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Betriebsprüfung - Versicherungspflicht


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 22. Senat Entscheidungsdatum 15.12.2011
Aktenzeichen L 22 R 381/09 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 26 SGB 4

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 02. März 2009 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird auf 7 899,72 € festgesetzt.

Tatbestand

Streitig ist, ob die Beklagte zu Recht die für die Zeit vom 01. Januar 2002 bis zum 31. Dezember 2005 für die Klägerin entrichteten Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung beanstandet.

Die 1949 geborene Klägerin war in der Zeit vom 01. Juni 1988 bis wenigstens 11. Juli 2006 als kaufmännische Angestellte tätig und zwar zunächst in der P Sanitär- und Heizungsbau GmbH, an der sie und ihr Ehemann ab dem 31. Juli 1988 jeweils mit 50 % beteiligt waren. In dem ab dem 31. Juli 1988 unter „M GmbH Sanitäre Anlagen und Gasheizungen“ (im Folgenden nur noch: GmbH) firmierenden Unternehmen war der Ehemann der Klägerin, der Installateurmeister M P, allein vertretungsberechtigter Geschäftsführer. Ab dem 29. Juni 2005 war die weiterhin als kaufmännische Angestellte in der GmbH tätige Klägerin noch mit einem Geschäftsanteil von 35 % ohne Sperrminorität an der GmbH beteiligt. Für die Klägerin sind durchgehend ab 1967 Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt worden.

Am 29. Mai 2002 führte der Betriebsprüfdienst der Landesversicherungsanstalt Berlin in dem Unternehmen eine Betriebsprüfung über einen Prüfzeitraum vom 01. Januar 1998 bis 31. Dezember 2001 durch. Mit Prüfmitteilung vom 17. Januar 2003 teilte sie der GmbH mit, dass die stichprobenweise Überprüfung von Abrechnungsfällen bezüglich der Versicherungs- und Beitragspflicht keine Beanstandungen ergeben haben.

Am 28. September 2006 wurde über das Vermögen der GmbH wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung das Insolvenzverfahren eröffnet, das noch nicht beendet ist.

Die Klägerin hatte über die Agentur für Arbeit B N bei der BARMER Ersatzkasse ( BEK) ab September 2006 ein Statusfeststellungsverfahren bzw. Erstattung zu Unrecht gezahlter Beiträge für die Zeit vom 01. Juni 1988 bis zum 11. Juli 2006 der Klägerin beantragt. Mit Bescheid der BEK vom 29. November 2006 wurde nach erfolgter Prüfung festgestellt, dass die Klägerin in der Zeit vom 01. Juni 1988 bis 29. Juni 2005 und vom 30. Juni 2005 bis 11. Juli 2006 nicht der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten und Arbeitslosenversicherung unterliegt.

Nachdem die Klägerin am 07. Dezember 2006 schriftlich erklärt hatte, dass sie auf ihr Widerspruchsrecht verzichte und den Bescheid vom 29. November 2006 rechtsverbindlich anerkenne, übersandte die BEK der Beklagten den Bescheid vom 29. November 2006 sowie den Antrag der Klägerin und der GmbH vom 26. September 2006 auf Erstattung der zu Unrecht gezahlten Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung. Im Antrag machte die Klägerin geltend, dass die zu Unrecht gezahlten Beiträge beim Rentenversicherungsträger als Beiträge zur freiwilligen Versicherung verbleiben sollten. Auf Beanstandungsschutz verzichtete sie.

Die Klägerin teilte im Januar 2007 - u. a. - mit, dass sie nicht auf den Vertrauensschutz gemäß § 26 Abs. 1 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) für die Beiträge vom 01. Januar 1988 bis 30. Juni 2006 verzichte; die gesamten Beträge sollten nach ihrem Wunsch als rechtswirksam gezahlte Pflichtbeiträge im Versicherungsverlauf stehen.

