Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 12. Senat | Entscheidungsdatum | 24.08.2015 | |
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Aktenzeichen | OVG 12 S 2.15 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 80 Abs 5 S 1 Alt 1 VwGO, § 146 Abs 4 VwGO, § 14 Abs 3 VwVfG, § 28 Abs 1 VwVfG, § 45 Abs 1 Nr 3 VwVfG, § 45 Abs 2 VwVfG, § 64 Abs 1 KomVerf BB, § 64 Abs 2 Nr 1 KomVerf BB, § 113 Abs 1 KomVerf BB, § 6 Abs 1 S 1 KAG BB, § 49a Abs 4 StrG BB, § 49a Abs 6 StrG BB |
Eine Gemeinde verstößt gegen die Pflicht zur Gebührenerhebung für den Aufwand von öffentlichen Einrichtungen, die überwiegend dem Vorteil einzelner Personen oder Personengruppen dienen, und ihre in der Kommunalverfassung verankerte Pflicht zur vorrangigen Einnahmebeschaffung aus speziellen Entgelten, wenn sie ihre Winterdienstgebührensatzung, ohne sich über den gebührenfähigen Aufwand, das zu erwartende Gebührenaufkommen und den mit der Erhebung verbundenen Verwaltungsaufwand Rechenschaft abzulegen, mit der Begründung aufhebt, dass infolge milder Witterung in drei aufeinander folgenden Jahren keine Leistung zu erbringen gewesen und mit der Gebührenerhebung ein übermäßiger Aufwand verbunden sei.
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Cottbus vom 29. Dezember 2014 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 7.500 EUR festgesetzt.
I.
Die Antragstellerin wendet sich mit der in der Hauptsache beim Verwaltungsgericht Cottbus anhängigen Klage (VG 4 K 245/14) gegen die kommunalaufsichtliche Beanstandung des Beschlusses ihrer Stadtverordnetenversammlung vom 5. Dezember 2013 über die Aufhebungssatzung der Satzung über die Erhebung von Gebühren für die Durchführung des Winterdienstes in der Stadt Ortrand vom 16. Mai 2007.
Ihrem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage hat das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Beschluss nur hinsichtlich der in dem Beanstandungsbescheid vom 28. Februar 2014 enthaltenen Androhung der Ersatzvornahme entsprochen, im Übrigen hat es den Antrag abgelehnt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschluss über die Aufhebungssatzung voraussichtlich rechtswidrig und vom Antragsgegner nach summarischer Prüfung zu Recht beanstandet worden sei. Die Gemeinde sei sowohl durch das kommunale Abgabenrecht als auch durch das Brandenburgische Straßengesetz berechtigt und verpflichtet, für den Winterdienst von den Grundstückseigentümern Gebühren zu erheben. Das durch den Beschluss beabsichtigte Absehen von einer Gebührenerhebung überschreite den der Gemeinde im Rahmen des kommunalen Haushaltsrechts verbleibenden Spielraum, ohne dass es einer Klärung des Verhältnisses der haushaltswirtschaftlichen Vorschriften der Kommunalverfassung über die Rangfolge der Einnahmebeschaffung zu den abgabenrechtlichen Vorschriften bedürfe. Insbesondere sei die tatsächliche Grundlage, aufgrund derer die Antragstellerin von der Gebührenerhebung absehen wolle, defizitär. Die Auffassung der Antragstellerin, dass der wirtschaftliche Vorteil der Erhebung „außer jedem Verhältnis“ zu dem Aufwand der Erhebung stehe, sei nicht durch tatsächliche Angaben zur Höhe der Kosten des Winterdienstes, der Zahl der Veranlagungsfälle, den entsprechenden voraussichtlichen Verwaltungskosten und zum erwarteten Gebührenaufkommen unterlegt. Der pauschale Vortrag, der Verwaltungsaufwand für die wiederkehrende Kalkulation des Beitragssatzes, für die Erhebung und Beitreibung der Gebühren sowie der Rechtsverfolgungskosten übersteige die erzielbaren Erträge und den Wert der Leistung, die dem Gebührenzahler mit dem Winterdienst erbracht werde, genüge dafür nicht. Der voraussichtliche Verwaltungsaufwand lasse sich kalkulieren, jedenfalls schätzen und in Bezug zu den Aufwendungen für den Winterdienst setzen. Die Schwierigkeiten, die aus dem gewählten komplexen Bemessungsmaßstab folgten, rechtfertigten die Aufhebung schon deshalb nicht, weil diese nur für die Zukunft erfolge und damit die Verpflichtung der Erhebung für die Vergangenheit nicht entfalle. Der Hinweis auf eine erwartete Widerspruchsquote von 41 v.H. lasse sich nicht auf Erfahrungen der Vergangenheit stützen, weil seit Erlass der Winterdienstgebührensatzung noch keine Gebührenbescheide erlassen worden seien. Auf einen möglichen Anhörungsmangel wegen der Zustellung des Anhörungsschreibens vom 11. Februar 2014 an die Antragstellerin und nicht an ihren Bevollmächtigten komme es nicht entscheidend an. Soweit eine Heilung nicht bereits durch das Schreiben des Antragsgegners vom 7. März 2014 oder durch das Vorbringen im Eilverfahren eingetreten sei, könne die Anhörung jedenfalls noch während des anhängigen Klageverfahrens bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz nachgeholt werden, weshalb ein etwaiger Anhörungsmangel voraussichtlich nicht zu einem Erfolg der Anfechtungsklage führen würde.
