Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 7. Senat | Entscheidungsdatum | 08.03.2013 | |
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Aktenzeichen | OVG 7 N 90.13 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 117 Abs 1 S 3 VwGO, § 124 Abs 2 Nr 1 VwGO, § 124 Abs 2 Nr 2 VwGO, § 124 Abs 2 Nr 3 VwGO, § 3 Abs 1 AufenthG, § 63 AufenthG, § 71 Abs 6 AufenthG |
Die Beförderung von Ausländern, deren mitgeführter Pass eine Unterschrift des Inhabers vorsieht, aber nicht unterschrieben ist, verstößt gegen das Beförderungsverbot nach § 63 Abs. 1 AufenthG. Auf Möglichkeiten, dem Ausländer nach unerlaubter Beförderung gleichwohl die Einreise zu erlauben, insbesondere die Nachholung der fehlenden Unterschrift kommt es nicht an.
Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 6. Juni 2012 wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird für die zweite Rechtsstufe auf 90.000 EUR festgesetzt.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet.
Mit dem Urteil hat das Verwaltungsgericht die Klage eines türkischen Luftfahrtunternehmens gegen die Verfügung vom 27. November 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. April 2010 abgewiesen. Mit dieser Verfügung wurde der Klägerin auf der Grundlage der wegen der im Zeitraum vom 1. Januar 2007 bis zum 30. April 2007 festgestellten Verstöße gegen das Verbot der Beförderung von Ausländern in das Bundesgebiet ohne den erforderlichen Pass und den erforderlichen Aufenthaltstitel erlassenen, im Verfahren VG Potsdam 8 K 2306/08 - OVG 7 N 91.13 - gesondert angefochtenen Untersagungsverfügung der Bundespolizeidirektion Koblenz vom 25. Juni 2007 gemäß § 63 Abs. 2 Satz 1 letzter Halbsatz AufenthG ein Zwangsgeld in Höhe von 1000 Euro für jeden ohne die zur Einreise erforderlichen Papiere beförderten Ausländer angedroht. Die Klägerin müsse sich jedenfalls entgegenhalten lassen, dass sie nach Erlass der Untersagungsverfügung im Zeitraum zwischen Juli und Oktober 2007 abermals 35 Passagiere ohne unterschriebene Pässe und 9 Passagiere ohne bzw. mit abgelaufenem Pass oder ohne bzw. mit bereits ausgenutztem Visum befördert habe. Der Erlass der Zwangsgeldandrohung sei daher ermessensfehlerfrei. Auf der Grundlage der angefochtenen Zwangsgeldandrohung seien etwa 180 Zwangsgeldfestsetzungen erfolgt.
Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist wirksam. Zwar entspricht die Ersetzung der Unterschrift des Richters am Verwaltungsgericht Dr. W... durch den Vorsitzenden nicht den gesetzlichen Anforderungen nach § 117 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Der Vorsitzende kann die Unterschrift eines verhinderten Richters nicht durch die eigene Unterschrift „ersetzen“, indem er zugleich für den verhinderten Richter oder das Urteil an dessen Stelle nochmals unterschreibt; vielmehr ist unter dem Urteil mit dem Hinderungsgrund zu vermerken, welcher Richter an der Beifügung verhindert ist. Dieser Vermerk bedarf der Unterschrift des Urhebers, denn das Gesetz weist seine Vornahme dem Vorsitzenden oder, bei dessen Verhinderung, dem dienstältesten beisitzenden Richter zu. Unter dem angefochtenen Urteil findet sich ein den Anforderungen eines Verhinderungsvermerks genügender Text, der in Klammern gesetzt ist, unter einer (weiteren) Unterschrift des Vorsitzenden. Danach ist nicht eindeutig, ob der Vorsitzende das Urteil anstelle des verhinderten Richters unterschreiben oder nur die Verhinderung beurkunden wollte. Das führt aber nicht zur Unwirksamkeit des Urteils; es ist vielmehr bereits durch seine Verkündung in öffentlicher Sitzung (§ 116 Abs. 1 VwGO) nach außen wirksam geworden und im Übrigen gemäß § 117 Abs. 4 Satz 2 VwGO von den beteiligten Berufsrichtern unterschrieben der Geschäftstelle übermittelt worden, so dass ein etwaiger Verstoß lediglich das Erfordernis betreffen würde, nachträglich Tatbestand und Entscheidungsgründe nebst Rechtsmittelbelehrung besonders unterschrieben der Geschäftsstelle zu übermitteln.
