I.
Die Parteien streiten in der Hauptsache um Vergütungsansprüche aus einer Provisionsabrede. Mit der vorliegenden sofortigen Beschwerde wendet sich die Beklagte gegen die Festsetzung eines Ordnungsgeldes in Höhe von 100,-- € wegen Nichterscheinens im Kammertermin.
Die Klägerin begann am 15. September 2009 bei der Beklagten ein Arbeitsverhältnis. Bestandteil des Arbeitsvertrages war als Anlage 2 eine „Provisions- und Bonusregelung“, wonach abhängig von der Anzahl angenommener Kassetten und Kunden jeweils getrennt nach Alt- und Neukundenverkäufen eine Provision oder ein Bonus verdient war. Die Beklagte zahlte für die Monate Dezember 2008, Februar 2009, März 2009 und April 2009 eine Provision in Höhe von insgesamt 190,-- €, erteilte der Klägerin jedoch keine Abrechnung über die von ihr getätigten Geschäfte und die ermittelte Provision.
Mit ihrer am 5. Juni 2009 beim Arbeitsgericht Berlin eingegangenen Klage hat die Klägerin unter anderem Auskunft verlangt über die Anzahl der angenommenen Kassetten und der Verkäufe im Altkunden- und im Neukundenbereich gemäß der getroffenen Provisionsvereinbarung. Gemäß gerichtlichem Beschluss vom 4. Dezember 2009 hätte die Beklagte zum Vortrag der Klägerin über den Umfang der von ihr mindestens verdienten Provision und einer hierzu erstellen Verkaufsauflistung bis zum 3. Februar 2010 Stellung nehmen müssen. Nach mehrfachen antragsgemäßen Terminsverlegungen hat das Arbeitsgericht zuletzt mit Beschluss vom 5. Januar 2010 Kammertermin auf den 14. April 2010 anberaumt und das persönliche Erscheinen der Parteien angeordnet. Die der Beklagten übersandte persönliche Ladung enthält folgenden Hinweis:
„Bleiben Sie im Termin aus und entsenden Sie auch keinen Vertreter, der zur Aufklärung des Tatbestandes in der Lage und zur Abgabe der gebotenen Erklärungen, insbesondere zu einem Vergleichsabschluss, ermächtigt ist, kann gegen Sie ein Ordnungsgeld bis zu 1.000,-- Euro festgesetzt werden. Daneben kann der/die Vorsitzende die Zulassung des Prozessbevollmächtigten ablehnen und Sie als säumig behandeln, wenn sie unbegründet ausgeblieben sind und hierdurch der Zweck der Anordnung vereitelt wird.“
Die Beklagte hat schriftsätzlich nicht weiter vorgetragen. Im Kammertermin am 14. April 2010 ist sie nicht erschienen. Ausweislich des Sitzungsprotokolls hat ihr Prozessbevollmächtigter folgende Erklärung abgeben:
„Ich bin nicht in der Lage zur Aufklärung des Sachverhalts beizutragen, da mir Prozessakte und genauere Informationen nicht vorliegen. Ich kann mich daher auch nicht zur Aufstellung der Klägerin aus dem Schriftsatz vom 29. Dezember 2009 erklären.“
Das Arbeitsgericht hat sodann für den Fall des Widerrufs des im Termin geschlossenen Vergleichs Termin zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung verkündet und der Beklagten die Verhängung eines Ordnungsgeldes angedroht. Nach erfolgtem Widerruf durch die Beklagte hat das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 26. April 2010 der Beklagten die Auflage erteilt, näher als bisher darzulegen, wie sie die abzurechnende Provision für die Dauer des Arbeitsverhältnisses ermittelt hat. Weiterhin hat es gegen die Beklagte ein Ordnungsgeld in Höhe von 100,00 € festgesetzt und zur Begründung ausgeführt, das persönliche Erscheinen der Beklagten zum Kammertermin sei zum Zwecke der Sachverhaltsaufklärung zur Erläuterung der von ihr selbst vorgenommenen Provisionsabrechnungen und der von ihr selbst oder von einem sonstigen Vertreter gefertigten Aufstellung im Schriftsatz vom 24. November 2009 sowie zur Stellungnahme auf die klägerische Aufstellung mit Schriftsatz vom 29. Dezember 2009 angeordnet worden. Der anwesende Vertreter habe keine Erklärung abgeben können, so dass ein neuer Termin erforderlich geworden sei. Da die Beklagte trotz ordnungsgemäßer Ladung unentschuldigt nicht erschienen sei, sei gegen sie ein Ordnungsgeld zu verhängen.
Gegen diesen, ihrem Prozessbevollmächtigten am 30. April 2010 zugestellten Beschluss richtet sich die am 14. Mai 2010 beim Arbeitsgericht eingegangene sofortige Beschwerde der Beklagten. Sie meint, sie habe der Sachverhaltsaufklärung und der Fortsetzung des Verfahrens nicht dienen können, da sie „unter keinen Umständen“ Auskünfte habe geben können, für die sie auf die EDV des Betriebes habe zurückgreifen können. Sie habe die fragliche Software in den wenigsten Fällen selbst bedient, so dass sie auch nicht in der Lage gewesen wäre, aus eigener Erinnerung Auskünfte zu erteilen. Sie hätte daher auch im Termin nicht zur Provisionsaufstellung der Klägerin Stellung nehmen können.
Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 26. Mai 2010 aus den Gründen des angefochtenen Beschlusses nicht abgeholfen.
Die Beklagte hat auf die gerichtliche Auflage vom 26. April 2010 keinen weiteren Vortrag mehr geleistet. Mit Teilurteil vom 2. Juni 2010 hat das Arbeitsgericht das Versäumnisteilurteil vom 29. Juni 2009 für den Verkaufszeitraum 9. September 2008 bis 31. Mai 2009 aufrecht erhalten und die Beklagte darüber hinaus verurteilt, der Klägerin entsprechende Auskunft auch für den Verkaufszeitraum 1. Juni 2009 bis 28. Februar 2010 durch Vorlage eines genauer bezeichneten Verzeichnisses zu erteilen.
II.
Die gemäß §§ 78 Abs. 1, 51 Abs. 1 S. 2 ArbGG, 141 Abs. 3, 380 Abs. 3, 567 Abs. 2 ZPO statthafte sofortige Beschwerde ist fristgemäß und formgerecht beim ArbG Berlin eingelegt worden. Das Arbeitsgericht hat ihr nicht abgeholfen, so dass gemäß § 572 ZPO durch das Landesarbeitsgericht zu entscheiden ist.
2.
Die sofortige Beschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Ordnungsgeldbeschlusses.
2.1.
Gemäß §§ 51 Abs. 1 Satz 2 ArbGG, 141 Abs. 3 ZPO „kann“ gegen die trotz der persönlichen Ladung unentschuldigt nicht erschienene Partei ein Ordnungsgeld festgesetzt werden. Dies bedeutet, dass die Festsetzung des Ordnungsgeldes im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts steht. Bei der pflichtgemäßen Ermessensausübung hat das Gericht den Sinn und Zweck der Anordnung des persönlichen Erscheinens einer Partei sowie des Ordnungsgeldes zu berücksichtigen (BAG vom 20. August 2007, 3 AZB 50/05, NZA 2008, 1151). Dabei kommt es nicht maßgeblich auf den Aspekt der Nichtachtung des Gerichts, sondern auf die prozessuale Wirkung des Ausbleibens der Partei an (vgl. LAG Berlin vom 10. Juli 2006, 11 Ta 991/06, NZA-RR 2007, 99).
2.2.
Nach diesen Grundsätzen hat das Ausbleiben der Beklagten zunächst keine Verfahrensverzögerung verursacht, der Rechtsstreit war offensichtlich entscheidungsreif.
Ist der Rechtsstreit entscheidungsreif, das heißt sind keine Fragen zum Sachverhalt offen geblieben, die eine Entscheidung des Rechtsstreits ohne weiteren Vortrag ausschließen, so kann ein Ordnungsgeld nicht festgesetzt werden (vgl. BAG vom 20. August 2007, 3 AZB 50/05, a.a.O.). Dem angegriffenen Ordnungsgeldbeschluss ist nicht zu entnehmen, welche entscheidungserheblichen Fragen offen geblieben waren und warum es auf die dem Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung vom 14. April 2010 gestellten Fragen ankam. Das Arbeitsgericht hat mit Teilurteil vom 2. Juni 2010 dem Auskunftsanspruch der Klägerin stattgegeben, ohne dass die Beklagte noch weiteren Vortrag geliefert hätte. Damit war nach Ansicht des Arbeitsgerichts bereits am 14. April 2010 Entscheidungsreife eingetreten.