Vom 12. bis zum 19. Dezember 2006 erfolgte bei der GmbH eine Betriebsprüfung (aus Anlass des Insolvenzereignisses, sog. „Insolvenzprüfung“) der Deutschen Rentenversicherung Berlin-Brandenburg im Auftrag einer Einzugsstelle. Mit Prüfbescheid vom 20. Dezember 2006 wurde für den Prüfzeitraum vom 01. Januar 2002 bis zum 27. September 2006 eine Insolvenzforderung der für den Einzug der Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung zuständigen Krankenkassen in Höhe von 6.539 Euro ermittelt, die sich aus einer unrichtigen Anwendung der „Sechstel-Regelung“ der Beitragsschuld der GmbH für den Monat Januar 2006 (Übergangsregelung zur Vermeidung einer doppelten Beitragszahlung innerhalb des Monats Januar 2006, ausgelöst durch die gesetzliche Änderung des Fälligkeitstages der Sozialversicherungsbeiträge ab dem 01. Januar 2006 - § 23 Abs. 1 S. 1 SGB IV in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Vierten und Sechsten Buches Sozialgesetzbuch vom 03. August 2005, BGBl. I S. 2269) sowie dadurch ergab, dass die Beschäftigung eines Arbeitnehmers der GmbH (Herrn K B) über den 31. Januar 2006 hinaus bis zum 31. Oktober 2006 bei der Beitragszahlung unberücksichtigt geblieben war.

Mit Bescheid vom 16. Juli 2007 beanstandete die Beklagte die in dem Versicherungskonto enthaltenen Pflichtbeiträge für die Zeit vom 01. Januar 2002 bis 31. Dezember 2005; für die Zeit vom 01. Januar 1988 bis zum 31. Dezember 2001 würden die Pflichtbeiträge als zu Recht entrichtete Beiträge in ihrem Versicherungskonto bleiben.

Den Widerspruch der Klägerin gegen diesen Bescheid, soweit darin die Beiträge vom 01. Januar 1988 bis 30. Juni 2006 nicht als auf dem Konto verbliebene Pflichtbeiträge gewertet worden seien, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 01. November 2007 zurück: Für die Zeit vom 01. Januar 1988 bis 31. Dezember 2001 verblieben die Pflichtbeiträge als zu Recht entrichtete Beiträge im Versicherungskonto der Klägerin. Die im Versicherungskonto enthaltenen weiteren Pflichtbeiträge vom 01. Januar 2002 bis 31. Dezember 2005 seien zu Unrecht gezahlt worden, weil durch die zuständige Einzugsstelle festgestellt worden sei, dass in dem angegebenen Zeitraum keine Versicherungspflicht bestanden habe. Die Zeit von Januar 2006 bis Juni 2006 sei nicht Gegenstand des Verfahrens, da hinsichtlich dieser Zeit kein Bescheid erteilt worden sei.

Hiergegen hat die Klägerin am 30. November 2007 beim Sozialgericht Berlin (SG) Klage erhoben. Zur Begründung ist wie im Widerspruchsverfahren vorgetragen worden, dass Beanstandungsschutz bis zum Dezember 2005 bestanden habe, weil die Fiktion, wonach Beiträge als zu Recht entrichtet worden seien, wenn sie nicht spätestens bei der nächsten Prüfung beim Arbeitgeber beanstandet worden seien, hier greife. Denn die „spätestens nächste Prüfung beim Arbeitgeber“ habe im Mai 2006 angestanden; eine Beanstandung habe es zu diesem Zeitpunkt nicht gegeben. Darauf, dass tatsächlich eine Betriebsprüfung nicht stattgefunden habe, komme es nicht an. Darüber hinaus folge aus dem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch, der hier dadurch begründet sei, dass die Beklagte entgegen ihrer Verpflichtung aus § 28 p Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) nicht nach spätestens vier Jahren eine weitere Betriebsprüfung habe folgen lassen, dass die Klägerin so zu stellen sei, als wäre das Behördenhandeln rechtmäßig erfolgt. Dann wäre spätestens im Mai 2006 eine Betriebsprüfung erfolgt, die den entsprechenden Beanstandungsschutz unstreitig ergeben hätte.

