Gericht | VG Cottbus 3. Kammer | Entscheidungsdatum | 09.03.2015 | |
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Aktenzeichen | 3 K 1829/14 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 1 S 1 AMRabG, § 40 Abs 1 VwGO |
Der Verwaltungsrechtsweg ist unzulässig.
Der Rechtsstreit wird an das zuständige Landgericht Cottbus verwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens bleibt dem Landgericht Cottbus vorbehalten.
Der Rechtsstreit ist nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 17a Abs. 2 Satz 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) von Amts wegen an das zuständige Landgericht Cottbus zu verweisen, da für das Begehren der Klägerin nicht der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten, sondern derjenige zu den ordentlichen Gerichten eröffnet ist.
Gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ist der Verwaltungsrechtsweg in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Ob eine Streitigkeit öffentlich-rechtlich oder bürgerlich-rechtlich ist, richtet sich, wenn - wie hier - eine ausdrückliche Rechtswegzuweisung fehlt, nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird (vgl. Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschlüsse vom 10. April 1986 - GmS-OGB 1/85 -, BVerwGE 74, 368, juris Rn. 10, und vom 29. Oktober 1987 - GmS-OGB 1/86 -, NJW 1988, 2295, juris Rn. 10), wobei maßgeblich allein die wirkliche Natur des behaupteten Rechtsverhältnisses ist, nicht hingegen die rechtliche Qualifizierung des geltend gemachten Anspruchs durch die Beteiligten (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Mai 1994 - BVerwG 5 C 33.91 -, BVerwGE 96, 71, juris Rn. 15; BGH, Urteil vom 5. Februar 1993 - V ZR 62/91 -, BGHZ 121, 248, juris Rn. 10). Eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit liegt vor, wenn sich das Klagebegehren als die Folge eines Sachverhalts darstellt, der nach öffentlichem Recht zu beurteilen ist (Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl. 2014, § 40 Rn. 6). Maßgeblich ist dabei, durch welche Rechtssätze der Sachverhalt entscheidend geprägt wird und welche Rechtssätze für die Beurteilung des Klagebegehrens heranzuziehen sind (vgl. BGH, Beschluss vom 28. April 1994 - III ZB 25/92 -, NJW 1994, 2620, juris Rn. 11). Für die Zuordnung zum öffentlichen Recht kommt es regelmäßig darauf an, ob die Beteiligten zueinander in einem hoheitlichen Verhältnis der Über- und Unterordnung stehen und ob sich der Träger hoheitlicher Gewalt der besonderen Rechtssätze des öffentlichen Rechts bedient. Entscheidend ist dabei, ob der Sachverhalt - die Richtigkeit des Sachvortrags des Klägers unterstellt - Rechtssätzen unterworfen ist, die für jedermann gelten, oder einem Sonderrecht des Staates oder sonstiger Träger öffentlicher Aufgaben, das sich zumindest auf einer Seite nur an Hoheitsträger wendet (vgl. Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 10. Juli 1989 - GmS-OGB 1/88 -, NJW 1990, 1527, juris Rn. 8 f.; BVerwG, Beschluss vom 30. Mai 2006 - BVerwG 3 B 78.05 -, Buchholz 310 § 40 VwGO Nr. 295, juris Rn. 4; BVerwG, Beschluss vom 2. Mai 2007 - BVerwG 6 B 10.07 -, BVerwGE 129, 9, juris Rn. 4; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23. September 2009 - OVG 3 L 34.08 -, NVwZ-RR 2009, 182, juris Rn. 6).
Nach diesen Vorgaben ist der vorliegende Rechtsstreit dem bürgerlichen Recht zuzuordnen. Denn die als Anspruchsgrundlage für das Begehren auf Gewährung von Abschlägen auf Arzneimittelpreise allein in Betracht kommende und von der Klägerin auch angeführte Bestimmung des § 1 Satz 1 des Gesetzes über Rabatte für Arzneimittel (im Folgenden: AMRabG) vom 22. Dezember 2010 (BGBl. I S. 2262), geändert durch Gesetz vom 7. August 2013 (BGBl. I S. 3108), ist zivilrechtlicher Art. Nach dieser Norm haben die pharmazeutischen Unternehmer den Unternehmen der privaten Krankenversicherung und den Trägern der Kosten in Krankheits-, Pflege- und Geburtsfällen nach beamtenrechtlichen Vorschriften für verschreibungspflichtige Arzneimittel, deren Kosten diese ganz oder teilweise erstattet haben, nach dem Anteil der Kostentragung Abschläge entsprechend § 130a Absatz 1, 1a, 2, 3, 3a und 3b des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) zu gewähren.
Für den bürgerlich-rechtlichen Charakter dieser Anspruchsgrundlage spricht schon der Umstand, dass damit gerade kein Sonderrecht des Staates oder sonstiger Träger öffentlicher Aufgaben geschaffen wurde, sondern vielmehr als Anspruchsberechtigte mit den Unternehmen der privaten Krankenversicherung auch juristische Personen des Privatrechts begünstigt werden. Diese sind insoweit auch nicht etwa mit der Erfüllung öffentlicher Aufgaben beliehen worden. Zwar erfüllen die privaten Krankenkassen (auch) eine öffentliche Aufgabe, da sie im System der Gesundheitsversorgung eine wichtige Funktion einnehmen. Sie sind jedoch keine Beliehenen, sondern "nur" Versicherungsdienstleister, die im Rahmen eines privatrechtlichen Versicherungsverhältnisse tätig werden (vgl. §§ 192 ff. des Gesetzes über den Versicherungsvertrag [Versicherungsvertragsgesetz - VVG] vom 23. November 2007 [BGBl. I S. 2631], zuletzt geändert durch Gesetz vom 1. August 2014 [BGBl. I S. 1330]).