Dabei ist nicht zu verkennen, dass die Beklagte mit ihrem prozessualen Verhalten beharrlich gerichtliche Auflagen und Anordnungen missachtet hat und zur sachgerechten Lösung des Konflikts offensichtlich keinen Beitrag leisten wollte. Weder hat sie in ihrer Einspruchsschrift gemäß § 340 Abs. 3 ZPO ihre Angriffs- und Verteidigungsmittel einer sorgfältigen und auf Förderung des Verfahrens bedachten Prozessführung entsprechend vorgebracht noch ist sie ihrer Erklärungspflicht nach § 138 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO nachgekommen. Gerichtliche Auflagen und Fristen hat sie ignoriert. Der (unterbliebene) Vortrag der Beklagten ist jedoch gemäß § 286 ZPO frei zu würdigen, was das Arbeitsgericht ausweislich seines Endurteils offensichtlich auch getan hat. Der gebotene Vergleich der Situationen in den Fällen des Erscheinens und des Nichterscheinens der Beklagten zeigt, dass ihr Ausbleiben für die vom Arbeitsgericht angenommene Verzögerung der Verfahrenserledigung nicht kausal war (vgl. insoweit LAG Berlin vom 10. Juli 2006, 11 Ta 991/06, a.a.O.).
2.2.
Das Ausbleiben der Beklagten war auch nicht erkennbar aus anderen Gründen beachtlich. Dabei ist zwar zunächst davon auszugehen, dass § 51 Abs. 1 Satz 1 ArbGG anders als § 141 Abs. 1 ZPO keine Einschränkung für den Grund der Anordnung des persönlichen Erscheinens enthält und Satz 2 nur auf § 141 Abs. 2 und 3 ZPO verweist, mithin die Einschränkungen in § 141 Abs. 1 ZPO im arbeitsgerichtlichen Verfahren keine Anwendung finden (entgegen BAG vom 20. August 2008, 3 AZB 50/05, NJW 2008, 252; wie hier LAG Hessen vom 22. Dezember 2009, 4 Ta 648/09 und vom 15. Februar 2008, 4 Ta 39/08; Griebeling, Anmerkung zu BAG a.a.O., m.w.Nw.). Gleichwohl erfordert die Ausübung pflichtgemäßen Ermessens die Feststellung, dass die Anwesenheit der Partei im Termin erforderlich war. Solche Ausführungen enthält der angegriffene Ordnungsgeldbeschluss nicht. In Anbetracht des im Termin geschlossenen Widerrufsvergleichs, der durch die Beklagte widerrufen worden ist, ist nicht ersichtlich, dass durch die Anwesenheit der Beklagten ein Vergleichsabschluss ermöglicht worden wäre, an dem der anwesende Prozessbevollmächtigte gehindert war.
2.3.
Es kann daher offen bleiben, ob der Beschluss schon allein deshalb aufzuheben war, weil der Beklagten mit der persönlichen Ladung nicht der genaue Zweck der Anordnung ihres persönlichen Erscheinens mitgeteilt worden ist (so LAG Berlin vom 7. Mai 2001, 6 Ta 911/01, n.v., m.w. Nw.).
III.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus einer entsprechenden Anwendung der §§ 46 OWiG, 467 StPO. Die Beschwerdekammer folgt insoweit der Rechtsprechung des LAG Hessen (Beschlüsse vom 22. Dezember 2009, 4 Ta 648/09 und vom 15. Februar 2008, 4 Ta 39/08, zitiert nach JURIS). Entgegen der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Beschluss vom 20. August 2008, 3 AZB 50/05, a.a.O.) kommt eine Kostentragungspflicht der in der Hauptsache unterliegenden Partei entsprechend §§ 141 Abs. 3 Satz 1, 380 Abs. 3 ZPO, 7 JVEG nicht in Frage. Zu Unrecht erlassene gerichtliche Ordnungsgeldbeschlüsse fallen nicht unter den dortigen Anwendungsbereich. Eine analoge Anwendung ist nicht angezeigt, weil die hier angefallenen Kosten durch einen Rechtsfehler des Gerichts entstanden sind und daher weder von der im Ausgangsverfahren unterliegenden beschwerdeführenden Partei noch gar von der im Ausgangsverfahren unterliegenden gegnerischen Partei zu tragen sind, die weder auf das prozessuale Verhalten des Beschwerdeführers noch auf die Rechtsanwendung des Gerichts Einfluss nehmen kann. Die Verhängung des Ordnungsgeldes hat Sanktionscharakter, so dass eine Kostenentscheidung entsprechend der angeführten Vorschriften aus dem Recht der Ordnungswidrigkeiten sachgerecht ist. Die fehlende Beteiligung der Staatskasse steht nicht entgegen, weil diese auch an Straf- und an Ordnungswidrigkeitsverfahren nicht beteiligt ist (LAG Hessen a.a.O.).
IV.
Gegen diese gemäß §§ 53 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 7 ArbGG von der Vorsitzenden allein zu treffenden Entscheidung ist gemäß § 78 Abs. 2 ArbGG kein Rechtsmittel gegeben.