Die Klägerin hat beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 16. Juli 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01. November 2007 aufzuheben und festzustellen, dass die im Versicherungskonto der Klägerin enthaltenen Pflichtbeiträge vom 01. Januar 2002 bis zum 31. Dezember 2005 als zu Recht entrichtete Beiträge gelten (Beanstandungsschutz).

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Durch Urteil des SG vom 02. März 2009 ist die Klage abgewiesen worden. In den Entscheidungsgründen seines Urteils hat es ausgeführt, dass ein Beanstandungsschutz für die Beiträge vom 01. Januar 2002 bis zum 31. Dezember 2005 nicht bestehe. Dem stehe auch nicht die Regelung des § 26 Abs. 1 SGB IV entgegen, die auf eine „nächste Prüfung“ im Sinne einer tatsächlich erfolgten Prüfung abstelle, die hier nach der Prüfung vom Mai 2002 nicht durchgeführt worden sei. Die Beanstandung der Pflichtbeiträge im streitigen Zeitraum sei auch nicht im Wege eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs aufzuheben. Diesbezüglich dürfe es bereits an der Verletzung einer der Klägerin gegenüber bestehenden Pflicht der Beklagten zur Durchführung einer erneuten Betriebsprüfung spätestens im Mai 2006 fehlen. Ebenfalls könne die Verursachung eines sozialrechtlichen Nachteils durch das Unterlassen der Prüfung nicht nachgewiesen werden. Ein solcher könne darin zu sehen sein, dass aufgrund des Unterlassens der Betriebsprüfung im Mai 2006 noch kein Beanstandungsschutz für den Zeitraum nach dem 31. Dezember 2001 hätte eintreten können. Es könne jedoch nicht sicher festgestellt werden, dass aufgrund einer Prüfung im Mai 2006 Beanstandungsschutz nach § 26 SGB IV eingetreten wäre. Dies wäre nämlich nur der Fall gewesen, wenn die Beiträge bei dieser Prüfung nicht beanstandet worden wären. Davon könne aber nicht ausgegangen werden.

Gegen das der Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 20. März 2009 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 08. April 2009 beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg Berufung eingelegt.

Zur Begründung ist ergänzend vorgetragen worden, dass durch die Einführung des § 26 Abs. 1 Satz 3 SGB IV klargestellt worden sei, dass auch dann, wenn keine Betriebsprüfung stattgefunden habe, nach Ablauf von vier Jahren die Beiträge als zu Recht entrichtet gelten würden. Die Vorschrift des § 26 Abs. 2 Satz 3 SGB IV in der seit dem 01. Januar 2008 geltenden Fassung sei auch „rückwirkend“ anzuwenden, mindestens aber im Sinne einer Auslegungshilfe für Verhältnisse vor Januar 2008. Unter Bezugnahme auf den Prüfbescheid der Deutschen Rentenversicherung Berlin-Brandenburg vom 20. Dezember 2006 wird vorgetragen, dass bei der diesem Bescheid zugrunde liegenden Betriebsprüfung die Beiträge der Klägerin für den Prüfzeitraum 01. Januar 2002 bis 27. September 2006 nicht beanstandet worden seien, so dass Beanstandungsschutz eingetreten sei. Die Fiktion zu Recht entrichteter Beiträge nach § 26 SGB IV hänge nicht davon ab, ob und wann der Bescheid einer Einzugsstelle nach § 28 h Abs. 2 SGB IV ergangen sei.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 02. März 2009 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 16. Juli 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01. November 2007 insoweit aufzuheben, als damit die im Versicherungskonto der Klägerin enthaltenen Pflichtbeiträge vom 01. Januar 2002 bis 31. Dezember 2005 als zu Unrecht gezahlt beanstandet worden sind.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurück zu weisen.

Sie ist der Meinung, dass § 26 Abs. 1 Satz 3 SGB IV, da erst mit Wirkung ab 01. Januar 2008 eingeführt für die Beanstandung vorher entrichteter Beiträge nicht gelte. Ein Beanstandungsschutz bestehe auch nicht aufgrund des Prüfbescheides der Deutschen Rentenversicherung Berlin-Brandenburg vom 20. Dezember 2006, da die Klägerin zu diesem Zeitpunkt bereits Kenntnis von der Entscheidung der BEK gehabt habe, dass ihre Beschäftigung für die Zeit vom 01. Juni 1988 bis zum 11. Juli 2006 nicht als versicherungspflichtig beurteilt worden sei.

