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Beigeladene: PKH unter Beiordnung eines Rechtsanwaltes


Metadaten

Gericht FG Berlin-Brandenburg 4. Senat Entscheidungsdatum 13.08.2012
Aktenzeichen 4 K 4338/08 PKH ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 174 Abs 4 AO, § 174 Abs 5 AO, § 64 Abs 2 EStG, § 135 Abs 3 FGO, § 142 FGO, § 57 FGO, § 114 ZPO, § 121 ZPO

Tenor

Der Antragstellerin wird für die erste Instanz Prozesskostenhilfe aus einem Streitwert von 6.314,- € bewilligt.

Zur vorläufig unentgeltlichen Wahrnehmung der Rechte in dieser Instanz wird Rechtsanwalt C…, D…-Straße, in E…, beigeordnet, und zwar ab dem Tage des Antrags auf Beiordnung.

Gründe

I.

Der Kläger ist seit dem Jahr 1999 von seiner ehemaligen Ehefrau B… (im folgenden: Antragstellerin) geschieden. Der gemeinsame Sohn F…, geb. am 03.03.1985, lebte ausweislich des Kindergeldantrages vom 30.08.2003 außerhalb des Haushalts des Klägers in G…, H… Str.. . Ab September 2004 war er wieder bei der Antragstellerin in I… polizeilich gemeldet. Bescheide vom 24.05.2005 über die Gewährung von laufenden Leistungen der Grundsicherung und vom 28.03.2006 über Ausbildungsförderung wurden unter der Adresse in I… an den Sohn F… gerichtet. Dieser wandte sich im August und Oktober 2006 ebenfalls unter dieser Anschrift an die Familienkasse.

Bereits am 15.05.2005 hatte der Kläger einen Antrag auf Kindergeld für ein über 18 Jahre altes Kind gestellt, der von dem Sohn F… mit unterzeichnet wurde und dessen Adresse mit H… Str. 10, in G…, ausgewiesen wurde. Mit Bescheid vom 19.12.2005 setzte die Familienkasse daraufhin zu Gunsten des Klägers Kindergeld ab Mai 2005 fest. In einem weiteren Kindergeldantrag vom 19.01.2006 gab der Kläger erneut an, dass der Sohn F… außerhalb seines Haushalts unter der Anschrift "wie bekannt" lebe.

Mit Schreiben vom 18.04.2007 machte die Antragstellerin einen Anspruch auf Kindergeld für den zurückliegenden Zeitraum geltend, auf den die Familienkasse ihr gegenüber Kindergeld vom Mai 2005 bis März 2007 festsetzte und im Februar 2008 in Höhe von 3.542,- € auszahlte.

Den Kläger hörte die Familienkasse mit Schreiben vom 31.01.2008 dazu an, dass er für den Sohn F… von Mai 2005 bis März 2007 Kindergeld in Höhe von 3.542,- € erhalten habe, obwohl darauf möglicherweise kein Anspruch bestanden habe. Die Antragstellerin habe das Kind in ihren Haushalt aufgenommen und mitgeteilt, dass eine Weiterleitung des Kindergeldes an sie nicht erfolgt sei. Der Kläger erwiderte unter dem Datum vom 18.02.2008, dass er im Jahr 2003 versucht habe, das Kindergeld direkt an seinen Sohn auszahlen zu lassen. Der Anspruch sei jedoch ihm zugesprochen worden, weil der bei keinem Elternteil wohnende Sohn von ihm finanziell unterstützt worden sei. Er habe dem Sohn das Kindergeld monatlich überwiesen. Dieser sei zwar bei der Antragstellerin gemeldet, habe aber einen eigenen Haushalt. Beigefügt war eine vom Sohn unterzeichnete Erklärung, in der dieser bestätigte, das Kindergeld vom Kläger überwiesen erhalten zu haben.

Mit Bescheid vom 10.04.2008 hob die Familienkasse gegenüber dem Kläger die Kindergeldfestsetzung ab Mai 2005 auf und verlangte die Erstattung des überzahlten Kindergeldes für den Zeitraum von Mai 2005 bis März 2007 in Höhe von 3.542,- €. Die Antragstellerin des Kindes habe aufgrund der Aufnahme des Kindes in den Haushalt einen vorrangigen Anspruch.

Hiergegen erhob der Kläger am 06.05.2008 Einspruch. Er habe das Kindergeld zuzüglich eigener Unterhaltsleistungen an den Sohn gezahlt. Von einer eventuellen polizeilichen Anmeldung des Sohnes bei der Antragstellerin sei er nicht unterrichtet worden. Diese sei gegebenenfalls nur auf Bitten der Antragstellerin erfolgt, damit diese mit der formalen (fiktiven) Anmeldung Anspruch auf eine Sozialwohnung bestimmter Größe in I… erhalten würde. Seinen tatsächlichen Wohn- und Aufenthaltsort habe der Sohn jedoch nicht bei ihr, sondern in J…, wo er einen eigenen Haushalt führe. Überdies seien zwar beide Elternteile barunterhaltspflichtig, jedoch nur er, der Kläger, zahle Unterhalt.

