Gericht | FG Berlin-Brandenburg 13. Senat | Entscheidungsdatum | 29.09.2011 | |
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Aktenzeichen | 13 K 13054/08 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Der Bescheid über eine Investitionszulage nach § 2 InvZulG 1999 für das Jahr 2003 vom 30. August 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13. Dezember 2007 wird dahingehend geändert, dass die Investitionszulage auf EUR 8.861.638,50 festgesetzt wird.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 von Hundert des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 von Hundert des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch auf Investitionszulage nach § 2 Investitionszulagengesetz 1999 -InvZulG 1999- für 15 Windkraftanlagen –WKA-, welche die Klägerin der V.E.S. GmbH & Co. KG –V. KG- (vor dem 1. Januar 2008 unter der Firma „N. GmbH & Co. KG“ handelnd) zur Nutzung überlässt.
Die Klägerin ist eine am 21. Dezember 2001 in das Handelsregister des Amtsgerichts Neuruppin (HRA .... NP) eingetragene Kommanditgesellschaft mit Sitz in Sch.. Mit Vertrag vom 30. November 2003 beauftragte die Klägerin die Firma E. GmbH mit der Errichtung von 22 WKA am Standort Windfeld R. für EUR 49.374.072 netto. Nach dem Vertrag sollten die WKA am 30. September 2003 fertiggestellt sein. Der Einzelpreis pro WKA betrug EUR 2.148.276. Nach einer Zusatzvereinbarung vom 16. Oktober 2003 wurde der Fertigstellungszeitpunkt auf den 30. Juni 2004 verschoben. Mit Vertrag vom 18. Dezember 2003 vermietete die Klägerin 22 WKA an die V. KG. Nach Nr. 2 des Mietvertrages begann das Mietverhältnis „mit Inbetriebnahme“ der WKA. Die erste Mietzahlung war nach Nr. 3 des Vertrages nach vollständiger Übergabe der WKA und Übertragung der Einspeiserechte an die V. KG fällig.
Laut Übergabeprotokoll vom 30. Dezember 2003 wurden der Klägerin an diesem Tag 15 betriebsbereite WKA übergeben. Die Klägerin berechnete der V. KG ab diesem Tag Miete. Gleichzeitig erhielt die V. KG nach einer Gutschrift der E.N. Netz GmbH vom 19. Januar 2004 ab dem 30. Dezember 2003 ihre ersten Einspeiseerlöse.
Die V. KG wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 15. Mai 2003 gegründet. Laut § 2 des Gesellschaftsvertrages besteht der Gegenstand des Unternehmens in der „Herstellung regenerativer Energieträger aus organischen Reststoffen und nachwachsenden Rohstoffen unter Verwendung regenerativer Energiequellen“. Hierzu errichtete die V. KG am Standort S. eine Anlage zur Herstellung von Bioethanol. Grundlage der Finanzierung war ein Businessplan, auf den Bezug genommen wird (Bl. 258 ff. der Akten). Das Statistische Bundesamt teilte mit Schreiben vom 20. Oktober 2003 mit, dass die Herstellung von Bioethanol der Klasse 15.92 der Klassifikation der Wirtschaftszweige –WZ- 1993 bzw. 2003 zuzuordnen sei. Die Bioethanolanlage wurde im Jahr 2004 fertig gestellt und in Betrieb genommen. Nachdem die Produktion wegen ökologischer Probleme nochmals eingestellt werden musste, begann die Volumenproduktion im März 2005. Erste Umsatzerlöse aus dem Verkauf von Bioethanol erzielte die V. KG im September 2005.
Neben den WKA der Klägerin pachtete die V. KG insgesamt 23 weitere WKA in drei Windparks in A., W. und M.. Aus den WKA in A. erzielte sie ebenfalls ab Dezember 2003, aus den WKA in W. ab Februar 2004 und aus den WKA in M. ab Oktober 2004 Umsatzerlöse.
Die Klägerin beantragte für das Jahr 2003 eine Investitionszulage in Höhe von EUR 8.861.638,50 (27,5 von Hundert auf eine Bemessungsgrundlage von EUR 32.224.140, d. h. für 15 WKA zu jeweils EUR 2.148.276).
