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Asylrecht; Abschiebungsanordnung; Italien


Metadaten

Gericht VG Frankfurt (Oder) 3. Kammer Entscheidungsdatum 28.11.2012
Aktenzeichen VG 3 K 525/11.A ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 27a AsylVfG, § 34a AsylVfG, Art 4 EGV 343/2003

Leitsatz

Wird ein auf § 34 a des Asylverfahrensgesetzes gestützter Bescheid, mit dem die Unzulässigkeit eines Asylantrages festgestellt und die Abschiebung des betreffenden Ausländers angeordnet worden ist, hinsichtlich der letztgenannten Entscheidung durch Abschiebung vollzogen, ohne dass der Bescheid selbst bestandskräftig ist, erledigen sich durch die vollzogene Abschiebung die Rechtswirkungen eines derartigen Bescheides vollständig, und das im Bescheid bestimmte Land wird endgültig für die Prüfung des Asylbegehrens zuständig, sofern der Ausländer gerade dorthin abgeschoben worden ist.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der am XXX geborene Kläger ist eigenen Angaben zufolge XXX Volkszugehöriger aus XXX und XXX Religionszugehörigkeit.

Zu einem nicht restlos geklärten Datum verließ er sein Heimatland und reiste nach einem zwischenzeitlichen Aufenthalt in Italien am 22. November 2010 nach Deutschland ein, wo er am 30. November 2010 einen Asylantrag stellte.

Auf ein von Deutschland aus am 25. Februar 2011 gestelltes Übernahmeersuchen erklärte Italien unter dem 16. März 2011 seine Übernahmebereitschaft.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) vom 1. April 2011 stellte dieses gestützt auf § 27 a Asylverfahrensgesetz fest, der Asylantrag sei unzulässig und ordnete die Abschiebung des Klägers nach Italien an.

Am 24. Mai 2011 hat der Kläger Klage erhoben, mit der er sinngemäß geltend macht, seine Abschiebung nach Italien komme nicht in Betracht, weil die Durchführung eines ordnungsgemäßen Asylverfahrens unter menschenwürdigen Bedingungen dort für ihn nicht gewährleistet sei.

Einen zugleich gestellten Eilantrag (VG 3 L 131/11. A) hat das Gericht mit Beschluss vom selben Tage abgelehnt. Ausweislich eines diesbezüglichen Vermerks konnte eine für den folgenden Tag, den 25. Mai 2011, beabsichtigte Überstellung des Klägers nach Italien nicht erfolgen, weil er unbekannt verzogen war.

Nachdem der Kläger wieder aufgetaucht und ein von ihm gestellter Antrag auf Abänderung des im Eilverfahren VG 3 L 131/11.A ergangenen Beschlusses erfolglos geblieben war (VG 3 L 185/11. A), ist er am 7. Juli 2011 nach Italien überstellt worden.

Am 18. Oktober 2011 ist er erneut nach Deutschland eingereist.

Am 3. Januar 2012 hat Italien erneut seine Übernahmebereitschaft erklärt. Zwei weitere vom Kläger gestellte Eilanträge sind ebenfalls erfolglos geblieben.

Der Kläger beantragt schriftsätzlich,

1. den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 1. April 2011 aufzuheben und

2. die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes vorliegen,

hilfsweise

die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2-7 des Aufenthaltsgesetzes vorliegt.

Die Beklagte verteidigt den angegriffenen Bescheid und beantragt schriftsätzlich,

die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten (4 Hefte) und die den Kläger betreffende Ausländerakte des Landkreises Uckermark (2 Hefte) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A. Das Gericht konnte trotz Ausbleibens der Beteiligten im Termin verhandeln und entscheiden, weil sie auf diese Möglichkeit mit den ihnen ordnungsgemäß zugestellten Ladungen ausdrücklich hingewiesen worden sind (§ 102 Abs. 2 VwGO).

B. I. Soweit sich die Klage gegen den Bescheid vom 1. April 2011 richtet, ist sie unzulässig.

1. Sie ist allerdings - und zwar insgesamt - als Anfechtungsklage statthaft. Der Kläger muss sein Begehren auf Durchführung eines Asylverfahrens nicht im Wege einer Verpflichtungsklage verfolgen. Würde nämlich im vorliegenden Verfahren der angegriffene Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 1. April 2011, mit dem die Unzulässigkeit des von ihm gestellten Asylantrages festgestellt und seine Abschiebung nach Italien angeordnet worden ist, aufgehoben, so wäre die Beklagte auch ohne dahin gehende gerichtliche Entscheidung verpflichtet, für ihn ein Asylverfahren durchzuführen (VG Augsburg, Urteil vom 12. Juni 2012 - Au 6 K 11.30511 -, Juris Rn. 17; VG Ansbach, Urteil vom 25. November 2010 - AN 11 K 10. 30388 -, Juris Rn. 17; Funke-Kaiser in: GK-AsylVfG, Loseblattsammlung, II - § 34 a AsylVfG Rn. 64).

2. Dem Kläger fehlt aber das Rechtsschutzbedürfnis, und zwar ebenfalls hinsichtlich beider im Bescheid getroffener Regelungen. Denn der angegriffene Bescheid hat sich mit der am 7. Juli 2011 erfolgten Überstellung des Klägers nach Italien erledigt und entfaltet deshalb keine den Kläger betreffende Rechtswirkungen mehr.

