Gericht | VG Potsdam 2. Kammer | Entscheidungsdatum | 05.01.2012 | |
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Aktenzeichen | 2 L 849/11 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | Art 33 Abs 2 GG, § 20 Abs 3 Nr 3 LBG, Art 21 Abs 2 S 1 Verf BB |
1. Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt, den Beigeladenen in ein Amt der Besoldungsgruppe A 12 zu befördern, so lange nicht über den Antrag des Antragstellers auf Beförderung in der Beförderungsrunde 2011 bestandskräftig entschieden bzw. über seine Beförderung erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes entschieden worden ist.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.
2. Der Streitwert des Verfahrens wird auf 5.000 € festgesetzt.
Der Antrag des Antragstellers,
dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, eine der Beförderungsplanstellen der Besoldungsgruppe A 12 nicht vor Bestandskraft der Entscheidung über seinen Beförderungsantrag keinem anderen Bediensteten als ihm, dem Antragsteller, zu übertragen,
ist zulässig und begründet.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (so genannte Sicherungsanordnung), wobei ein Anordnungsgrund und ein Anordnungsanspruch in rechtlicher Hinsicht gegeben sein müssen und die dem Anordnungsgrund und dem Anordnungsanspruch zugrunde liegenden Tatsachen von dem Antragsteller glaubhaft zu machen sind, § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO).
Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Der Anordnungsgrund ergibt sich daraus, dass im Falle einer Beförderung des Beigeladenen die Stellenbesetzung nicht mehr rückgängig gemacht werden könnte und somit eine Vereitelung der Rechte des Antragstellers droht.
Dem Antragsteller steht auch der erforderliche Anordnungsanspruch zu. Hierfür reicht es aus, dass ein berücksichtigungsfähiger, glaubhaft gemachter Auswahlfehler vorliegt, der für die Auswahl potenziell kausal war, und die Erfolgsaussichten einer erneuten Auswahl offen sind.
Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 24. September 2002 - BvR 857/02 -, NVwZ 2003, 200, 201; BVerwG, Beschluss vom 20. Januar 2004 - 2 VR 3.03 -, Buchholz 310 § 123 VwGO Nr. 23 und Urteil vom 21. August 2003 - 2 C 14.02 -, BVerwGE 118, 370, 373.
Die von dem Antragsgegner getroffene Auswahlentscheidung ist bereits deshalb fehlerhaft, weil dieser den Antragsteller zu Unrecht nicht in das Feld der Beförderungsbewerber aufgenommen hat. Die von dem Antragsgegner herangezogene - vom Gesamtpersonalrat gebilligte – Festlegung des Polizeipräsidenten vom 3. November 2011, wonach Beförderungen nach Erreichen des ersten Beförderungsamtes grundsätzlich nur zulässig sind nach Ablauf von drei Jahren seit der letzten Beförderung, erweist sich als rechtlich nicht haltbar. Die hierdurch geregelte Wartezeit ist in Ansehung der verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht gerechtfertigt.
Art. 33 Abs. 2 des Grundgesetzes (GG) und Art. 21 Abs. 2 Satz 1 der Verfassung des Landes Brandenburg (VerfBbg) gewähren ein grundrechtsgleiches Recht auf gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung. Danach sind öffentliche Ämter nach Maßgabe des Leistungsgrundsatzes zu besetzen. Dementsprechend hat jeder Bewerber Anspruch auf ermessens- und beurteilungsfehlerfreie Einbeziehung in die Bewerberauswahl (sog. Bewerbungsverfahrensanspruch). Wenngleich hieraus kein Anspruch auf Verleihung eines höheren statusrechtlichen Amtes besteht, vielmehr die Entscheidung über die Beförderung eines Beamten im pflichtgemäßen Ermessen des Dienstherrn liegt, gibt Art. 33 Abs. 2 GG die entscheidenden Beurteilungsgesichtspunkte für die Bewerberauswahl zur Besetzung von öffentlichen Ämtern abschließend vor. Diese Auswahlentscheidungen können grundsätzlich nur auf Gesichtspunkte gestützt werden, die unmittelbar Eignung, Befähigung und fachliche Leistung der Bewerber betreffen. Anderen Gesichtspunkten darf nur Bedeutung beigemessen werden, wenn sich aus dem Vergleich anhand von unmittelbar leistungsbezogenen Gesichtspunkten kein Vorsprung von Bewerbern ergibt.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Oktober 2004 - 2 C 23.03 - Juris, Rn 13 m. w. N.