Nach dem Betriebsprüfungsbericht des Finanzamts F. vom 28. Juli 2005 besteht kein Anspruch auf Investitionszulage, da die Nutzung der Anlage bei der V. KG einen eigenständigen Betrieb darstelle, der nach der Klassifikation der Wirtschaftszweige 2003 -WZ 2003- unter die Kennziffer 40.11.3 einzuordnen sei und damit nicht zum begünstigten verarbeitenden Gewerbe gehöre. Dem entsprechend setzte der Beklagte die Investitionszulage mit Bescheid vom 30. August 2005 auf EUR 0 fest.
Der Beklagte wies den dagegen gerichteten Einspruch mit der Einspruchsbegründung vom 13. Dezember 2007 als unbegründet zurück. Die nutzende V. KG betreibe die WKA unabhängig von der Produktionsstätte für die Herstellung von Bioethanol wie ein Unternehmen der Stromerzeugung. Die Stromerzeugung und die Herstellung von Bioethanol stünden weder sachlich noch räumlich in einem Zusammenhang. Der Standort der WKA in R. sei von der Produktionsstätte für Bioethanol in S. weit entfernt. Außerdem werde der Strom nicht direkt zur Herstellung von Bioethanol genutzt, sondern nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz zu festgeschriebenen Garantiepreisen in das Stromnetz eingespeist. Den für die Bioethanolanlage benötigten Strom erwerbe die V. KG zu Marktpreisen von dem örtlichen Energieversorger.
Die Klägerin macht mit ihrer Klage geltend, dass die Bindungsvoraussetzungen durch die langfristige Nutzungsüberlassung an die V. KG erfüllt seien. Dabei sei entscheidend, dass der Betrieb der V. KG nach den Grundsätzen zur Behandlung von Mischbetrieben insgesamt zu einem begünstigten Wirtschaftszweig gehöre. Personengesellschaften könnten nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs -BFH- nur einen Betrieb haben. Dass die Volumenproduktion von Bioethanol erst im Jahr 2005 begonnen habe, sei für die Klassifizierung als begünstigter Betrieb unerheblich, zumal bei der Berechnung der Wertschöpfung auch die vorbereitenden Investitionen als „selbst erstellte Anlagen zu Herstellungskosten“ zu berücksichtigen seien.
Darüber hinaus sei es auch unschädlich, dass die V. KG ihre Bioethanolanlage vom 26. August 2007 bis zum 5. Mai 2008 aufgrund von Absatzschwierigkeiten heruntergefahren habe. Aus den monatlichen Auswertungen der V. KG ergebe sich, dass der Bereich Bioethanol auch in Jahre 2007 und 2008 sowohl bei den Umsätzen als auch bei der Wertschöpfung überwog. Die Wiederaufnahme der Produktion sei von Anfang an geplant gewesen. Dies folge insbesondere aus der fehlenden Entlassung von Mitarbeitern sowie aus den Investitionen zur Anpassung der Produktion an die geänderten Marktbedingungen.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid über eine Investitionszulage nach § 2 InvZulG 1999 für das Jahr 2003 vom 30. August 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13. Dezember 2007 dahingehend zu ändern, dass die Investitionszulage auf EUR 8.861.638,50 festgesetzt wird,
hilfsweise, die Revision zuzulassen,
die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Nachdem der Beklagte die Streitpunkte getrennte Gewerbebetriebe und Schädlichkeit der Produktionsunterbrechung in den Jahren 2007 und 2008 in der mündlichen Verhandlung nicht mehr weiter verfolgt hat, macht er nur noch geltend, dass die V. KG in den Jahren 2003 und 2004 nicht zu den begünstigten Wirtschaftszweigen gehörte. Zur Begründung weist der Beklagte darauf hin, dass die V. KG erst im Jahr 2005 mit der Produktion von Bioethanol begonnen habe und es bei der Einordnung von Mischbetrieben auf die tatsächlichen Verhältnisse in jedem einzelnen Wirtschaftschaftjahr ankomme. Dabei seien im Rahmen der Wertschöpfungsrechnung unter „selbst erstellte Anlagen zu Herstellungskosten“ keine Fremdleistungen zu berücksichtigen. Ein Rückbezug der Einordnung in einen begünstigten Wirtschaftszweig sei nur für diejenigen Investitionen möglich, die zum verarbeitenden Gewerbe gehörten. Ansonsten käme es im Vergleich zum Strukturwandel eines bestehenden Betriebs zu einer ungerechtfertigten Begünstigung. Der Strom aus der Windkraft sei in den Jahren 2003 und 2004 wie geplant nicht allein zum Betrieb der Bioethanolanlage produziert worden. Außerdem übersteige der Umfang des produzierten Stroms die Menge, die zum Betrieb der Bioethanolanlage notwendig sei.
Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Einordnung durch das Statistische Bundesamt. Letztlich beziehe sich diese Einordnung nur auf die Produktion von Bioethanol, da dem Statistischen Bundesamt der Umfang der Stromerzeugung nicht bekannt gewesen sei. Auch die Einordnung durch das Niedersächsische Finanzgericht im Urteil vom 10. November 2010 (Az. 2 K 355/05, Bl. 213 ff. der Akten) sei nicht zu übernehmen, da das Niedersächsische Finanzgericht nur von den WKA in A. und W. ausgegangen sei. Mit den Anlagen in M. und R. hätte das Investitionsvolumen für die WKA aber ca. EUR 88.000.000 betragen.
Mit dem Einverständnis aller Beteiligten hat der Senat das hiesige Verfahren gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung -FGO- (nur) zur gemeinsamen Verhandlung mit dem Klageverfahren der von H.E. GbR (Az. 13 K 13067/08) verbunden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachvortrags nimmt das Gericht auf die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze einschließlich sämtlicher Anlagen sowie auf die beigezogenen Steuerakten Bezug. Dem Gericht haben jeweils ein Band Investitionszulagen-, Vertrags- und Gewerbesteuerakten vorgelegen.
Die Klage ist zulässig und begründet.
Der Bescheid über eine Investitionszulage für das Jahr 2003 vom 30. August 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13. Dezember 2007 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Der Klägerin steht für die Errichtung der WKA eine Investitionszulage nach § 2 InvZulG 1999 zu. Insbesondere war die nutzende V. KG während des gesamten Bindungszeitraums als ein begünstigter Betrieb des verarbeitenden Gewerbes anzusehen.
1. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 InvZulG 1999 in der für den Streitfall geltenden Fassung sind die Anschaffung und Herstellung von neuen abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens begünstigt, wenn sie - unter anderem - mindestens fünf Jahre nach ihrer Anschaffung oder Herstellung zum Anlagevermögen eines Betriebs oder einer Betriebsstätte im Fördergebiet gehören, in einer Betriebsstätte im Fördergebiet verbleiben und in jedem Jahr zu nicht mehr als 10 von Hundert privat genutzt werden (Zugehörigkeits-, Verbleibens- und Nutzungsvoraussetzung). Zusätzlich müssen die geförderten Wirtschaftsgüter während der fünfjährigen Bindefrist in einem Betrieb der nach § 2 Abs. 2 InvZulG 1999 begünstigten Wirtschaftszweige verbleiben.
Für die Eingruppierung von Mischbetrieben in einen bestimmten Wirtschaftszweig ist nach der Rechtsprechung des BFH (Urteile vom 19. Oktober 2006 III R 28/04, BFH/NV 2007, 1185 und vom 20. September 1999 III R 33/97, BStBl II 2000, 208, jeweils m. w. N.), welcher der erkennende Senat folgt, auf den Schwerpunkt der wirtschaftlichen Tätigkeit abzustellen. Grundlage ist die vom Statistischen Bundesamt veröffentlichte Klassifikation der Wirtschaftszweige als Dokumentation der Verkehrsauffassung. Danach ist in erster Linie auf die Wertschöpfungsanteile der unterschiedlichen Tätigkeiten abzustellen, und zwar auf die Bruttowertschöpfung zu Herstellungspreisen. Hilfsweise können auch die im BFH-Urteil vom 23. Juli 1976 (III R 166/73, BStBl II 1976, 705) genannten Kriterien Umsatz, investiertes Kapital und Arbeitslöhne herangezogen werden, soweit sie von der Klassifikation der Wirtschaftszweige fortgeführt werden. Das Bundesverfassungsgericht -BVerfG- (Beschluss vom 31. Mai 2011 1 BvR 857/07) hat die grundsätzliche Anknüpfung an die statistische Einordnung nach der Klassifikation der Wirtschaftszweige bestätigt. Allerdings muss eine entsprechende Einordnung durch das Statistische Bundes- bzw. Landesamt durch die Gerichte ohne Einschränkungen überprüft werden.