Die Frage, welche Wirkungen es hat, wenn ein auf § 34 a des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) gestützter Bescheid, mit dem die Unzulässigkeit eines Asylantrages festgestellt und die Abschiebung des betreffenden Ausländers angeordnet worden ist und sodann hinsichtlich der letztgenannten Entscheidung durch Abschiebung vollzogen wird, ohne dass der Bescheid selbst bestandskräftig ist, ist in der Rechtsprechung umstritten (vgl. etwa VG München, Urteil vom 2. Juli 2012 - M 15 K 12. 30110 -, Juris Rn. 15 für die Unzulässigkeit der Klage wegen einer Erledigung beider Teilregelungen; ebenso VG Ansbach, Urteil vom 25. November 2010 - AN 11 K 10.30388 -, Juris Rn. 18; dagegen aber VG München, Urteil der 24. Kammer vom 29. November 2011 - M 24 K 11. 30219 -, Juris Rn. 20 für die Zulässigkeit der Klage bei Verneinung einer Erledigung; differenzierend VG Augsburg, Urteil vom 12. Juni 2012 a.a.O. Rn. 19: Erledigung der Abschiebungsanordnung, jedoch Fortbestand der Rechtswirkungen über die festgestellte Unzulässigkeit des Asylantrages).

Nach Auffassung der Kammer ist die angesprochene Frage mit der zuerst zitierten Rechtsprechung dahin zu beantworten, dass sich durch die vollzogene Abschiebung die Rechtswirkungen eines derartigen Bescheides vollständig erledigen und das im Bescheid bestimmte Land endgültig für die Prüfung des Asylbegehrens zuständig ist, sofern der Ausländer gerade dorthin abgeschoben worden ist.

Das ergibt eine Auslegung von § 34a AsylVfG in Verbindung mit § 27a AsylVfG und im Lichte der Regelungen der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (Dublin II-Verordnung). Nach der erstgenannten Norm ordnet das Bundesamt in Fällen, in denen ein Ausländer in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat - § 27a AsylVfG - abgeschoben werden soll, die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. In dieser Vorschrift ist bestimmt, dass ein Asylantrag unzulässig ist, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Als solche kommen insbesondere die Vorschriften der Dublin II-Verordnung in Betracht.

Namentlich Art. 4 Abs. 5 Dublin II-Verordnung spricht für die vom erkennenden Gericht vertretene Auffassung. Danach ist ein Mitgliedsstaat, bei dem der Asylantrag gestellt wurde, gehalten, einen Asylbewerber, der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats befindet und dort einen Asylantrag gestellt hat, nachdem er seinen Antrag noch während des Verfahrens zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats zurückgezogen hat, nach den Bestimmungen des Artikels 20 wieder aufzunehmen, um das Verfahren zur Bestimmung des für die Prüfung des Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats zum Abschluss zu bringen. Die Vorschrift ist zwar nicht unmittelbar auf den Fall des Klägers anzuwenden, weil dieser in Italien keinen Asylantrag gestellt und zurückgenommen, sondern von vornherein dort auf die Stellung eines Asylantrages verzichtet hat. Sie verdeutlicht aber den in der Dublin II-Verordnung zum Ausdruck kommenden Willen des Rates, im zuständigen Staat nicht nur die Prüfung des Asylantrages abzuschließen (also über den materiellen Anspruch zu entscheiden), sondern dort gerade auch das Verfahren zur Bestimmung des für die Prüfung des Asylantrages zuständigen Mitgliedstaats zum Abschluss zu bringen und nicht im unzuständigen Staat durch ein gegen die diesbezügliche Verwaltungsentscheidung gerichtetes Rechtsmittelverfahren.

II. Die Klage wäre im Übrigen auch unbegründet.

Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 1. April 2011 war rechtmäßig und hat den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt; dieser hatte keinen Anspruch auf Durchführung seines Asylverfahrens in Deutschland (§ 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO).

Hinsichtlich der insoweit einschlägigen Rechtsgrundlage des § 34a AsylVfG, des maßgebenden gerichtlichen Überprüfungsmaßstabes sowie der Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen wird auf die zwischen den Beteiligten ergangenen Beschlüsse in den Eilverfahren vom 24. Mai 2011 (VG 3 L 131/11.A), 29. Juni 2011 (VG 3 L 185/11.A) und 2. März 2012 (VG 3 L 37/12.A) Bezug genommen. Vor dem Hintergrund, dass der Kläger in den Mittelpunkt seines Vorbringens die Behauptung stellt, er könne in Italien nicht mit einem den Anforderungen entsprechenden Asylverfahren rechnen, ist ergänzend auf die den Beteiligten bekannte Auskunft des Auswärtigen Amtes an das Verwaltungsgericht Freiburg vom 11. Juli 2012 (Geschäftszeichen 508-9-516.80/47271) hinzuweisen, aus der sich ergibt, dass diesbezügliche Besorgnisse unbegründet sind.

C. Steht nach den vorstehenden Ausführungen fest, dass Italien für die Prüfung des Asylantrages des Klägers zuständig ist, so folgt daraus zugleich, dass das von ihm mit dem Antrag zu 2. verfolgte Begehren, die Beklagte zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen bzw. festzustellen, dass ihm die Rechte aus § 60 des Aufenthaltsgesetzes zustehen, schon mangels diesbezüglicher Zuständigkeit keinen Erfolg haben kann.

D. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung.