Toolbar-Menü
 
Sie sind hier: Gerichtsentscheidungen Baugenehmigung; Nachtragsbaugenehmigung; Aufzug; Erhaltungsverordnung;...

Baugenehmigung; Nachtragsbaugenehmigung; Aufzug; Erhaltungsverordnung; erhaltungsrechtliche Genehmigung; Zusammensetzung der Wohnbevölkerung; Verdrängungsgefahr; zeitgemäßer Ausstattungszustand einer Wohnung; bauordnungsrechtliche Mindestanforderungen; Wohngebäude; Mindestanforderungen an die Berufungsbegründung


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 10. Senat Entscheidungsdatum 31.05.2012
Aktenzeichen OVG 10 B 9.11 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 124 Abs 1 VwGO, § 124a Abs 3 S 4 VwGO, § 172 Abs 1 S 1 BauGB, § 172 Abs 4 S 1 BauGB, § 172 Abs 4 S 3 Nr 1 BauGB, § 173 Abs 1 S 2 BauGB, § 39 Abs 4 S 1 BauO BE, § 39 Abs 4 S 2 BauO BE, § 39 Abs 5 BauO BE, § 60 Abs 1 BauO BE, § 62 Abs 1 Nr 2b BauO BE, § 34 Abs 5 S 1 BauO BB, § 2 Nr 7 BetrKV

Leitsatz

1. Die Gemeinden können Erhaltungssatzungen (in Berliner Bezirken die vom Bezirksamt erlassene Erhaltungsverordnungen) erlassen mit dem Ziel, die Bevölkerungsstruktur eines Gebietes zu erhalten und die Wohnbevölkerung vor Verdrängungen zu schützen.

2. Die gegenwärtig geltenden bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen an den Einbau von Aufzügen in Gebäuden mit einer höheren Zahl oberirdischer Geschosse (vgl. § 39 Abs. 4 Satz 1 und 2 BauO Bln) umschreiben einen Standard, für den die erhaltungsrechtliche Genehmigung zur Herstellung des zeitgemäßen Ausstattungszustandes einer durchschnittlichen Wohnung nach § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BauGB grundsätzlich zu erteilen ist. Die Genehmigung kann ausnahmsweise, insbesondere dann versagt werden, wenn die Kosten für den Bau und Betrieb des Aufzuges ungewöhnlich aufwendig sind oder wenn im Gebiet eine überdurchschnittlich hohe Verdrängungsgefahr für die vorhandene Wohnbevölkerung besteht und der Einbau des Aufzuges aufgrund seiner Vorbildwirkung geeignet ist, diese Entwicklung zu verstärken.

3. Bei einer Nachtragsbaugenehmigung ist das Gesamtvorhaben in seiner geänderten Gestalt Gegenstand der rechtlichen Prüfung. Durch sie wird die ursprünglich erteilte Baugenehmigung modifiziert, sie bildet mit ihr eine einheitliche Baugenehmigung.

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Erteilung einer Nachtragsbaugenehmigung wegen der Errichtung einer zusätzlichen Haltestelle für einen Aufzug zum Treppenraum eines bestehenden Wohngebäudes, dessen Dachgeschoss nachträglich zu Wohnzwecken ausgebaut wurde.

Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks S... Straße ... in Berlin-Pankow, das in der Nähe des Arnimplatzes am Prenzlauer Berg nördlich des Berliner S-Bahn-Rings liegt. Es ist mit einem Anfang des 20. Jahrhunderts errichteten sechsgeschossigen Wohngebäude (fünf Vollgeschosse bestehend aus einem Erdgeschoss und vier Obergeschossen sowie zusätzlich einem Dachgeschoss) bebaut. Das Grundstück liegt nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, aber im Geltungsbereich der Erhaltungsverordnung gemäß § 172 BauGB für das Gebiet „Arnimplatz“ im Bezirk Prenzlauer Berg von Berlin vom 23. März 1999. Zur Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung bedürfen nach § 2 der Erhaltungsverordnung der Rückbau, die Änderung oder Nutzungsänderung baulicher Anlagen der Genehmigung.

Die Klägerin teilte die Wohnungen des Gebäudes auf und veräußerte das Sondereigentum an einem Teil der Wohnungen an Dritte. Im Mai 2008 beantragte sie eine Baugenehmigung unter anderem zum nachträglichen Ausbau des Dachgeschosses zu Wohnzwecken und zur Errichtung eines Aufzuges an der hofseitigen Außenwand des Gebäudes. Nach den am 30. Mai 2008 eingereichten (ausgetauschten) Bauvorlagen wurden Haltestellen des Aufzuges zum Treppenraum des Erdgeschosses und zwischen dem dritten und vierten Obergeschoss zur Erschließung des Dachgeschosses beantragt. Der Personenaufzug hat nach den Bauvorlagen einen Fahrkorb mit einer Grundfläche von 0,80 m x 1,10 m.

Mit Bescheid vom 21. Juli 2008 erteilte der Beklagte der Klägerin die Baugenehmigung zum Ausbau des Dachgeschosses des Gebäudes zu Wohnzwecken und zur Errichtung des Aufzugs mit Haltestellen zum Treppenraum des Erdgeschosses sowie zwischen dem dritten und vierten Obergeschoss.

Während der Bauausführung, bei der das Dachgeschoss ausgebaut und der Aufzug errichtet wurde, beantragte die Klägerin am 10. November 2009 eine Nachtragsgenehmigung zur Baugenehmigung vom 21. Juli 2008 für die Errichtung einer zusätzlichen Haltestelle des Aufzugs zum Treppenraum zwischen dem zweiten und dritten Obergeschoss.

Am 6. April 2010 hat die Klägerin beim Verwaltungsgericht Untätigkeitsklage erhoben.

Mit Bescheid vom 9. Juni 2010 lehnte der Beklagte den Antrag auf Erteilung der Nachtragsbaugenehmigung ab. Der Einbau einer weiteren Haltestelle zum Zwecke der zusätzlichen Erreichbarkeit der Bestandswohnungen mit dem Aufzug sei bauordnungsrechtlich nicht vorgeschrieben. Er sei geeignet, die Zusammensetzung der ansässigen Wohnbevölkerung zu gefährden. Die zusätzliche Erreichbarkeit der oberen Geschosse mittels Aufzugs sei mit einer Aufwertung der Wohnungen und möglicherweise mit einer Anhebung der Mieten verbunden, wodurch die Gefahr bestehe, dass für Einkommensschwache und Durchschnittsverdiener kein angemessener Wohnraum zur Verfügung stehe.