Wird ein bewegliches Wirtschaftsgut innerhalb der Bindefristen veräußert, ist dies unschädlich, soweit der Erwerber die Bindungsvoraussetzungen erfüllt (BFH-Urteil vom 31. August 2006 III R 26/04, BFH/NV 2007, 103 m. w. N.). Entsprechendes gilt bei der langfristigen Nutzungsüberlassung an einen Dritten. Hier kommt es darauf an, ob dem Nutzenden, wenn er anstelle des Überlassenden investiert hätte, eine Investitionszulage zustehen würde (BFH-Urteil vom 19. Februar 2004 III R 14/02, BStBl II 2004, 570 m. w. N.).
2. Bei Anwendung dieser Grundsätze liegen in Bezug auf die beantragten 15 WKA die Voraussetzungen für die Gewährung einer Investitionszulage nach § 2 InvZulG 1999 für das Jahr 2003 vor.
a. Der Beklagte kann sich insbesondere nicht darauf berufen, dass die nutzende V. KG in den Jahren 2003 und 2004, d. h. vor dem Beginn der Herstellung von Bioethanol, keinem begünstigten Wirtschaftszweig nach der WZ 2003 zuzuordnen war.
Allerdings folgt dies nicht bereits aus dem Schreiben des Statistischen Bundesamts vom 20. Oktober 2003. Zum einen ist die darin vorgenommene Zuordnung zu einem begünstigten verarbeitenden Gewerbe nach der Rechtsprechung des BVerfG (Beschluss vom 31. Mai 2011 1 BvR 857/07) in vollem Umfang zu überprüfen. Zum anderen beantwortet das Schreiben vom 20. Oktober 2003 nur die grundsätzliche Einordnung der Produktion von Bioethanol im Rahmen der Klassifikation der Wirtschaftszweige, ohne auf die Besonderheiten der Gründungsphase sowie auf den Betrieb von WKA durch die V. KG einzugehen.
Die Zuordnung der V. KG zum begünstigten verarbeitenden Gewerbe ergibt sich aber aus dem Schwerpunkt ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit. Dieser lag bereits in den Jahren 2003 und 2004 im Bereich der Herstellung von Bioethanol und damit im begünstigten verarbeitenden Gewerbe.
Hierfür spricht zunächst eine Betrachtung der Wertschöpfungsanteile, obwohl die V. KG im Bereich Bioethanol erst ab September 2005 Umsätze erzielte (vgl. auch Niedersächsisches FG, Urteil vom 20. November 2010 2 K 355/05 sowie die Berechnung der Wertschöpfungsanteile auf Bl. 123 der Akten unter Anwendung des Berechnungsschemas aus Tz. 80 des BMF-Schreibens vom 28. Juni 2001, BStBl I 2001, 579). Denn nach der Rechtsprechung des BFH ist gerade in der Gründungsphase eines Unternehmens nicht nur auf die einzelnen Umsätze abzustellen, sondern es sind auch die Herstellungskosten von selbsterstellten Anlagen einzubeziehen (BFH-Urteil vom 7. März 2002 III R 44/97, BStBl II 2002, 545). Diese Rechtsprechung ist auf den hiesigen Streitfall übertragbar, auch wenn die V. KG - im Unterschied zu dem Steuerpflichtigen im BFH-Fall – nicht selbst Entwickler einer Pilotanlage ist. Denn auch in dem vom BFH entschiedenen Fall kaufte der Steuerpflichtige die erforderlichen Bauleistungen von Subunternehmern ein, ohne dass dieser Umstand grundsätzlich problematisiert oder bei der Wertschöpfungsrechnung im Rahmen des Abzugs von Vorleistungen berücksichtigt worden wäre. Vielmehr schränkt der BFH den Abzug von Vorleistungen im Urteil vom 19. Oktober 2006 (III R 28/04, BFH/NV 2007, 1185) auf Bau- und sonstige Leistungen für laufende Reparaturen ein.
