K… GmbH nicht die Möglichkeit eingeräumt worden sei, rechtzeitig ein vergleichbares chancenreiches Angebot abgeben zu können.

Die Unzulässigkeit des Nachprüfungsantrages beruht nicht auf einer etwaigen Verletzung der Rügeobliegenheit durch den Antragsteller. Würde mit dem Vortrag des Antragstellers von einer de-facto-Vergabe der streitigen Leistung auszugehen sein, deren Gegenstand europaweit im offenen Verfahren hätte ausgeschrieben werden müssen, weil die Annahme der Auftraggeberin – es handele sich um eine Erweiterung bestehender Verträge gemäß § 3 a Ziffer 2 Buchst. e) VOL/A – nicht zutreffe, entfiele die Rügepflicht. Bei Direktvergaben wird in der überwiegenden Rechtsprechung (u.a. OLG Celle, Beschluss vom 29. Oktober 2009 – 13 Verg 8/09) die Rügelast verneint.

Tatsächlich wurde die streitige Leistung, wie von der Auftraggeberin in ihrer Stellungnahme vom 14. Dezember 2009 in den o.g. Parallelverfahren dargelegt und mittels der eingereichten Vergabeunterlagen belegt, gemäß § 3 a Ziffer 2 Buchst. e) VOL/A im Verhandlungsverfahren ohne vorherige öffentliche Vergabebekanntmachung beauftragt. In einem Aktenvermerk vom 3. Februar 2009 hatten die Technik-Abteilungen der G…-Gruppe ihre Einschätzung zu den beiden in ihren Krankenhäusern eingesetzten Laborinformationssystemen abgegeben – das im … Krankenhaus eingesetzte Produkt LE… der Fa. …, vertrieben vom Antragsteller und das von der Auftraggeberin in ihren Krankenhäusern eingesetzte System der Firma I… Hinsichtlich der maßgeblichen Kriterien kamen sie unter Zugrundelegung der mit beiden Systemen gemachten Erfahrungen zu dem Ergebnis, dass nicht das System des Antragstellers geeignet sein werde, sondern das System der Firma I… die an die Zuverlässigkeit, Kompatibilität und Wirtschaftlichkeit sowie Zweckmäßigkeit einer Erweiterungslösung zu stellenden Erwartungen erfüllen wird. Die Erarbeitung eines Leistungsverzeichnisses durch ein von der Auftraggeberin dieses Verfahrens beauftragtes Ingenieurbüro, die Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes ausschließlich an die Firma I…, die Angebotsabgabe (vom 15. April 2009) und das Gespräch zur Angebotsaufklärung (am 23. April 2009) fanden im April 2009 statt. Da der Antragsteller unwidersprochen erstmals Mitte Dezember durch Übersendung der Auftraggeberstellungnahme vom 14. Dezember 2009 in den Parallelverfahren vom Ablauf der Softwarebeschaffung, insbesondere von der Identität der auftraggebenden Gesellschaft, Kenntnis erhielt, ist sein Rügeschriftsatz vom 17. Dezember 2009 mit dem Vorwurf, der beanstandeten Leistungsvergabe durch die Auftraggeberin dieses Nachprüfungsverfahrens hätte eine Ausschreibung vorausgehen müssen, unverzüglich i.S.d. § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 6. Februar 2007 – 17 Verg 7/06).

Die Zulässigkeit des Antrages scheitert hier vielmehr daran, dass die Auftraggeberin mit der Firma I… einen wirksamen Vertrag über die streitige Leistung geschlossen hat. Diesem wirksamen Vertrag liegt ein wirksam erteilter Zuschlag zugrunde (§ 114 Abs. 2 Satz 1 GWB), der in dem zwar nicht-öffentlichen, gleichwohl förmlichen Vergabeverfahren (Verhandlungsverfahren nach § 3 a Nr. 2 Buchst. e) VOL/A) erteilt wurde. Damit können etwaige Verstöße gegen das Verfahren im Wege des Nachprüfungsverfahrens grundsätzlich nicht mehr überprüft und gegebenenfalls beseitigt werden.

