Gericht | LSG Berlin-Brandenburg 13. Senat | Entscheidungsdatum | 21.02.2011 | |
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Aktenzeichen | L 13 SB 9 /11 B ER | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 86b SGG, Art 19 Abs 4 GG |
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 20. Dezember 2010 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes die Zuerkennung des Merkzeichens „B“ (Berechtigung für eine ständige Begleitung).
Mit Bescheid vom 19. Januar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Juli 2009 gewährte der Antragsgegner dem Antragsteller auf Grund des Vorliegens eines autistischen Syndroms einen Grad der Behinderung (GdB) von 50 und erkannte das Vorliegen der Voraussetzungen des Merkzeichens „H“ (Hilflosigkeit) an. Am 17. Juli 2009 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Cottbus Klage (Az: S 17 SB 173/09) erhoben, mit der er die Gewährung eines GdB von 80 ab Geburt sowie die Zuerkennung des Merkzeichens „B“ geltend gemacht. Unter dem 24. November 2010 suchte er hinsichtlich der Zuerkennung des Merkzeichens „B“ um die Gewährung von Eilrechtsschutz nach. Mit Beschluss vom 20. Dezember 2010 hat das Sozialgericht Cottbus den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Dagegen wendet sich der Antragsteller mit der am 10. Januar 2011 eingelegten Beschwerde.
II.
Die zulässige, insbesondere gemäß § 172 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Sozialgericht hat im Ergebnis zu Recht den Antrag auf Zuerkennung des Merkzeichens „B“ im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes abgelehnt.
Der Senat hat bereits Zweifel, ob das Begehren des Antragstellers auf Zuerkennung des Merkzeichens „B“ überhaupt im Wege eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens erfolgen kann, da es sich insoweit um die Feststellung eines bestimmten Status handelt, der einer vorläufigen Regelung durch einstweilige Anordnung nicht zugänglich sein dürfte. Vorliegend kann auch dahinstehen, unter welchen Voraussetzungen gegebenenfalls im Einzelfall eine die endgültige Statusentscheidung zumindestens teilweise vorwegnehmende – wie auch immer geartete – vorläufige Regelung im Hinblick auf das in Artikel 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) verankerte Gebot der Gewährung effektiven Rechtsschutzes geboten sein könnte. Eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes kommt jedenfalls vorliegend nicht in Betracht.
Gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache eine einstweilige Anordnung auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Hierbei dürfen Entscheidungen nach der Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. Februar 2009 – 1 BVR 120/09 -, Beschluss vom 12. Mai 2005 – 1 BVR 569/05-) sowohl auf eine Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache als auch auf eine Folgenabwägung gestützt werden. Der Senat stützt sich vorliegend auf eine Folgenabwägung, weil der geltend gemachte Anspruch auf Zuerkennung des Merkzeichens „B“ gemäß § 69 Abs. 4 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) von einer weiteren Aufklärung des Gesundheitszustandes des Antragstellers abhängt, deren Durchführung den Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens sprengen würde. Abzuwägen sind danach die Folgen, die auf der einen Seite entstehen würden, wenn das Gericht die einstweilige Anordnung nicht erließe, sich jedoch im Hauptsacheverfahren herausstellte, dass der Anspruch besteht und auf der anderen Seite die Nachteile, die entstünden, wenn das Gericht die einstweilige Anordnung erließe, sich im Hauptsacheverfahren aber herausstellte, dass der Anspruch nicht besteht. Diese Folgenabwägung fällt im vorliegenden Fall zu Lasten des Antragstellers aus, weil er bei Ablehnung des Antrages nicht mit schweren und unzumutbaren Nachteilen rechnen müsste.
Die begehrte Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens „B“ berechtigt zu einer unentgeltlichen Beförderung einer Begleitperson im öffentlichen Nah- und Fernverkehr. Dass der Antragsteller, der selbst angesichts der Zuerkennung des Merkzeichens „H“ eine kostenlose Beförderung beanspruchen kann, regelmäßig auf die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel angewiesen ist bzw. diese lediglich nicht nutzt, da keine kostenlose Begleitung gewährt wird, ist weder glaubhaft dargetan noch sonst ersichtlich.
Der Besuch des Gymnasiums in W wird seitens der Eltern des Antragstellers durch Inanspruchnahme des Fahrdienstes des Deutschen Roten Kreuzes sichergestellt. Dafür, dass ihn seine nach Aktenlage berufstätigen Eltern oder ggf. Dritte bei kostenloser Beförderung stattdessen unter Inanspruchnahme öffentlicher Verkehrsmittel zur Schule begleiten und abholen würden, spricht nichts, zumal derartige Kosten weit unter den Kosten für den Behindertenfahrdienst von monatlich über 100,00 Euro (für September 2010 belegte Kosten von 132,00 Euro) liegen dürften. Die Teilnahme des Antragstellers am wöchentlichen Judotraining in D und Sp sowie anderer sportlicher Veranstaltungen des Vereins wird von den Eltern mittels eigenem Pkw bei Hinweis auf geringere Treibstoffkosten im Vergleich zu den Kosten für etwaige Busfahrten realisiert. Das wegen der insoweit nach eigenen Berechnungen anfallenden monatlichen Mehrkosten von ca. 15,00 Euro auf die Inanspruchnahme des Busses verzichtet wird, ist nicht glaubhaft. Auch aus dem in der Vergangenheit für einen zweiwöchigen Kuraufenthalt einmalig angefallenen Betrag von 60,00 Euro für Fahrtkosten und Eintrittsgelder ergeben sich keine wesentlichen, insbesondere aktuellen Nachteile.
Soweit der Antragsteller den Eilantrag mit einer langen Verfahrensdauer begründet, ist darauf zu verweisen, dass das vorläufige Rechtsschutzverfahren nicht dazu dient, unter Abkürzung des Hauptsacheverfahrens eine geltend gemachte materielle Rechtsposition vorab zu realisieren. Der Sinn und Zweck des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens liegt vielmehr darin, eine endgültige Rechtsverwirklichung in der Hauptsache sicherzustellen. Eine Antragstellung nach dem SGB IX ist überdies erst im Dezember 2008 erfolgt, sodass die gesamte Verfahrensdauer von derzeit gut zwei Jahren auch noch nicht als überlang angesehen werden kann. Die im Hauptsacheverfahren begehrte rückwirkende Anerkennung der Behinderung ab Geburt führt unabhängig von der Frage der Erfolgsaussichten jedenfalls nicht zu Anrechnung auf die Verfahrensdauer.
Die vorübergehende Nichtgewährung von Vergünstigungen, die dem Antragsteller infolge der Zuerkennung des Merkzeichens „B“ offen stünden, führt nach alledem zu keinen den Erlass einer einstweiligen Anordnung rechtfertigenden gravierenden Nachteilen, zumal Anhaltspunkte für eine schwierige wirtschaftliche Situation der Familie sind nicht ersichtlich.
Zur Vermeidung weiteren Streits sei noch angemerkt, dass das Sozialgericht nach Abschluss des Eilverfahrens der Hauptsache nunmehr Fortgang zu geben haben wird, wobei die Einholung eines entsprechenden Sachverständigengutachtens zur weiteren Aufklärung des Gesundheitszustandes des Antragstellers sinnvoll erscheint.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens.
Dieser Beschluss gemäß § 177 SGG nicht anfechtbar.