Das Verwaltungsgericht hat mit dem am 29. Juni 2011 zugestelltem Urteil (Grundeigentum 2011, 958, juris) den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 9. Juni 2010 verpflichtet, der Klägerin die beantragte Nachtragsgenehmigung zur Baugenehmigung vom 21. Juli 2008 - Bau einer zusätzlichen Haltestelle für den Aufzug - zu erteilen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe einen Anspruch auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung. Dem Vorhaben stünden keine erhaltungsrechtlichen Vorschriften entgegen. Die erhaltungsrechtliche Genehmigung sei gemäß § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BauGB zu erteilen. Es sei davon auszugehen, dass die aktuell geltenden bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen den Standard umschrieben, bei dem die Genehmigung grundsätzlich zu erteilen sei. Der Bau des zusätzlichen Fahrstuhlausstieges zwischen dem zweiten und dritten Obergeschoss diene unter Berücksichtigung der bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen des § 39 Abs. 4 BauO Bln der Herstellung eines zeitgemäßen Ausstattungszustandes einer Wohnung.

Der Beklagte hat die vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Berufung eingelegt, die er im Wesentlichen wie folgt begründet hat: Maßgeblich für die Versagung der Baugenehmigung für die nachträgliche Errichtung eines weiteren Haltepunktes des Aufzugs sei gewesen, dass eine nicht vorhandene Erschließung der im Vorderhaus gelegenen Wohneinheiten durch einen Aufzug keinem „Substandard“ gleichzusetzen sei. Ein Personenaufzug stelle auch kein gebietstypisches Ausstattungsmerkmal in der Gegend um das im Jahr 1905 errichtete fünfgeschossige Wohngebäude dar. Die Anhebung des Ausstattungsstandards durch die Maßnahme führe zu erheblichen Mietsteigerungen, welche die Verdrängung der angestammten Wohnbevölkerung bewirken könnten. Dies ergebe sich vor allem aus der von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt veröffentlichten Berliner Betriebskostenübersicht, nach der die Betriebskosten eines Aufzuges monatlich 0,26 € pro qm der Wohnung betrügen. Bei künftiger Neuvermietung stünden die Wohnungen Gering- und Durchschnittsverdienern nicht mehr zur Verfügung. Der eingebaute Aufzug erfülle wegen seiner geringen Fahrkorbmaße auch nicht die bauordnungsrechtlichen Anforderungen des § 39 Abs. 4 und 5 BauO Bln. Zudem stehe der Erteilung der Nachtragsbaugenehmigung entgegen, dass die mit Bescheid vom 21. Juli 2008 erteilte Baugenehmigung formell bestandskräftig sei.

Der Beklagte beantragt,

das ihm am 29. Juni 2011 zugestellte Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie tritt der Berufung entgegen und verteidigt das angefochtene Urteil.

Die Berufung sei unzulässig, weil ihre Begründung nicht den Anforderungen des § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO genüge. Eine Auseinandersetzung mit den Gründen der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung finde nicht statt.

Die Berufung sei zudem unbegründet. Die Ausführungen des Beklagten seien nicht geeignet, die Begründung des Verwaltungsgerichts zu erschüttern. Der Rückschluss, dass Aufzüge nicht zu dem allgemein üblichen Ausstattungsstandard gehörten, weil diese bei der überwiegenden Anzahl der um das Jahr 1905 errichteten fünfgeschossigen Wohngebäude in dem in Rede stehenden Gebiet nicht vorhanden seien, gehe an der Sache vorbei. Er sei auf den Standard abzustellen, der bei Neubauten gelte. Der Gesetzgeber nehme Mieterhöhungen und ggf. dadurch bedingte Verdrängungseffekte hin. Der Umstand, dass der Aufzug die bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen des § 39 Abs. 5 BauO Bln nicht vollständig erfülle, sei nicht entscheidend, da er gleichwohl erhebliche Vorteile zur Förderung des Gesetzeszweckes biete.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen. Diese haben vorgelegen und sind zum Gegenstand der Entscheidungsbildung gemacht worden.

Entscheidungsgründe

I.

Die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung (§ 124 Abs. 1 VwGO) des Beklagten ist zulässig.

Die Berufung ist fristgerecht (§ 124a Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 VwGO) eingelegt und begründet worden. Entgegen dem Vorbringen der Klägerin genügt die Berufungsbegründung noch den Anforderungen des § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO. Die Begründung muss danach einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Sie hat in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht im Einzelnen auszuführen, weshalb das angefochtene Urteil nach Auffassung des Berufungsführers unrichtig ist und geändert werden muss (BVerwG, Beschluss vom 2. Juli 2008 - BVerwG 10 B 3.08 -, juris Rn. 3). Ein Berufungsführer genügt grundsätzlich seiner gesetzlichen Pflicht, wenn er in der Berufungsbegründung an seiner in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht hinreichend konkret erläuterten Auffassung festhält und dadurch zum Ausdruck bringt, dass er von den gegenteiligen Ausführungen des angefochtenen Urteils nicht überzeugt ist. Entspricht die Berufungsbegründung diesen Anforderungen, so macht sie auch ohne eine Detailkritik an den Gründen der angefochtenen Entscheidung hinreichend deutlich, aus welchen tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen an dem verfolgten Rechtsschutzziel festgehalten wird und erfüllt damit die der Berufungsbegründung zukommende Funktion, die übrigen Beteiligten und das Berufungsgericht über die zur Stützung des Berufungsbegehrens maßgeblichen Gründe zu unterrichten (vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. Februar 2012 - BVerwG 9 B 71/11 -, juris Ls. und Rn. 3). Welche Mindestanforderungen an die Berufungsbegründung sich aus diesen Grundsätzen ergeben, hängt im Wesentlichen von den Umständen des konkreten Einzelfalles ab (BVerwG, Urteil vom 23. April 2001 - BVerwG 1 C 33.08 -, BVerwGE 114, 155, juris Rn 10; Beschluss vom 16. Februar 2012 - BVerwG 9 B 71.11 -, juris Rn. 5).

