Gericht | LArbG Berlin-Brandenburg 6. Kammer | Entscheidungsdatum | 04.04.2014 | |
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Aktenzeichen | 6 Sa 46/14 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 05. September 2013 – 33 Ca 1100/13 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
II. Die Revision wird zugelassen.
Die Parteien streiten über die Zahlung einer tarifvertraglichen Einsatzprämie.
Der Kläger ist seit dem 01.01.1989 bei der Beklagten als Krankenpfleger beschäftigt. Kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit findet auf das Arbeitsverhältnis der Parteien der Tarifvertrag für die Charité-Universitätsmedizin Berlin (TV-Charité) Anwendung.
Die Parteien des TV Charité verhandelten in der Tarifrunde 2010/2011 über Änderungen des TV Charité. Die verhandelnden Gewerkschaften A und B stellten dabei u.a. Forderungen zur Zahlung von Pauschalen bei zusätzlichen Diensten bzw. zur Schaffung von Ausgleichsregelungen „für eine Rückholung aus dem Frei“ auf. Wegen des jeweiligen Inhalts der Forderungskataloge wird auf die mit Schriftsatz der Beklagten vom 3. September 2013 eingereichten Anlagen B 2 und 3 (Bl. 34 f. und 36 d. A.) verwiesen.
Am 19. Mai 2011 vereinbarten die Beklagte und die beteiligten Gewerkschaften ein Verhandlungsergebnis, welches sie in einem sog. Eckpunktepapier festhielten. Dabei vereinbarten sie unter dem Arbeitstitel „Rückholen aus dem Frei“, dass jeder Einsatz mit einer pauschalen Einsatzprämie von 30,00 EUR vergütet werden soll, abhängig vom Zeitpunkt des Abrufens eine (zusätzliche) Zeitgutschrift gewährt werden soll, welche auf einem separat geführten persönlichen Zeitkonto („Flexikonto“) erfolgt, und die geleistete Arbeitszeit (100%) auf einem weiteren Zeitkonto gutgeschrieben wird. Wegen der weiteren Einzelheiten des Verhandlungsergebnisses wird auf die Anlage B1 zum Schriftsatz der Beklagten vom 11. März 2011 (Bl. 14ff d. A.) Bezug genommen.
Unter dem 1. November 2011 unterzeichneten die Tarifvertragsparteien den TV Charité, welcher rückwirkend zum 1. Juli 2011 in Kraft trat.
Die letztlich vereinbarte Tarifregelung in § 12 TV Charité mit der Überschrift „Ausgleich für Sonderformen der Arbeit“ lautet im Absatz 6 wie folgt:
„Beschäftigte, die aus dienstlichen Belangen freiwillig einen Einsatz abweichend vom gesicherten Dienstplan leisten, haben Anspruch auf eine Einsatzprämie und eine zusätzliche Zeitgutschrift. Es wird klargestellt, dass durch diese Regelung keine Rechtspflicht zur Ableistung solcher Dienste begründet wird.
Jeder Einsatz wird (unabhängig vom Beschäftigungsgrad) mit einer pauschalen Einsatzprämie in Höhe von 30,00 EUR vergütet.
Abhängig vom Zeitpunkt des Abrufens wird eine Zeitgutschrift gewährt. Diese beträgt bei einem Einsatz
- innerhalb von 96 Stunden: 10 v.H. je geleisteter Stunde und
- innerhalb von 48 Stunden: 30 v.H. je geleisteter Stunde.
Die geleistete Arbeitszeit (100 v.H.) wird auf dem individuellen Zeitkonto im Dienstplanprogramm (z. Zt. im Einsatz befindliches Polypoint-PEP System) gutgeschrieben. Die zusätzliche Zeitgutschrift erfolgt auf ein im selben Erfassungssystem separat geführtes persönliches Zeitkonto. Der ganztätige Freizeitausgleich aus diesem persönlichen Zeitkonto wird mit 1/5 der wöchentlichen Arbeitszeit bewertet. Der/Die Beschäftigte entscheidet, ob er/sie den Freizeitausgleich oder die Auszahlung des Zeitguthabens (Stundenvergütung) aus diesem persönlichen Zeitkonto wünscht. Die Lage des Freizeitausgleichs ist unter Berücksichtigung betrieblicher Belange abzustimmen. Das persönliche Zeitkonto wird einmal jährlich am 31. Dezember auf null Stunden zurückgeführt. Am 31.12. des jeweiligen Jahres bestehende Zeitguthaben werden bis zum 31. März des Folgejahres in Freizeit genommen. Nicht in Freizeit genommene Zeitguthaben werden mit dem Stundenentgelt vergütet.