Nach Zuziehung der Antragstellerin zum Einspruchsverfahren erklärte diese am 05.08.2008 gegenüber der Familienkasse, F… habe sich seit September 2004 bei ihr im Haushalt angemeldet und wohne auch dort. Nur zum Zwecke der Ausbildung befinde er sich am Studienort und kehre regelmäßig nach Hause zurück, wo sich sein Lebensmittelpunkt (Mutter, Großeltern und Freunde) befänden.

Auf die Aufforderung der Familienkasse, die Weiterleitung des Kindergeldes an die kindergeldberechtigte Antragstellerin nachzuweisen, belegte der Kläger Zahlungen an den Sohn F… für den Zeitraum von Mai 2005 bis März 2007 in Höhe von insgesamt 4.124,- €.

Durch Einspruchsentscheidung vom 22.09.2008 wurde der Einspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 10.04.2008 zurückgewiesen.

Am 23.10.2008 hat der Kläger Klage erhoben, die hier unter dem Aktenzeichen 4 K 4338/08 geführt wird und über die der Senat noch nicht entschieden hat. Ergänzend hat er ausgeführt, jedenfalls bei Aufnahme des Studiums sei F… nicht bei der Antragstellerin angemeldet gewesen. Diese habe dem Sohn weder Unterhalt gezahlt noch Fürsorge- und Betreuungsleistungen erbracht. Der Sohn habe auch nicht bei ihr gewohnt. Die polizeiliche Anmeldung sei lediglich auf Bitten der Antragstellerin pro forma erfolgt, um eine größere Wohnung zu erhalten. Tatsächlich habe sich der Sohn an seinen verschiedenen Studienorten aufgehalten. Dies könne der Sohn bezeugen.

Die Familienkasse hat mit Schriftsatz vom 18.02.2009 die Beiladung der Antragstellerin beantragt. Nach Anhörung des Klägers hat der Senat diesem Antrag durch Beschluss vom 17.04.2012 – 4 K 4338/08 – entsprochen.

Mit Schriftsatz vom 03.05.2012 hat die Antragstellerin beantragt,

ihr für das Klageverfahren 4 K 4338/08 Prozesskostenhilfe unter Beiord-

nung der Rechtsanwälte C…, D…-Straße, in E…, zu gewähren.

Der Berichterstatter hat am 08.08.2012 bei Rechtsanwalt C… telefonisch angefragt, ob er zur Vertretung der Antragstellerin bereit sei im Sinne von § 142 der Finanzgerichtsordnung (FGO) in Verbindung mit § 121 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO). Rechtsanwalt C… hat erklärt, die Antragstellerin zu kennen und zu ihrer Vertretung bereit zu sein.

II.

Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwaltes hat Erfolg.

Nach § 142 Abs. 1 FGO in Verbindung mit § 114 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht tragen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Bei bewilligter Prozesskostenhilfe (vgl. dazu Fischer, in Musielak, ZPO, 9. Aufl. 2012, § 121 Rn. 1) wird, wenn eine Vertretung durch Anwälte nicht vorgeschrieben ist, der Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl beigeordnet, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist, § 121 Abs. 2 ZPO. Hier lassen sich hinreichende Erfolgsaussichten für das Klageverfahren bejahen.

"Partei" im Sinne von § 114 ZPO ist bezogen auf das finanzgerichtliche Verfahren grundsätzlich jeder Beteiligte gemäß § 57 FGO, mithin auch eine Beigeladene (Stapperfend, in Gräber, FGO, 7. Aufl. 2010, § 142 Rn. 9; Brandis, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 142 Rn. 3).

Allerdings gehen Literatur und Rechtsprechung davon aus, dass dem Beigeladenen Prozesskostenhilfe nur bewilligt werden kann, wenn er auch ein Kostenrisiko trägt, also voraussichtlich aktiv am Verfahren teilnehmen wird (Stapperfend, a.a.O., § 142 Rn. 9; Brandis, a.a.O., § 142 Rn. 3). Ein Kostenrisiko - bezogen auf die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der anderen Beteiligten - kann der Beigeladene aber vermeiden, wenn er keinen Sachantrag stellt, § 135 Abs. 3 FGO. Denn nach dieser Vorschrift können ihm Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat. Stellt der Beigeladene keine Anträge, werden auf der anderen Seite jedoch seine außergerichtlichen Kosten – einschließlich der Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwaltes – regelmäßig nicht für erstattungsfähig erklärt, § 139 Abs. 4 FGO.

Im Streitfall hat die Antragstellerin mit ihrem Schriftsatz vom 03.05.2012 jedenfalls zu erkennen gegeben, dass sie sich an dem Verfahren tatsächlich beteiligen möchte. Inwieweit dies in eine aktive Teilnahme, insbesondere in die Stellung von Sachanträgen mündet, kann nach dem derzeitigen Verfahrensstand nicht abschließend beurteilt werden, weil die Antragstellerin eventuelle Anträge auch erst in der mündlichen Verhandlung stellen kann.