Den vorgenannten Anforderungen genügt die in der Berufungsschrift des Beklagten vom 29. August 2011 enthaltene Begründung noch. Er bringt dort hinreichend zum Ausdruck, weshalb das angefochtene Urteil zum Anspruch der Klägerin auf Erteilung der Nachtragsbaugenehmigung nach seiner Auffassung unrichtig ist und geändert werden muss. Mit seinen Ausführungen, wonach für die Versagung der Baugenehmigung maßgeblich gewesen sei, dass eine nicht vorhandene Erschließung der im Vorderhaus gelegenen Wohneinheiten durch einen Aufzug kein „Substandard“ sei, ein Personenaufzug kein gebietstypisches Ausstattungsmerkmal darstelle und der Aufzug bauordnungsrechtliche Mindestanforderungen nicht erfülle sowie die Maßnahme zu erheblichen Mietsteigerungen führe, welche die Verdrängung der angestammten Wohnbevölkerung bewirken könnten, macht er hinreichend deutlich, dass er in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht an seiner in der Klageerwiderung vom 17. Juni 2010 konkret erläuterten Auffassung festhält. Er stellt damit klar, dass er von der gegenteiligen Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht überzeugt ist. Er kritisiert dabei ausdrücklich die Gründe des angefochtenen Urteils, nach dem aufgrund § 39 Abs. 4 BauO Bln ein Indiz bestehe, dass ein Aufzug zur zeitgemäßen durchschnittlichen Ausstattung eines mehr als viergeschossigen Gebäudes gehöre. Er setzt sich mit diesen Gründen des verwaltungsgerichtlichen Urteils auseinander und beanstandet unter Berücksichtigung eines Urteils des Bundesgerichtshofs, dass die Kosten für den zweiten Haltepunkt nur auf ganz wenige Wohnungen zu verteilen seien, was für die Mieter dieser Wohnungen erhebliche finanzielle Belastungen darstellen dürfte. Eine darüber hinausgehende substantiierte Auseinandersetzung mit den Gründen des verwaltungsgerichtlichen Urteils verlangt § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO, anders als die Klägerin meint, nicht. Insbesondere verlangt diese Norm nicht, dass der Berufungsführer im Einzelnen auf die Begründungserwägungen des angefochtenen Urteils eingeht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 2. Juni 2005 - BVerwG 10 B 4.05 -, juris Rn. 5).

II.

Die Berufung ist unbegründet.

Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten zu Recht verpflichtet, die beantragte Nachtragsgenehmigung zur Baugenehmigung vom 21. Juli 2008 zu erteilen. Die Ablehnung der Nachtragsbaugenehmigung ist rechtswidrig und die Klägerin ist dadurch in ihren Rechten verletzt. Sie hat gemäß § 71 Abs. 1 BauO Bln (vom 29. September 2005, GVBl. S. 495, zuletzt geändert durch ÄndG vom 29. Juni 2011, GVBl. S. 315) i.V.m. § 172 Abs. 4 Satz 1 und 3 Nr. 1 BauGB in der seit 20. Juli 2004 gültigen Fassung (BGBl. I, S. 2414) einen Anspruch auf Erteilung der Genehmigung zur Errichtung eines Aufzugs an dem sechsgeschossigen Wohngebäude mit den begehrten Haltestellen zum Treppenraum des Erdgeschosses, zwischen dem zweiten und dritten Obergeschoss sowie zwischen dem dritten und vierten Obergeschoss (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

1. Eine Nachtragsbaugenehmigung wird erforderlich, wenn vor oder nach Beginn der Bauausführung das Vorhaben gegenüber den ursprünglichen genehmigten Plänen verändert durchgeführt werden soll. Mit einer Nachtragsbaugenehmigung („Tekturgenehmigung“), bei der es sich in der rechtlichen Terminologie um eine Baugenehmigung i.S.d. § 71 Abs. 1 BauO Bln handelt, können kleinere modifizierende Änderungen eines bereits genehmigten, aber nicht vollständig ausgeführten Vorhabens zugelassen werden, die das Gesamtvorhaben in seinen Grundzügen nur unwesentlich berühren (vgl. Knuth in: Wilke/Dageförde/Knuth/Meyer/Broy-Bülow, BauO Bln, 6. Aufl. 2008, § 71 Nr. 7 m.w.N., Simon/Busse, BayBauO, Stand Februar 2012, Art. 68 Rn. 110 f.). Eine bereits erteilte Baugenehmigung kann daher durch eine Nachtragsgenehmigung ergänzt oder geändert werden, soweit dadurch das Vorhaben nicht in seinem Wesen verändert wird. Die Nachtragsbaugenehmigung, bei der das Gesamtvorhaben in seiner geänderten Gestalt Gegenstand der rechtlichen Prüfung ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Mai 1997 - BVerwG 4 C 23.95 -,Buchholz 406.11 § 35 BauGB Nr. 329, juris Rn. 15), ist ein akzessorischer Verwaltungsakt, der von der Wirksamkeit der zugrunde liegenden, ursprünglich erteilten Baugenehmigung abhängt und diese modifiziert, also mit dieser eine einheitliche Baugenehmigung bildet (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 4. Mai 2004 - OVG 10 A 1476.04 -, BRS 67 Nr. 169, juris Rn. 7; Knuth, a.a.O.).

Die von der Klägerin begehrte und ausweislich der Ausführungen des Beklagten im Bescheid vom 9. Juni 2010 während der Bauausführung im Wege einer Nachtragsbaugenehmigung beantragte zusätzliche Haltestelle des Aufzugs zum Treppenraum zwischen dem zweiten und dritten Obergeschosses des Wohngebäudes modifiziert den mit Bescheid vom 21. Juli 2008 genehmigten Ausbau des Dachgeschosses zu Wohnzwecken und die Errichtung eines Aufzuges, ohne das Vorhaben in seinem Wesen zu verändern. Die Änderung ist daher der Nachtragsbaugenehmigung zugänglich. Da eine solche auch nach Eintritt der Unanfechtbarkeit der ursprünglichen Baugenehmigung erteilt werden kann (vgl. Simon/Busse, a.a.O., Art. 68 Rn. 116) ist es entgegen der Ansicht des Beklagten unerheblich, dass die mit Bescheid vom 21. Juli 2008 erteilte Baugenehmigung formell bestandskräftig ist.