Niederschrifterklärungen:
…
zu § 12 Abs. 6:
1. Die Tarifvertragsparteien sind darüber einig, dass sich das Merkmal „dienstliche Belange“ auf eine kurzfristig eintretende Abweichung gegenüber dem gesicherten Soll-Dienstplan bezieht, welche durch die/den Dienstplanverantwortlichen oder die/den Vertreter entschieden wird. Dies liegt bei krankheitsbedingtem Arbeitsausfall, unvorhersehbarem erhöhten Arbeitsaufkommen oder in ähnlichen Fällen vor; ein Diensttausch aus persönlichen Gründen, auch zwischen den Beschäftigten, erfüllt das Merkmal nicht. Der entsprechende Sachzusammenhang muss im Dienstplanungsprogramm nachvollziehbar dokumentiert sein.
2. Der gesicherte Soll-Dienstplan ist 4 Wochen vor Beginn des Planungszeitraums (Kalendermonat) verbindlich freizugeben und den Beschäftigten zugänglich zu machen.
3. Das Polypoint-PEP System ist das zum Zeitpunkt des Abschlusses des Tarifvertrages genutzte Dienstplanprogramm. Bei Wechsel in ein anderes Dienstplanprogramm bzw. grundlegender Veränderung des Polypoint-PEP Systems erfolgt eine unverzügliche Information durch den Arbeitgeber an ver.di. Wirkt sich der Wechsel oder die grundlegende Systemveränderung auf die tariflichen Regelungen aus, verpflichten sich die Tarifvertragsparteien, umgehend dazu in Verhandlungen zu treten, mit dem Ziel, eine Regelung im ursprünglichen Sinne der Tarifregelung zu vereinbaren.“
Für den 30. Juli 2011 war nach dem ursprünglichen Dienstplan der Einsatz des Klägers in der Nachtschicht von 21:51 Uhr bis 06:51 Uhr vorgesehen. Aufgrund des arbeitsbedingten Ausfalles eines Mitarbeiters erklärte sich der Kläger gegenüber der Beklagten freiwillig bereit, stattdessen den Einsatz in der Spätschicht des 30.07.2011 ab 14:00 Uhr zu übernehmen. Die Dienstplanänderung nahm der dafür verantwortliche Mitarbeiter der Beklagten vor.
Mit Schreiben vom 14. Februar 2012 (Bl. 6 d. A.) machte der Kläger gegenüber der Beklagten vergeblich hierfür die Zahlung einer Einsatzprämie in Höhe von 30,00 EUR geltend.
Mit der am 23. Januar 2013 beim Arbeitsgericht Berlin eingegangenen und der Beklagten am 31. Januar 2013 zugestellten Klage hat der Kläger die Zahlung einer Einsatzprämie für den 30. Juli 2011 geltend gemacht. Er hat im Wesentlichen die Auffassung vertreten, § 12 Abs. 6 TV Charité erfasse auch den Fall eines sich auf den gleichen Kalendertag beziehenden Schichtwechsels.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 30,00 EUR brutto nebst fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz seit Zustellung der Klage zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung gewesen, sowohl aus den während der Tarifvertragsverhandlungen von den Gewerkschaften verlautbarten Forderungen als auch aus dem Verhandlungsergebnis vom 19. Mai 2011 und dem dabei verwendeten Arbeitstitel „Rückholen aus dem Frei“ ergebe sich, dass mit der Regelung in § 12 Abs. 6 TV Charité nur Fälle erfasst werden sollten, in denen der Arbeitnehmer an einem ursprünglich dienstfreien Tag seinen Einsatz leistet. Insbesondere das Verhandlungsergebnis vom 19. Mai 2011 sei zur teleologischen Auslegung der Norm heranzuziehen. Entsprechend der von ver.di aufgestellten Forderung nach einer Pauschale bei „zusätzlichen“ Diensten habe ein Einspringen in einen zusätzlichen Dienst und kein bloßer Diensttausch honoriert werden sollen. Für den Umstand, dass von der tariflichen Regelung vereinbarungsgemäß nur solche Fälle erfasst werden sollten, in denen der Arbeitnehmer an einem ursprünglich dienstfreien Tag seinen Einsatz leistet, werde ferner Zeugenbeweis angeboten durch Herrn Rechtsanwalt W. B., der in den Tarifverhandlungen als Verhandlungsführer für die Beklagte tätig gewesen sei.