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Entscheidung 7 Ta 2084/10


Metadaten

Gericht LArbG Berlin-Brandenburg 7. Kammer Entscheidungsdatum 22.11.2010
Aktenzeichen 7 Ta 2084/10 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 114 ZPO, § 11a ArbGG

Leitsatz

Prozesskostenhilfe kann mangels Erfolgsaussichten nicht bewilligt werden, wenn die Klageforderung vor Zustellung erfüllt wird

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 10. August 2010 - 55 Ca 8037/10 – teilweise abgeändert:

I. Der Klägerin wird für die erste Instanz für den Antrag zu 2 aus der Klageschrift vom 21. Mai 2010 Rechtsanwältin B. gemäß § 11 a ArbGG beigeordnet mit der Maßgabe, dass hinsichtlich der Anwaltskosten monatliche Raten von 15,- € zu zahlen sind.

II. Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde der Klägerin kostenpflichtig zurückgewiesen, wobei die Beschwerdegebühr auf die Hälfte ermäßigt wird.

III. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

1. Die Klägerin begehrt – soweit für das Beschwerdeverfahren relevant - Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihrer Prozessbevollmächtigten für eine von ihr am 21. Mai 2010 beim Arbeitsgericht Berlin eingereichten und der Beklagten, einer Rechtsanwalts-GbR, am 31. Mai 2010 zugestellten Klage, mit der sie u.a. abgerechnetes Arbeitsentgelt für April 2010 sowie die Erteilung eines Zeugnisses für das am 19.01.2010 mit der Prüfung endende Ausbildungsverhältnis gerichtlich geltend macht. Am 27. Mai 2010 überwies die Beklagte den sich aus der Abrechnung ergebenden Nettobetrag an die Klägerin. Außerdem erteilte die Beklagte der Klägerin im Laufe des Prozesses ein Zeugnis.

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 10. August 2010 u.a. den Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung nach § 11 a ArbGG in Bezug auf den Zahlungsantrag mangels hinreichender Aussichten auf Erfolg zum Zeitpunkt der Entscheidungsreife und den Antrag auf Erteilung eines Zeugnisses mangels vorheriger Geltendmachung als mutwillig zurückgewiesen.

Gegen diesen der Klägerin am 16. August 2010 zugestellten Beschluss richtet sich die am 2. September 2010 beim Arbeitsgericht eingegangene Beschwerde der Klägerin, der das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 24. September 2010 nicht abgeholfen hat.

2. Die gemäß § 127 Abs. 2 ZPO statthafte form- und fristgerecht i.S.d. § 569 Abs. 1 und 2, § 127 Abs. 2 Satz 2 und 3 eingereichte sofortige Beschwerde ist zulässig und hat in der Sache teilweise Erfolg. Der Klägerin war für den Zahlungsantrag und den Antrag auf Erteilung eines Zeugnisses zwar keine Prozesskostenhilfe zu bewilligen, ihr war aber für den Zahlungsantrag Rechtsanwältin B. gemäß § 11 a ArbGG beizuordnen.

2..1 Das Arbeitsgericht hat zu Recht den Prozesskostenhilfeantrag der Klägerin für den Zahlungsantrag mangels hinreichender Aussichten auf Erfolg zurückgewiesen. Der Zahlungsantrag kann keine Aussichten auf Erfolg haben, weil die Klageforderung erfüllt wurde (§ 362 BGB) und zwar noch vor Zustellung der Klageschrift. Mit der Zahlung ist der Anspruch der Klägerin erloschen. Eine weiterhin auf Zahlung gerichtete Klage wäre abzuweisen.