2. Die Nachtragsbaugenehmigung ist nach § 71 Abs. 1 BauO Bln zu erteilen, denn dem Bauvorhaben zur Errichtung eines Aufzuges an dem Wohngebäude mit Haltestellen zum Treppenraum des Erdgeschosses, sowie zwischen dem zweiten und dritten Obergeschoss und zwischen dem dritten und vierten Obergeschoss stehen keine nach § 64 BauO Bln zu prüfenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegen.

a. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Errichtung der Aufzugsanlage nach § 60 Abs. 1 BauO Bln einer Baugenehmigung bedarf. Zwar sind Anlagen der technischen Gebäudeausstattung (vgl. §§ 39 f. BauO Bln), wozu auch Aufzüge gehören, nach § 62 Abs. 1 Nr. 2 c) BauO Bln i.d.F. vom 29. September 2005 (nunmehr § 62 Abs. 1 Nr. 2 b) BauO Bln i.d.F. vom 29. Juni 2011, GVBl. S. 315) verfahrensfrei. Dies gilt jedoch nicht, wenn der Aufzug Teil eines genehmigungspflichtigen Gesamtvorhabens ist (Knuth, a.a.O., § 62 Rn. 13; Simon/Busse, a.a.O., Art. 37 Rn. 13). Dies ist hier der Fall, denn die Errichtung der Aufzugsanlage ist Teil des Gesamtvorhabens u.a. zum genehmigungspflichtigen Ausbau des Dachgeschosses des Gebäudes zu Wohnzwecken.

b. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Erteilung der Nachtragsbaugenehmigung zur Errichtung des Aufzuges an dem Wohngebäude mit sechs oberirdischen Geschossen mit den begehrten Haltestellen. Die erhaltungsrechtliche Genehmigung (§ 172 Abs. 1 Satz 1 BauGB), über die gemäß § 173 Abs. 1 Satz 2 BauGB hier im Baugenehmigungsverfahren zu entscheiden ist, ist gemäß § 172 Abs. 4 Satz 1 und 3 Nr. 1 BauGB zu erteilen.

aa. Die Errichtung und Änderung der Aufzugsanlage bedarf nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB i.V.m. § 2 Satz 1 der am 4. April 1999 in Kraft getretenen Erhaltungsverordnung für das Gebiet „Arnimplatz“ vom 23. März 1999 (GVBl. S. 104) einer erhaltungsrechtlichen Genehmigung. Das Vorhabengrundstück liegt in einem Gebiet, für das der Beklagte festgelegt hat, dass zur Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung unter anderem die Änderung baulicher Anlagen der Genehmigung bedarf. Der Beklagte verfolgt damit das legitime Ziel, die ansässige Wohnbevölkerung vor Verdrängung zu schützen (vgl. näher BVerwG, Urteil vom 24. Mai 2006 - BVerwG 4 C 9.04 -, BVerwGE 126, 104, juris Rn. 24 und 26). Bei dem Gesamtvorhaben des Ausbaus des Dachgeschosses des Gebäudes S... Straße ... zu Wohnzwecken und der Errichtung einer Aufzugsanlage handelt es sich um die Änderung einer baulichen Anlage i.S.v. § 172 Abs. 1 Satz 1 BauGB (vgl. dazu näher Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Stand 1. September 2011, § 172 Rn. 105). Durch die Maßnahme wird zum einen in die bauliche Substanz des vorhandenen Wohngebäudes eingegriffen. Zum anderen ist die Maßnahme vom Umfang her geeignet, die Ziele der Erhaltungsverordnung zu berühren, da insbesondere die Errichtung einer Aufzugsanlage mit Haltestellen zur Erreichung der Wohnungen jedenfalls prinzipiell zu Mieterhöhungen und damit möglicherweise zu einer Verdrängung der ansässigen Wohnbevölkerung führen kann.

bb. Die gesetzlichen Gründe, bei deren Vorliegen die erhaltungsrechtliche Genehmigung versagt werden darf, sind in § 172 Abs. 4 Satz 1 BauGB i.V.m. § 2 Satz 2 der Erhaltungsverordnung festgelegt. In den Fällen des § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB darf die Genehmigung nur versagt werden, wenn die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung aus besonderen städtebaulichen Gründen erhalten werden soll. Aus der Formulierung folgt im Umkehrschluss, dass die Genehmigung versagt werden darf, wenn die bauliche Maßnahme geeignet ist, die Gefahr der Verdrängung der vorhandenen Wohnbevölkerung hervorzurufen und wenn eine solche Verdrängung aus besonderen städtebaulichen Gründen nachteilige Folgen haben würde. Da das Ziel der Verordnung die Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung in ihrem Geltungsbereich ist, ist es für die Erteilung oder Versagung der Genehmigung nicht entscheidend, ob durch die konkrete Baumaßnahme die davon betroffenen Bewohner tatsächlich verdrängt werden. Es reicht vielmehr aus, wenn die Baumaßnahme generell geeignet ist, eine solche Verdrängungsgefahr auszulösen (BVerwG, Urteil vom 18. Juni 1997 - BVerwG 4 C 2.97 -, BVerwGE 105, 67, juris Rn. 18).