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 05. September 2013 der Klage stattgegeben und die Berufung zugelassen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, die Tarifregelung erfasse auch den Fall, dass sich ein abweichender Dienst ganz oder zumindest teilweise auf denselben Kalendertag beziehe. Bei der Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags sei zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen. Der Wortlaut des § 12 Abs. 6 S. 1 TV Charité erfasse Fälle, in denen ein vom gesicherten Dienstplan abweichender Einsatz ganz oder teilweise auf denselben Kalendertag entfällt ebenso wie die Fälle, in denen der vorgesehene und der abweichende Einsatz jeweils gänzlich auf zwei unterschiedliche Kalendertage entfallen. Weder aus § 12 Abs. 6 S. 1 TV Charité noch aus der Niederschrifterklärung zu § 12 Abs. 6 TV Charité lasse sich entnehmen, dass nur die letztgenannte Fallgestaltung erfasst werden solle. Der Wortlaut stelle lediglich auf einen vom gesicherten Dienstplan abweichenden Einsatz ab, ohne die Abweichung näher zu quantifizieren und zu qualifizieren. Auch der tarifliche Gesamtzusammenhang, in welchem die Regelung des § 12 Abs. 6 TV Charité stehe, biete keinen Anlass davon auszugehen, dass der Wortlaut vorliegend im einschränkenden Sinne dahingehend zu verstehen sei, dass lediglich sich auf zwei unterschiedliche Kalendertage beziehende Abweichungen vom gesicherten Dienstplan die vorgesehenen Ansprüche auslösen sollen. Weder aus der Regelung zur Einsatzprämie noch aus der Regelung zur zusätzlichen Zeitgutschrift lasse sich entnehmen, dass die Tarifvertragsparteien eine solche Einschränkung gewollt hätten. Keine der insoweit betroffenen Regelungen enthalte Anhaltspunkte dafür, dass die anspruchsbegründende Dienstplanabweichung lediglich derartige Fälle erfassen solle. Auch Sinn und Zweck der Regelung sowie deren Entstehungsgeschichte gäben keinen Anlass dazu, eine dem Wortlaut der Regelung einschränkende Auslegung vorzunehmen. Sinn der Vorschrift sei es, den freiwilligen Einsatz von Mitarbeitern in den Fällen zu fördern und entsprechend zusätzlich zu vergüten, in denen aus dienstlichen Gründen Bedarf für einen Einsatz zu einem anderen Zeitpunkt als in dem gemäß Ziffer 2 der Niederschrifterklärung zu § 12 Abs. 6 TV Charité vier Wochen vor dem Verhandlungszeitraum verbindlich freizugebenden Dienstplan vorgesehen gewesen sei. Der Arbeitnehmer, der seine persönlichen Planungen auf den gesicherten Dienstplan einrichten durfte, solle für seine Bereitschaft, kurzfristig seine persönlichen Planungen zu ändern und abweichend Dienst zu tun, entlohnt werden. Der Arbeitgeber habe den Vorteil, dass er kurzfristig erforderlich werdende Dienstplanänderungen auf freiwilliger Basis vornehmen könne. Vor diesem Hintergrund sei nicht ersichtlich, dass ausschließlich der gänzlich auf einen anderen Kalendertag entfallende abweichende Einsatz erfasst werden soll. Auch die Entstehungsgeschichte, auf welche sich die Beklagte berufe, gebe zu keiner anderen Auslegung Anlass. Die in den Tarifvertragsverhandlungen im vorliegenden Zusammenhang als Arbeitstitel verwendete Bezeichnung „Rückholen aus dem Frei“ müsse sich nicht auf freie Tage beziehen, vielmehr könnten von dieser Bezeichnung auch freie Schichten (mit-) erfasst sein. Gegen die von der Beklagten vertretene Auffassung spreche zudem, dass sie zu einer Benachteiligung von Mitarbeitern führen würde, die oft oder gar ausschließlich im Nachtdienst eingesetzt werden. Nach der bei der Beklagten praktizierten Schichtverteilung beziehe sich die Nachtschicht jeweils auf zwei Kalendertage, so dass diese Mitarbeiter bei der von der Beklagten vertretenen Auslegung der Norm seltener in den Genuss der Regelung des § 12 Abs. 6 TV Charité kommen könnten als Mitarbeiter, die im Früh- oder Spätdienst eingesetzt sind. Für die Behauptung, die Tarifvertragsparteien hätten bei der Vereinbarung der Regelung in § 12 Abs. 6 TV Charité tatsächlich das von ihr vertretene Verständnis gehabt, habe die Beklagte im Übrigen keinen zulässigen Beweis angetreten. Die beantragte Vernehmung dieser Zeugen beziehe sich jeweils nicht auf konkrete Tatsachen, aus deren Bekundung entsprechende Rückschlüsse zu ziehen wären, sondern nur auf eine Schlussfolgerung. Im Übrigen wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 41 bis 44 d. A.) Bezug genommen.
Gegen das der Beklagten am 15. Oktober 2013 zugestellte Urteil hat diese mit dem beim Landesarbeitsgericht am 22. Oktober 2013 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 15. Januar 2014 mit dem beim Landesarbeitsgericht am 15. Januar 2014 eingegangenen Schriftsatz begründet.
