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Zinsen für Überziehungskredit; verspätete Leistungserbringung


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 15. Senat Entscheidungsdatum 25.03.2010
Aktenzeichen L 15 SO 32/09 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 41 SGB 1, § 43 SGB 1, § 44 SGB 1, § 73 SGB 12, § 823 Abs 2 BGB, § 17 Abs 2 S 1 GVG

Tenor

Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 15. Januar 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist, ob die Klägerin vom Beklagten Leistungen in Höhe von Zinsen eines Überziehungskredits beanspruchen kann, die nach ihrem Vortrag in der Zeit vom 1. Dezember 2005 bis zum 2. Februar 2006 angefallen waren.

Die Klägerin ist 1966 geboren worden. Durch Bescheid vom 24. Mai 2005 bewilligte ihr der Beklagte Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des Sozialgesetzbuchs Zwölftes Buch (SGB XII) ab 1. Januar 2005 „bis auf weiteres“. Die monatliche Leistung ab Mai 2005 wurde dabei mit 629,35 € errechnet. Die Leistung werde monatlich im Voraus und unverändert gezahlt, solange sich die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht änderten. Als monatlichen Bedarf setzte der Beklagte ab Mai 2005 den Regelbedarf von 345,-- € und Kosten der Unterkunft in Höhe von 529,71 € monatlich an. Dem Bedarf stellte sie als Einkommen den Zahlbetrag (245,36 €) einer Rente wegen Erwerbsminderung gegenüber, die der Klägerin von der Deutschen Rentenversicherung Berlin-Brandenburg (ehemals Landesversicherungsanstalt Berlin) bewilligt worden war.

Im Juni 2005 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, dass sich der Zahlbetrag der Rente ab 1. Juli 2005 auf 244,15 € verringere und bat, ihre Sozialhilfe dem anzupassen. Die Beklagte gewährte der Klägerin daraufhin ab Juli 2005 laufende Leistungen in Höhe von monatlich 630,56 €. Ein neuer Bescheid erging nach Aktenlage nicht.

Mit Schreiben vom 16. August 2005 (Eingang beim Beklagten am 22. August 2005) übersandte die Klägerin einen am 15. August 2005 geschlossenen Arbeitsvertrag als Taxi-Aushilfsfahrerin. Hierzu teilte sie mit, dass ihr Einkommen nicht genau vorhersagbar sei, aber die Hinzuverdienstgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung zu keinem Zeitpunkt übersteigen werde. Die monatliche Gehaltsabrechnung werde sie übersenden, sobald sie vorliege.

Im September 2005 übersandte die Klägerin die Lohn- und Gehaltsabrechnung für den Monat August 2005, im Oktober die Lohn- und Gehaltsabrechnung für September 2005. Durch Bescheid vom 24. Oktober 2005 stellte der Beklagte die Leistungen für die Monate Oktober und November 2005 neu fest und berücksichtigte der Sache nach – jeweils abzüglich eines Freibetrags bei Erwerbstätigkeit und von Aufwendungen für Arbeitsmittel – den Verdienst aus der Abrechnung für August 2005 als Einkommen im Oktober 2005 und den Verdienst aus der Abrechnung für September 2005 als Einkommen im November 2005 (Zahlbetrag für Oktober 2005: 584,83 €, für November 2005: 460,54 €). Er zahlte die Leistungen in der im Bescheid festgesetzten Höhe an die Klägerin aus.

Mit Schreiben vom 16. November 2005 übersandte die Klägerin dann die auf den 11. November 2005 datierende Lohn- und Gehaltsabrechnung für Oktober 2005 (Verdienst 327,24 € brutto = netto) und mit Schreiben vom 16. Dezember 2005 (Eingangsdatum unbekannt) die auf den 14. Dezember 2005 datierende Lohn- und Gehaltsabrechnung für November 2005 (Verdienst 344,22 € brutto = netto). Über laufende Hilfe zum Lebensunterhalt für die Monate Dezember 2005 und Januar 2006 erließ der Beklagte zunächst weder einen Bescheid noch zahlte er Leistungen an die Klägerin aus.