Durch Beschluss vom 08. März 2011 ist der Insolvenzverwalter GmbH, Rechtsanwalt Dr. B G, zum Verfahren beigeladen worden. Er hat sich zu dem Rechtsstreit inhaltlich nicht geäußert und auch keinen Antrag gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakten und der bei gezogenen Verwaltungsakten der Beklagten (Az. 65050349B508), die bei der Entscheidung vorgelegen haben, verwiesen.

Entscheidungsgründe

Der Senat kann ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten ihr Einverständnis dazu erklärt haben (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 151 Abs. 1 SGG). Sie ist auch statthaft gemäß § 143 SGG und nicht beschränkt nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG, da es sich nicht um eine Klage handelt, die auf eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt gerichtet ist. Denn der Beanstandungsbescheid der Beklagten hat eine eigenständige Bedeutung und ist erst die Grundlage für spätere Zahlungen, z. B. die Erstattung zu Unrecht entrichteter Beiträge oder - wie auch von der Klägerin ursprünglich beantragt - die Umwandlung der Pflichtbeiträge in freiwillige Beiträge.

Selbst wenn man den Beanstandungsbescheid der Beklagten als einen auf eine Geldleistung gerichteten Verwaltungsakt im Sinne des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG beurteilen würde, wäre die Berufung zulässig; denn der Wert des Beschwerdegegenstandes liegt über 750,00 €. Der Wert des Beschwerdegegenstandes richtet sich, wenn um die Beanstandung von Beitragszahlungen zur gesetzlichen Rentenversicherung - hier für die Jahre 2002 bis 2005 - gestritten wird, nach dem Geldwert dieser Zahlungen. Nach den vorliegenden Abrechnungen der Brutto-Netto-Bezüge der Klägerin für die Jahre 2002 bis 2005 ergeben sich gezahlte Rentenversicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt (3 869,52 € = Beitrag für 2002, plus 4 028,64 € = Beitrag für 2003, plus 3 950,64 € = Beitrag für 2004, plus 3 950,64 € = Beitrag für 2005). Da die Klägerin nach § 168 Abs. 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) den Beitrag zur Hälfte getragen hat – und die Beklagte die Beiträge auch nur gegenüber der Klägerin beschieden hat - würde der Wert des Beschwerdegegenstandes hier 7 899,72 € (15 799,44 € : 2) betragen. Dass die GmbH nach § 28 e Abs. 1 Satz 1 SGB IV die Gesamtssozialversicherungsbeiträge und damit auch die Rentenversicherungsbeiträge gezahlt hatte, vermag daran nichts zu ändern. Denn § 28 e SGB IV regelt nur die Zahlungspflicht und nicht auch die Frage, wer den Beitrag zu tragen hat, d. h. finanziell letztendlich damit belastet wird. Dies ergibt sich aus § 168 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI.

Die Berufung ist unbegründet. Das SG hat die zulässige Anfechtungsklage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 16. Juli 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01. November 2007 ist rechtmäßig, die Klägerin ist durch den Verwaltungsakt der Beklagten nicht beschwert (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG).

Die Beklagte hat die Beiträge für die Jahre 2002 bis 2005 zu Recht beanstandet.

Auch wenn es eine ausdrückliche Ermächtigungsgrundlage für das Beanstandungsrecht der Beklagten nicht gibt, setzen die §§ 26, 27 SGB IV ein solches Beanstandungsrecht des Versicherungsträgers voraus (BSG, Urteil vom 24. Juni 2010, B 10 LW 4/09 R, zitiert nach juris, Rz. 18). Denn obwohl in der Überschrift des § 26 SGB IV von „Beanstandung“ die Rede ist, fehlen in der Vorschrift Regeln dazu; es sind nur Bestimmungen zum Beanstandungsschutz getroffen. Die Notwendigkeit, Beiträge zu beanstanden, ergibt sich daraus, dass selbst zu Unrecht gezahlte Beiträge bis zur Feststellung ihrer Unwirksamkeit wie rechtmäßig gezahlte und damit wirksame Beiträge zu behandeln sind (BSG, Urteil vom 26. August 1975, 1 RA 165/74, zitiert nach juris, Rz. 21).