Die Beklagte wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie ist der Auffassung, das Arbeitsgericht habe der Klage zu Unrecht stattgegeben. Die vom Arbeitsgericht vorgenommene Auslegung von § 12 Abs. 6 TV Charité greife zu kurz. Insbesondere die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages habe bei der Auslegung zu wenig Berücksichtigung gefunden. Bereits das eingereichte Eckpunktepapier bestätige die Auslegung der Beklagten, dass ein Schichtwechsel am selben Tag nicht von § 12 Abs. 6 TV Charité erfasst werde. Nach allgemeinem Verständnis bedeute der Arbeitstitel „Rückholen aus dem Frei“, dass ein Arbeitnehmer an einem ursprünglich dienstfrei geplanten Tag eine Arbeitsschicht übernehme. Ein bloßer Schichtwechsel stelle kein „Rückholen aus dem Frei“ dar. Es sei ein Unterschied, ob beispielsweise eine für Montag vorgesehene Frühschicht verschoben und am selben Tag als Spätdienst geleistet werde oder ob der Dienst statt am Montag am Mittwoch stattfindet. Im ersten Falle habe der Arbeitnehmer zu keiner Zeit frei über den Tag disponieren können. Insbesondere habe er bei geplanter Frühschicht an diesem Tag nicht verreisen können. Zwar treffe es zu, dass sich der Arbeitnehmer auch bei einem Tausch von Diensten, die denselben Kalendertag betreffen, unter Umständen in seiner Disposition einschränken könne. Ein solches Verständnis hätten die Tarifvertragsparteien in den Tarifverhandlungen jedoch nicht gehabt. Vielmehr sei allen Beteiligten klar gewesen, dass mit der verhandelten Zulage nur ein Diensttausch honoriert werden solle, der zu einer Dienstverschiebung auf einen anderen Kalendertag führt. Daher sei in den Verhandlungen auch der Arbeitstitel „Rückholen aus dem Frei“ gewählt, wofür Beweis durch Zeugnis der Herren C. P., B. P. und Rechtsanwalt W. B. angeboten werde. Diese Auffassung werde auch gestützt durch den als Anlage zum Schriftsatz vom 03. April 2014 eingereichten E-Mail-Verkehr (Bl. 88 bis 91 d. A.), auf welchen die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 03. April 2014 verweist. So sei der weitere Verhandlungsführer der Beklagten, Herr Rechtsanwalt B., was insoweit unstreitig ist, mit E-Mail vom 20. Juli 2011 darauf hingewiesen worden, dass sich in dem aktuellen Formulierungsvorschlag für § 12 Abs. 6 TV Charité der Grundansatz, das zusätzliche Einspringen aus dem „Frei“ zu honorieren, nicht mehr ausreichend klar wiederfinde. Dies habe in der Gesamtheit der noch anzupassenden Inhalte mit abgearbeitet und klargestellt werden sollen. Diese E-Mail sei auch an die Verhandlungsführerin von ver.di, Frau B. W., gegangen. Sodann habe der Teamleiter Arbeitszeitmanagement, Herr P., den Leiter des Geschäftsbereichs Personal, Herrn C. S., per E-Mail am 26.07.2011 – insoweit wiederum unstreitig – darüber informiert, dass in der „Tarifinfo 18“ der Tarifkommission A das Verhandlungsergebnis so interpretiert werde, dass auch ein Diensttausch, z. B. „Spät“ statt „Früh“ die Anspruchsvoraussetzung für 30,00 Euro erfülle. Hiervon sei jedoch weder in den Verhandlungen noch im Verhandlungsergebnis vom 20. Mai 2011 die Rede gewesen, weshalb um entsprechende Würdigung in den Redaktionsverhandlungen gebeten worden sei. Auch die Höhe der vereinbarten Prämie spreche für dieses Verständnis. Verglichen mit der Wechselschichtzulage, die 105,00 Euro monatlich betrage (§ 12 Abs. 4 TV Charité) und Arbeitnehmern gezahlt werde, die in einem Schichtplan arbeiten, der einen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit in Wechselschichten vorsieht, bei denen Beschäftigte durchschnittlich längstens nach Ablauf eines Monats erneut zur Nachschicht herangezogen werden, stelle die Prämie nach § 12 Abs. 6 TV Charité eine relativ hohe Summe dar, obwohl sie sich nur auf einen einzelnen Dienst beziehe. Auch der Hinweis des Gerichts auf eine mögliche Benachteiligung von Nachtschichtarbeitnehmern überzeuge nicht. Der Nachtdienst werde immer nur dem Tag des Dienstbeginns zugeordnet. Zwar falle das Ende des Nachtdienstes auf den folgenden Kalendertag, jedoch werde immer, insbesondere im Rahmen der Abrechnung, der Nachtdienst nur dem Tag des Dienstbeginns zugeordnet. Werde bei Nachtarbeitnehmern der ursprünglich vorgesehene Nachtdienst verschoben auf eine Früh-, Spät- oder sonstige Schicht, die am Tag nach Beginn der vorgesehenen Nachtschicht zu leisten ist, entstehe auch nach dem Verständnis der Beklagten ein Anspruch auf die Zulage. Aus dem Forderungskatalog der Gewerkschaft ver.di werde ebenfalls deutlich, dass Gegenstand der Verhandlung die Honorierung zusätzlicher Dienste war, nicht aber eine geringe zeitliche Verschiebung eines Dienstes innerhalb desselben Kalendertages. Ein bloßer Diensttausch sei kein zusätzlicher Dienst. Die Forderung der Gewerkschaft habe jedoch gelautet „Pauschale bei zusätzlichen Diensten/Einspringen pro Dienst 40,00 Euro“.
Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,
auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 05.09.2013 – 33 Ca 1100/13 – abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Es sei von einem eindeutigen Tarifwortlaut auszugehen. Der gesicherte Dienstplan beinhalte die Festlegung der jeweils auf den Arbeitnehmer entfallenden Schicht. Somit sei ein Schichtwechsel nach Erstellung des gesicherten Dienstplanes eine Abweichung von diesem Dienstplan und ziehe insofern die Rechtsfolgen des § 12 Abs. 6 TV-Charité nach sich, sofern die weiteren Voraussetzungen vorliegen. Keinesfalls habe die Tarifvertragspartei ver.di unter dem Arbeitstitel „Rückholen aus dem Frei“ lediglich den Dienstplanwechsel auf einen anderen Kalendertag unter Ausklammerung des Schichtwechsels am selben Tag verstanden. Dementsprechend habe auch das Arbeitspapier zum Entwurf des Tarifvertrages mit Stand vom 28. Juni 2011 die entsprechende Formulierung zu § 12 Abs. 6 TV Charité beinhaltet, welche in der wesentlichen Passage – insoweit unstreitig – in den abgeschlossenen Tarifvertrag übernommen worden sei, womit die ver.di Tarifkommission einverstanden gewesen sei. Andernfalls hätte ein anderer Tarifwortlaut oder eine andere Niederschriftserklärung formuliert werden müssen. Zu keiner anderen Schlussfolgerung könne auch die seitens der Berufungsklägerin der durch ver.di zum Verhandlungsauftakt der Tarifrunde 2010/2011 benannte Forderung „Pauschale bei zusätzlichen Diensten/Einspringen pro Dienst 40,00 Euro“ führen. Hier sei eine Pauschale für jegliche Änderung der Dienste der Arbeitnehmer im Sinne eines zusätzlichen Dienstes oder alternativ durch Schrägstrich gekennzeichnet, für ein Einspringen des Arbeitnehmers pro Dienst in Höhe von 40,00 Euro gefordert worden. Eine Eingrenzung der Pauschale bei Einspringen lediglich an einem dienstfreien Tag bedeute eine Einschränkung der gewerkschaftlichen Tarifforderung, die nicht zulässig sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens in der Berufungsinstanz wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 04. April 2014 (Bl. 92 d. A.) Bezug genommen. In der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte die Zulassung der Revision angeregt und vorgetragen, von der Entscheidung könnten ca. 6000 bei ihr im Schichtdienst beschäftigte Arbeitnehmer betroffen sein, weshalb mit dem Personalrat im Hinblick auf weitere Fälle die Führung eines Musterverfahrens vereinbart worden sei.
I.
Die Berufung ist zulässig. Die gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung ist form- und fristgerecht im Sinne von §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO eingelegt und begründet worden.
II.
Die Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
Das Arbeitsgericht hat der Klage mit zutreffender ausführlicher Begründung zu Recht stattgegeben.
1. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Zahlung einer Einsatzprämie in Höhe von 30,00 Euro brutto gemäß § 12 Abs. 6 des auf das Arbeitsverhältnis kraft beiderseitiger Tarifbindung gemäß § 4 Abs. 1 TVG unmittelbar und zwingend in seiner jetzigen Fassung ab dem 01. Juli 2011 anwendbaren TV Charité, welcher das Arbeitsverhältnis des Klägers in seinem Geltungsbereich erfasst, zu.
Nach § 12 Abs. 6 TV Charité haben Beschäftigte, die aus dienstlichen Belangen freiwillig einen Einsatz abweichend vom gesicherten Dienstplan leisten, Anspruch auf eine Einsatzprämie in Höhe von 30,00 Euro.