Mit Schreiben vom 17. Januar 2006 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, dass sie „trotz eines gültigen Bescheides vom 24. Oktober 2005“ weder für Dezember 2005 noch für Januar 2006 Leistungen erhalten habe. Eine am 16. Dezember 2005 telefonisch zugesagte Abschlagszahlung sei nie auf ihrem Konto eingegangen, ein am 10. Januar 2006 zugesagter Rückruf des Gruppenleiters nicht erfolgt. Zugleich übersandte sie die auf den 12. Januar 2006 datierende Lohn- und Gehaltsabrechnung für Dezember 2005 (Verdienst 336,83 € brutto = netto).

Durch Bescheid vom 19. Januar 2006 stellte der Beklagte die Leistungen für die Monate Dezember 2005 bis Februar 2006 fest und berücksichtigte der Sache nach den Verdienst aus der Abrechnung für Oktober 2005 (abzüglich eines Freibetrags bei Erwerbstätigkeit von 96,61 € und von Aufwendungen für Arbeitsmittel von 5,20 €) als Einkommen im Dezember 2005, den Verdienst aus der Abrechnung für November 2005 (abzüglich eines Freibetrags für Erwerbstätigkeit von 101,71 € und von Aufwendungen für Arbeitsmittel von 5,20 €) als Einkommen im Januar 2006 und den Verdienst aus der Abrechnung für Dezember 2005 (abzüglich eines Freibetrags für Erwerbstätigkeit von 99,49 € und von Aufwendungen für Arbeitsmittel von 5,20 €) als Einkommen im Februar 2006 (Zahlbetrag für Dezember 2005: 405,13 €, für Januar 2006: 451,90 € und für Februar 2006: 457,07 €; in den Monaten Januar und Februar 2006 wurde als Bedarf neben dem Regelsatz und den Unterkunftskosten ein Mehrbedarf wegen Erwerbsunfähigkeit von 58,65 € berücksichtigt). Der Bescheid enthielt den Zusatz, dass der Betrag für den laufenden Monat „heute“ (am Tag des Bescheiddatums) zur Zahlung angewiesen bzw. bereits ausgezahlt worden sei.

In einem am 2. Februar 2006 von der Klägerin eingeleiteten Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (SG Berlin S 47 SO 245/06 ER), mit dem sie unter Hinweis auf ihren ausgeschöpften Überziehungskredit die Verpflichtung des Beklagten zur sofortigen Gewährung laufender Hilfe zum Lebensunterhalt beantragt hatte, erklärte der Beklagte am 3. Februar 2006, dass von einer Buchung „um den 25.1.06“ auszugehen sei.

Mit Schreiben vom 6. Februar 2006 teilte die Klägerin mit, dass die Sozialhilfe für die Monate Dezember 2005, Januar 2006 und Februar 2006 am 3. Februar 2006 auf ihrem Konto eingegangen sei. Sie bitte um Erstattung der Zinsen für den in Anspruch genommenen Dispositionskredit. Bei einem Zinssatz ihrer Bank von 16,99 % ergebe sich ein Betrag von 19,11 € (Berechnung: Rückstand vom 1. bis zum 31. Dezember 2005 = 405,13 €, anteilige Zinsen für diesen Zeitraum 4,74 €; Rückstand vom 1. bis zum 31. Dezember 2006 = 857,03 €, anteilige Zinsen für diesen Zeitraum 12,13 €; Rückstand am 1. und 2. Februar 2006: 1.314,10 €, anteilige Zinsen für diesen Zeitraum 1,24 €).

Der Beklagte lehnte den Antrag durch Bescheid vom 8. Februar 2006 mit der Begründung ab, dass Gebühren und Kosten im Zusammenhang mit der Führung eines Bankkontos Bestandteil des Regelsatzes seien. Kosten und Kostenrisiken gingen damit zu Lasten des Kontoinhabers.

Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin geltend, dass es nicht um die Kosten der Kontenführung gehe. Da die Leistungen für die Monate Dezember 2005 bis Februar 2006 trotz mehrfacher Nachfragen und Bemühungen erst am 3. Februar 2006 auf ihrem Konto eingegangen seien, sei sie gezwungen gewesen, ihren Lebensunterhalt in der Zwischenzeit durch ihren Überziehungskredit zu finanzieren. Die Kosten seien vermeidbar gewesen, wenn die Sozialhilfe rechtzeitig geleistet worden wäre.

