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Entscheidung 10 Sa 1811/12


Metadaten

Gericht LArbG Berlin-Brandenburg 10. Kammer Entscheidungsdatum 14.12.2012
Aktenzeichen 10 Sa 1811/12 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 187 SGB 3, § 613a BGB

Leitsatz

Der Rückfall eines Pachtobjektes an den Verpächter wird grundsätzlich von § 613 a BGB erfasst. Wenn der Verpächter ohne zwischenzeitliche Stilllegungsschritte den Betrieb nach 4 Monaten fortführt, finden die Regelungen des § 613 a BGB Anwendung.

Tenor

I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Neuruppin vom 15. August 2012 - 5 Ca 247/12 - wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten der Berufung trägt der Beklagte.

III. Der Wert des Berufungsverfahrens wird auf 46.410,94 EUR festgesetzt.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Zahlung der auf die Klägerin wegen der Zahlung von Insolvenzgeld übergegangene Vergütungsansprüche ehemaliger Arbeitnehmer eines vom Beklagten verpachteten Unternehmens.

Der Beklagte hatte seine Einzelfirma Gleisbau K. im Rahmen eines Unternehmenspachtvertrages vom 30. September 2008 (Bl. 67-75 d.A.) an eine andere Gesellschaft verpachtet, die damit Betriebsinhaberin wurde. Nachdem diese Gesellschaft veräußert worden war, kündigte der Beklagte den Unternehmenspachtvertrag unter dem 24. Januar 2011 (Bl. 76 d.A.) mit sofortiger Wirkung. Räumlichkeiten und sämtliche Betriebsmittel wurden von dem Beklagten zurückgenommen. Am 27. Januar 2011 kündigte die (ehemalige) Pächterin sämtliche Arbeitsverhältnisse der zuletzt 10 Arbeitnehmer. Am 10. Februar 2011 stellte die Pächterin einen Eigenantrag zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens, welches auch eröffnet wurde. Infolge der Insolvenz zahlte die Klägerin für die Zeit vom 1. November 2010 bis 31. Januar 2011 an die 10 Arbeitnehmer insgesamt Insolvenzgeld in Höhe von 46.410,94 EUR.

Ab dem 17. Februar 2011 stellte der Beklagte acht der zehn ehemaligen Arbeitnehmer des Betriebes sukzessive wieder ein. Dabei wurden sie zunächst nur in geringem Umfang beschäftigt. Erst im Mai/Juni 2011 nahm der Beklagte mit dem Betrieb wieder die volle Geschäftstätigkeit auf.

Die Klägerin geht davon aus, dass der Beklagte ein Geschäftsmodell entwickelt habe, nach dem er die Lohnkosten von Beschäftigten mit der bewussten Herbeiführung einer Insolvenz auf die Bundesagentur für Arbeit abwälzen wolle. Entsprechendes habe er zuvor bereits einmal praktiziert. Sie sei durch die Leistung von Insolvenzgeld gemäß § 187 SGB III Inhaberin der Vergütungsansprüche der Beschäftigten geworden. Da der Beklagte im Rahmen des § 613 a BGB nach Kündigung des Unternehmenspachtvertrages Betriebsinhaber geworden sei, hafte er auch für Vergütungsansprüche der Beschäftigten gegenüber dem vormaligen Betriebsinhaber.

Der Beklagte hat entgegnet, dass er keine Fortführungsabsicht für den an ihn zurückgefallenen Betrieb gehabt habe. Erst aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten infolge eines am 13. Mai 2011 verkündeten Urteils des Landgerichts Neuruppin mit einer gegen ihn titulierten Forderung von über 40.000,-- EUR habe er sich entschlossen, den Betrieb wieder zu aktivieren. Er habe keine alten Aufträge übernommen, sondern jeweils neue akquiriert. Die Arbeitnehmer seien sukzessive erst mit Wirkung ab 12. Mai 2011 und später wieder eingestellt worden. Zuvor seien einzelne Arbeitnehmer jeweils nur kurzzeitig für wenige Stunden beschäftigt gewesen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 15. August 2012 stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Beklagte nach Ende des Pachtverhältnisses wieder Betriebsinhaber geworden sei. Zwischen der Übernahme der Betriebsmittel und dem unstreitigen Zeitpunkt der endgültigen Wiederaufnahme der Betriebstätigkeit habe lediglich eine nicht erhebliche Betriebsunterbrechung gelegen, die nicht als Stilllegung anzusehen sei. Denn die Betriebsgemeinschaft sei aufrechterhalten worden. Sämtliche Betriebsmittel seien durchgängig vorgehalten worden. Veräußerungen von Gegenständen und Kündigungen von Verträgen habe es nicht gegeben. Die beschäftigungslose Zeit sei überwiegend in die Winterzeit gefallen.