Bei der Anwendung dieser allgemeinen Regelung ist allerdings einschränkend zu beachten, dass § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BauGB i.V.m. § 2 Satz 3 der Erhaltungsverordnung einen speziellen Genehmigungsanspruch begründet. Danach ist die Genehmigung zu erteilen, wenn die Änderung einer baulichen Anlage der Herstellung des zeitgemäßen Ausstattungszustands einer durchschnittlichen Wohnung unter Berücksichtigung der bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen dient. Bei Vorliegen dieses Tatbestandes wird also ein Genehmigungsanspruch ausgelöst (vgl. näher Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 11. Aufl. 2009, § 172 Rn. 51; Ernst/Zinkahn/Bielenberg, a.a.O., § 172 Rn. 175). Durch das Abstellen auf einen zeitgemäßen Ausstattungszustand wird zum Ausdruck gebracht, dass der für die Genehmigung maßgebliche Ausstattungszustand einer Wohnung im Laufe der Zeit einem Wandel, etwa durch technischen Fortschritt oder gesellschaftliche Entwicklungen, wie z. B. der Veränderung der Bevölkerung nach Altersstruktur, unterworfen ist (vgl. Battis/Krautzberger/Löhr, a.a.O., § 172 Rn. 52). Die Berücksichtigung der bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen ist, wie das Verwaltungsgericht zutreffend erkannt hat, kein selbständiges Tatbestandsmerkmal der Norm, sondern dient als Indiz zur Ausführung und näheren Bestimmung des Merkmals „zeitgemäßer Ausstattungszustand“. Das Vorliegen bauordnungsrechtlicher Mindestanforderungen hat also Indizwirkung dafür, dass die Änderung der baulichen Anlage der Herstellung des zeitgemäßen Ausstattungszustands einer Wohnung dient (vgl. Battis/Krautzberger/Löhr, a.a.O.). Es kann daher davon ausgegangen werden, dass die gegenwärtig geltenden bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen einen Standard umschreiben, für den die Genehmigung nach § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BauGB grundsätzlich zu erteilen ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Dezember 2004 - BVerwG 4 B 85.04 -, NVwZ 2005, 445, juris Rn. 10).

Unter Anwendung dieser Grundsätze ist bei wertender Betrachtung festzustellen, dass die von der Klägerin beantragte Errichtung des Aufzuges an dem sechsgeschossigen Wohngebäude mit den begehrten Haltestellen einschließlich der zum Treppenraum zwischen dem zweiten und dritten Geschoss unter Berücksichtigung der bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen der Herstellung des zeitgemäßen Ausstattungszustandes einer durchschnittlichen Wohnung dient.

Hierfür spricht der Zweck des § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BauGB. Der Gesetzgeber hat mit dieser Norm eine Art „Öffnungsklausel“ zur Ermöglichung von Modernisierungen in Form der Herstellung eines zeitgemäßen Ausstattungszustandes geschaffen. Es soll vermieden werden, dass in Gebieten, in denen die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung erhalten werden soll, städtebauliche oder bauordnungsrechtliche „Substandards“ bestehen bleiben. Das Ziel, die Wohnbevölkerung vor Verdrängung zu schützen, kann es nämlich nicht rechtfertigen, vorhandene städtebauliche Missstände oder Substandards in einem Gebiet festzuschreiben; Ziel der Sanierung muss es sein, die Missstände und Substandards zu beheben (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Dezember 2004 - a.a.O., juris Rn. 10; OVG Bln, Urteil vom 10. Juni 2004 - OVG 2 B 3.04 -, BauR 2004, 1775, juris Rn. 41). Daraus folgt, dass das von dem Beklagten als maßgeblich angesehene Abstellen auf den im Erhaltungsgebiet „Arnimplatz“ vorhandenen Zustand der Wohnungsausstattung in den um das Jahr 1905 errichteten fünfgeschossigen Wohngebäuden, nach dem die Erschließung der Wohnungen mittels Aufzugs nicht zu dem allgemein üblichen durchschnittlichen Ausstattungszustand einer Wohnung gehört, der gesetzgeberischen Zielsetzung des § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BauGB nicht hinreichend gerecht wird. Zwar geht aus der vom Beklagten angeführten Studie der TOPOS Stadtforschung (Sozialstruktur und Mietentwicklung in den Milieuschutzgebieten im Bezirk Pankow von Berlin 2010, S. 23, http://www.berlin.de) hervor, dass in dem Gebiet am Arnimplatz wie auch in der Gesamtheit der Milieuschutzgebiete im Bezirk Pankow im Jahr 2005 insgesamt nur 8% der Wohnungen das Ausstattungsmerkmal „Aufzug“ hatten. Das bloße Abstellen auf den im Erhaltungsgebiet vorhandenen Zustand zur Bestimmung des Ausstattungszustandes wird aber dem Umstand nicht gerecht, dass § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BauGB nicht nur eine Bezugnahme auf tatsächliche Verhältnisse („durchschnittliche Wohnung“), sondern zugleich mit der Bezugnahme auf die bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen auch ein wertendes Element enthält. Dabei ist nicht auf das Bauordnungsrecht zum Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes Anfang des 20. Jahrhunderts abzustellen. Vielmehr kann davon ausgegangen werden, dass die gegenwärtig geltenden bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen einen Standard umschreiben, für den die Genehmigung nach § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BauGB grundsätzlich zu erteilen ist (BVerwG, Beschluss vom 17. Dezember 2004, a.a.O., juris Rn. 10).

Ein Gebäude mit sechs oberirdischen Geschossen - wie das der Klägerin - ist nach den geltenden bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen verpflichtend mit einem Aufzug auszustatten. Für Berlin folgt dies aus § 39 Abs. 4 Satz 1 BauO Bln. Danach müssen Gebäude mit mehr als vier oberirdischen Geschossen, das heißt im Allgemeinen ab fünf Geschossen, Aufzüge in ausreichender Zahl haben. Von diesen Aufzügen muss mindestens ein Aufzug Kinderwagen, Rollstühle, Krankentragen und Lasten aufnehmen können und Haltestellen in allen Geschossen haben (§ 39 Abs. 4 Satz 2 BauO Bln). Obwohl § 39 Abs. 4 Satz 1 BauO Bln nur für neu zu errichtende Gebäude gilt (vgl. OVG Bln-Bbg, Urteil vom 8. November 2006 - OVG 2 B 13.04 -, juris Rn. 21), kann der Norm über § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BauGB die gesetzgeberische Wertung entnommen werden, dass es unter Berücksichtigung der bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen bei bestehenden Gebäuden mit einer hohen Zahl an Geschossen - jedenfalls bei der hier vorhandenen Zahl von sechs Geschossen - zum zeitgemäßen Ausstattungsstandard einer Wohnung i.S.v. § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BauGB gehört, dass die Geschosse des Gebäudes mit einem Aufzug erreicht werden können. Überdies ergibt sich aus § 39 Abs. 4 Satz 2 BauO Bln, dass die einmal ausgelöste Aufzugspflicht nicht auf die oberen Geschosse oder gar das Dachgeschoss beschränkt ist, sondern der Aufzug Haltestellen in allen Geschossen haben muss. Insbesondere um Menschen mit Behinderungen, die einen Rollstuhl benötigen, oder Älteren - vor dem Hintergrund der Veränderung der Altersstruktur der Bevölkerung - eine unabhängige Lebensführung zu ermöglichen, sollen Aufzüge die Zugänglichkeit aller Geschosse ermöglichen oder zumindest erleichtern.

