Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 11. Senat | Entscheidungsdatum | 19.12.2012 | |
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Aktenzeichen | OVG 11 B 8.10 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 1 Abs 1 RdFunkGebStVtr BE, § 1 Abs 2 RdFunkGebStVtr BE, § 2 Abs 2 RdFunkGebStVtr BE, § 5 Abs 3 RdFunkGebStVtr BE, Art 3 Abs 1 GG, Art 5 Abs 1 GG, Art 12 Abs 1 GG, § 87a Abs 2 VwGO, § 87a Abs 3 VwGO, § 101 Abs 2 VwGO, § 124a VwGO |
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 19. Januar 2010 geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höheleistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der seine Rundfunkgebührenpflichtigkeit bestreitende Kläger meldete im Oktober 2007 entsprechend den Regelungen des 8. Rundfunkänderungsstaatsvertrages dem Beklagten für insgesamt 40 Standorte in Berlin sogen. neuartige Rundfunkempfangsgeräte, d.h. Computer, mit denen der Empfang von Rundfunkprogrammen aus dem Internet möglich ist, an und zahlte in der Folgezeit die dafür vorgesehenen Gebühren pro Standort in Höhe von monatlich 5,52 EUR. Im August 2008 teilte der Kläger dem Beklagten mit, dass er für die inzwischen 53 Standorte im Hinblick auf eine die Gebührenpflicht in diesen Fällen verneinende verwaltungsgerichtliche Entscheidung mit sofortiger Wirkung die Zahlung von Rundfunkgebühren einstellen werde.
Diese Ankündigung umsetzend legte der Kläger gegen den streitgegenständlichen - die Monate Oktober bis Dezember 2008 für den Standort H... in Berlin betreffenden - Rundfunkgebührenbescheid des Beklagten vom 6. März 2009 in Höhe von 16,56 EUR und die Erhebung eines Säumniszuschlags von 5,11 EUR Widerspruch ein. Zur Begründung machte er u.a. geltend, im dortigen Dienstgebäude würden keine PC für den Empfang von Fernsehprogrammen bereitgehalten, der weit überwiegende Teil der Arbeitsplätze sei zudem mit sogen. Thin Clients ausgestattet, die einen Fernsehempfang nicht zuließen. Außerdem sei das Fernsehen während der Arbeitszeit streng verboten, bei Verstößen drohe Abmahnung, im Wiederholungsfall sogar Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Verstöße seien bisher auch nicht bekannt geworden.
Der Beklagte gab dem Widerspruch des Klägers hinsichtlich des Säumniszuschlags statt, wies diesen im Übrigen jedoch durch Widerspruchsbescheid vom 8. Juli 2009 im Wesentlichen mit der Begründung zurück, maßgeblich für die Gebührenpflicht sei nur die Eignung eines Geräts als Rundfunkempfangsgerät, auf die tatsächliche Inanspruchnahme von Leistungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks komme es ebenso wenig an wie auf ein entsprechendes Nutzungsverbot für die Mitarbeiter während der Arbeitszeit.
Zur Begründung seiner hiergegen - „bis zur musterhaften Entscheidung“ für alle weiteren anhängigen Widerspruchsverfahren - am 27. Juli 2009 erhobenen Klage machte der Kläger im Wesentlichen geltend, die PC am Standort würden nicht zum Fernsehempfang, sondern ausschließlich zur Abwicklung der dort anfallenden Arbeitsvorgänge bereitgehalten. Dadurch, dass es der Beklagte ermögliche, auch mit solchen Geräten Fernsehsendungen zu empfangen, werde ihm - dem Kläger - letztlich gegen seinen Willen eine Bereicherung aufgedrängt. Dies könne eine Gebührenpflicht jedoch nicht begründen.