Eine wirksame Zuschlagserteilung soll allerdings für den Fall zu verneinen sein, dass die Vergabestelle ihrer Pflicht zur Information der erfolglosen Bieter aus § 13 Satz 1 VgV nicht nachgekommen ist. Dann wäre der Zuschlag nach § 13 Satz 6 VgV nichtig. Die gleiche Folge wird bei einer Nichtigkeit des Zuschlages gemäß 138 BGB aufgrund kollusiven Zusammenwirkens der Vergabestelle mit dem Zuschlagsempfänger angenommen (OLG Karlsruhe, a.a.O. mit Hinweis auf BGH, Beschlüsse vom 19. Dezember 2000 – X ZB 14/00 und vom 1. Februar 2005 – X ZB 27/04).

Ausgehend von dieser Prämisse wurde hier der Zuschlag im Verhandlungsverfahren ohne öffentliche Aufforderung zur Teilnahme gemäß § 3 a Nr. 2 Buchst. e) VOL/A spätestens am 23. April 2009 erteilt. Dieser Zuschlag ist weder in direkter noch in analoger Anwendung des § 13 Satz 6 VgV nichtig.

Eine direkte Anwendung des § 13 Satz 6 VgV scheidet bereits deshalb aus (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 3. Dezember 2003 – Verg 37/03), weil die Auftraggeberin exklusiv mit der Firma I… in der Weise verhandelt hat, dass nur diese in das Verhandlungsverfahren einbezogen wurde. Nur der Firma I… war ein Leistungsverzeichnis übersandt worden, nur diese wurde um die Abgabe eines Angebotes ersucht und folglich nur mit ihr ein Verhandlungsgespräch – Vergabeaufklärungsgespräch nach § 24 VOL/A – geführt.

Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 1. Februar 2005 (X ZB 27/04) ausführlich zu den Rechtsfolgen einer Pflichtverletzung der dem Auftraggeber nach § 13 Satz 1 VgV obliegenden Informationspflicht Stellung genommen. § 13 Satz 6 VgV ordne die Nichtigkeit eines ohne Beachtung der Informationspflicht geschlossenen öffentlichen Auftrages an, weil anderenfalls ein übergangener Bieter zunächst unerkannten Verstößen gegen dass Vergaberecht nicht mehr mit Erfolg begegnen könne. In dieser Vorschrift komme der Grundgedanke effektiven Rechtsschutzes zum Ausdruck, sodass die analoge Anwendung des § 13 Satz 6 VgV in den Fällen für sachgerecht erachtet werde, in denen zwar kein dem GWB genügendes förmliches Vergabeverfahren stattgefunden habe, es gleichwohl zu einer Art Wettbewerb durch Beteiligung bzw. Interessenbekundung verschiedener Unternehmen gekommen sei. Diese Unternehmen seien – vergleichbar den „Bietern“ eines geregelten Verfahrens – dem Auftraggeber als am Auftrag interessiert bekannt und sollen daher im Falle ihrer Nichtberücksichtigung über diesen Umstand informiert werden.

Der Antragsteller selbst hat ausschließlich mit der Muttergesellschaft der Auftraggeberin G… GmbH und der K… GmbH, seiner (bisherigen) Vertragspartnerin, verhandelt und diesen Angebote über Vertragsmodifizierungen und –erweiterungen unterbreitet. Verhandlungstermine vor dem Rügeschreiben vom 16. Juli 2009 sind weder dem Antragstellervorbringen noch den Auftraggeberstellungnahmen oder den vorgelegten Dokumenten zu entnehmen. Mit der Auftraggeberin, der M… GmbH, hat der Antragsteller zu keiner Zeit Vertragsverhandlungen geführt. Für die Wirksamkeit von Zuschlag und Vertragsschluss – sei es, dass letzterer bereits für den … 2009 reklamiert wird, sei es, dass erst die Gegenzeichnung des … Vertrages am … 2009 heranzuziehen ist – folgt daraus, dass der Auftraggeberin nach § 13 Satz 1 VgV gegenüber dem Antragsteller eine Informationspflicht nicht oblag, die sie verletzt haben könnte, sodass Zuschlag und Vertragsschluss nicht nach § 13 Satz 6 VgV – in direkter oder analoger Anwendung – nichtig sind.