In der Niederschrifterklärung zu § 12 Abs. 6 TV Charité ist klargestellt, dass sich das Merkmal der dienstlichen Belange auf eine kurzfristig eintretende Abweichung gegenüber dem gesicherten Soll-Dienstplan bezieht, welche durch den Dienstplanverantwortlichen oder den Vertreter entschieden wird, wohingegen ein Diensttausch aus persönlichen Gründen, auch zwischen den Beschäftigten, das Merkmal nicht erfüllt.
Der Kläger ist unstreitig am 30. Juli 2011 freiwillig aus dem für ihn im gesicherten Dienstplan vorgesehenen Nachtdienst, welcher von 12:51 Uhr bis 6:51 Uhr des Folgetages gedA.rt hätte, in die ab 14:00 Uhr beginnende Spätschicht des selben Tages gewechselt, wobei der Wechsel ausweislich der Dokumentation von geleisteten Diensten wegen arbeitsbedingtem Ausfall eines Mitarbeiters erfolgt ist und die Dienstplanänderung durch den für den Dienstplan verantwortlichen Mitarbeiter H. vorgenommen worden ist. Die Zahlung der Einsatzprämie hat der Kläger auch innerhalb der 6-monatigen Ausschlussfrist des TV Charité geltend gemacht, welche im vorliegenden Fall ausweislich der Protokollerklärung zu § 42 TV Charité mit dem Tag nach der Unterzeichnung des Tarifvertrages begonnen hat, bis dahin als ausgesetzt galt und vorliegend am 14. Februar 2012 noch nicht abgelaufen war.
a) Der freiwillige Einsatz des Klägers am 30. Juli 2011 in der Spätschicht in Abweichung vom gesicherten Dienstplan begründet einen Anspruch auf Zahlung einer Einsatzprämie gemäß § 12 Abs. 6 TV Charité. Entgegen der Auffassung der Beklagten erfasst § 12 Abs. 6 TV Charité auch die Fälle, in denen Arbeitnehmer am selben Kalendertag in Abweichung vom gesicherten Dienstplan in eine andere Schicht wechseln, sofern der jeweilige Diensttausch aus dienstlichen Belangen erfolgt. Das ergibt die Auslegung der Norm.
Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages folgt – wie bereits das Arbeitsgericht unter Verweis auf die einschlägige höchstrichterliche Rechtsprechung zutreffend ausgeführt hat – den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Somit ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefern und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an die Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (st. Rspr., vgl. etwa BAG, Urteile vom 26. März 2013 – 3 AZR 68/11 – juris, vom 11. Juli 2012 – 10 AZR 236/11 – Rn. 12, vom 16. Juni 2010 – 4 AZR 944/08 – Rn. 18 und vom 23. September 2009 – 4 AZR 382/08 – Rn. 14, BAGE 132, 162).
Danach ist das Auslegungsergebnis des Arbeitsgerichts nicht zu beanstanden.
aa) Auszugehen ist zunächst vom Wortlaut der Norm. Dieser enthält keine Anhaltspunkte dafür, dass die Tarifvertragsparteien eine Einsatzprämie nur für die Übernahme einer zusätzlichen Schicht bzw. für einen Einsatz an einem nach gesichertem Dienstplan ursprünglich freien Arbeitstag erfassen wollten. Vielmehr wird nach § 12 Abs. 6 Satz 3 TV Charité jeder Einsatz mit einer pauschalen Einsatzprämie vergütet, es muss sich lediglich um einen freiwilligen Einsatz aus dienstlichen Belangen abweichend vom gesicherten Dienstplan handeln. Hätten die Tarifvertragsparteien einen bloßen Schichtwechsel nicht als von der Norm erfasst verstanden wissen wollen, hätte dies, wie bereits die Verantwortlichen der Beklagten ausweislich des eingereichten E-Mail-Verkehrs offenbar vor Unterzeichnung des Tarifvertrages erkannt haben, im Normtext seinen Ausdruck finden müssen.
