Gericht | OLG Brandenburg 4. Senat für Familiensachen | Entscheidungsdatum | 06.11.2018 | |
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Aktenzeichen | 13 UF 174/17 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
1. Der Genuss von Alkohol schränkt die Erziehungsfähigkeit eines Elternteils erst dann ein, wenn eine Alkoholabhängigkeit seinen Alltag bestimmt (vgl. BeckOGK/Fuchs BGB § 1671 Rn. 205).
2. Zur Beurteilung der Förderfähigkeit können die wirtschaftlichen Verhältnisse eines Elternteils bei einer Entscheidung im Rahmen des § 1671 BGB wesentliches Gewicht erlangen, wenn bei ihm die ökonomischen Mindeststandards nicht gewährleistet sind oder wegen ungesicherter wirtschaftlicher Situation die Instabilität seiner Lebensverhältnisse zu befürchten ist (Staudinger/Coester (2016) BGB § 1671, Rn. 212 m.w.N.).
3. Der Wunsch eines 12 bis 13-jährigen Kindes, zu seinem Elternteil in das Ausland zu ziehen, ist mit seinem Wohl nicht vereinbar, wenn bei sein dortigen Elternteil die ökonomischen Mindeststandards nicht gewährleistet sind oder wegen ungesicherter wirtschaftlicher Situation die Instabilität seiner Lebensverhältnisse zu befürchten ist.
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Amtsgerichts Neuruppin vom 20.10.2017 wird zurückgewiesen.
Der Antragsgegner hat die Kosten der Beschwerde zu tragen.
Wert der Beschwerde: 3000 €
I.
Der beschwerdeführende Antragsgegner wendet sich gegen die Übertragung des von beiden Eltern jeweils für sich allein erstrebten Aufenthaltsbestimmungsrechts für seine eingangs genannte Tochter auf die Antragstellerin, ihre Mutter.
Die Antragsbeteiligten schlossen am 15.09.1995 die Ehe, aus der der am 22.05.1997 geborene …, die am 24.12.1999 geboren … und die am 15.11.2005 geboren … hervorgegangen sind. Die Ehe wurde am 06.10.2017 geschieden. Nach Auszug des Antragsgegners aus der ehelichen Wohnung Mitte September 2016 (49) verblieben die minderjährigen Kinder im Haushalt ihrer Mutter, wo sie ihr Bruder an den Wochenenden besucht.
In Ansehung eines vom Vater beabsichtigten Umzugs von Neuruppin nach Andorra erstreben beide Eltern jeweils das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht für ….
Nach Einholung eines familienpsychologischen Sachverständigengutachtens hat das Amtsgericht mit dem angefochtenen Beschluss, auf den der Senat wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen- Sach- und Streitstandes verweist (192 ff), das Aufenthaltsbestimmungsrecht der Antragstellerin zur alleinigen Ausübung übertragen. Wegen Fehlens eines Mindestmaßes an Übereinstimmung der Eltern hierzu sei die gemeinsame Sorge aufzuheben. Der Empfehlung des Gutachtens folgend, das sich vor allem unter Heranziehung des Kontinuitätsprinzips und der Bindungen und Beziehungen des Kindes zur Mutter und zu seinen Geschwistern für einen Lebensmittelpunkt des Kindes bei der Mutter ausgesprochen hat (76 SV), hat das Amtsgericht das Aufenthaltsbestimmungsrecht der Mutter zugesprochen. Eine ihre Erziehungsfähigkeit beeinträchtigende Alkoholerkrankung lasse sich entgegen den Vorwürfen des Vaters nicht feststellen, ebenso wenig wie ein beachtlicher Umzugswunsch des Kindes, dass sich in einem massiven Loyalitätskonflikt befinde.
Mit seiner hiergegen gerichteten Beschwerde erstrebt der Antragsgegner weiterhin die Übertragung des alleinigen Aufenthaltsbestimmungsrechts auf sich. Das Amtsgericht habe die Übertragungskriterien unzureichend geprüft und die Maßgeblichkeit des Kindeswillens, der auf einen Umzug nach Andorra gerichtet sei, verkannt.
Antragstellerin und Verfahrensbeistand verteidigen den angefochtenen Beschluss. Mit ihnen bezweifelt auch das Jugendamt eine Lebensgrundlage des Antragsgegners in Andorra.
Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Sach- und Streitstandes verweist der Senat auf die Korrespondenz im Beschwerderechtszug. Er entscheidet, wie angekündigt (301, 349, 353r) ohne mündliche Verhandlung (§ 68 Abs. 3 S. 2 FamFG), von der ein weiterer Erkenntnisgewinn nicht zu erwarten war.
II.
Die nach §§ 58 ff. FamFG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
Das Amtsgericht hat die Voraussetzungen des § 1671 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB mit Recht bejaht. Die gemeinsame Ausübung der Elternverantwortung setzt ein Mindestmaß an Übereinstimmung in wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge und insgesamt eine tragfähige soziale Beziehung zwischen den Eltern voraus (vgl. BGHZ 211, 22-37, Rn. 23 m. w. N.). Sie ist aufzuheben, wenn es an einer dieser Voraussetzungen fehlt, wie hier an einem Mindestmaß an Übereinstimmung in Ansehung des Lebensmittelpunkts ihrer Tochter.
Bei Abwägung der Übertragungskriterien – Fördergrundsatz, Kontinuitätsgrundsatz, Bindungen des Kindes an beide Elternteile und Geschwister sowie Kindeswille – bleibt es bei einer Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf die Antragstellerin.
Bei sicherer Bindung an beide Elternteile spricht der Grundsatz der Umgebungs- und Beziehungskontinuität für Lillis Verbleib im bisherigen Umfeld, in dem die Beziehungen zu ihren Geschwistern und die wesentlich engere Beziehung zu ihrer Mutter als zu ihrem Vater erhalten bleiben.
Dass der Antragsgegner in einer der Antragstellerin überlegenen Weise förderfähig, also zur Übernahme der für das Kindeswohl maßgeblichen Erziehung und Betreuung besser geeignet wäre als die Mutter, lässt sich nicht feststellen. Eine die Erziehungsfähigkeit einschränkende Alkoholabhängigkeit der Mutter, die deren Alltag bestimmt hätte (vgl. BeckOGK/Fuchs BGB § 1671 Rn. 205), hat die Sachverständige nicht feststellen können und tragfähig verneint.
Insoweit können allerdings die wirtschaftlichen Verhältnisse eines Elternteils bei einer Entscheidung im Rahmen des § 1671 BGB wesentliches Gewicht erlangen, wenn bei ihm die ökonomischen Mindeststandards nicht gewährleistet sind oder wegen ungesicherter wirtschaftlicher Situation die Instabilität seiner Lebensverhältnisse zu befürchten ist (Staudinger/Coester (2016) BGB § 1671, Rn. 212 m.w.N.). Hiervon geht der Senat beim Vater in Ansehung der unbestritten fehlenden Unterhaltszahlungen des Antragsgegners für die Monate ab November 2017 und der gleichfalls unbestritten fehlenden Begleichung der Kosten entsprechend eines Kostenfestsetzungsbeschlusses des Amtsgerichts Neuruppin vom 31.05.2018 aus.
Anhaltspunkte für weitere Ermittlungen (§ 26 FamFG) bestehen nicht. Einkommens- und Vermögensverhältnisse, die es ihm gestatteten, seinen Verpflichtungen zur Zahlung von Kindesunterhalt nachzukommen, hat der Antragsgegner entgegen der ihn treffenden Mitwirkungsobliegenheit aus § 27 FamFG, nach dessen Abs. 2 er seine Erklärungen vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben hat, nicht beurteilungsfähig dargetan. Weiterhin hat der Antragsgegner die mit Schriftsatz vom 10.11.2016 angekündigte Vorlage eines Arbeitsvertrages (57) unterlassen, auch nach ausdrücklichem Hinweis des Senats vom 11.09.2018 (349). Das Vorbringen aus seinem Schriftsatz vom 24.05.2018, Eigentümer eines Hauses/Anwesens in Andorra zu sein (316), ist so nicht zu vereinbaren mit seinem Vorbringen zum Abschluss eines dortigen Mietvertrages (57), dessen Konto sich im Übrigen nach der Anlage 2 zum Schriftsatz vom 19.10.2017 über geraume Zeit im Soll befand (vgl. 211).
Bei dieser Sachlage ist der geäußerte Wunsch des Kindes, nach Andorra zu ziehen, mit seinem Wohl nicht vereinbar.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG, die Wertfestsetzung auf den §§ 55 Abs. 2, 45 Abs. 1 Nr. 1 FamGKG.
Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen (§ 70 Abs. 2 FamFG), besteht nicht.