Ob ein solches Verständnis der Wertschöpfung tatsächlich mit der Klassifikation der Wirtschaftszweige in Einklang steht oder die Fremdleistungen für den Bau der Bioethanolanlage als Vorleistungen abzuziehen sind, kann aber letztlich dahingestellt bleiben. Denn nach ständiger BFH-Rechtsprechung können auch andere Kriterien herangezogen werden (BFH-Urteil vom 17. April 2008 III R 100/06, BFH/NV 2008, 1531), wobei unter Berücksichtigung von Tz. 3.3 der WZ 2003 die vom BFH schon im Urteil vom 23. Juli 1976 (III R 166/73, BStBl II 1976, 705) genannten Kriterien investiertes Kapital und Lohnsumme in Betracht kommen. Dies gilt insbesondere für die Gründungsphase, da hier regelmäßig noch keine bzw. geringe Umsätze erzielt werden. Bezieht man diese Kriterien in die Abgrenzung der Wirtschaftszweige ein, liegt der Schwerpunkt der Tätigkeit der Verbio KG unabhängig von den Wertschöpfungsanteilen ab dem Jahr 2003 im begünstigten verarbeitenden Gewerbe.
Hinsichtlich des investierten Kapitals folgt dies bereits daraus, dass die V. KG die WKA nur gepachtet und ihre eigenen Investitionen auf die Herstellung der Bioethanolanlage beschränkt hat. Zu den Lohnsummen hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung unter Bezugnahme auf die Gewinn- und Verlustrechnungen der V. KG ausgeführt, dass die V. KG im Jahr 2003 keinen Personalaufwand, im Jahr 2004 einen Personalaufwand in Höhe von EUR 250.000 und im Jahr 2005 einen Personalaufwand in Höhe von EUR 2.000.000 ausgewiesen habe. Für die Verwaltung der WKA sei dabei eine halbe bis maximal eine Arbeitskraft tätig gewesen. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist aus diesen Angaben erkennbar, dass die auf den Bereich Stromerzeugung entfallene Lohnsumme von Anfang an unter der Lohnsumme für den Bereich Bioethanol lag. Denn es ist unmittelbar nachvollziehbar, dass sich die Mehrzahl der Beschäftigten bereits in den Jahren 2003 und 2004 mit der Kontrolle und den Problemlösungen beim Bau der Bioethanolanlage beschäftigt hat. Dies wird auch dadurch bestätigt, dass im Jahr 2003 noch kein Personalaufwand anfiel, obwohl der Abschluss der Mietverträge für die WKA und teilweise auch deren Inbetriebnahme bereits im diesem Jahr erfolgten.
Im Übrigen war zu berücksichtigen, dass der Betrieb der Bioethanolanlage nach dem Gesellschaftsvertrag der V. KG und dem zugrunde liegenden Businessplan die Haupttätigkeit darstellt. Die Windkraft sollte insbesondere zu Vorteilen im Rahmen des § 2a Mineralölsteuergesetz –MineralölStG- führen, was auch Eingang in die Präambel des Mietvertrages vom 17. Dezember 2003 gefunden hat und aufgrund der Bezugnahme in § 2a MineralölStG auf die Herstellung „aus Biomasse“ nachvollziehbar ist. Dass die Menge des produzierten Stromes nach Angaben der Klägerin ca. 130 bis 150 von Hundert des für die Produktion von Bioethanol benötigten Stromes ausmacht, ändert daran nichts, da dies noch im Rahmen eines angemessenen Sicherheitszuschlags liegt.
Eine weitere Bestätigung für die hier vertretene Auffassung lässt sich der Rechtsprechung des BFH zur Anschaffung von Wirtschaftsgütern vor Betriebsbeginn entnehmen (BFH-Urteil vom 7. November 2000 III R 19/98, BStBl II 2001, 256 m. w. N.). Danach steht dem Steuerpflichtigen auch in dieser Konstellation ein Anspruch auf Investitionszulage zu, sofern der betreffende Betrieb zügig errichtet und alsbald eröffnet wird. Zwar ist hier bereits ein Zeitraum von einem Jahr kritisch (vgl. BFH-Urteil vom 11. März 1988 III R 113/82, BStBl II 1988, 636) und als entsprechender Betriebsbeginn dürfte im Streitfall nicht allein auf den Beginn der Haupttätigkeit, sondern bereits auf die Inbetriebnahme der WKA abzustellen sein. Es zeigt sich aber, dass im Rahmen der Gründung eines Unternehmens eine gewisse Anlaufphase zu gewähren ist. Hinzu kommt, dass nach Tz. 3.6 der WZ 2003 für die Zuordnung zu einem Wirtschaftszweig auf einen Zeitraum von zwei Jahren abzustellen ist, um häufige Änderungen der Klassifikation zu vermeiden. Daraus kann geschlossen werden, dass ein neu gegründetes Unternehmen wie die V. KG ab dem Beginn einzelner betrieblicher Tätigkeiten bis zu zwei Jahre Zeit hat, den ursprünglich geplanten Gesamtbetrieb zu erreichen, nach dem sich dann die Klassifikation des Wirtschaftszweigs richtet. Dies stellt auch keine ungerechtfertigte Begünstigung im Vergleich zum Strukturwandel dar, da es unter Berücksichtigung des Stabilitätskriteriums der WZ 2003 einen wesentlichen Unterschied macht, ob ein Unternehmen in der Gründungsphase seine ursprünglich geplanten Teilbereiche zeitversetzt beginnt oder ein ehemals in einem anderen Wirtschaftszweig tätiges Unternehmen seinen Betrieb umstellt.