§ 26 Abs. 1 S. 1 und 2 SGB IV lauten:

Sind Pflichtbeiträge in der Rentenversicherung für Zeiten nach dem 31. Dezember 1972 trotz Fehlens der Versicherungspflicht nicht spätestens bei der nächsten Prüfung beim Arbeitgeber beanstandet worden, gilt § 45 Abs. 2 des Zehnten Buches entsprechend. Beiträge, die nicht mehr beanstandet werden dürfen, gelten als zu Recht entrichtete Pflichtbeiträge.

Die Vorschrift betrifft also ausschließlich Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung, die trotz Fehlens der Versicherungspflicht und damit zu Unrecht gezahlt wurden.

Vorliegend sind die Beiträge für die Jahre 2002 bis 2005 zu Unrecht entrichtet worden.

Die nach § 28 h Abs. 2 Satz 1 SGB IV insoweit zuständige Krankenkasse der Klägerin - die BEK – hat mit Bescheid vom 29. November 2006 bindend (§ 77 SGG) entschieden, dass die Klägerin für die Zeit vom 01. Juni 1988 bis zum 11. Juli 2006 nicht versicherungspflichtig gewesen ist. Die Klägerin hätte also auch für die Zeit vom 01. Januar 2002 bis zum 31. Dezember 2005 keine Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung zahlen müssen.

Auch die Voraussetzungen einer Versicherungspflicht für selbständig Tätige nach § 2 SGB VI aufgrund der selbständigen Tätigkeit liegen nicht vor.

Trotz Fehlens der Versicherungspflicht bestand Beanstandungsschutz lediglich für die von der Landesversicherungsanstalt Berlin am 29. Mai 2002 durchgeführte Prüfung für den Prüfzeitraum vom 01. Januar 1998 bis 31. Dezember 2001. Die in der Prüfmitteilung vom 17. Januar 2003 über diese Betriebsprüfung unterbliebene Beanstandung gewährte der Klägerin Vertrauensschutz für die Beiträge bis zum 31. Dezember 2001, wie die Beklagte bindend festgestellt hat, nicht aber über die Beiträge, die nach Ende dieses Prüfzeitraumes hinaus gezahlt worden sind.

Hingegen ist auch für die Beiträge ab dem 01. Januar 2002 festgestellt, dass die Klägerin nicht der Versicherungspflicht unterliegt. Der Bescheid der Deutschen Rentenversicherung Berlin-Brandenburg vom 20. Dezember 2006 hat die Entscheidung der BEK vom 20.November 2006 nicht aufgehoben.

Liegt wie hier ein bindender Verwaltungsakt einer Einzugsstelle über die Feststellung der Versicherungspflicht vor einem Prüfverfahren nach § 28 p SGB IV vor, hätte es einer auf die Klägerin bezogenen, den Zeitraum vom 01. Januar 2002 bis zum 31. Dezember 2005 erfassenden Feststellung nach Maßgabe der § 44 ff. SGB X bedurft, um die Bindungswirkung der Entscheidung der BEK aufzuheben. Eine solche Entscheidung ist aber als Ergebnis des Prüfverfahrens nach § 28 p SGB IV im Bescheid vom 20. Dezember 2006 nicht getroffen worden. Der Bescheid enthält weder eine Bezugnahme auf die vorangegangene Entscheidung der Einzugsstelle vom 19. Oktober 2006 noch auf die Klägerin selbst. Vielmehr wird in ihm u.a. geregelt, dass die sich aus der Prüfung ergebenden Insolvenzforderungen gegen die GmbH insgesamt 6.539 Euro betragen.