Vorliegend haben die Parteien eine Niederschrifterklärung aufgenommen, die einer Auslegung in der von der Beklagten gewünschten Form entgegensteht, denn nach der Niederschrifterklärung wird (lediglich) ein Diensttausch aus persönlichen Gründen, nicht aber aus dienstlichen Gründen vom Anwendungsbereich der Norm ausgenommen, was im Umkehrschluss die vom Arbeitsgericht gefundene Auslegung stützt. Aus der Norm folgt auch nicht, dass die Tarifvertragsparteien nur einen zusätzlichen Einsatz in einer zuvor für den Arbeitnehmer als frei vorgesehenen Schicht honorieren wollten, indem sie den Anspruch auf eine zusätzliche Zeitgutschrift aufgenommen haben. Das Merkmal „zusätzlich“ bezieht sich bei richtiger Leseart nur auf einen Prozentsatz der geleisteten Arbeitszeit, der einen zusätzlichen geldwerten Vorteil darstellen soll. Zwar wird die geleistete Arbeitszeit auf einem individuellen Zeitkonto „gutgeschrieben“, dies muss aber nicht zwangsläufig bedeuten, dass die Tarifvertragsparteien davon ausgegangen sind, dass es in jedem Fall zu einer Mehrarbeit und einer zusätzlichen Gutschrift der geleisteten Arbeitszeit kommen muss. Gutzuschreiben sind danach nur die in der tatsächlichen Einsatzschicht geleisteten Stunden. Ob in der ursprünglich laut Dienstplan abzuleistenden Schicht tatsächlich (und insoweit zusätzlich) gearbeitet wurde, ist für die Zeitgutschrift nach § 12 Abs. 6 TV Charité demgegenüber ohne Belang. Eine Auslegung dergestalt, dass nur zusätzliche Dienste honoriert werden sollten, wäre insoweit auch nicht praktikabel, da sich das Merkmal der Zusätzlichkeit in diesem Fall erst nach Ablauf des für die Regelarbeitszeit vorgesehenen Zeitabschnitts feststellen ließe und nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Tarifvertragsparteien mit der Einsatzprämie nur eine bezogen auf den gesicherten Dienstplan vorliegende Mehrarbeit honorieren wollten.
bb) Da der Wortlaut nach den wiedergegebenen von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen nicht isoliert, sondern bezogen auf den maßgeblichen Sinn der Norm zu erforschen ist, können Sinn und Zweck der Regelung nicht außer Betracht bleiben. Der Normzweck liegt jedoch – und auch insoweit schließt sich die Kammer den Ausführungen des Arbeitsgerichts an – auf der Seite der Arbeitgeberin darin, einen Anreiz für die Arbeitnehmer zu schaffen, freiwillig kurzfristig eine Schicht zu übernehmen, die aus dienstlichen Gründen nicht ausreichend besetzt ist, um auf diese Weise zu erreichen, dass die Arbeitgeberin flexibel ihren Personaleinsatz planen kann und auf eine möglichst große Anzahl von einsatzbereitem Personal bei Engpässen zurückgreifen kann. Auf Seiten der Arbeitnehmer wird ein angemessener Ausgleich für die zusätzliche Bereitschaft zum Einspringen in eine Schicht, die zuvor als frei eingetragen und somit für den Arbeitnehmer unter Berücksichtigung seiner privaten Angelegenheiten und seiner Freizeitwünsche disponierbar war, geschaffen. Dieser Zweck wird auch erreicht, ohne den Schichtwechsel am selben Kalendertag aus dem Anwendungsbereich der Norm auszuschließen. Im Gegenteil lässt sich dieser Zweck bei einschränkungsloser Auslegung der Norm eher verwirklichen.
Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Einsatzprämie von 30,00 Euro in einem solchen Fall keinen angemessenen Ausgleich für den Einsatz in einer zuvor als frei festgelegten Schicht darstellen würde, denn auch der Arbeitnehmer, der einen Schichtwechsel vornimmt, kann seine Freizeit entgegen der ursprünglichen Festlegung im gesicherten Dienstplan nicht mehr frei planen. Auf einen Vergleich mit den Zulagen für ständige Wechselschichtarbeit nach § 12 Abs. 4 TV Charité und für ständige Schichtarbeit nach Absatz 5 der Norm, welche an andere Voraussetzungen geknüpft sind und mit denen einer mit ständiger Schichtarbeit oder ständiger Wechselschichtarbeit verbundenen besonderen Belastung Rechnung getragen werden soll, kann es in diesem Zusammenhang nicht ankommen. Nach Auffassung der Kammer ist ein auffälliges Missverhältnis bezogen auf die Höhe der unterschiedlichen Zulagen auch nicht ersichtlich.