Im Streitfall hat die V. KG innerhalb eines Zeitraums von 2 Jahren seit dem Beginn des Betriebs der ersten WKA im Dezember 2003 die Klassifikation als begünstigtes verarbeitendes Gewerbe in jedem Fall erreicht. Dieser Zeitraum von zwei Jahren ist im Streitfall im Übrigen schon deshalb gerechtfertigt, weil es um die Herstellung einer Großanlage ging, deren Fertigstellung sich durch technische Probleme verzögert hatte. Ob der erste Produktionsstart bereits im Oktober 2004 – so die Aussage der Klägerin in der mündlichen Verhandlung – oder erst im Dezember 2004 – so die eingereichten Schriftsätze - erfolgte, ist bei dieser Betrachtung unerheblich. Entsprechendes gilt für die Frage, ob nach der normalen Wertschöpfungsrechnung bereits mit Beginn der Volumenproduktion im März 2005 oder erst mit dem Erzielen der ersten Umsätze im September 2005 ein begünstigtes verarbeitendes Gewerbe vorlag.
b. Darüber hinaus geht auch der Beklagte mittlerweile zutreffend davon aus, dass die Produktionsunterbrechung der V. KG in den Jahren 2007 und 2008 unschädlich war. Zum einen konnte die Klägerin durch die Berechnungen in Anlage 5 zum Schreiben vom 27. Juli 2011 (Bl. 257 der Akten) nachweisen, dass auch in diesen Jahren sowohl die Wertschöpfung als auch die Umsätze im Bereich Bioethanol gegenüber der Wertschöpfung und den Umsätzen im Bereich Stromerzeugung überwogen. Zum anderen hat die Klägerin Unterlagen vorgelegt, die den Schluss zulassen, dass sie von Anfang an eine Wiederaufnahme der Produktion plante. Dies ergibt sich insbesondere aus dem Schreiben des Vorstandsvorsitzenden der Muttergesellschaft V.B.E. AG vom 15. August 2007 (Bl. 159 der Akten).
c. Weiterhin liegt bei der V. KG ein einheitlicher Mischbetrieb vor, der nicht in einen begünstigten Betrieb zur Herstellung von Bioethanol und einen nicht begünstigten Betrieb zur Erzeugung von Strom aufgeteilt werden kann. Dies folgt bereits daraus, dass Personengesellschaften auch investitionszulagenrechtlich nur einen einheitlichen Betrieb haben (BFH-Urteil vom 26. Januar 2006 III R 5/04, BStBl II 2006, 771). Dem entsprechend hat das BMF mit Schreiben vom 8. Juli 2010 (BStBl I 2010, 600) das anders lautende BMF-Schreiben vom 22. April 2005 (BStBl I 2005, 625) aufgehoben.
d. Schließlich verblieben die WKA ab dem Zeitpunkt ihrer Anschaffung bzw. Herstellung durchgehend im begünstigten Betrieb der V. KG. Zwar trat das Mietverhältnis nach Nr. 2 des Mietvertrages erst mit der Inbetriebnahme der WKA in Kraft. Es bestehen jedoch keine Anhaltspunkte, dass die WKA bereits zu einem früheren Zeitpunkt angeschafft bzw. hergestellt waren.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 135 Abs. 1, 136 Abs. 1 Sätze 1 und 3 FGO. Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 FGO sind nicht erkennbar.
4. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war nach § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO für notwendig zu erklären, da die Sach- und Rechtslage nicht so einfach ist, dass die Klägerin sich selbst vertreten konnte.