Allein die Tatsache, dass der Antragsteller Vertragspartner für Laborsoftware einer der mittels der streitigen Beschaffung (neu) auszustattenden Kliniken ist bzw. war, begründet keinen Bieterstatus in Bezug auf die Beschaffung durch die hiesige Auftraggeberin. Der Vortrag, als bisheriger Vertragspartner der K… GmbH … Krankenhaus, liege es in der Natur der Sache, dass er auch weiterhin ein Interesse habe, im Falle der Neuvergabe der dort eingesetzten Laborsoftware den Zuschlag zu erhalten, genügt eben so wenig, wie gelegentlich und beiläufig geäußerte Interessenbekundungen, ohne dass diesen ein konkretes Beschaffungsvorhaben zugeordnet werden könnte.

Entgegen dem Vorbringen des Antragstellers ist der Vertrag auch nicht wegen kollusiver Missachtung von Vergabevorschriften durch die Auftraggeberinnen der drei Parallelverfahren (VK 50/09, VK 51/09, VK 55/09: Muttergesellschaft G… und Tochtergesellschaften K… GmbH sowie M… GmbH) nach § 138 Abs. 1 BGB wegen Verstoßes gegen die guten Sitten für nichtig zu befinden. Unabhängig davon, dass der Antragsteller diesen Vorwurf erhebt, ohne ihn auch nur ansatzweise mit schlüssigem Vortrag zu unterlegen, folgert er ein ihn in seinen Interessen bewusst schädigendes Verhalten der drei untereinander verbundenen Gesellschaften aus dem Umstand personeller Identität der Geschäftsführungen.

Dem Vorwurf des Antragstellers steht vorliegend ersichtlich entgegen, dass bei einem sittenwidriges Verhalten gegenüber der Allgemeinheit oder gegenüber einem Dritten § 138 BGB nur anwendbar ist, wenn alle Beteiligten des streitigen Rechtsgeschäftes subjektiv sittenwidrig zum Nachteil des Betroffenen handeln. Das Bewusstsein von Sittenwidrigkeit ist bei den Handelnden nicht erforderlich; es genügt, dass der Handelnde die Tatsachen kennt, aus denen sich die Sittenwidrigkeit ergibt (BGH, Urteil vom 29. Juni 2005 – VIII ZR 299/04). Handelnde bei dem vonseiten des Antragstellers als sittenwidrig erkannten Rechtsgeschäftes, d.h. Beteiligte am Vertragsschluss, ist hier, neben der Auftraggeberin, die Firma I… Die vom Antragsteller benannten Auftraggeberinnen der Parallelverfahren VK 50/09 und VK 51/09 sind nicht als Vertragspartei in den Vertrag involviert. Ihnen gegenüber kann dahinstehen, ob sie für die Anwendung des § 138 BGB relevante Tatsachen kannten. Jedenfalls hat der Antragsteller nicht ansatzweise Anhaltspunkte anzudeuten vermocht, dass Vertreter der Firma I… die subjektiven Voraussetzungen einer Sittenwidrigkeit in Bezug auf den Abschluss des streitigen Rechtsgeschäftes erfüllen. Derartiges ist den der Kammer vorgelegten Vergabeunterlagen ebenfalls nicht zu entnehmen.