cc) Auch die Entstehungsgeschichte steht dem sich aus dem Wortlaut der Norm unter Berücksichtigung ihres Sinnes und Zwecks ergebenden Auslegungsergebnis nicht entgegen. Soweit die Beklagte hier auf den E-Mail-Verkehr aus dem Juli 2011 verweist, wird daraus viel mehr deutlich, dass die Gewerkschaft ver.di das auch vom Gericht für zutreffend gehaltene Auslegungsergebnis gegenüber ihren Mitgliedern kundgetan hat und damit zum Ausdruck gebracht hat, dass das von der Beklagten behauptete Einverständnis, den Schichtwechsel innerhalb eines Kalendertages vom Anwendungsbereich der Norm auszuschließen, gerade nicht vorgelegen hat. Auch der zeitliche Ablauf der Geschehnisse spricht dafür, dass sich die Tarifvertragsparteien gerade nicht darauf verständigt haben, diese Fälle nicht zu erfassen. Obwohl die Beklagte in ihrem E-Mail-Verkehr um entsprechende Würdigung in den Redaktionsverhandlungen gebeten hat, haben die Parteien den entsprechenden Text als § 12 Abs. 6 TV Charité ohne redaktionelle Änderungen in den Tarifvertrag aufgenommen. Insoweit konnte auch eine Vernehmung der von der Beklagten angebotenen Zeugen unterbleiben, da diese – wie bereits das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt hat – nur für etwaige Schlussfolgerungen hinsichtlich eines etwaigen Einverständnisses der Tarifvertragsparteien, nicht jedoch als Zeugen für konkrete Tatsachen benannt wurden. Im Gegenteil legt der von der Beklagten eingereichte E-Mail-Verkehr nahe, dass allenfalls ein schlichter Dissens der Tarifvertragsparteien über die Auslegung der Norm vorgelegen hat. Da die verantwortlichen Personen bei der Beklagten vor Unterzeichnung des Tarifvertrages erkannt haben, dass der beabsichtigte Wortlaut der Norm die von ihnen gewünschte Leseart nicht hergibt, gleichwohl der Text aber in den Redaktionsverhandlungen nicht geändert worden ist, lässt dies nur den Schluss zu, dass sich die Beklagte entweder mit ihrer Position nicht hat durchsetzen können oder dass die unterschiedlichen Auffassungen beibehalten wurden, ohne diese näher zu kommunizieren, und jede Seite nunmehr den Wortlaut der Norm für das von ihr bevorzugte Auslegungsergebnis in Anspruch nimmt.
b) Ein möglicher Dissens der Tarifvertragsparteien über die Auslegung der Norm vermag an der tariflichen Wirksamkeit einer wie hier gültig zustande gekommenen Norm wegen ihres Normcharakters nichts zu ändern. Das gilt auch dann, wenn die abweichenden Vorstellungen zur Auslegung des Tarifvertrages bereits zum Zeitpunkt des Tarifvertragsabschlusses bestanden haben. Maßgeblich ist der nach außen zum Ausdruck gekommene Normbefehl (vgl. BAG, Urteile vom 23. Februar 2005 – 4 AZR 172/04 –, AP TVG § 1 Tarifverträge: Lufthansa Nr. 33, vom 09. März 1983 – 4 AZR 61/80 – BAGE 42, 86, 93). Selbst dann, wenn sich der nach außen zum Ausdruck gekommene Normbefehl mit den üblichen Auslegungsmethoden nicht hinreichend sicher ermitteln lässt, ist im Interesse des Normerhalts auf das Verständnis des durchschnittlichen Normanwenders zurückzugreifen (vgl. BAG, Urteil vom 22. April 2010 – 6 AZR 962/08 – BAGE 134, 184). Lässt sich danach ein bestimmter Norminhalt feststellen, ist die Norm nicht wegen eines Verstoßes gegen das Gebot der Normenklarheit nichtig. Dieses aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete Gebot, das auch für tarifvertragliche Regelungen gilt, verlangt, dass Betroffene die Rechtslage anhand der tariflichen Regelung so erkennen können müssen, dass sie ihr Verhalten danach ausrichten können. Das setzt grundsätzlich voraus, dass der Normgeber die von ihm erlassenen Regelungen so bestimmt fasst, dass die Rechtsunterworfenen in zumutbarer Weise feststellen können, ob die tatsächlichen Voraussetzungen für die in der Rechtsnorm ausgesprochene Rechtsfolge erfüllt sind (vgl. BAG, Urteil vom 19. April 1012 – 6 AZR 677/10 – Rn. 27 m.w.N., ZTR 2012, 468; vgl. BVerfG, Urteil vom 6. Juli 2005 – 1 BvR 782/94 –; –1 BvR 957/96 – zu C I 3 a der Gründe, BVerGE 114, 1). Für den durchschnittlichen Normanwender ist der Norminhalt des § 12 Abs. 6 TV Charité jedoch dahin zu verstehen, dass er auch die Fälle des Schichtwechsels an einem Kalendertag umfasst. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen zurückgegriffen werden.
Auf das vom Arbeitsgericht herangezogene und mit der Berufung angegriffene weitere Argument, bei anderer Auslegung würden zudem Nachtschichtarbeitnehmer benachteiligt, kommt es nicht mehr entscheidend an.
2. Der Anspruch des Klägers auf die vom Arbeitsgericht zugesprochenen Zinsen folgt aus §§ 288 Abs. 1, 291 BGB.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
IV.
Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG. Über die Auslegung des § 12 Abs. 6 TV Charité, welche nach den Angaben der Parteien Bedeutung für ca. 6000 im Schichtdienst beschäftigte Arbeitnehmer der Beklagten hat, liegt bislang noch keine höchstrichterliche Entscheidung vor.