Prozesskostenhilfe war nicht deshalb zu bewilligen, weil die Klageforderung bei Anhängigkeit noch nicht erfüllt war. Für die gemäß § 114 ZPO vorzunehmende Erfolgsprognose ist der Sach- und Streitstand im Zeitpunkt der Beschlussfassung Entscheidungsgrundlage, wenn alsbald nach Entscheidungsreife entschieden wird (BGH vom 18.11.2009 – XII ZB 152/09 MDR 2010, 402 – 403). Zur Entscheidung reif ist das Prozesskostenhilfebegehren, wenn die Partei es schlüssig begründet, die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt und wenn der Gegner Gelegenheit gehabt hat, sich innerhalb angemessener Frist zum Prozesskostenhilfegesuch zu äußern (Zöller/Philippi ZPO 27. Aufl. § 119 Rd. 44). Zu diesem Zeitpunkt, der erst nach Zustellung der Klage liegt, war die Klageforderung aber bereits erfüllt.

Mit dem Abstellen auf diesen Zeitpunkt werden der Klägerin auch nicht ungerechtfertigt die Risiken der Klageerhebung aufgebürdet. Die Klägerin hätte für den Zahlungsantrag zunächst auch nur einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Klageerhebung stellen können. Wäre die Zahlung im Rahmen dieses Verfahrens erfolgt, wäre die Klageerhebung ebenfalls überflüssig geworden. Bei Zahlungen nach Klageeinreichung hätte die Klägerin mit Prozesskostenhilfe die notwendigen prozessualen Erklärungen abgeben können.

2.2. Die weitergehende Beschwerde in Bezug auf die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung für den Antrag auf Erteilung eines Ausbildungszeugnisses war ebenfalls zurückzuweisen. Das Arbeitsgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, dass diese Klage offensichtlich mutwillig ist, weil die Klägerin ein solches vor ihrer Klage nicht verlangt hat und keine Anhaltspunkte dafür bestanden, dass die Beklagte ein solches Zeugnis nicht erteilen würde (vgl. LAG Berlin vom 19.06.20022 – 3 Ta 1034/02 in juris).

2.3 Der Klägerin war jedoch für den Zahlungsantrag ihre Prozessbevollmächtigte nach § 11 a ArbGG beizuordnen. Danach kann einer Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt beigeordnet werden, wenn die Gegenpartei durch einen Rechtsanwalt vertreten ist. Dieser Antrag war in dem Prozesskostenhilfeantrag als Minus enthalten.

Die Voraussetzungen nach § 11 a ArbGG liegen vor. Schon bei Klageeingang stand fest, dass die Beklagte als Rechtsanwalts-GbR durch einen Anwalt vertreten ist.

Die Beiordnung eines Rechtsanwalts war nicht ausnahmsweise als nicht erforderlich anzusehen. Zwar handelt es sich bei der Zahlungsklage für abgerechnetes Arbeitsentgelt um eine einfache Angelegenheit, die von der Klägerin mit Hilfe der Rechtsantragsstelle ohne weiteres hätte gerichtlich geltend gemacht werden können. Daneben musste sich die Klägerin aber auch gegen die ihr gegenüber fehlerhaft ausgesprochene Kündigung wenden. Eine Aufteilung in zwei Klagen, von denen sie die eine selbst hätte vertreten müssen, konnte von ihr schon aus Kostengründen nicht erwartet werden.

Von der Beiordnung war auch nicht deshalb abzusehen, weil die Rechtsverfolgung offensichtlich mutwillig wäre (§ 11 a Abs. 2 ArbGG). Die Voraussetzungen dieser Ausnahme sind erfüllt, wenn die Rechtsverfolgung auf den ersten Blick ohne nähere Prüfung erfolglos ist (Germelmann ArbGG, 7. Aufl. 2010 § 11 a Rn. 69). Dem Gericht steht dann ein Ermessensspielraum bei der Entscheidung über die Beiordnung zu. Bei dieser Entscheidung ist der Sinn und Zweck der Vorschrift zu berücksichtigen, nämlich in bestimmten Fällen eine Chancengleichheit der Prozessparteien zu ermöglichen (Natter/Groß, Arbeitsgerichtsgesetz 1. Auflage 2010, § 11 a ArbGG, Rz. 23).