Problematisch ist ausgehend von den vorstehenden Ausführungen allein der Fall, dass die Beigeladene keine Sachanträge stellt, weshalb die nachfolgenden Ausführungen sich darauf beschränken. Unterstellt, dass sie keine Sachanträge stellen wird, wäre das Institut der Prozesskostenhilfe nur noch insoweit von Bedeutung, als es um die eigenen Aufwendungen der Antragstellerin geht, insbesondere die Kosten anwaltlicher Vertretung (vgl. dazu Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 19.01.1994 – 2 BvR 2003/93 -, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht [NVwZ] 1994, Beilage 3, 17; Bundesverwaltungsgericht [BVerwG], Beschluss vom 17.02.1989 - 5 ER 612/89 -, NVwZ-Rechtsprechungs-report [NVwZ-RR] 1989, 665). Der Unbemittelte kann hier nämlich durch die Beiordnung eines Anwalts von dessen Vergütungsansprüchen freigestellt werden, § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO.

Weiter ist zu beachten, dass der Anspruch auf rechtliches Gehör sowie die Garantie des effektiven sozialen Rechtsschutzes und das Prinzip der Rechtsschutzgleichheit von Bemittelten und Unbemittelten verletzt sein kann, wenn das Gericht zu Unrecht die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen des Prozesskostenhilfeverfahrens versagt (Bundesfinanzhof [BFH], Beschluss vom 05.09.2007 - X S 10/07 (PKH) -, zitiert nach Juris; BVerfG, Beschluss vom 18.12.2001 - 1 BvR 391/01 -, Zeitschrift für das gesamte Familienrecht [FamRZ] 2002, 53).

Dies zugrunde gelegt, ist im Streitfall zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin auf Grundlage von § 174 Abs. 5 Satz 2, Abs. 4 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) auf Antrag der Familienkasse beigeladen worden ist. Bei § 174 Abs. 5 und 4 AO handelt es sich um eine verfahrensrechtliche Änderungsvorschrift, die bewirkt, dass ein und derselbe Sachverhalt, der sich bei zwei verschiedenen Steuerpflichtigen (Kindergeldberechtigten) auswirkt, bei beiden deckungsgleich beurteilt werden kann. Durch die Beiladung der Antragstellerin zu dem Verfahren des Klägers erlangt diese die Stellung eines notwendig Beigeladenen im Sinne von § 60 Abs. 3 FGO (BFH, Beschluss vom 24.11.2010 - II B 48/10 -, Sammlung der Entscheidungen des BFH [BFH/NV] 2011, 408, m.w.N.), so dass sie bei ihrem Unterliegen in dem Verfahren und dem folgend dem Erlass eines Aufhebungs- oder Änderungsbescheides durch die Familienkasse ihr gegenüber lediglich noch die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen einer Änderung nach § 174 Abs. 4 und 5 AO bestreiten könnte; die materiell-rechtliche Beurteilung des einheitlichen Lebensvorgangs auf Grund ihrer Beiladung gemäß § 174 Abs. 5 Satz 2 AO würde sie jedoch gegen sich gelten lassen müssen. Diese abschließende Entscheidung des für die vorliegende Klage maßgeblichen Streitpunktes, welchem Elternteil das Kindergeld für F… im Streitzeitraum im Sinne von § 64 des Einkommensteuergesetzes [EStG] zusteht, rechtfertigt und gebietet es aber zur Gewährung rechtlichen Gehörs sowie zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes, ungeachtet der Möglichkeit der Antragstellerin, im vorliegenden Klageverfahren auf einen Sachantrag zu verzichten, zur Erlangung der Beiordnung eines Rechtsanwaltes inhaltlich über den Prozesskostenhilfeantrag zu entscheiden (vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 19.01.1994 – 2 BvR 2003/93 -, a.a.O.).

Die beabsichtigte Rechtsverfolgung erscheint nicht mutwillig und bietet hinreichende Aussicht auf Erfolg. Zur Klärung der Rechtsfrage, welchem Elternteil das Kindergeld für F… im Streitzeitraum zusteht, ist eine umfassende Aufklärung des Sachverhaltes sowie eine Beweiserhebung durch Vernehmung des Kindes F… als Zeugen notwendig. Dies genügt, um bei der Rechtsverfolgung der Antragstellerin eine hinreichende Aussicht auf Erfolg anzunehmen.

Die Voraussetzungen der Beiordnung eines Rechtsanwaltes gemäß § 121 Abs. 2 ZPO liegen ebenfalls vor. Denn der Kläger wird ebenfalls durch einen Rechtsanwalt vertreten. Zudem erscheint die Vertretung der Antragstellerin durch einen Rechtsanwalt auch als erforderlich, weil das zu klärende Tatbestandsmerkmal der Haushaltsaufnahme gemäß § 64 Abs. 2 EStG schwierige tatsächliche und rechtliche Fragen aufwirft.

Der Antragstellerin ist mithin Prozesskostenhilfe und Beiordnung des Rechtsanwaltes zu bewilligen. Sie ist insbesondere aufgrund ihrer persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht in der Lage, Kosten für einen Prozess aufzubringen.