Die Klägerin kann sich auch nicht aufgrund der Zeit vom 12. bis zum 19. Dezember 2006 durchgeführten Betriebsprüfung nach § 28 p Abs. 1 SGB IV für den Prüfzeitraum vom 01. Januar 2002 bis zum 27. September 2006 auf § 26 Abs.1 Satz 2 SGB IV berufen, wonach Beiträge nicht mehr beanstandet werden dürfen und als zu Recht entrichtete Pflichtbeiträge gelten, wenn Pflichtbeiträge trotz Fehlens der Versicherungspflicht bei der Prüfung beim Arbeitgeber nicht beanstandet wurden.

Zwar erfolgte anlässlich dieser Betriebsprüfung keine Beanstandung der Beiträge, allerdings gilt § 45 Abs.2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) entsprechend, wenn Pflichtbeiträge in der Rentenversicherung nach dem 31. Dezember 1972 trotz Fehlens der Versicherungspflicht nicht spätestens bei der nächsten Prüfung beim Arbeitgeber beanstandet worden sind, § 26 Ab.1 Satz 1 SGB IV.

Nach § 45 Abs. 2 SGB X darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit

1.er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung, oder Bestechung erwirkt worden ist,
2.der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder
3.er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.

Der Beanstandungsschutz nach § 26 Abs. 1 S. 1 SGB IV ist mithin davon abhängig, ob die Klägerin aufgrund dieses Bescheides Vertrauensschutz entsprechend nach § 45 Abs. 2 SGB X genießt. Dies ist nicht der Fall.

Die Klägerin hat bereits nicht auf die fehlende Beanstandung vertraut. Sie wusste bereits bei Erhalt des Bescheides vom 20. Dezember 2006 durch den Bescheid der BEK vom 29. November 2006, dass keine Versicherungspflicht für die Zeit vom 01. Juni 1988 bis zum 11. Juli 2006 bestand. Dies war auch zeitnah in ihrem Bewusstsein. Sie hatte am 07. Dezember 2006 gegenüber der BEK erklärt, sie verzichte auf ihr Widerspruchsrecht und erkenne den Bescheid vom 29. November 2006 an.

Zudem wäre ein Vertrauen der Klägerin an der Wirksamkeit der Pflichtbeiträge unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an der Beanstandung nicht schutzwürdig.

Nicht schutzwürdig ist nach § 45 Abs. 2. S. 3 Nr. 1-3 SGB X (in analoger Anwendung), wenn der Versicherte die Rechtswidrigkeit der Versicherungspflicht kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Versicherte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.

Diese Vorsaussetzung liegt hier vor, denn die Klägerin kannte wie dargelegt die Rechtswidrigkeit ihrer Versicherungspflicht. Sie kannte sie nicht nur aus dem Bescheid der BEK vom 29. November 2006. Zusätzlich hat sie mit ihrem am 26. September 2006 gestellten Antrag auf Erstattung zu Unrecht gezahlter Beiträge zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung zum Ausdruck gebracht, dass sie nicht mehr von einer rechtmäßigen Beitragszahlung ausging. Liegt somit kein Vertrauensschutz vor, durfte die Beklagte die Beiträge für die im Prüfzeitraum liegende Zeit vom 01. Januar 2002 bis 31. Dezember 2005 beanstanden. Sie hat dies auch insoweit zu Recht durch Erlass des angefochtenen Verwaltungsaktes getan, als die Klägerin nicht schon wirksam auf Beanstandungsschutz verzichtet hatte (zu dieser Möglichkeit des Verzichts: Kreikebohm, SGB IV, § 26 Rz. 6). Zwar hatte diese noch in ihrem Antrag vom 29. September 2006 auf Beanstandungsschutz verzichtet; dies hat sie aber mit Schreiben vom 02. Januar 2007 insoweit widerrufen, als sie nunmehr ausdrücklich erklärte, nicht auf den „Vertrauensschutz gemäß § 26 Abs. 1 S. 1 SGB IV für die Beiträge vom 01. Januar 1988 bis zum 30. Juni 2006 zu verzichten“.