Mit seinem Urteil vom 19. Januar 2010 hat das Verwaltungsgericht Berlin den Gebührenbescheid vom 6. März 2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 8. Juli 2009 aufgehoben. Zur Begründung hat es auf seine ständige Rechtsprechung verwiesen, wonach für nachweisbar nur zur Berufsausübung genutzte internetfähige Computer keine Rundfunkgebühr entstehe, weil diese nicht zum Empfang von Rundfunksendungen bereitgehalten würden. Hieran werde auch in Anbetracht inzwischen bekannt gewordener oberverwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung festgehalten. Zwar komme es nach § 1 Abs. 2 Satz 2 und § 2 Abs. 2 RGebStV grundsätzlich nur auf die Eignung von Geräten zum Empfang von Rundfunkdarbietungen an und nicht auf die tatsächliche Verwendung, jedoch beinhalte dies auch ein finales Tatbestandsmerkmal, d.h. eine entsprechende Zweckbestimmung eines Geräts zum Empfang von Rundfunksendungen. Computer seien multifunktionale Geräte, so dass es der weiteren Prüfung bedürfe, ob einem derart zu beruflichen Zwecken genutzten Gerät die erforderliche Zweckbestimmung zum Rundfunkempfang zukomme. Vorliegend könne für (internetfähige) PC hiervon nicht ausgegangen werden, da eine solche Nutzung auch gegenwärtig noch einen Ausnahmefall bilde und die Nutzung von PC in Unternehmen oder Behörden typischerweise - wie auch im konkreten Fall des Klägers - zur Erledigung der unternehmenstypischen Aufgaben und damit zu ganz anderen Zwecken erfolge. Eine allein aufgrund der tatsächlich bestehenden Möglichkeit des Empfangs von Rundfunkdarbietungen über das Internet begründete Gebührenpflicht unterliege im Übrigen auch verfassungsrechtlichen Bedenken wegen eines Eingriffs in das Grundrecht der Informationsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG sowie im Hinblick darauf, dass sich die Rundfunkgebührenpflicht für den Kreis der Betroffenen, die auf die Nutzung des Internet angewiesen seien, nicht mehr als Beitrag für die Rundfunkteilnehmereigenschaft, dessen Begründung wie Beendigung vom Willen des Teilnehmers abhängig sei, sondern als Steuer darstelle.
Seine am 8. Februar 2010 eingelegte Berufung gegen das am 2. Februar 2010 zugestellte Urteil des Verwaltungsgerichts hat der Beklagte am 31. März 2010 im Wesentlichen wie folgt begründet:
Bei internetfähigen PC wie denen des Klägers handele es sich um sogen. neuartige Rundfunkempfangsgeräte im Sinne des § 5 Abs. 3 S. 1 RGebStV. Für das Bereithalten zum Empfang genüge nach § 1 Abs. 2 S. 2 RGebStV die technische Empfangsmöglichkeit. Maßgeblich sei die objektive Nutzungsmöglichkeit für Empfangszwecke. Auf die tatsächliche Nutzung zum Rundfunkempfang komme es grundsätzlich nicht an. Die subjektive Nutzungsabsicht könne in einem Massenverfahren wie der Rundfunkgebührenerhebung schon aus Praktikabilitätsgründen grundsätzlich keine Rolle spielen. Das sei für sogen. multifunktionale Geräte wie PC nicht anders zu beurteilen. Im Übrigen stelle die Nutzung solcher Geräte auch keineswegs mehr einen Ausnahmefall dar.
Gegen die Rundfunkgebührenpflicht für PC mit Internetzugang bestünden auch verfassungsrechtlich keine Bedenken. Ein Eingriff in das Grundrecht der Informationsfreiheit liege bereits nicht vor, sei aber jedenfalls verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Denn die Vorschriften über die Rundfunkgebührenpflicht für neuartige Rundfunkempfangsgeräte seien allgemeine Gesetze im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG, die der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks dienten und in ihrer konkreten Ausgestaltung geeignet, erforderlich und verhältnismäßig seien. Insbesondere im gewerblichen Bereich sei mit der PC-Regelung erstmals das Privileg der Zweitgerätefreiheit eingeführt worden. Mit der Zahlung für einen einzigen PC seien sämtliche weiteren internetfähigen PC dieses Teilnehmers an diesem Standort abgegolten. Die Gebühr werde also unabhängig von der Zahl der PC nur ein einziges Mal für ein zusammenhängendes Grundstück und einen Teilnehmer fällig. Damit habe der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung getragen, dass neuartige Rundfunkempfangsgeräte, wie insbesondere Rechner mit Internetzugang, im geschäftlichen Bereich in erster Linie Arbeitsmittel seien und neben dem Rundfunkempfang anderen Zwecken dienten. Er habe die Gebührenregelung auf das erforderliche beschränkt, um die infolge des technischen Fortschritts und der damit einhergehenden Konvergenz der Medien zu befürchtende "Flucht aus der Rundfunkgebühr" zu verhindern. Hinzu komme, dass die mit der Rundfunkgebüh-renpflicht für nicht ausschließlich privat genutzte Rechner mit Internetzugang verbundene Belastung auf die Grundgebühr beschränkt und damit auch in ihrer Höhe gering sei. Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG und die Berufsfreiheit aus Art. 12 GG liege in einer derartigen Gebührenpflicht ebenfalls nicht. Schließlich stelle die Rundfunkgebühr für PC auch keine "Geräte-Besitzsteuer" dar, denn sie knüpfe nach der gesetzlichen Konzeption nicht an den Besitz, sondern an das Bereithalten zum Empfang an. Im Übrigen werde die Rundfunkgebühr überwiegend als Abgabe mit Beitragscharakter eingestuft, denn es handele sich um einen öffentlich-rechtlichen Beitrag zu den Kosten des öffentlichen-rechtlichen Rundfunks in der Bundesrepublik Deutschland.