Dass der Gesetzgeber in § 1 Satz 1 AMRabG zugunsten der unterschiedlichen Anspruchsberechtigten - der Unternehmen der privaten Krankenversicherung einerseits und den Trägern der Beihilfe und der Heilfürsorge andererseits - getrennte und unterschiedlichen Rechtswegen zuzuordnende Ansprüche hat schaffen wollen, ist nicht erkennbar. Weder der Wortlaut der Norm noch die Erwägungen in der Gesetzesbegründung (vgl. die Beschlussempfehlung und den Bericht des Ausschusses für Gesundheit vom 10. November 2010, BT-Drs. 17/3698 S. 60 f.) bieten hierfür einen Anhaltspunkt. Im Gegenteil sprechen für eine Identität der Ansprüche die einheitliche Zielsetzung einer Übertragung der Erstattungsbeträge nach § 130a SGB V auf Personen, die das Arzneimittel nicht als Sachleistung der gesetzlichen Krankenversicherung erhalten, sowie das unterschiedslos verfolgte Ziel, Einsparungen auch in den Bereichen der Absicherung im Krankheitsfall zu erzielen, die ebenso wie die gesetzliche Krankenversicherung in der Vergangenheit besonders stark von Kostensteigerungen betroffen waren, jedoch nicht von den Preisregulierungen des SGB V erfasst sind. "Der Gesetzgeber hat für die gesetzliche Krankenversicherung schon seit längerem das Niveau einer angemessenen Preisgestaltung durch gesetzliche Abschlagsregelungen auf die von den pharmazeutischen Unternehmern geforderten Abgabepreise bestimmt. Es ist sachlich nicht gerechtfertigt, für den Gesundheitsschutz außerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung abweichende Abschläge vorzusehen" (BT-Drs. 17/3698 S. 60).
Gegen eine unterschiedliche Rechtsnatur der Ansprüche auf Gewährung von Abschlägen für verschreibungspflichtige Arzneimittel für Unternehmen der privaten Krankenversicherung und für die Träger der Beihilfe und der Heilfürsorge lassen sich auch die weiteren gesetzlichen Vorgaben, wie insbesondere die vorgesehenen Kooperationsmöglichkeiten beider Kreise von Anspruchsberechtigten (vgl. § 2 Satz 1 AMRabG: Bildung einer zentralen Stelle beim Verband der privaten Krankenversicherung zum Einzug der Abschläge; § 2 Satz 4 AMRabG: Abweichung vom AMRabG auf vertraglicher Grundlage; § 4 S. 2 AMRabG), anführen.
Die Einordnung des Anspruchs nach § 1 Satz 1 AMRabG durch die Klägerin als "Regelung zur Regulierung von Arzneimittelpreisen" vermag ebenso wenig zu überzeugen. Denn der Gesetzgeber hat mit der fraglichen Norm gerade keine Ermächtigungsgrundlage zugunsten einer Behörde zu hoheitlicher Festsetzung von Arzneimittelpreisen geschaffen, sondern einen gesetzlichen Anspruch auf Gewährung von Rabatten zugunsten verschiedener Kostenträger begründet.
Die öffentlich-rechtliche Organisationsform der Klägerin zwingt zu keinem anderen Ergebnis, da keine öffentlich-rechtlichen Sonderrechte in Anspruch genommen werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. Mai 2006 - BVerwG 3 B 78.05 -, Buchholz 310 § 40 VwGO Nr. 295, juris Rn. 7). Für die Frage, welche Rechtsnatur das Anspruchsverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten nach Maßgabe des § 1 AMRabG hat, ist auch - entgegen der Auffassung der Klägerin - die Ausgestaltung des Rechtsverhältnisses der Klägerin zu ihren Mitgliedern ohne Bedeutung. Auch wenn letzteres öffentlich-rechtlicher Natur ist, folgt daraus nicht zwingend, dass zugleich die zur Erfüllung der Leistungspflichten gegenüber den Mitgliedern erfolgenden Handlungen ebenfalls dem öffentlichen Recht zuzuordnen wären (vgl. Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 10. April 1986 - GmS-OGB 1/85 -, BVerwGE 74, 368, juris Rn. 13).
Es besteht auch keine Sonderzuweisung auf den Rechtsweg der Sozialgerichtsbarkeit. § 51 Abs. 1 Nr. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ist nicht einschlägig, da es sich nicht um eine Angelegenheit der gesetzlichen Krankenversicherung handelt; die Klägerin ist kein Träger der gesetzlichen Krankenversicherung (vgl. § 4 Abs. 2 SGB V). Dass § 1 AMRabG Maßstäbe des § 130a SGB V durch Rechtsverweis inkorporiert, führt ebenfalls nicht dazu, dass eine Angelegenheit der gesetzlichen Krankenversicherung vorliegt.
Handelt es sich demnach vorliegend um eine zivilrechtliche Streitigkeit, ist der Verwaltungsrechtsweg für unzulässig zu erklären und das Verfahren an die nach § 13 GVG zuständige Zivilgerichtsbarkeit, hier das nach § 71 Abs. 1 GVG, § 17 Abs. 1 der Zivilprozessordnung i.V.m. § 4 Nr. 1, § 2 Abs. 1 Nr. 10 des Gesetzes über die Organisation der ordentlichen Gerichte und Staatsanwaltschaften im Land Brandenburg (Brandenburgisches Gerichtsorganisationsgesetz - BbgGerOrgG) vom 19. Dezember 2011 (GVBl. I Nr. 32) zuständige Landgericht Cottbus, zu verweisen.
Die Entscheidung über die Kosten ist gemäß § 17b Abs. 2 GVG dem Gericht vorzubehalten, an das die Sache verwiesen wurde.