Mit der form- und fristgerecht erhobenen Beschwerde begehrt die Antragstellerin, ihrem vorläufigen Rechtsschutzantrag in vollem Umfang zu entsprechen.
II.
Die Beschwerde ist unbegründet. Das für die Überprüfung des erstinstanzlichen Beschlusses maßgebliche Beschwerdevorbringen (§ 146 Abs. 4 Satz 3 u. 6 VwGO) rechtfertigt die begehrte Änderung nicht.
1. Die Rüge, das Verwaltungsgericht habe einen vom Antragsgegner begangenen Fehler bei der Anhörung „rechtsfolgenlos“ übergangen, ist unzutreffend. Der angefochtene Beschluss hinterfragt die Ordnungsmäßigkeit der direkt gegenüber der Antragstellerin und nicht über ihren Bevollmächtigten erfolgten Anhörung und lässt sodann offen, ob ein dadurch etwa begründeter Mangel bereits durch das Schreiben des Antragsgegners an den Bevollmächtigten der Antragstellerin vom 7. März 2014, mit dem diesem das Anhörungsschreiben vom 11. Februar 2014 übersandt und Gelegenheit zur Äußerung bis zum 10. April 2014 gegeben wurde, oder durch das Vorbringen im vorläufigen Rechtsschutzverfahren geheilt sei, meint im Ergebnis jedoch, dass selbst ein fortbestehender Mangel der Klage in der Hauptsache voraussichtlich nicht zum Erfolg verhelfen werde, weil der Mangel noch im gerichtlichen Verfahren heilbar sei. Das rechtfertigt den Vorwurf eines rechtfolgenlosen Übergehens in keiner Weise.
Die insoweit von der Beschwerde vertretene Auffassung, dem Verwaltungsgericht sei durch §§ 113 Abs. 1, 80 Abs. 5 VwGO die Verpflichtung auferlegt, „einen rechtswidrigen Verwaltungsakt auszusetzen“, wenn die Fehler, mit denen er nach summarischer Prüfung behaftet sei, im Zeitpunkt der Entscheidungsreife nicht geheilt worden seien, vermag der Senat – ungeachtet der unpräzisen Formulierung – in dieser Allgemeinheit in Bezug auf Anhörungsmängel nicht zu teilen. Die Entscheidung im Verfahren auf Wiederherstellung oder Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Anfechtungsklage nach § 80 Abs. 5 VwGO folgt einer vom Gericht vorzunehmenden und ihm vorbehaltenden Abwägung des öffentlichen Interesses an der Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts und dem Aussetzungsinteresse des Adressaten des Verwaltungsakts. Teil dieser Abwägung ist eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens; dabei handelt es sich um eine prozessuale Prognose, in die die überschlägige Beurteilung der formellen und materiellen Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts eingeht. Im Rahmen dieser Prognose sind auch Heilungsmöglichkeiten von Fehlern des Verwaltungsakts im gerichtlichen Verfahren unter Beachtung der Wahrscheinlichkeit eines Heilungserfolgs in den Blick zu nehmen. Insbesondere ist dabei zu berücksichtigen, inwiefern der nach dem Stand des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens zu beurteilende Sach- und Streitstoff erwarten lässt, dass sich mit einer Nachholung der Anhörung der Tatsachenstoff mit Auswirkungen für die materielle Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts verändern wird. Hiervon ausgehend teilt der Senat die in der vom Verwaltungsgericht zitierten Rechtsprechung vertretene Auffassung, dass im Rahmen der Erfolgsaussichten des in der Hauptsache erhobenen Rechtsbehelfs die Heilungsmöglichkeit insbesondere in solchen Fällen, in denen die materielle Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts offensichtlich ist und die Heilung eines etwaigen Anhörungsmangels letztlich nur als Formsache erscheint, zu berücksichtigen ist. Denn es kann regelmäßig davon ausgegangen werden, dass die Behörde auf entsprechendes Vorbringen im Anfechtungsverfahren rechtzeitig auch gegebenenfalls vorsorglich reagieren wird, um einen in der Sache gebotenen Gesetzesvollzug nicht zu gefährden. Hiernach liegen die Ausführungen der Beschwerde zu den richterlichen Befugnissen neben der Sache und sind nicht geeignet, die Begründung des angefochtenen Beschlusses in diesem Punkt zu erschüttern.