Gegen dieses dem Beklagtenvertreter am 29. August 2012 zugestellte Urteil legte dieser am 21. September 2012 Berufung ein und begründete diese am 22. Oktober 2012. Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass der Rückfall des Pachtobjektes nicht mit einem sonstigen Rechtsgeschäft im Sinne des § 613a BGB vergleichbar sei. Zutreffend habe das Gericht festgestellt, dass Aufträge nicht fortgeführt worden seien. Die erneute Beschäftigung der meisten Arbeitnehmer sei frühestens 4 Monate nach dem Insolvenzereignis erfolgt. Zuvor habe es nur stundenweise Einsätze gegeben, was aber nicht als typische Geschäftstätigkeit des vorherigen Betriebes angesehen werden könne. Es seien nur 214,5 Arbeitsstunden angefallen, obwohl in dem Zeitraum 4.760 Arbeitsstunden möglich gewesen wären. Der Beklagte habe von Februar bis Mai 2011 auch nahezu überhaupt nicht die Betriebsmittel des Betriebes eingesetzt. Die Beschäftigten hätten in dieser Zeit ihre Werkzeuge selbst mitgebracht. Die Betriebsunterbrechung sei erheblich gewesen. Erst aufgrund seiner Liquiditätsprobleme und weil er keinen Käufer oder Pächter für das Betriebsobjekt und die Betriebsmittel gefunden habe, habe er sich im Mai entschlossen, die Betriebstätigkeit wieder aufzunehmen.

Der Beklagte und Berufungskläger beantragt,

die Klage unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Neuruppin vom 15. August 2012, Az. 5 Ca 247/12, abzuweisen.

Die Klägerin und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin bestreitet die Betriebsstilllegung. Ab dem 17. Februar 2011 seien die Beschäftigten sukzessive wieder eingestellt und weiter beschäftigt worden. Die Klägerin bestreitet, dass in der Zwischenzeit die Beschäftigten ihr eigenes Werkzeug mitgebracht hätten. Gleiches gelte für die geleisteten Arbeitsstunden und den Auftragswert.

Das Berufungsgericht hatte unter dem 25. Oktober 2012 auf die rechtlichen Aspekte dieses Rechtsstreites hingewiesen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes komme es jedenfalls im Falle des Rückfalls eines Pachtobjektes an den Verpächter nicht auf die Fortführungsmöglichkeit des Betriebes, sondern auf die tatsächliche Weiterführung an. Da der Betrieb hier - zeitlich versetzt - weitergeführt worden sei, müsse der Beklagte anhand von Tatsachen darlegen, dass er nicht bereits zu einem früheren Zeitpunkt die Fortführungsentscheidung getroffen habe. Wie das Arbeitsgericht bereits ausgeführt habe, habe der Beklagte keine greifbaren Formen einer Stilllegung dargelegt.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf den vorgetragenen Inhalt der Berufungsbegründung des Beklagten vom 22. Oktober 2012 und ihren Schriftsatz vom 3. Dezember 2012 sowie auf die Berufungsbeantwortung der Klägerin vom 21. November 2012 und deren Schriftsatz vom 13. Dezember 2012 sowie das Sitzungsprotokoll vom 14. Dezember 2012 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung des Beklagten ist form- und fristgerecht im Sinne der §§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 Zivilprozessordnung (ZPO) eingelegt und begründet worden.

II.

Im Ergebnis und auch weitgehend in der Begründung ist jedoch keine andere Beurteilung als in erster Instanz gerechtfertigt. Das Landesarbeitsgericht folgt dem Arbeitsgericht Neuruppin überwiegend hinsichtlich der Begründung und sieht insoweit gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG von einer nur wiederholenden Begründung ab. Die Angriffe der Berufung sind nicht geeignet, die Rechtslage anders zu beurteilen und geben nur Anlass zu folgenden Anmerkungen:

1.