Der Beklagte hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 19. Januar 2010 zu ändern und die Klage gegen den Gebührenbescheid des Beklagten vom 6. März 2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 8. Juli 2009 abzuweisen.
Der Kläger hat schriftsätzlich beantragt,
die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
Er verteidigt das angegriffene Urteil und macht ergänzend bzw. vertiefend geltend, der Begriff des Bereithaltens zum Empfang von Rundfunksendungen beinhalte stets eine Zweckbestimmung, die einem zum Zweck der Arbeitsbewältigung angeschafften Betriebs-PC, für den eine Nutzung zum Rundfunkempfang nicht gewünscht und den Mitarbeitern sogar verboten sei, fehle. Wenn der Beklagte Risiken schaffe, die ein PC-Nutzer technisch nicht verhindern könne, müsse er die Verantwortung hierfür selbst tragen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des vom Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgangs (1 Hefter) verwiesen.
Die Berufung des Beklagten, über die der Senat aufgrund Zustimmung aller Beteiligten durch den Berichterstatter und ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte (§ 125 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. §§ 87a Abs. 2 und 3 sowie 101 Abs. 2 VwGO), ist zulässig und begründet. Das Verwaltungsgericht hat den Gebührenbescheid des Beklagten vom 6. März 2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 8. Juli 2009 zu Unrecht aufgehoben. Dessen Gebührenforderung war vielmehr nicht zu beanstanden und die Klage des Klägers deshalb auf die Berufung des Beklagten unter Änderung des verwaltungsgerichtlichen Urteils abzuweisen.
Der Kläger war im vom Gebührenbescheid erfassten Veranlagungszeitraum von Oktober bis Dezember 2008 am Standort H... in Berlin Rundfunkteilnehmer i.S.d. § 1 Abs. 2 RGebStV und als solcher gem. § 2 Abs 2 RGebStV und vorbehaltlich der Regelungen der §§ 5 und 6 RGebStV zur Zahlung von Rundfunkgebühren verpflichtet. Denn bei den von ihm am genannten Standort genutzten internetfähigen PC handelt es sich um (neuartige) Rundfunkempfangsgeräte im Sinne des § 1 Abs. 1 RGebStV, die im Rechtssinne zum Empfang von Rundfunksendungen bereitgehalten werden (§ 1 Abs. 2 Satz 2 RGebStV) und deren Gebührenpflichtigkeit auch keinen Verstoß gegen Verfassungsrecht begründet.
Da die insoweit streitigen und auch für das hiesige Verfahren entscheidungserheblichen Fragen in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteile vom 27. Oktober 2010 - BVerwG 6 C 12.09, 6 C 17.09, 6 C 21.09 -, nachfolgend ebenso Urteil v. 20. April 2011 - BVerwG 6 C 31.10 -, sämtlich zit. nach juris) inzwischen höchstrichterlich geklärt sind, wird zur Begründung auf die Gründe der den Beteiligten bekannten Urteile vom 27. Oktober 2010 Bezug genommen, die sich der Senat zu eigen macht und hinsichtlich derer der Kläger - auch nach Hinweis des Gerichts auf den sich hieraus ergebenden voraussichtlichen Erfolg der Berufung des Beklagten - anschließend keine weiteren Ausführungen in der Sache gemacht hat.
Danach kommt es entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts und auch der des Beklagten im Rahmen seiner Berufungserwiderung insbesondere nicht auf die subjektive Zweckbestimmung eines Geräts, sondern allein auf seine objektive Eignung zum Rundfunkempfang an. Auch eine einengende Auslegung des Begriffs des „Bereithaltens“ im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 1 RGebStV insbesondere für internetfähige PC, die zu üblichen Arbeitszwecken angeschafft wurden und hierzu genutzt werden, ist danach nicht zulässig. Dies gilt selbst dann, wenn diese überhaupt nicht „online“ genutzt werden. Für den Fall, dass der Empfang von Rundfunk den Mitarbeitern - nach dem Vorbringen des Klägers im Widerspruchsverfahren im Übrigen wohl auch nur während der Arbeitszeiten - lediglich durch Anweisung verboten ist, kann dann naturgemäß nichts anderes gelten.
Dass die Erhebung von Rundfunkgebühren für internetfähige PC auch keinen verfassungswidrigen Eingriff in das Recht auf Informationsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG darstellt, ferner auch nicht gegen die Berufsausübungsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG verstößt und mit dem allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist, hat zwischenzeitlich auch das Bundesverfassungsgericht durch Beschluss vom 22. August 2012 zum Geschäftszeichen 1 BvR 199/11 -, juris, festgestellt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.