Infolgedessen erweist sich das weitere Vorbringen der Antragstellerin gegen die Durchführung der Anhörung, insbesondere was den Inhalt des Anhörungsschreibens und die Bemessung der Frist angeht – ungeachtet dessen, dass der Senat sie nicht zu teilen vermag, schließlich ist die Antragstellerin selbst eine Recht und Gesetz verpflichtete Körperschaft des öffentlichen Rechts, die tunlichst vor einer Beschlussfassung die erforderlichen Überlegungen zur Rechtmäßigkeit ihres Vorgehens anzustellen hat und sich deshalb auch innerhalb nur kurzer Fristen umfassend dazu äußern können muss –, als nicht entscheidungserheblich.
2. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt auch keine Änderung des Beschlusses, was die summarische Beurteilung der materiellen Rechtmäßigkeit der Beanstandungsverfügung angeht.
a) Die Rüge, das erstinstanzliche Gericht habe verkannt, dass der bloße Satzungsbeschluss einer Gemeindevertretung noch keinen tauglichen Gegenstand für das Beanstandungsverfahren bilde, weil damit noch keine Rechtswirkung nach außen verbunden sei, greift nicht durch.
Die Beschwerde stützt sich insoweit auf die These, dass ein Satzungsbeschluss der Gemeindevertretung „lediglich“ darauf gerichtet sei, eine Satzung in Kraft zu setzen oder aufzuheben, diese beabsichtigte Wirkung aber mangels öffentlicher Bekanntgabe noch nicht entfalten kann, so dass er noch nicht auf seine Rechtmäßigkeit überprüft werden könne. Diese ohne jeden Beleg in den Raum gestellte Ansicht übersieht, dass es im Beanstandungsverfahren nach § 113 BbgKVerf auf die objektive Rechtswidrigkeit eines rechtserheblichen Beschlusses ankommt, die nicht nur durch einen Verstoß des beschlossenen Inhalts gegen höherrangiges Recht, sondern schon durch den Beschluss selbst begründet sein kann. Die Vereinbarkeit eines Beschlusses mit höherrangigem Recht lässt sich insoweit schon prüfen, wenn der Beschluss als solcher gefasst ist und bei ungehindertem Fortgang seines Vollzuges die beabsichtigten Rechtswirkungen erzielen wird. Es ist auch Sinn des kommunalaufsichtlichen Beanstandungsverfahrens, die Rechtskontrolle möglichst umfassend und damit jedenfalls in jedem Stadium nach der Beschlussfassung zu ermöglichen (vgl. Benedens, in: Schumacher u. a., Kommunalverfassungsrecht in Brandenburg, § 113 Anm. 2 f. [Stand 12/2008]; Woellner, in: Muth [Hrsg.], Potsdamer Kommentar, § 113 Rn. 7 und 15 [Stand 5/2013]). Das bestätigt die Bestimmung des § 113 Abs. 1 Satz 3 BbgKVerf, nach der beanstandete Beschlüsse nicht mehr ausgeführt werden dürfen. Aus der Rechtsprechung des Senats zum Beanstandungsverfahren des Hauptverwaltungsbeamten, nach der die mit Präklusionswirkung verbundene Beanstandungsfrist des § 55 Abs. 1 Satz 2 BbgKVerf mit der Vorlage der vollständigen, von dem Vorsitzenden der Gemeindevertretung unterzeichneten Niederschrift der Sitzung der Gemeindevertretung in Lauf gesetzt wird, die Ausfertigung der Satzung innerhalb der Frist einer Beanstandung jedoch nicht entgegensteht (vgl. Senatsbeschluss vom 18. Februar 2014 – OVG 12 N 29.13 – juris Rn. 5, 9), lässt sich nichts anderes ableiten. Abgesehen davon, dass das Gesetz auch insoweit an einen vor dem von der Antragstellerin für maßgeblich gehaltenen Zeitpunkt der Bekanntmachung des Satzungsbeschlusses liegenden Zeitpunkt anknüpft, sieht § 113 Abs. 1 BbgKVerf anders als § 55 BbgKVerf keine zur Präklusion führende Beanstandungsfrist vor. Es besteht deshalb kein praktischer Abgrenzungsbedarf dafür, ab wann ein Beschluss beanstandet werden kann. Die Einschränkung der Antragstellerin, wonach die Rechtswidrigkeit nach außen gedrungen sein müsse, entbehrt einer nachvollziehbaren Begründung. Das Interesse einer effizienten Rechtsaufsicht gebietet vielmehr, dass ein rechtswidriger Beschluss möglichst keine rechtliche Außenwirkung entfalten soll. Da der Wortlaut des Gesetzes keine Differenzierung vorsieht, die systematischen und teleologischen Gesichtspunkte eindeutig gegen eine solche Einschränkung sprechen, bestehen hier keine Bedenken dagegen, dass bereits der Satzungsbeschluss Gegenstand der Beanstandung sein kann (vgl. dazu bereits Beschluss vom 25. Juni 2014 – OVG 12 S 13.14 – BA S. 3)
Etwas anderes vermag die Antragstellerin auch nicht unter Hinweis auf die ersichtlich vorbereitenden Charakter besitzenden Beschlüsse von Fraktionen der Gemeindevertretung gemäß § 32 Abs. 1 Satz 1 und 2 BbgKVerf oder die Beschlüsse über Ausschussempfehlungen nach § 43 Abs. 1 Satz 2 BbgKVerf herzuleiten. Der Beschluss der Gemeindevertretung über den Erlass oder die Aufhebung einer Satzung hat normsetzenden Charakter und kann den vorgenannten Beschlüssen nicht gleichgesetzt werden.
b) Die Beschwerde vermag auch die summarische Beurteilung des Verwaltungsgerichts, dass die Straßenreinigung einschließlich des Winterdienstes eine öffentliche Einrichtung im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG Bbg ist, die den Eigentümern der erschlossenen Grundstücke einen Sondervorteil vermittelt, und die Regelung in § 49a Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 6 BbgStrG eine diesbezügliche gesetzgeberische Wertung enthält, nicht in Frage zu stellen.
Die Beschwerde meint zwar, diese Auffassung verfehle die gesetzliche Regelung „in besonderem Umfang“. Sie unterbreitet aber keine Argumentation, die auch nur ansatzweise zur Widerlegung der Auffassung des Verwaltungsgerichts geeignet wäre, und setzt sich mit der in der einschlägigen Rechtsprechung zur Heranziehung zu Straßen- und Winterwartungsgebühren (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 10. Oktober 2007 – OVG 9 A 72.05 – juris Rn. 31) vertretenen Auffassung nicht inhaltlich auseinander. Die Ausführungen erschöpfen sich letztlich in Anmerkungen zu der Begründung des erstinstanzlichen Beschlusses, denen im Kern ein juristischer Gehalt für die behandelte Thematik nicht entnommen werden kann und die in erheblichen Teilen – etwa was den Vorwurf von Fehlzitaten angeht – auch sachlich unzutreffend sind.