Durch Widerspruchsbescheid vom 28. November 2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Es sei zwar richtig, dass die Kosten für den Überziehungskredit keine normalen Kosten der Kontoführung seien, die vom Regelsatz abgedeckt würden. Die Verzinsung fälliger Geldleistungen hänge nach dem Gesetz jedoch nicht vom Verschulden der Behörde, sondern vom Ablauf von Fristen ab. Die gesetzliche Sechsmonatsfrist zur Entscheidungsfindung sei, ausgehend vom Zeitpunkt der Mitteilung über die Aufnahme der Tätigkeit als Taxifahrerin, bei Auszahlung der Leistungen noch nicht abgelaufen gewesen. Ein Anspruch auf Verzinsung sei deshalb nicht entstanden.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin ihr Anliegen weiterverfolgt. Es sei nicht ihrem Verhalten zuzuschreiben, dass die Zinsforderungen entstanden seien. Die gesetzliche Verzinsungsregelung des § 44 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) bezwecke keinen Schadens- bzw. Bedarfsausgleich. Der Anspruch auf Schadensersatz aus Amtshaftung erfordere wiederum den Nachweis eines persönlichen Verschuldens eines Sachbearbeiters. Schäden wie der hier vorliegende entstünden bei Menschen, die am Existenzminimum lebten, jedoch unabhängig von einem Verschuldensnachweis. Beide Rechtsinstitute erfassten nicht alle Folgen fehlerhaften Verwaltungshandelns, wie der vorliegende Fall zeige. Dies auch deshalb, weil es bei Inkrafttreten des SGB I noch nicht die jetzige Form des Überziehens von Konten gegeben habe. Die entstandene Bedarfslage könne sich als „sonstige Lebenslage“ im Sinne des § 73 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) darstellen und durch öffentliche Mittel auszugleichen sein.

Durch Urteil vom 15. Januar 2009 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Verzinsung nach der gesetzlichen Regelung des § 44 SGB I seien nicht erfüllt. Hierbei könne offen bleiben, ob für den Beginn der Sechsmonatsfrist als Datum des Leistungsantrags der August 2005 gelten könne oder auf die – nicht davor liegende – Kenntnis des Trägers der Sozialhilfe vom Hilfebedarf abzustellen sei. In beiden Fällen sei die Frist im „Dezember 2005“ noch nicht abgelaufen gewesen. Ein Anspruch auf Übernahme der Zinsen als Hilfe in sonstigen Lebenslagen scheide ebenfalls aus. Leistungen auf dieser Rechtsgrundlage setzten eine Lebenslage voraus, die nicht bereits von den vorherigen Kapiteln des SGB XII erfasst sei. Die Bedarfs- und Lebenslage Kontogebühren sei jedoch bereits vom Regelsatz erfasst. Da es auf die Typizität der Lebenslage ankomme, gelte dies auch für die Kosten eines im Girokonto eingerichteten Überziehungskredits. Auch wenn dies angesichts des existenzsichernden Charakters der Sozialhilfeleistungen erstaune, seien weder im SGB XII noch im SGB I weitere Vorschriften zum Ausgleich von Vermögensschäden durch verspätete Sozialleistungen enthalten.

Die Klägerin habe auch keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Schadensersatz nach Vorschriften des Zivilrechts wegen Verletzung eines Schutzgesetzes. Als Schutzgesetz komme allein die Vorschrift über die Fälligkeit von Sozialleistungen in Betracht. Mit ihr sei jedoch nicht erkennbar die Schaffung eines individuellen Schadensersatzanspruches erstrebt worden. Darüber hinaus bestehe ein Anspruch auf Schadensersatz auch deshalb nicht, weil die entstandenen Zinsen durch schadensminderndes Handeln der Klägerin vermeidbar gewesen seien. Sie habe nicht von den gesetzlich vorgesehenen Möglichkeiten Gebrauch gemacht, bei Mittellosigkeit sofort Leistungen zu erhalten (persönliche Vorsprache, Antrag auf Vorschuss). Das gleiche Ergebnis folge aus dem sozialhilferechtlichen Gebot der Selbsthilfe.