Der Klägerin steht auch kein Beanstandungsschutz für die Beiträge der Jahre 2002 bis 2005 nach § 26 Abs. 1 Satz 3 SGB IV in der ab 01. Januar 2008 gültigen Fassung zu. Nach dieser Vorschrift gelten zu Unrecht entrichtete Beiträge „nach Ablauf der in § 27 Abs. 2 Satz 1 bestimmten Frist“ ebenfalls als zu Recht entrichtete Pflichtbeiträge. Die Frist in § 27 Abs. 2 S. 1 SGB IV beträgt vier Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die unrechtmäßigen Pflichtbeiträge entrichtet worden sind. Durch die Ergänzung des § 26 Abs. 1 SGB IV um diesen Satz 3 zum 01. Januar 2008 (eingefügt durch Art. 1 Nr. 14 des Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch u. a. Gesetze vom 19. Dezember 2007, BGBl. I Seite 3024) ist eine Beanstandung von Rentenversicherungsbeiträgen insoweit ausgeschlossen, als das Beanstandungsrecht bereits verjährt ist. Nach Ablauf der Frist bleiben diese Beiträge als solche erhalten. Selbst wenn die am 01. Januar 2008 in Kraft getretene Vorschrift auf Beiträge anwendbar wäre, die – wie hier – vor diesem Datum entrichtet worden sind (so wohl Kreikebohm, SGB IV, § 26 Rdnr. 9; Kommentar zum Recht der gesetzlichen Rentenversicherung, hrsg. vom Verband deutscher Rentenversicherungsträger – Verbandskommentar –, Stand Juni 2010, § 26 SGB IV, Rndnr. 2), würden die Beträge für die Jahre 2002 bis 2005 hier nicht als zu Recht entrichtete Beiträge gelten. Denn zum Zeitpunkt der Betriebsprüfung im Dezember 2006 mit Prüfbescheid vom 19. Dezember 2006 war die Vierjahresfrist für die – ältesten – im Januar 2002 gezahlten Beiträge noch nicht abgelaufen; dies wäre erst mit Ablauf des 31. Dezember 2006 geschehen.

Soweit die Klägerin meint, dass aus einer Verpflichtung der Beklagten zur Durchführung einer Prüfung mindestens alle vier Jahre (vgl. § 28 p Abs. 1 Satz 1 SGB IV) auch dann, wenn eine solche Prüfung innerhalb der Vierjahresfrist – wie hier (die letzte Prüfung der GmbH vor dem 12. Dezember 2006 erfolgte am 29. Mai 2002) – tatsächlich nicht durchgeführt worden ist, ein Beanstandungsschutz erwachse, entspricht dies schon nicht dem Wortlaut der Vorschrift des § 26 Abs. 1 Satz 1 SGB IV, wie das SG zu Recht festgestellt hat. Bis zum Bescheid der Deutschen Rentenversicherung Berlin-Brandenburg vom 20. Dezember 2006 fehlte es schon an einem Prüfergebnis, auf das sich ein Vertrauensschutz der Klägerin allenfalls hätte beziehen hätte können. Dies muss erst recht gelten, wenn sich - wie hier - nach der Betriebsprüfung vom 29. Mai 2002 die gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse geändert haben.

Ein Anspruch der Klägerin auf Beanstandungsschutz im Wege eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs besteht nicht. Nach den Regeln des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs kann ein Versicherter wegen Verletzung behördlicher Auskunfts-, Beratungs- und Betreuungspflichten die Vornahme einer Rechtshandlung zur Herstellung desjenigen Zustandes verlangen, der bestehen würde, wenn der Sozialleistungsträger die ihm aus dem Sozialleistungsverhältnis erwachsenen Nebenpflichten ordnungsgemäß wahrgenommen hätte.

Es kann hier dahinstehen, ob die geltend gemachte Verletzung in dem Sinne, dass eine Prüfung der GmbH nach Mai 2002 obligatorisch vier Jahre später im Mai 2006 hätte durchgeführt werden müssen (vgl. § 28 p SGB IV, der eine solche Verpflichtung der Rentenversicherungsträger „mindestens alle vier Jahre“ wohl vorsieht) eine Betreuungspflicht gegenüber der Klägerin darstellt. Jedenfalls wäre eine schuldhafte Pflichtverletzung für den eingetretenen Nachteil nicht kausal.