Die Antragstellerin hält die Auffassung des Verwaltungsgerichts angesichts der Regelung in § 64 Abs. 2 Nr. 1 BbgKVerf für nachrangig und meint, sie deshalb offen lassen zu können bzw. einen entgeltpflichtigen Sondervorteil unterstellen zu können. Das allerdings verfehlt die Begründung des angefochtenen Beschlusses. Denn danach liegt sowohl ein Verstoß gegen § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG Bbg als auch ein solcher gegen die Einnahmebeschaffungspflicht nach § 64 Abs. 2 Nr. 1 BbgKVerf vor. Deshalb durfte das Verwaltungsgericht von einer näheren Befassung damit, in welchem Verhältnis beide gesetzlichen Regelungen zueinander stehen, absehen. Insofern vermag die Beschwerdebegründung den angenommenen isolierten Gesetzesverstoß im Bereich des Kommunalabgabengesetzes nicht zu widerlegen, wenn sie lediglich betont, dass es auf diesen Verstoß nicht ankomme, sondern sogar – trotz betont abweichender Ansicht in der Sache – unterstellt, es könnten die Voraussetzungen für eine Vorteilslage der erschlossenen Grundstücke gegeben sein. Das genügt ersichtlich nicht, um die Annahme eines Verstoßes gegen § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG in Frage zu stellen.
c) Das Beschwerdevorbringen ist darüber hinaus aber auch nicht hinreichend, um eine Relativierung des zwingenden Normbefehls in § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG Bbg durch die Regelung über die Rangfolge der Einnahmebeschaffung in § 64 Abs. 2 Nr. 1 BbgKVerf zu rechtfertigen.
Die Beschwerde erklärt das Verhältnis beider Vorschriften mit der Rechtsbehauptung, sie stünden „in Gesetzeskonkurrenz“ und § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG sei „nachrangig“, so dass das Verwaltungsgericht nicht ohne Klärung des Verhältnisses beider Normen jeweils isoliert einen objektiven Rechtsverstoß habe annehmen dürfen. Die Beschwerde erwähnt dabei nicht, dass § 64 Abs. 1 BbgKVerf die Kommunen verbindlich zur Abgabenerhebung nach den gesetzlichen Vorschriften verpflichtet. Zu diesen gesetzlichen Vorschriften gehören die Bestimmungen des Kommunalabgabengesetzes, die etwa die Erhebung von Benutzungsgebühren bei Vorliegen der in § 6 Abs. 1 Satz 1 BbgKAG näher beschriebenen Voraussetzungen zwingend vorschreiben. Für die Frage, ob die Gemeinde berechtigt ist, auf die Erhebung von Benutzungsgebühren selbst dann zu verzichten, wenn die von ihr erbrachte Leistung den Grundstückseigentümern einen Sondervorteil vermittelt, kann danach entgegen dem Beschwerdevorbringen nicht allein auf § 64 Abs. 2 Nr. 1 BbgKVerf abgestellt werden. Beide Vorschriften sind als formelle Landesgesetze im Rang gleichwertig, decken aber unterschiedliche Regelungsbereiche ab. Während das Kommunalabgabengesetz die für die Abgabenerhebung der Kommunen geltenden Regelungen zusammenfasst, stellt die Kommunalverfassung haushalts- und finanzwirtschaftliche Grundsätze auf. Im Zusammenspiel beider Regelungsbereiche spricht viel dafür, dass § 64 Abs. 2 Nr. 1 BbgKVerf den Gemeinden bei der Einnahmebeschaffung aus speziellen Entgelten für erbrachte Leistungen zwar einen gewissen Gestaltungsspielraum eröffnet („soweit vertretbar und geboten“), dieser aber seine Grenze in zwingenden Vorgaben des Abgabenrechts findet. Es wäre kaum nachvollziehbar, wenn der Gesetzgeber auf der einen Seite für bestimmte spezielle Entgelte eine Erhebungspflicht festlegte, diese durch die Verpflichtung zur Abgabenerhebung nach den gesetzlichen Vorschriften in § 64 Abs. 1 BbgKVerf nochmals bekräftigte und sodann bei der Regelung über die Rangfolge der Einnahmebeschaffung den Gemeinden zugleich eine weitreichende Möglichkeit vorsehen würde, von der Pflicht zur Abgabenerhebung abzusehen (vgl. zum Verhältnis beider Normbereiche im dortigen Landesrecht: OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 3. Mai 2011 – 1 L 59/10 – NordÖR 2011, 493, juris Rn. 65). Für eine von der Antragstellerin reklamierte „Gesetzeskonkurrenz“ in dem Sinn, dass sich ein zulässiger Verzicht der Gemeinde auf die Erhebung von Benutzungsgebühren allein nach § 64 Abs. 2 Nr. 1 BbgKVerf beurteilt, ist danach kein Raum.
d) Der Beschwerde kann auch nicht gefolgt werden, soweit sie auf der Grundlage einer Auslegung des Begriffes „vertretbar“ meint, die Erhebung von Winterdienstgebühren überschreite das Maß des Vertretbaren, wenn es mehrere Winter nacheinander nicht zu Winterdiensteinsätzen gekommen sei.