Eine etwaige Nichtigkeit des in Rede stehenden Vertrages über Laborsoftware folgt letztlich nicht aus § 134 BGB; die Vergabekammer teilt die von den Vergabesenaten der Oberlandesgerichte Düsseldorf und Karlsruhe in den oben angeführten Entscheidungen vom 3. Dezember 2003 und 6. Februar 2007 vertretene Rechtsauffassung, dass ein etwaiger Verstoß gegen vergaberechtliche Bestimmungen – hier: gegen § 3 a Nr. 2 Buchst. e) VOL/A i.V.m. § 97 Abs. 1 GWB – nicht als Verstoß gegen ein Verbotsgesetz i.S.d. § 134 BGB zu qualifizieren ist. Entsprechend der vom OLG Düsseldorf (a.a.O.) im Umkehrschluss aus § 115 Abs. 1 GWB hergeleiteten Argumentation, dass nach dem Willen des Gesetzgebers allein die Missachtung von Vergaberegeln als solche kein Zuschlagsverbot auslöst und einen wirksamen Vertragsschluss hindern kann, war folglich hier der dem Nachprüfungsantrag zeitlich erheblich vorgelagerte Vertragsschluss auf das bezuschlagte Angebot der Firma I… rechtswirksam.

III.

Der Antrag auf Akteneinsicht durch den Antragsteller gemäß § 111 Abs. 1 GWB ist abzulehnen. Das Akteneinsichtsrecht ist nur in dem Umfang gegeben, in dem es zur Durchsetzung der Rechte des Antragstellers aus § 97 Abs. 7 GWB erforderlich ist. Das ist bei einem unzulässigen Nachprüfungsantrag nicht der Fall (VK Brandenburg, Beschluss vom 19. März 2003, VK 5/03; Beschluss vom 25. Februar 2005, VK 4/05).

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach hat ein Beteiligter die Kosten zu tragen, soweit er im Verfahren unterliegt.

Die Vergabekammer hält die Festsetzung der …gebühr von … EUR gemäß § 128 Abs. 2 Satz 2 GWB bei Abwägung des Aufwandes einerseits und der wirtschaftlichen Bedeutung des Gegenstandes des Nachprüfungsverfahrens andererseits für angemessen, zumal keine Beiladung erfolgt ist und eine mündliche Verhandlung nicht stattgefunden hat.

Die Gebühr in Höhe von 2.500,00 EUR wird mit Bestandskraft des Beschlusses fällig und ist binnen eines Monats nach Zustellung unter Angabe des Aktenzeichens (VK 55/09) und des Verwendungszwecks … auf das Konto … zu überweisen.

V.

Gegen die Entscheidung der Vergabekammer ist die sofortige Beschwerde zulässig. Sie ist schriftlich innerhalb einer Frist von zwei Wochen, die mit der Zustellung der Entscheidung beginnt, beim Brandenburgischen Oberlandesgericht, Gertrud-Piter-Platz 11, 14770 Brandenburg, einzulegen.

Die sofortige Beschwerde ist zugleich mit ihrer Einlegung zu begründen. Die Beschwerdebegründung muss die Erklärung enthalten, inwieweit die Entscheidung der Vergabekammer angefochten und eine abweichende Entscheidung beantragt wird, und die Tatsachen und Beweismittel angeben, auf die sich die Beschwerde stützt.

Die Beschwerdeschrift muss durch einen Rechtsanwalt unterschrieben sein. Dies gilt nicht für Beschwerden von juristischen Personen des öffentlichen Rechts (§ 117 Abs. 3 GWB).

Mit der Einlegung der Beschwerde sind die anderen Beteiligten des Verfahrens vor der Vergabekammer vom Beschwerdeführer durch Übermittlung einer Ausfertigung der Beschwerdeschrift zu unterrichten (§ 117 Abs. 4 GWB).

Die sofortige Beschwerde hat aufschiebende Wirkung gegenüber der Entscheidung der Vergabekammer. Die aufschiebende Wirkung entfällt zwei Wochen nach Ablauf der Beschwerdefrist. Hat die Vergabekammer den Antrag auf Nachprüfung abgelehnt, so kann das Beschwerdegericht auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung bis zur Entscheidung über die Beschwerde verlängern (§ 118 Abs. 1 GWB).

Gemäß § 6 Abs. 1 der Geschäftsordnung der Vergabekammern des Landes Brandenburg vom 26. Mai 2009, Amtsblatt für Brandenburg S. 1225, ist die Unterzeichnung des Beschlusses durch den ehrenamtlichen Beisitzer nicht erforderlich.