Belange, die nicht im Leistungsgrundsatz verankert sind, können bei der Bewerberauswahl zur Besetzung öffentlicher Ämter nur Berücksichtigung finden, wenn ihnen außerhalb von Art. 33 Abs. 2 GG Verfassungsrang eingeräumt ist. Soweit es nicht um die Abwendung einer unmittelbar drohenden Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der Verwaltung geht, also nur um Fragen des optimierenden Ausgleichs mit anderen verfassungsgeschützten Interessen, bedarf es zudem einer gesetzlichen Grundlage. Diese muss ihrerseits dem Zweck des Art. 33 Abs. 2 GG Rechnung tragen, d.h. ernsthaften Gefährdungen der Leistungsfähigkeit des öffentlichen Dienstes vorbeugen.
Vgl. BVerwG a. a. O., Rn 12, mit Hinweis auf BVerfG, Kammerbeschluss vom 2. April 1996 – 2 BvR 169/93 – NVwZ 1997, 54 <55>.
Hiernach ist die vom Antragsgegner herangezogene Wartezeit von drei Jahren seit der letzten Beförderung als Ausschlusskriterium nicht gerechtfertigt. Eine unmittelbar drohende Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der Verwaltung als Rechtfertigung der Regelung ist schlechterdings nicht zu erkennen, hierauf beruft sich auch der Antragsgegner nicht.
Vielmehr ist in Anwendung des Vorstehenden schon fraglich, ob in Ansehung der gesetzlichen Regelung des § 20 Abs. 3 Nr. 3 des Beamtengesetzes des Landes Brandenburg (LBG) vom 3. April 2009 (GVBl. I S. 26), zuletzt geändert durch Gesetz vom 11. März 2010 (GVBl. I Nr. 13), wonach vor einer erneuten Beförderung eine Mindestverweildauer im bislang erreichten Statusamt geregelt ist, eine Handhabung, die eine über die dort angeordnete Verweildauer hinausgehende Mindestdienstzeit im zuvor erreichten Statusamt fordert, nicht ebenfalls einer gesetzlichen Regelung bedarf.
Vgl. hierzu OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15. Oktober 2010 - OVG 6 S 3.10 -, Juris, Rn. 8.
Dies mag hier indes dahinstehen. Denn eine Beförderungspraxis, die Beförderungsaussichten von einer über die in § 20 Abs. 3 LBG angeordnete Mindestverweildauer hinausgehenden Zeit im zuvor erreichten Statusamt abhängig macht, ist jedenfalls nur dann mit dem Grundsatz der Bestenauslese aus Art. 33 Abs. 2 GG zu vereinbaren, wenn sie der sachgerechten Anwendung des Leistungsgrundsatzes dient. Eine „Wartezeit“ muss demgemäß geeignet und erforderlich sein, um eine zuverlässige Beurteilung des Leistungsvermögens und eine fundierte Prognose über die voraussichtliche Bewährung in einem höheren Amt zu ermöglichen,
vgl. OVG Berlin-Brandenburg, a. a. O., Rn. 8; BVerwG, a. a. O., Rn. 16.
Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass die von der Antragsgegnerin geforderte – für die verschiedenen Statusämter gleich lange – Wartezeit über drei Jahre geeignet und erforderlich ist, um eine zuverlässige Prognose über die voraussichtliche Bewährung im Beförderungsamt abzugeben.