Die vorgenannte, auf § 39 Abs. 4 Satz 1 und 2 BauO Bln beruhende Wertung wird auch durch die geltenden bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen an Aufzüge in den anderen Bundesländern bestätigt. Danach müssen Gebäude mit einer höheren Zahl an Geschossen einen Aufzug haben. So regelt die für den anderen Teil der Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg geltende Norm des § 34 Abs. 5 Satz 1 BbgBO, dass in Gebäuden, in denen der Fußboden eines Aufenthaltsraums mehr als 13 m über der Geländeoberfläche liegt, Aufzüge in ausreichender Zahl eingebaut werden müssen. Ähnliche Regelungen enthalten die Bauordnungen der meisten anderen Bundesländer, nach denen Gebäude mit einer Höhe von mehr als 13 m (vgl. Art. 37 Abs. 4 BayBO, § 37 Abs. 4 Hamburgische BauO, § 33 Abs. 4 Hessische BO, § 39 LBauO M-V, § 39 Abs. 5 Saarländische LBO, § 39 Abs. 4 BO LSA, § 40 Abs. 4 LBO Schleswig-Holstein, § 37 Abs. 4 Thür BO) bzw. mehr als 12,25 m (§ 36 Abs. 2 Satz 1 Nds BauO) Aufzüge haben müssen. Daraus folgt, dass im Allgemeinen Gebäude mit einer Anzahl von mehr als fünf Geschossen Aufzüge haben müssen (vgl. Simon/Busse, BayBO, a.a.O., Art. 37 Rn. 29). Ähnliche Regelungen haben die Länder Rheinland-Pfalz (§ 36 Abs. 5 LBauO), Sachsen (§ 35 Abs. 5 Sächs BO) und Nordrhein-Westfalen (§ 39 Abs. 6 BauO NRW), die Aufzüge in Gebäuden mit mehr als fünf Geschossen über der Geländeoberfläche fordern, während Bremen bereits für Gebäude mit einer Höhe von mehr als 10,25 m einen Aufzug verlangt (§ 39 Abs. 4 Bremische LBO). Zusammenfassend ergibt sich aus den geltenden Bauordnungen aller Bundesländer, dass Gebäude mit einer höheren Zahl an Geschossen - wie das Gebäude der Klägerin mit sechs oberirdischen Geschossen - verpflichtend einen Aufzug haben müssen.

Da damit die bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen für Gebäude mit einer höheren Anzahl von Geschossen eine Verpflichtung zum Einbau eines Aufzuges beinhalten und zudem § 39 Abs. 4 BauO Bln regelt, dass mindestens ein Aufzug Haltestellen in allen Geschossen haben muss, wird ein Standard umschrieben, der erhaltungsrechtlich nach § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BauGB zu berücksichtigen ist. Er hat eine Indizwirkung dahingehend, die gegenwärtigen bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen an den Einbau von Aufzügen in Gebäude einen Standard umschreiben, für den die erhaltungsrechtliche Genehmigung zur Herstellung des zeitgemäßen Ausstattungszustandes einer durchschnittlichen Wohnung nach § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BauGB grundsätzlich zu erteilen ist.

Die vorgenannte Bewertung steht mit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Dezember 2004 (a.a.O., juris Rn. 10) im Einklang. Das Bundesverwaltungsgericht führt darin zur Änderung einer baulichen Anlage durch Einbau eines Aufzuges - die Entscheidung nicht tragend - aus: „So mag…die bauordnungsrechtliche bestehende Pflicht zum Einbau eines Aufzuges für Gebäude mit einer höheren Zahl an Stockwerken nicht stets auch die Genehmigung nach § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BauGB rechtfertigen“. Im Lichte der vorstehenden Ausführungen zu dem bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen an den Einbau von Aufzügen interpretiert das Verwaltungsgericht diese Regel zu Recht der Sache nach dahingehend, dass zwar nicht stets ein Genehmigungsanspruch nach § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BauGB für den Einbau eines Aufzuges in Gebäuden mit einer höheren Zahl an Obergeschossen besteht (so aber Lemmel: in Berliner Kommentar zum Baugesetzbuch, 3. Aufl. 2003, § 172 Rn. 34). Die geltenden bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen umschreiben insoweit aber einen Standard, bei dem grundsätzlich eine Indizwirkung für die Erteilung der Genehmigung nach § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BauGB besteht. Im Einzelfall bedarf es allerdings stets einer sorgfältigen Betrachtung und Abwägung, ob aufgrund besonderer Umstände etwas anderes zu gelten hat. Ausnahmen kommen insbesondere in Betracht, wenn der Einbau und Betrieb des Aufzuges für sich genommen oder ggf. im Zusammenwirken mit anderen vorrangegangenen oder gegenwärtigen, die baulichen Anlage ändernden Einzelmaßnahmen oder als Teil einer Gesamtmaßnahme - in den Worten des Bundesverwaltungsgerichts - eine „ungewöhnlich kostenaufwändige Anforderung“ wäre. Vom Kostenaufwand erheblich von der Regel abweichende Maßnahmen haben nämlich im besonderen Maß das Potenzial, modernisierungsbedingte Mietsteigerungen hervorzurufen und so in erheblichem Maß zur Verdrängung der vorhandenen Wohnbevölkerung oder zu einer städtebaulich nicht erwünschten Veränderung der Bevölkerungsstruktur beizutragen.Darüber hinaus wird, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, auch das Ausmaß der Gefahr der Verdrängung der vorhandenen Wohnbevölkerung durch die Änderung der baulichen Anlage von Bedeutung sein. Dies hat zur Folge, dass bei überdurchschnittlicher Verdrängungsgefahr ausnahmsweise kein Anspruch auf Genehmigung eines Aufzugs mit Haltestellen in allen Geschossen bestehen kann, wenn der Einbau des Aufzuges aufgrund seiner Vorbildwirkung geeignet ist, diese Entwicklung zu verstärken (vgl. in dieser Richtung auch Ernst/Zinkahn/Bielenberg, a.a.O., § 172 Rn. 190).

