Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 12. Senat | Entscheidungsdatum | 21.12.2011 | |
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Aktenzeichen | OVG 12 M 40.11 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 32 Abs 3 AufenthG, § 32 Abs 4 AufenthG, § 108 FamFG, § 109 Abs 1 Nr 4 FamFG |
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 27. Mai 2011 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens, außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Die Beschwerde des Klägers gegen die erstinstanzliche Versagung von Prozesskostenhilfe hat keinen Erfolg. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass die Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne des § 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO biete, ist auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens nicht zu beanstanden.
Nach dem kosovarischen Familienrecht (vgl. Artikel 141 Abs. 1 FamFG vom 20. Januar 2006 - Bergmann/Ferid/Heinrichs, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Abteilung Kosovo, S. 27, 59) verbleiben dem geschiedenen Elternteil substantielle Mitentscheidungsrechte auch dann, wenn das alleinige Sorgerecht im kosovarischen Verständnis auf den anderen Teil übertragen wird. Dies gilt so lange, wie die verbleibenden Teile des Elternrechts nicht gemäß § 149 FamFG förmlich entzogen worden sind. Zwar ist dies im vorliegenden Fall mit dem Urteil des Kommunalgerichts in Suhareke (AZ: C. Nr. 63/10) geschehen, doch ist diese Sorgerechtsentscheidung gemäß §§ 108, 109 Abs. 1 Nr. 4 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG - vom 17. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2586) nicht anerkennungsfähig (die Republik Kosovo ist weder Vertragsstaat des Haager Übereinkommens noch des Europäischen Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen über das Sorgerecht für Kinder und die Wiederherstellung des Sorgeverhältnisses). Es verstößt gegen den verfahrensrechtlichen deutschen ordre public, wenn ein minderjähriges Kind nicht angehört wird, bevor das zuständige ausländische Gericht der im Heimatland lebenden Mutter, der das Sorgerecht zuvor nicht übertragen worden war, das Sorgerecht in seinen verbleibenden Bestandteilen entzieht. Eine dahingehende ausländische gerichtliche Entscheidung braucht im Visumsverfahren von Behörden der Bundesrepublik Deutschland nicht anerkannt zu werden; sie begründet keine alleinige Personensorge im Sinne von § 32 Abs. 3 AufenthG (vgl. dazu die rechtkräftigen Urteile des Senats vom 29. September 2010 - OVG 12 B 21.09 - und vom 7. Dezember 2010 - OVG 12 B 29.09 -). So verhält es sich hier. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass eine Anhörung des Sohnes des Klägers in dem auf Entzug des Sorgerechts gerichteten Verfahren des Kommunalgerichts Suhareke nicht durchgeführt worden ist. Soweit der Kläger sich dazu auf eine Bescheinigung des Kommunalgerichts Suhareke vom 9. Juni 2011 bezieht, in der auf Artikel 144 Ziffer 2 FamFG vom 20. Januar 2006 Bezug genommen wird, folgt daraus nichts anderes. Nach der Bescheinigung besagt die Vorschrift (die in Bergmann/Ferid/Heinrichs nicht abgedruckt ist), dass das kosovarische Gericht für den Fall, dass ein Kind über zehn Jahre alt ist, insbesondere die emotionalen Bedürfnisse und Wünsche des Kindes berücksichtigt. Es erscheint bereits außerordentlich zweifelhaft, ob daraus im Zusammenhang mit dem vom Verwaltungsgericht herangezogenen Artikel 140 Abs. 5 Satz 1 FamFG nach dem kosovarischen Familienrecht der Schluss zu ziehen ist, dass Kinder unter zehn Jahren nicht angehört werden müssen. Selbst wenn dies unterstellt würde, bliebe jedoch die Möglichkeit, das unter zehnjährige Kind tatsächlich zu hören. Im Übrigen würde der deutsche ordre public in jedem Fall verlangen, dass das familienrechtliche Verfahren im Kosovo eine Anhörung des auch unter zehnjährigen Kindes garantiert.
Zu Recht ist das Verwaltungsgericht auch davon ausgegangen, dass dem Kläger ein Anspruch aus § 32 Abs. 4 AufenthG gleichfalls nicht zusteht. Danach kann dem minderjährigen ledigen Kind eines Ausländers eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn es aufgrund der Umstände des Einzelfalls zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich ist. Grundvoraussetzung für das Vorliegen einer Härte in diesem Sinne ist dabei der Eintritt eines Umstandes, den der Kläger als Vater bei seiner früheren Entscheidung, seinen Sohn im Kosovo in der Obhut seiner Eltern zurückzulassen, nicht in Rechnung stellen konnte. Eine solche wesentliche Veränderung der ursprünglich vorhersehbaren Entwicklung ist nicht erkennbar. Dabei muss davon ausgegangen werden, dass es bei der spätestens 2008 getroffenen Ausreiseentscheidung des Klägers durchaus voraussehbar war, dass sich die gesundheitliche Verfassung seiner Eltern im Laufe der Jahre altersbedingt verschlechtern könnte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 127 Abs. 4 ZPO. Einer Streitwertfestsetzung bedarf es wegen der gesetzlich bestimmten Festgebühr nicht.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).