Dabei kann dahinstehen, ob für die offensichtliche Mutwilligkeit auf den Zeitpunkt der Bewilligungsreife abzustellen ist und ob diese erst eintritt, wenn der Gegenseite Gelegenheit gegeben worden ist, zum Antrag Stellung zu nehmen. Denn auch dann wäre im vorliegenden Fall der Klägerin nach dem Zweck der Regelung im Rahmen des nach § 11 a Abs. 2 ArbGG eingeräumten Ermessensspielraum die sie vertretende Rechtsanwältin beizuordnen. Dabei war zu berücksichtigen, dass die Klage bei Klageeingang gerade nicht erfolglos gewesen wäre. Die Beklagte hat vielmehr Anlass zur Klageerhebung gegeben. Sie befand sich bei Klageeingang mit der Zahlung des Entgelts für April 2010 in Verzug. Einer vorherigen außergerichtlichen Geltendmachung bedurfte es nicht. Die Beklagte hat das Arbeitsentgelt zu diesem Zeitpunkt zwar ordnungsgemäß abgerechnet, aber ohne weitere Begründung an die Klägerin nicht ausgezahlt. Die Klägerin durfte hier – auch im Hinblick auf die zum 15. April 2010 ausgesprochene Kündigung davon ausgehen, dass eine freiwillige Zahlung nicht erfolgen werde. Die Privilegierung der klagenden Partei in den Fällen des § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO zeigt, dass das Risiko der Erfüllung zwischen Klageeingang und – zustellung nicht mehr allein die klagende Partei trägt. Ohne die Regelung in § 12 a ArbGG würde die Beklagte die Anwaltskosten der Klägerin tragen müssen. Hier die Beiordnung nach § 11 a ArbGG wegen offensichtlicher Mutwilligkeit zu versagen, widerspräche diesen Regelungen und stünde dem Grundsatz der Chancengleichheit entgegen. Denn eine Partei, die aufgrund ihrer finanziellen Verhältnisse einen Anwalt nicht bezahlen könnte, müsste im Hinblick auf das Risiko der Erfüllung vor Klagezustellung von einer anwaltlichen Vertretung bei Klageeinreichung auch dann absehen, wenn – wie hier – feststeht, dass die Gegenseite anwaltlich vertreten ist.

Aus diesen Gründen konnte hier eine Beiordnung nach § 11 a ArbGG ungeachtet der Erfüllung erfolgen. Der Klägerin muss hier die Möglichkeit gegeben werden, anwaltlich vertreten, die korrekten prozessualen Erklärungen abzugeben.

3. Soweit der Klägerin ihre Rechtsanwältin beizuordnen war, konnte dies nach der von ihr eingereichten Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nur mit Ratenzahlung in Höhe von monatlich 15 EUR geschehen. .Der von der Klägerin angegebene Betrag von 300 €, den sie an ihre Eltern als „Kostgeld“ geltend macht, konnte nicht in voller Höhe berücksichtigt werden. Nach der vertraglichen Vereinbarung deckt dieser Betrag anteilige Miet-, Strom- und Wasserkosten, Heizungskosten, Lebensmitteleinkauf, Nutzung von Internet und Telefon ab. Dies sind indes mit Ausnahme der Miet- und Heizkosten Ausgaben, die bereits bei dem Freibetrag für die Partei einfließen und im Rahmen der Abzugsbeträge nach § 115 ZPO nicht ein zweites Mal in Ansatz gebracht werden können. Dabei ging das Gericht zugunsten der Klägerin von der Hälfte des Betrages als anteilige Miet- und Heizkosten aus. Unter Berücksichtigung des von ihr angegebenen Einkommens ergab sich damit eine Ratenzahlung in Höhe von 15. €.

4. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde kam nicht in Betracht, da die gesetzlichen Voraussetzungen dafür nicht vorlagen.