Mangels Rüge der Klägerin kann auf sich beruhen, ob das Urteil hier verfahrensfehlerhaft unterzeichnet ist und welche Fehlerfolgen sich daraus gegebenenfalls ergeben würden. Ein formal fehlerhafter Verhinderungsvermerk dürfte jedenfalls dann, wenn – wie hier- alle nach dem Gesetz erforderlichen Elemente vorhanden sind und die Urheberschaft des Vorsitzenden nicht in Frage steht, vor dem Hintergrund des Zwecks des Unterschriftserfordernisses nach § 117 Abs. 1 Satz 2 VwGO, die Wiedergabe des Beratungsergebnisses zu verantworten, nicht ohne weiteres dazu führen, dass eine nicht mit Gründen versehene Entscheidung im Sinne des § 138 Nr. 6 VwGO vorliegt (so für den Fall des Fehlens einer Unterschrift: BVerwG, Beschluss vom 15. September 1995 – 4 B 173.95 -, NVwZ-RR 1996, 299), denn die Möglichkeit von Verhinderungsvermerken zeigt gerade, dass für diese Prüffunktion nicht die Unterschrift aller Berufsrichter erforderlich ist, sie äußerstenfalls sogar nur durch einen von ihnen wahrgenommen werden kann. Hier ist jedenfalls nicht zweifelhaft, dass diese Funktion von den beiden nicht verhinderten Berufsrichtern wahrgenommen wurde und der Klammertext lässt erkennen, dass der dritte beteiligte Berufsrichter wegen Urlaubs diese Funktion nicht hat wahrnehmen können.
Die Berufung gegen das Urteil kann aber nicht zugelassen werden. Die mit der Antragsbegründung geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), der besonderen rechtlichen Schwierigkeit sowie der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 und 3 VwGO) liegen nicht vor.
Spezielle vollstreckungsrechtliche Einwände hat die Klägerin auch im Zulassungsverfahren nicht erhoben. Soweit sie – der Sache nach – das Urteil insoweit beanstandet, dass es schon an einer rechtmäßigen Untersagungsverfügung fehle, kann sie damit nicht durchdringen, nachdem der Senat mit Beschluss vom heutigen Tage den Zulassungsantrag gegen das die Rechtmäßigkeit der Untersagungsverfügung bestätigende Urteil abgelehnt und dieses damit rechtskräftig geworden ist (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
Gleiches gilt, soweit sie sich mit inhaltlich gleicher Darlegung der Zulassungsgründe gegen die Feststellung von 44 Verstößen gegen das Beförderungsverbot im Zeitraum Juli bis Oktober 2007 wenden möchte, in denen das Verwaltungsgericht eine ausreichende Grundlage für die Entscheidung des Beklagten gesehen hat, die Zwangsgeldandrohung zu erlassen. Insoweit kann der Senat auf seine Ausführungen in dem die Untersagungsverfügung betreffenden Verfahren (OVG 7 N 91.13) verweisen. Diese beanspruchen auch in Ansehung des Vorbringens der Klägerin zu den weiteren, vom Beklagten für den Erlass der Zwangsgeldandrohung herangezogenen Beförderungsfällen uneingeschränkt Geltung und ermöglichen im Ergebnis schon bei Abschluss des Zulassungsverfahrens die Beurteilung hinreichend sicher, dass das Verwaltungsgericht insoweit zutreffend von Verstößen gegen das Beförderungsverbot nach § 63 Abs. 1 AufenthG ausgegangen ist und die Androhung eines Zwangsgeldes für jeden weiteren Verstoß (vgl. zu der im Rahmen der spezialgesetzlichen Grundlage zulässigen kumulativen Androhung: BVerwG, Urteil vom 21. Januar 2003 – 1 C 5.02 –, BVerwGE 117, 332, juris Rn. 26) daher nicht als unverhältnismäßig oder sonst ermessensfehlerhaft beurteilt werden kann. Hiernach liegt keiner der im vorliegenden Verfahren geltend gemachten Zulassungsgründe vor. Das angefochtene Urteil unterliegt weder ernstlichen Richtigkeitszweifeln, noch bedarf es der Durchführung eines Berufungsverfahrens zur Beantwortung der von der Klägerin aufgeworfenen rechtlichen und tatsächlichen Fragestellungen, soweit diese als entscheidungserheblich zu qualifizieren sind.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).