Wie bereits in den gerichtlichen Hinweisen vom 25. Oktober 2012 ausgeführt, wird der Rückfall eines Pachtobjektes an den Verpächter grundsätzlich auch von der Vorschrift des § 613a BGB erfasst. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass maßgebliches Kriterium für den Übergang die tatsächliche Weiterführung oder Wiederaufnahme der Geschäftstätigkeit durch den neuen Inhaber ist; die bloße Möglichkeit zur Fortführung des Betriebes genügt beim Rückfall eines Pachtobjektes an den Verpächter nicht (vgl. auch BAG, Urteil vom 10. Mai 2012 - 8 AZR 434/11; BAG, Urteil vom 15. Dezember 2011 - 8 AZR 692/10 m.w.N.).

Wesentlicher Prüfungsmaßstab des Gerichts ist deshalb, worauf schon das Arbeitsgericht in der angefochtenen Entscheidung hingewiesen hat, welche konkreten Tatsachen den Schluss zulassen, dass der Betrieb tatsächlich nicht nur für die Dauer einer „Schamfrist“, wie von der Klägerin angenommen, nicht betrieben wurde, sondern der Beklagte tatsächlich Anstrengungen unternommen hat, den Betrieb stillzulegen bzw. mindestens Umstände darzulegen, die auf eine Nicht-Fortführung schließen lassen.

2.

Hierzu hat der Kläger trotz des weit außerhalb der Berufungsbegründungsfrist eingereichten umfangreichen Schriftsatzes vom 3. Dezember 2012 allerdings nichts Substantielles vorgetragen.

Soweit der Kläger behauptet, dass er sich bis zum Rückfall des Pachtobjektes mit dem Gleisbau im Baunebengewerbe betätigt habe und nun ein Betrieb des Bauhauptgewerbes hinzugekommen sei, gibt dieses für eine Entscheidung in diesem Rechtsstreit nichts her. Denn es kommt allein darauf an, ob der Betrieb, also die organisatorische Einheit, die an den Beklagten zurückfiel, fortgeführt wurde oder nicht.

Soweit der Beklagte in der Berufungsverhandlung behauptet hat, dass er nach Rückfall des Pachtobjektes in eine Art Schockstarre verfallen sei, gibt dieses ebenfalls für eine Nicht-Fortführung des Betriebes nichts her. Ganz im Gegenteil hatte der Beklagte dann während des Schockzustandes wohl zunächst gar keine Entscheidung über den weiteren Umgang mit dem Pachtobjekt beschlossen und nach Auflösung der Schockstarre diesen dann mit einer langsamen Anlaufphase wieder fortgesetzt.

3.

Zwar ist dem Beklagten zuzugeben, dass es schwer ist, eine negative Tatsache darzulegen, aber nach der Anlage 1 zum Unternehmenspachtvertrag gehörten zum Betrieb technische Anlagen und Maschinen, Kraftfahrzeuge, Betriebs- und Büroausstattungen sowie Werkzeuge. Dass der Beklagte versucht hätte, diese Gegenstände zu veräußern oder erneut zu verpachten, hat er zwar in dem Schriftsatz vom 3. Dezember 2012 auf Seite 5 behauptet, diese Behauptung jedoch durch keinerlei Tatsachen gestützt. Weder hat er irgendwelche veröffentlichten Angebote zur Veräußerung oder Verpachtung noch irgendwelche anderen derartigen Versuche dargelegt.

4.

Da der Beklagte den verpachteten Betrieb zurück erhalten hat, diesen ein wenig bereits nach einigen Wochen, jedenfalls aber nach gut 4 Monaten vollständig fortgeführt hat, ist von einem Betriebsübergang im Sinne des § 613a BGB auszugehen. Der Beklagte hat den Betrieb zwischenzeitlich nicht stillgelegt und auch keine Stilllegungsabsichten dargelegt. Insofern steht die Unterbrechung des aktiven Geschäftsbetriebes unabhängig von deren - streitigen - Zeitdauer der Haftung des Beklagten für die auf die Klägerin gemäß § 187 SGB III in rechnerisch unstreitiger Höhe übergegangenen Vergütungsansprüche der ehemaligen Arbeitnehmer des Betriebes nicht entgegen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt § 64 Abs.6 ArbGG in Verbindung mit § 97 ZPO. Als unterlegene Partei hat der Beklagte die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Die Zulassung der Revision gemäß § 72 Abs.2 ArbGG kam nicht in Betracht, da die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorgelegen haben.