In Anwendung dieser Grundsätze ist im Einzelfall der Klägerin davon auszugehen, dass die aufgrund der bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen des § 39 Abs. 4 Sätze 1 und 2 BauO Bln bestehende Indizwirkung für die Erteilung der Genehmigung nach § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BauGB nicht widerlegt wird.

Dass der Bau und der Betrieb des konkreten Aufzuges mit den beantragten Haltestellen eine „ungewöhnlich kostenaufwändige Anforderung“ wäre, hat der Beklagte nicht substantiiert dargetan. Derartiges ist auch sonst nicht ersichtlich. Die Klägerin hat im Bauantrag vom 6. Mai 2008, der einen Dachgeschossausbau, den Bau von Balkonen und den Anbau des Aufzuges zum Gegenstand hatte, die Herstellungskosten für die technischen Anlagen mit insgesamt brutto 32.369 Euro angegeben und die Herstellungskosten für die per Nachtragsgenehmigung beantragte zusätzliche Haltestelle mit 6.545 Euro beziffert. Angesichts des eher bescheidenen Ausmaßes des Fahrkorbes und der bautechnischen Ausführung (Anbau an der Rückseite des Bestandsgebäudes ohne grundlegende Eingriffe in die Bausubstanz) ist auch sonst nicht erkennbar, dass der Einbau des Aufzuges eine ungewöhnlich kostenaufwändige Änderung einer baulichen Anlage ist. Es ist vom Beklagten auch nicht substantiiert dargetan worden oder sonst ersichtlich, dass die Kosten des Betriebs des Personenaufzuges (Betriebsstrom, Beaufsichtigung, Bedienung, Überwachung und Pflege der Anlage, regelmäßige Prüfung ihrer Betriebsbereitschaft und Betriebssicherheit einschließlich der Einstellung durch eine Fachkraft sowie die Reinigung der Anlage, vgl. § 2 Nr. 7 BetrKV) und die sich daraus ergebenden Belastungen etwa für Wohnungsmieter über die Betriebskosten ungewöhnlich hohe Aufwendungen zur Folge hätten und so geeignet wären, eine hohe Gefahr der Verdrängung der vorhandenen Wohnbevölkerung hervorzurufen. Nach der von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt veröffentlichten Berliner Betriebskostenübersicht 2011 (), auf die sich der Beklagte in der mündlichen Verhandlung berufen hat, betrugen auf Grundlage der Betriebskostenabrechnungen für das Jahr 2009 die Betriebskosten eines Aufzuges im Mittelwert, der vier Fünftel der erhobenen Werte berücksichtigt, monatlich 0,16 € pro qm der Wohnfläche. Anhaltspunkte dafür, dass der konkret von der Klägerin eingebaute Aufzug abweichend vom Mittelwert höhere Betriebskosten verursacht, sind weder vom Beklagten dargetan noch sonst ersichtlich. Bei einer durchschnittlichen Größe einer Berliner Wohnung von 70,4 qm (Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Berlin - wohnenswerte Stadt, S. 1 ) entstehen daher im Mittelwert rund 11,26 € monatliche Betriebskosten für einen Aufzug, weshalb nicht ersichtlich ist, dass der Einbau und Betrieb des Aufzuges in das sechsgeschossige Wohngebäude der Klägerin eine ungewöhnlich kostenaufwändige Anforderung wäre. Soweit der Beklagte in der mündlichen Verhandlung behauptet hat, zu dem Mittelwert von 0,16 €/qm bzw. dem oberen Spannenwert von 0,26 €/qm kämen noch erheblich höhere Belastungen der Mieter durch die Wartung des Aufzuges hinzu, berücksichtigt er nicht, dass nach § 2 Nr. 7 BetrKV - der bei der Berliner Betriebskostenübersicht 2011 zu Grunde gelegt wurde - die Kosten der Überwachung und Pflege der Anlage, der regelmäßigen Prüfung ihrer Betriebsbereitschaft und Betriebssicherheit einschließlich der Einstellung durch eine Fachkraft sowie die Kosten der Reinigung bereits Teil der Betriebskosten sind. Auch Anhaltspunkte dafür, dass der Einbau und Betrieb des Aufzuges in das Wohngebäude der Klägerin im Zusammenwirken mit anderen, in der Vergangenheit erfolgten Maßnahmen oder dem mit der beantragten Gesamtmaßnahme geplanten Ausbau des Dachgeschosses und des Anbaus der 1,20 m tiefen hofseitigen Balkone im besonderen Maß zur Verdrängung der vorhandenen Wohnbevölkerung führen würde, hat der Beklagte nicht substantiiert dargetan.