Zu der Vorgängervorschrift des § 64 Abs. 2 Nr. 1 BbgKVerf in § 75 Abs. 2 Nr. 1 GO a.F. war anerkannt, dass die unbestimmten Rechtsbegriffe „soweit vertretbar und geboten“ der Gemeinde einen gerichtlich – und auch für die kommunalaufsichtliche Kontrolle – nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraum eröffnen, in den im Wege der Kommunalaufsicht nur dann eingegriffen werden darf, wenn der Verzicht oder der Teilverzicht auf die Erhebung spezieller Entgelte einen sachlich nicht mehr vertretbaren Verstoß gegen die gesetzlichen Vorgaben zur Einnahmebeschaffung darstellt (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 31. August 2006 – OVG 7 S 71.05 – juris Rn.17). Davon ist auch das erstinstanzliche Gericht ausgegangen. Die diesbezügliche Kritik der Beschwerde, ein Beurteilungsspielraum könne nur angenommen werden, wenn eine Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe zu keinem klaren Ergebnis führe, entspricht nicht anerkannter Methodenlehre. Ob ein im Gesetz enthaltener unbestimmter Rechtsbegriff der vollen gerichtlichen Nachprüfung unterliegt oder der Verwaltung einen gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Einschätzungs- und Beurteilungsspielraum einräumt, ist jeweils durch Auslegung der betreffenden gesetzlichen Regelung unter Berücksichtigung ihres materiell-rechtlichen Regelungszusammenhangs zu ermitteln (BVerfG, Beschluss vom 31. Mai 2011 - 1 BvR 857/07 – BVerfGE 129, 1, juris Rn. 70 ff.; Beschluss vom 10. Dezember 2009 – 1 BvR 3151/07 – NVwZ 2010, 435, juris Rn. 54 ff.). Anknüpfungspunkt für die Anerkennung eines behördlichen Beurteilungsspielraums ist danach das einschlägige materielle Recht, nicht aber die Frage, ob „die herkömmliche Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe zu keinem verwertbaren Ergebnis führt“. Hiervon ausgehend ist bei summarischer Prüfung daran festzuhalten, dass § 64 Abs. 2 Nr. 1 BbgKVerf es mit der einschränkenden Formulierung „soweit vertretbar und geboten“ der Kommune überlässt, in dem dadurch vorgegebenen Rahmen nach ihrer Einschätzung die notwendigen Einnahmen durch die Erhebung spezieller Entgelte zu erwirtschaften. Diese Sichtweise wird durch die Behauptung der Beschwerde, die Einschränkung sei auslegungsfähig, nicht erschüttert. Die Begriffe „vertretbar“ und „geboten“ setzen vielmehr den Wertungsrahmen, der die Annahme einer Einschätzungsprärogative insbesondere dadurch rechtfertigt, dass die Finanzautonomie der Gemeinde durch die haushalts- und finanzwirtschaftlichen Regelungen der Kommunalverfassung nicht weiter zurückgedrängt werden darf, als dies für eine geordnete Haushalts- und Finanzwirtschaft erforderlich ist.
In nicht zu beanstandender Weise ist das Verwaltungsgericht danach davon ausgegangen, dass der beanstandete Beschluss der Antragstellerin mangels zutreffender und vollständiger Ermittlung des Sachverhalts an einem Beurteilungsdefizit leidet. Soweit es dabei darauf verwiesen hat, dass die Entscheidung, künftig auf die Gebührenerhebung zu verzichten, getroffen worden sei, ohne zuvor die tatsächlichen Gegebenheiten im Gebiet der Antragstellerin zu ermitteln, bietet das Beschwerdevorbringen keinen Anlass zu einer abweichenden Beurteilung.