Im Rahmen der Prüfung eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs muss eins schuldhafte Pflichtverletzung feststellbar sein, die für den eingetretenen Nachteil kausal im Sinne einer wesentlichen Ursache ist (vgl. z. B. BSG, Urteil vom 23. Mai 1996, 13 RJ 17/96, veröffentlicht in juris). Dies setzt im vorliegenden Fall voraus, dass bei einer im Mai 2006 – vier Jahre nach der letzten Betriebsprüfung der GmbH – durchgeführten Betriebsprüfung keine Beanstandung hinsichtlich der Beitragszahlungen zur gesetzlichen Rentenversicherung der Klägerin erfolgt wäre für den Zeitraum von 2002 bis 2005. Dies lässt sich aber nicht feststellen. Das SGB IV sieht an keiner Stelle vor, dass der Versicherungsträger bei der folgenden Betriebsprüfung an das Ergebnis der vorangegangenen Betriebsprüfung gebunden wäre, auch nicht bei gleicher Sach- und Rechtslage. Bei einer auch nur stichprobenweise im Mai 2006 durchgeführten Betriebsprüfung der Beschäftigungsverhältnisse der GmbH hätte auch die Versicherungspflicht der Klägerin näher überprüft werden können. Dabei hätte dasselbe Ergebnis erzielt werden können wie mit dem Statusfeststellungsverfahren ab September 2006, also nur drei Monate später. Insoweit lässt sich nicht sagen, dass wesentliche Ursache dafür, dass der Klägerin ein Beanstandungsschutz für die Beiträge der Jahre 2002 bis 2005 nicht zugute kam, die Nichtdurchführung einer Betriebsprüfung im Mai 2006 gewesen wäre.

Nach alledem musste die Berufung ohne Erfolg bleiben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 a Abs. 1 S. 3. Halbsatz SGG iVm § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und entspricht dem Ergebnis des Berufungsverfahrens. Die Klägerin ist hier nicht als Versicherte am Rechtsstreit beteiligt, weil sie nach der bestandskräftigen Feststellung ihrer Nichtversicherungspflicht in ihrer Eigenschaft als Nichtversicherte Beanstandungsschutz geltend macht, so dass eine Kostenprivilegierung nach § 183 SGG nicht in Betracht kommt.

Es entspricht nicht der Billigkeit, einem Beigeladenen, der keinen Antrag gestellt hat (vgl. insoweit BSG, Urteil vom 14. November 2002 - B 13 RJ 19/01 R) oder einem Kostenrisiko nicht ausgesetzt gewesen ist (§ 197 a Abs. 2 Satz 1 SGG i. m. V. § 154 Abs. 3 1. Halbsatz VwGO), dessen außergerichtliche Kosten zu erstatten (§ 162 Abs. 3 VwGO).

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) nicht vorliegen.

Die Festsetzung des Streitwertes, die nach § 63 Abs. 2 Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG) i. V. m. § 197 a Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz SGG ergeht, ergibt sich aus §§ 52 Abs. 1, 47 Abs. 1 und 2 GKG. Bei der Ausübung seines Ermessens berücksichtigt der Senat, dass sich die Bedeutung der Sache für die Klägerin daraus ergibt, dass bei ihrem Obsiegen die Grundlage für spätere Zahlungen, z. B. die Erstattung zu Unrecht entrichteter Beiträge oder - wie auch von der Klägerin ursprünglich beantragt - die Umwandlung der Pflichtbeiträge in freiwillige Beiträge geschaffen wird. Kein anderes Ergebnis ergäbe sich im Übrigen, wenn der Antrag der Klägerin als ein auf eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt zu beurteilen ist; denn dann ist die Höhe der Geldleistung unmittelbar für die Bestimmung des Streitwertes heranzuziehen (§ 52 Abs. 3 GKG).