Ein Schadensersatzanspruch unter dem Gesichtspunkt der positiven Vertragsverletzung komme ebenfalls nicht in Betracht. Für die sinngemäße Anwendung des zivilen Schuldrechts bleibe kein Raum. Das Rechtsverhältnis zum Träger der Sozialhilfe sei durch Über-Unterordnung geprägt und damit strukturell anders als in Vertragsbeziehungen. Außerdem bestünden Regelungen über Fälligkeit und Vorschusszahlung sowie die Möglichkeit der Amtshaftung.

Schließlich könnten die geltend gemachten Kosten auch nicht mittels des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ersetzt werden. Dies scheitere bereits daran, dass der Anspruch seiner Natur nach auf sozialrechtliche Naturalrestitution gehe. Das Begehren der Klägerin erfasse er somit nicht.

Mit der vom Sozialgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Berufung verfolgt die Klägerin ihr Anliegen weiter. Zwar treffe zu, dass sich der Anspruch nicht aus den gesetzlichen Vorschriften über die Verzinsung herleiten lasse. Es liege aber eine sonstige, den Einsatz öffentlicher Mittel rechtfertigende Lebenslage im Sinne des § 73 SGB XII vor. Die im Verwaltungsvollzug im Sozialleistungsbereich in den letzten Jahren entstandenen Probleme stellten eine neuartige, von den sonstigen Hilfebedarfen nicht erfasste Bedarfslage dar. Die Vorschriften über die Fälligkeit von Sozialleistungen stellten darüber hinaus auch ein Schutzgesetz dar, welches einen Anspruch auf Schadensersatz begründe. Dies ergebe sich gerade daraus, dass sonst im Sozialhilferecht eine spezielle Schadensersatzregelung fehle. Eine andere Gestaltungsmöglichkeit als den Dispokredit habe sie nicht gehabt. Sie habe mit dem Beklagten kommuniziert, der aber seine Zusagen nicht eingehalten habe. Ob sie telefoniere oder persönlich vorspreche, könne keinen Unterschied machen.

Die Klägerin beantragt der Sache nach,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 15. Januar 2009 und den Bescheid des Beklagten vom 8. Februar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. November 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an sie 19,11 € zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung und seine Bescheide für zutreffend. Für das Anliegen der Klägerin gebe es keine Rechtsgrundlage.

Die Gerichtsakte sowie die in Kopie zur Gerichtsakte genommenen Schriftstücke aus Band II der Verwaltungsakte des Beklagten, deren Umfang den Beteiligten mit Schreiben vom 20. August 2009 mitgeteilt worden ist, lagen dem Senat bei seiner Entscheidung vor. Wegen Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt dieser Aktenstücke Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Senat kann aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung eine Entscheidung in der Sache treffen (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).

Die Berufung ist unbegründet.

Soweit das Begehren auf Rechtsgrundlagen des öffentlichen Rechts gestützt wird, ist die von der Klägerin erhobene kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG) die statthafte Klageart.

Der angefochtene Bescheid, mit dem ausschließlich über Ansprüche aus derartigen Rechtsgrundlagen entschieden worden ist, ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin deshalb nicht in ihren Rechten. Hierbei wird im folgenden – Kontoauszüge waren nicht vorgelegt worden – unterstellt, dass aufgrund der unstreitig verzögerten Zahlungen des Beklagten die im Bescheid vom 19. Januar 2006 ausgewiesenen, bestandskräftig festgestellten Bedarfe für Dezember 2005 sowie Januar und Februar 2006 ausschließlich durch Inanspruchnahme eines Überziehungskredits gedeckt worden sind und anderweitige Barmittel nicht zur Verfügung standen.

Wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat und auch von der Klägerin nicht in Frage gestellt wird, ergibt sich der geltend gemachte Anspruch auch nicht teilweise aus § 44 SGB I. Diese Vorschrift gilt mangels abweichender Sondervorschriften auch im Bereich des Sozialhilferechts (s. bereits BVerwG, Urteil vom 8. Juli 1982 – 5 C 96/81, BVerwGE 66, 90). Es kann dahingestellt bleiben, wann genau die in § 44 Abs. 2 SGB I bestimmte Frist bis zum Beginn der Verzinsung in dem gesetzlich vorgesehenen Umfang von 4 % (§ 44 Abs. 1 SGB I) begann (s. auch hierzu BVerwG a.a.O.). Würde gemäß § 44 Abs. 2 Alternative 2 SGB I auf die Bekanntgabe des Bescheides über die Leistung vom 19. Januar 2006 abgestellt, so begänne eine Verzinsung ebenso erst ab 1. März 2006 wie dann, wenn auf die Frist von sechs Monaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrags abgestellt würde. Denn ein in diesem Sinne vollständiger Leistungsantrag lag jedenfalls nicht vor Eingang der Mitteilung über die Arbeitsaufnahme vom August 2005 vor, weil Hilfen zum Lebensunterhalt keine rentenähnlichen Dauerleistungen darstellen; am Rechtscharakter der laufenden Hilfen ändert sich nichts dadurch, dass auch sie durch Dauerverwaltungsakt zuerkannt werden können (s. etwa BSG SozR 4-3250 § 2 Nr. 2, zusammenfassend zur Rechtsprechung des BVerwG ferner Armborst/Conradis in LPK-SGB XII, 8. Auflage 2008, Anhang Verfahren Rz. 33, 34). Die Sechsmonatsfrist beginnt deshalb nicht für die gesamte Dauer des Leistungsbezugs mit dem einmal – möglicherweise bereits vor langer Zeit – gestellten Antrag auf Gewährung von Sozialhilfe. Angesichts dessen kann auch dahingestellt bleiben, ob eine der 2005 ergangenen Leistungsbewilligungen als Dauerverwaltungsakt qualifiziert werden könnte.

Das Sozialgericht hat auch zutreffend angenommen, dass ein von § 44 SGB I unabhängiger und über diese Vorschrift hinausgehender Anspruch auf Übernahme von Zinsen nicht gemäß § 73 SGB XII als Hilfe in „sonstigen Lebenslagen“ geltend gemacht werden kann. Gerade angesichts des offenen Begriffs muss es sich um Lebens- und Bedarfssituationen handeln, die aus der Veränderung sozialer Verhältnisse oder aufgrund gesellschaftlicher Entwicklungen herrühren (s. Berlit in LPK-SGB XII, 8. Auflage 2008, § 73 Rz. 5). Die geltend gemachte Bedarfslage muss sich als „atypisch“ darstellen, aber eine gewisse Nähe zu den im SGB XII ausdrücklich geregelten, speziell denen des Fünften bis Neunten Kapitels aufweisen (s. BSG SozR 4-3500 § 21 Nr. 1 im Anschluss an BSG SozR 4-4200 § 20 Nr. 1). Der Eintritt von (Vermögens-)Schäden aufgrund (jedenfalls im Ergebnis) rechtswidrigen Verwaltungshandelns weist auch im Ansatz keine Nähe zu sonstigen Bedarfslagen auf. Diese sind ausnahmslos dadurch gekennzeichnet, dass sie unabhängig vom Verwaltungshandeln des Trägers der Sozialhilfe durch in der Person des Hilfebedürftigen selbst liegende Umstände entstehen. Ebensowenig ist ersichtlich, dass eine derartige Situation nicht bereits bei der Schaffung des SGB XII beziehungsweise vorher des Bundessozialhilfegesetzes bekannt gewesen wäre. Im Gegenteil beruhte gerade die Schaffung des § 44 SGB I auf der Erkenntnis des Gesetzgebers, dass soziale Geldleistungen in der Regel die Lebensgrundlage der Leistungsberechtigten bilden und daher, wenn sie verspätet gezahlt werden, nicht selten Kreditaufnahmen, die Auflösung von Ersparnissen oder die Einschränkung der Lebensführung notwendig machen; solche Nachteile sollten – wenigstens teilweise – ausgeglichen werden (s. ausführlich BSG SozR 3-7610 § 291 Nr. 1). Dies erhellt auch, dass durch § 44 SGB I für den Bereich des Leistungsrechts eine abschließende Regelung getroffen worden ist. Denn durch § 44 SGB I wird die Geltendmachung höherer Zinsen (auch) wegen Verzugs auf der Grundlage des § 288 Zivilprozessordnung ausgeschlossen (s. auch hierzu BSG a.a.O.).

Eine öffentlich-rechtliche Leistungspflicht unter dem Gesichtspunkt des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs hat das Sozialgericht schließlich ebenfalls zutreffend verneint. Als Rechtsfolge dieses Anspruchs ist (nur) der Zustand wiederherzustellen, der ohne die Pflichtverletzung aufgrund einer zulässigen Amtshandlung bestehen würde (s. stellvertretend BSG, Urteil vom 19. November 2009 – B 13 R 5/09 R). Zulässige Amtshandlung kann Gewährung von Zinsen, wie ausgeführt lediglich nach Maßgabe des § 44 SGB I sein.

Soweit im vorliegenden Verfahren wegen der vom Sozialgericht zu Recht gesehenen rechtswegüberschreitenden Prüfungskompetenz (§ 17 Abs. 2 Satz 1 Gerichtsverfassungs-gesetz) auch Ansprüche der Klägerin gegen den Beklagten aufgrund von Vorschriften des Bürgerlichen Rechts zu prüfen sind, ist die allgemeine Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG) die statthafte Klageart. Der Beklagte ist insoweit nicht ermächtigt, über Ansprüche durch Verwaltungsakt zu entscheiden (und hat dies – wie bereits ausgeführt – auch nicht getan). Ein Vorverfahren ist deshalb ebenfalls vor Klageerhebung nicht durchzuführen.

Der allein geltend gemachte und in Betracht kommende Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 823 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) setzt voraus, dass der Ersatzpflichtige gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstoßen hat. Um von einem solchen Gesetz auszugehen, genügt es nicht, dass die Norm im allgemeineren Sinne Schutz und Förderung einzelner Bürger oder bestimmter Personenkreise bewirkt oder bezweckt. Vielmehr muss die Schaffung eines individuellen Schadensersatzanspruches erkennbar vom Gesetz erstrebt sein oder zumindest im Rahmen des haftungsrechtlichen Gesamtsystems tragbar erscheinen (stellvertretend BSG SozR 3-1300 § 98 Nr. 1). Das Sozialgericht hat zutreffend ausgeführt, dass die als Schutzgesetz nur in Betracht kommende Vorschrift über die Fälligkeit von Geldleistungen (§ 41 SGB I) nicht als Schutzgesetz in diesem Sinne angesehen werden kann. Ihr Regelungsgehalt erschöpft sich darin, den Zeitpunkt festzuschreiben, ab dem eine Leistung gegenüber dem Leistungsträger durchgesetzt werden kann. Die Rechtsfolgen, die sich aus der Nichtbeachtung der Vorschrift über die Fälligkeit ergeben, sind für den Bereich des Sozialleistungsrechts – wie bereits ausgeführt – durch § 44 SGB I abschließend geregelt. Da dies zum einen im Zusammenhang mit der Schaffung des § 41 SGB I und zum anderen bewusst abweichend von der zivilrechtlichen Regelung über die Verzugszinsen geschah, welche den Ersatz eines konkreten Zinsschadens ausdrücklich vorsehen (s. § 288 Abs. 3 BGB), bleibt kein Raum dafür anzunehmen, dass über § 823 Abs. 2 Satz 1 BGB weitergehende Ansprüche auf Ersatz eines Vermögensschadens begründet werden sollten.

Weil der geltend gemachte Anspruch bereits dem Grunde nach nicht besteht, kann offen bleiben, ob er auch in der geltend gemachten Höhe berechtigt wäre. Dies könnte jedenfalls deshalb fraglich sein, weil sich die Höhe der Zinssätze ausweislich der bei den Akten befindlichen Kontoauszüge danach richtete, wie hoch der in Anspruch genommene Überziehungskredit war.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor. Im besonderen sah der Senat angesichts der vorliegenden und zitierten Rechtsprechung im besonderen des BSG in der Sache keine grundsätzliche Bedeutung, die eine erneute Befassung des Revisionsgerichts rechtfertigen würde. An die Einschätzung des Sozialgerichts zur Zulässigkeit der Berufung war der Senat nicht gebunden.