Denn nach der im Bereich des Polizeipräsidiums praktizierten Stellenbewirtschaftung im Rahmen der sog. Topfwirtschaft nehmen eine Vielzahl von Beamten des gehobenen Polizeidienstes stets und über lange Zeiträume höherwertige – ihr Statusamt regelmäßig um mehrere Besoldungsgruppen übersteigende – Dienstposten wahr, deren Übertragung wie Beibehaltung zudem von einer Beförderung in der Regel gänzlich unabhängig ist. Dies offenbart die vom Antragsgegner vorgelegte Liste zum Ranking der Beförderungsbewerber der hier in Rede stehenden Beförderungsrunde (BA 1, Bl. 19) und ist im Übrigen der Kammer aus einer Vielzahl von Verwaltungsstreitverfahren zu Beförderungen und auch zu Zulagengewährungen nach § 46 des Bundesbesoldungsgesetzes bekannt.
Eine Mindestbewährungszeit seit der letzten Beförderung zur Absicherung einer in der Leistungsbeurteilung zum Ausdruck kommenden Prognose über die künftige Bewährung auf einem höherwertigen Dienstposten ist daher nicht erforderlich. Denn die Beamten werden – wie hier der Antragsteller – ganz regelmäßig in ihren Leistungen auf höherwertigen Dienstposten beurteilt. Der Umstand, dass die Anforderungen im niedrigeren Statusamt geringer sind, eine Beurteilung bei gleicher Leistung also besser ausfällt, kann durch entsprechend höhere Anforderungen an die in diesem Statusamt erzielten Noten ausgeglichen werden.
Der Antragsgegner hat mit der unterschiedslos geregelten grundsätzlichen Unzulässigkeit von Beförderungen innerhalb von drei Jahren seit der letzten Beförderung auch nicht etwa an Bewährungsgrundsätze angeknüpft, die vorangegangene Verwendungen voraussetzen und die damit ihrerseits mit bestimmten Dienstzeiten auf diesen Dienstposten verknüpft sind, und als solche den Charakter von Verwendungs- und Fördergrundsätzen haben und im Rahmen von Anforderungsprofilen Bedeutung erlangen können.
Vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 25. Oktober 2011 - 2 VR 4.11 -, Juris, Rn. 35.
Damit hat das vom Polizeipräsidenten in der Verfügung vom 3. November 2011 aufgestellte grundsätzliche Beförderungsverbot binnen drei Jahren nach der letzten Beförderung keinen anderen Gehalt als ein an das Dienstalter anknüpfendes Ausschlusskriterium. Als nicht unmittelbar leistungsbezogener Gesichtspunkt darf es damit indes nicht der Bewerberauswahl für eine Beförderungsstelle zugrunde gelegt werden. Das personalpolitische Interesse an ausgewogenen Altersstrukturen – das die hier fragliche Wartezeit verständlich machen könnte – hat keinen verfassungsrechtlichen Stellenwert, der eine Einschränkung des Leistungsgrundsatzes bei der Besetzung der Beförderungsämter einer Laufbahn rechtfertigen könnte. Ein ausgewogener Altersaufbau in den einzelnen Laufbahnen wird zwar in aller Regel personalpolitisch wünschenswert sein; er gehört jedoch nicht zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums, die durch Art. 33 Abs. 5 GG geschützt werden.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Oktober 2004, a. a. O., Rn. 19.
Da der Antragsteller aus Anlass eines Stellenbesetzungsverfahrens mit Vermerk vom 31. August 2011 die für ihn erstellte Beurteilung vom 27. April 2011 mit dem Gesamturteil von 9 Punkten bestätigt erhalten hat, damit besser beurteilt ist als der Beigeladene, zudem Eignungs- oder Befähigungsmängel nicht ersichtlich oder vorgetragen sind, sind die Erfolgsaussichten einer erneuten Auswahl unter Einbeziehung des Antragstellers zumindest offen, so dass dem Antrag stattzugeben ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und Abs. 3 VwGO; hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen entsprach es nicht der Billigkeit, diese Kosten dem Unterlegenen oder der Staatskasse aufzuerlegen, weil er sich mangels eigenen Antrags keinem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt hatte; § 162 Abs. 3 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 2 i. V. m. § 53 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes, wobei für die auf Freihaltung eines Beförderungsdienstpostens gerichtete Konkurrentenstreitigkeit der volle Auffangwert in Ansatz zu bringen ist.
Vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 6. Juni 2007 - 4 S 15.07 -, juris.