Die Antragstellerin behauptet, dass in den zurückliegenden drei Jahren ein Winterdienst infolge der milden Witterung nicht erforderlich gewesen sei, so dass es an einer adäquaten Gegenleistung für die Gebühr fehle. Zudem sei eine Gebührenerhebung, die seit Jahren nur erfolge, um die Kosten für die Beschlussfassung einer Gebührensatzung, der Kalkulation des Gebührensatzes und der Kosten der Rechtsverfolgung zu decken, nicht vertretbar. Dieses Vorbringen ist – ungeachtet der Frage, inwieweit die aufgeführten Kosten gebührenfähigen Aufwand darstellen – nicht geeignet, die mangelnde Vertretbarkeit einer Gebührenerhebung zu begründen. Wenn in einem oder auch mehreren Jahren kein Winterdienst erforderlich ist, was freilich nicht offenkundig und von der Antragstellerin nicht näher belegt wird, bedeutet dies nicht, dass eine Vorteilslage für die durch das öffentliche Straßennetz erschlossenen Grundstücke fehlt. Sie besteht schon – wie das Verwaltungsgericht unter Hinweis auf die gesetzgeberische Wertung in § 49a BbgStrG zutreffend verdeutlicht hat – darin, dass die Antragstellerin bei entsprechender Witterung, Schneefall oder Glätte Winterdienst vorsieht und eine sichere Erreichbarkeit der Grundstücke und damit deren Nutzung gewährleistet. Die in Anspruch genommene gebührenpflichtige Leistung liegt entgegen der Ansicht der Antragstellerin nicht nur in konkret erbrachten Beseitigungs- oder Streumaßnahmen, sondern auch in der Bereitstellung dieser Leistungen bei Bedarf. Eine milde Witterung mag insoweit zu geringeren Kosten führen; sie lässt aber den Aufwand nicht entfallen, der erforderlich ist, um Personal und Material für Zwecke des Winterdienstes vorzuhalten. Dem Verwaltungsgericht ist daher zuzustimmen, soweit es der Sache nach annimmt, dass die auf den Winterdienst entfallenden Kosten ermittelbar sind. Gleiches gilt für den mit der Gebührenerhebung verbundenen gebührenfähigen Aufwand.
Inwieweit die nach den vorstehenden Ausführungen gesetzlich gebotene Gebührenerhebung das Maß des Vertretbaren überschreitet, lässt sich ohne einen Überblick über den Aufwand und das mögliche Gebührenaufkommen nicht beurteilen. Dies zu ermitteln und aufzuklären gehört vielmehr zu den objektiv-rechtlichen Pflichten, die die Antragstellerin nach § 64 Abs. 2 Nr. 1 BbgKVerf treffen. Dieser Pflicht kann sich die Antragstellerin nicht durch die wiederholte pauschale Behauptung entziehen, die Gebührenerhebung und der dafür erforderliche Verwaltungsaufwand stünden „außer jedem Verhältnis“ zu der „angesonnenen Beschaffung von Erträgen“. Dies gilt umso mehr, als das Verwaltungsgericht zu Recht auf den ohnehin zu leistenden Verwaltungsaufwand verwiesen hat, soweit es um den Vollzug der Gebührensatzung in der Vergangenheit geht. Es liegt auf der Hand, dass mit einer Aufwandsermittlung für zurückliegende Zeiträume zumindest teilweise die theoretischen Grundlagen für die Ermittlung des gebührenfähigen Aufwandes und damit für eine Vermeidung des hier vorliegenden Rechtsverstoßes gelegt wären. Dass ein Aufwand wegen der milden Witterungslage in den letzten drei Jahren nicht angefallen sei, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Denn die Antragstellerin kann nach den für ihre Region geltenden Klimadaten, die im Internet abgerufen werden können, nicht von vornherein annehmen, sie werde ohne jede Winterwartung des Straßennetzes auskommen und auf jegliche Vorkehrungen dafür verzichten können. Eine Veränderung der klimatischen Verhältnisse, die einen Winterdienst für die Zukunft entbehrlich macht, lässt sich jedenfalls nicht schon anhand der Erfahrungswerte der letzten drei Jahre feststellen; insofern ist es nicht zu beanstanden, wenn der Antragsgegner und das Verwaltungsgericht von den Erfahrungswerten über einen länger zurückliegenden Zeitraum ausgegangen sind.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).