Die Wertung des Verwaltungsgerichts, es sei nicht ersichtlich, dass im Erhaltungsgebiet „Arnimplatz“ ein extremer Verdrängungsdruck auf die vorhandene Wohnbevölkerung herrsche und damit bereits die Errichtung eines Aufzuges generell geeignet wäre, durch geringfügige Wohnwertsteigerung eine relevante Verdrängungsgefahr auszulösen, weshalb ein (zeitweiser) Verzicht auf die Herstellung eines zeitgemäßen Ausstattungszustandes gerechtfertigt sein könnte, ist im Ergebnis gleichfalls nicht zu beanstanden. Da eine Baumaßnahme innerhalb eines Erhaltungsgebietes für sich genommen kaum jemals zu einer städtebaulich ins Gewicht fallenden Änderung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung führen wird, kommt es darauf an, dass die einzelne zu genehmigende Maßnahme aufgrund ihrer Vorbildwirkung geeignet ist, eine Entwicklung in Gang zu setzen, die tendenziell eine überdurchschnittlich hohe Verdrängungsgefahr für die vorhandene Wohnbevölkerung nach sich zieht (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 18. Juni 1997, a.a.O., juris Rn. 18). Dass die Errichtung eines Aufzuges an dem sechsgeschossigen Wohngebäude der Klägerin eine Vorbildwirkung hätte, die im Gebiet des Arnimplatzes eine Entwicklung in Gang setzen würde, die zu einer überdurchschnittlich hohen Verdrängungsgefahr für die Bevölkerung führen würde, hat der Beklagte nicht substantiiert dargetan. Auch die genannte Studie der TOPOS Stadtforschung aus dem Jahre 2010 enthält keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Annahme, dass die Modernisierung durch Errichtung eines Aufzuges an dem sechsgeschossigen Wohngebäude zu einer solchen Verdrängungsgefahr führen könnte. Aufgrund seiner Entfernung von den Gebieten in Pankow, die bereits ab Mitte der neunziger Jahre einen intensiven sozialstrukturellen Veränderungsprozess erlebt haben (z. B. das Gebiet am Kollwitzplatz), war das Tempo der Modernisierung und das Ausmaß der Zuwanderung in dem Gebiet am Arnimplatz zunächst begrenzt. Zwar ist das Gebiet in den letzten Jahren stärker in bauliche und soziale Entwicklungsprozesse einbezogen worden. Die Studie kommt aber zum Ergebnis, dass das Gebiet am Arnimplatz gemessen an den Erhaltungsgebieten des Bezirkes ein in nahezu allen Belangen durchschnittliches Gebiet ist. Allerdings sei die Verdrängungsgefahr stärker geworden und eine Zunahme des innerstädtischen Segregationsprozesses durch die Verdrängung einkommensschwächerer Haushalte sei ansatzweise bereits Realität. Die Anwendungsvoraussetzungen für den Milieuschutz bestünden deshalb fort. Im Vergleich zu anderen Gebieten sei aber eine leicht unterdurchschnittliche Priorität zu erkennen (TOPOS, a.a.O. S. 50). Abgesehen davon hat das Verwaltungsgericht zu Recht darauf hingewiesen, dass tatsächliche Zweifel daran bestehen, ob der Einbau des Aufzuges in dem Wohngebäude der Klägerin überhaupt geeignet sei, zu signifikanten Mieterhöhungen und damit zur Gefahr der Verdrängung der ansässigen Bevölkerung zu führen. Es beruft sich dabei auf den Berliner Mietspiegel aus dem Jahr 2011 ( S. 19), nach dem die Existenz eines Personenaufzuges nur bei Gebäuden mit weniger als fünf Obergeschossen eine wohnwerterhöhende Maßnahme ist, weshalb es jedenfalls als nicht gesichert erscheint, dass sich die Errichtung des Aufzuges in dem Gebäude der Klägerin mit sechs Obergeschossen bei künftigen Vermietungen oder Mieterhöhungen auf Grundlage des Mietspiegels in relevanter Weise auf die Miethöhe (ohne Betriebskosten) auswirken wird. Zudem liegt die Annahme des Verwaltungsgerichts nicht fern, dass ein aus möglichen Mieterhöhungen resultierendes Verdrängungspotenzial jedenfalls teilweise dadurch kompensiert wird, dass ein Aufzug der angestammten älteren Bevölkerung es überhaupt ermöglicht, durch die bessere Zugänglichkeit ihrer Wohnungen im Gebiet zu verbleiben. Der Beklagte ist diesen Begründungserwägungen des angefochtenen Urteils nicht substantiiert entgegengetreten und es ist nicht ersichtlich, dass diese zu beanstanden wären.

Auch der Einwand des Beklagten, dass der von der Klägerin eingebaute Aufzug nicht die Anforderungen des § 39 Abs. 4 und 5 BauO Bln erfüllt, steht der Erteilung einer Genehmigung nach § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BauGB nicht entgegen. Zwar trifft es zu, dass der Aufzug aufgrund der zu geringen Grundfläche von 0,80 m x 1,10 m des Fahrkorbes nicht zur Aufnahme etwa einer Krankentrage geeignet ist und daher nicht § 39 Abs. 5 Satz 1 BauO Bln entspricht. Auch sind durch den Aufzug nicht alle Geschosse des Gebäudes stufenlos erreichbar (§ 39 Abs. 4 Satz 3 BauO Bln), weil die Haltestellen aus bautechnischen Gründen sich auf „halber Treppe“ befinden. Für die Erteilung einer erhaltungsrechtlichen Genehmigung nach § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BauGB ist dies aber unerheblich. Die Detailanforderungen an die Ausgestaltung (d.h. das „Wie“) des Aufzuges nach § 39 Abs. 4 Satz 3 und Abs. 5 BauO Bln gelten - wie ausgeführt - unmittelbar nur in Baugenehmigungsverfahren für die Neuerrichtung von Bauten (vgl. OVG Bln-Bbg, Urteil vom 8. November 2006, a.a.O., juris Rn. 21). Für die Erteilung einer erhaltungsrechtlichen Genehmigung ist über § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BauGB allein maßgeblich, dass die Verpflichtung zum Einbau eines Aufzuges mit Haltestellen in allen Geschossen in einem sechsgeschossigen Wohngebäude (d.h. das „Ob“) der Herstellung eines zeitgemäßen Ausstattungszustandes einer Wohnung dient. Obwohl die Grundfläche des Fahrkorbes relativ klein ist und die Haltestellen auf „halber Treppe“ angeordnet sind, bleibt es bei der Grundwertung, dass der Einbau des Aufzuges der Herstellung eines zeitgemäßen Ausstattungszustandes dient, denn die Erreichbarkeit der Wohnungen wird jedenfalls den bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen deutlich angenähert. Der Aufzug hat mit seinen Haltestellen erhebliche Vorteile für den Transport von Lasten, für die Zugänglichkeit der Wohnungen für Personen mit leichter Gehbehinderung, ältere Menschen und Familien mit Kleinkindern.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, denn die für die Entscheidung erheblichen Voraussetzungen des Genehmigungsanspruches gemäß § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BauGB sind, wie aus obigen Ausführungen (S. 10 ff.) ersichtlich, in der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt.