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Entscheidung 10 UF 63/10


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 2. Senat für Familiensachen Entscheidungsdatum 22.07.2010
Aktenzeichen 10 UF 63/10 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Fürstenwalde vom 8. März 2010 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 23. März 2010 wird auf ihre Kosten verworfen.

Der Beschwerdewert wird auf 3.870,00 € festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Ehe der beteiligten Eheleute wurde durch Urteil des Amtsgerichts vom 2.3.2009 (10 F 268/08) geschieden. Zugleich wurde die Folgesache über den Versorgungsausgleich gemäß § 628 ZPO a. F. abgetrennt. Mit Verfügung vom 14.9.2009 hat das Amtsgericht das Verfahren auf der Grundlage des VersAusglG fortgeführt und neue Auskünfte der Versorgungsträger eingeholt. Durch den angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht den Versorgungsausgleich durchgeführt. Wegen der Entscheidung im Einzelnen und der Begründung wird auf den Beschluss Bezug genommen. Auf Veranlassung des erkennenden Richters des Amtsgerichts ist der Beschluss den beteiligten Eheleuten persönlich und den Versorgungsträgern zugestellt worden.

Mit Schreiben vom 23.3.2010, noch am selben Tag beim Amtsgericht eingegangen, hat die Antragstellerin „Widerspruch“ gegen den Beschluss erhoben und die Auffassung vertreten, der Versorgungsausgleich dürfe nicht durchgeführt werden, da beide Eheleute auf die Durchführung durch Notarvereinbarung vom 20.10.2008 verzichtet hätten. Durch Verfügung vom 8.4.2010 hat das Amtsgericht die Beteiligten wie auch die Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin aus dem Scheidungsverfahren 10 F 268/08 darauf hingewiesen, dass nach Auffassung der Familiensenate des Brandenburgischen Oberlandesgerichts das Vertretungsverhältnis der Antragstellerin zu ihrer Verfahrensbevollmächtigten aus dem Scheidungsverfahren wohl fortbestehe, sodass mangels Zustellung an die Verfahrensbevollmächtigte die Beschwerdefrist noch nicht zu laufen begonnen habe. Der Notarvertrag vom 20.10.2008 führe auf der Grundlage des anzuwendenden VersAusglG zum Ausschluss des Versorgungsausgleichs, sodass der angefochtene Beschluss vom 8.3.2010 wohl unzutreffend sei, dieser Fehler aber vom Amtsgericht nicht mehr geheilt werden könne. Alsdann ist die Akte dem Senat vorgelegt worden.

Durch Verfügung vom 11.5.2010 hat der Senat darauf hingewiesen, dass das Rechtsmittel der Antragstellerin, weil nicht von einem Anwalt eingelegt, unzulässig sein dürfte, die Beschwerdefrist aber erst durch die förmliche Zustellung der Beschlüsse an die Verfahrensbevollmächtigte der Antragsstellerin in Lauf gesetzt werde. Zugleich hat der Senat die Zustellung des angefochtenen Beschlusses vom 8.3.2010 und des Berichtigungsbeschlusses vom 23.3.2010 an die Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin veranlasst. Ausweislich der bei den Akten befindlichen Empfangsbekenntnisse sind die Beschlüsse der Verfahrensbevollmächtigten am 31.5.2010 zugestellt worden. Eine Reaktion der Beteiligten auf die Verfügung des Senats ist nicht erfolgt.

II.

Das als „Widerspruch“ bezeichnete Schreiben der Antragstellerin vom 23.3.2010 ist als Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 8.3.2010 anzusehen. Das Rechtsmittel ist als unzulässig zu verwerfen, da es nicht durch einen Rechtsanwalt eingelegt worden ist.

Gemäß Art. 111 Abs. 4 Satz 1 FGG-RG sind auf Verfahren über den Versorgungsausgleich, die am 1.9.2009 vom Verbund abgetrennt sind oder nach dem 1.9.2009 abgetrennt werden, die nach Inkrafttreten des FGG-RG geltenden Vorschriften anzuwenden. Das Verfahrensrecht bestimmt sich vorliegend im Hinblick auf die unter dem 2.3.2009 erfolgte Abtrennung nach dem FamFG. Dies hat vorliegend zur Folge, dass sich die beteiligten Eheleute durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen müssen. In Versorgungsausgleichssachen gemäß § 111 Nr. 7 FamFG besteht ein Anwaltszwang allerdings nur dann, wenn der Versorgungsausgleich Folgesache im Scheidungsverbund ist, § 114 Abs. 1 FamFG, während im isolierten Versorgungsausgleichsverfahren eine Vertretung durch Rechtsanwälte nicht geboten ist, § 10 Abs. 1 FamFG (vgl. Verfahrenshandbuch Familiensachen - FamVerf -/Weidemann, 2. Aufl., § 6, Rz. 13 f.). Vorliegend ist das Verfahren über den Versorgungsausgleich aber als Folgesache anzusehen, sodass Anwaltszwang gilt.

Allerdings bestimmt Art. 111 Abs. 4 Satz 2 FGG-RG, dass alle vom Verbund abgetrennten Folgesachen im Falle des Art. 111 Abs. 4 Satz 1 FGG-RG als selbstständige Familiensachen fortgeführt werden. Die Fortführung als selbstständige Familiensache bedeutet aber nicht, dass der abgetrennte Versorgungsausgleich seinen Charakter als Folgesache verliert, also in vollem Umfang wie eine isolierte Versorgungsausgleichssache zu behandeln wäre (a. A. OLG Naumburg, Beschluss vom 4.3.2010 - 8 WF 33/10 -, bei Juris; Keske, FPR 2010, 78, 85; Kemper, FPR 2010, 69, 73; N. Schneider, AGS 2009, 517, 518; Götsche, FamRB 2009, 317, 320 sowie FamRZ 2009, 2047, 2051 f.; siehe zum Meinungsstand auch Götsche, FamRB 2010, 218, 221 f.). Die Begriffe einer selbstständigen Familiensache der §§ 623 Abs. 2 Satz 4, 626, 629 Abs. 3 Satz 2 ZPO a. F. einerseits und des Art. 111 Abs. 4 Satz 2 FGG-RG andererseits sind nicht deckungsgleich (vgl. näher Schael, FamFR 2010, 1 ff.). Nach dem 1.9.2009 im Anschluss an eine Abtrennung fortgeführte Verfahren über den Versorgungsausgleich bleiben Folgesachen. Der Satz, dass alle vom Verbund abgetrennten Verfahren als selbstständige Familiensachen fortgeführt werden, soll (allein) der Klarstellung dienen, dass neues Verfahrensrecht in Verfahren über den Versorgungsausgleich unter den Voraussetzungen von Art. 111 Abs. 4 Satz 1 FGG-RG auch dann gilt, wenn die Versorgungsausgleichsfolgesache gemeinsam mit weiteren Folgesachen aus dem Verbund herausgelöst wird (Schael, a. a. O.). Alle abgetrennten Folgesachen werden zu selbstständigen Verfahren und stehen zueinander nicht im Zusammenhang eines Restverbundes. Wie sich aus den Gesetzesmaterialien (BT-Drs. 16/11903, S. 62) ergibt, wollte der Gesetzgeber mit Art. 111 Abs. 4 Satz 2 FGG-RG lediglich erreichen, dass alle abgetrennten Folgesachen einschließlich derjenigen über den Versorgungsausgleich als voneinander unabhängige Verfahren fortgeführt werden, ohne ihre Eigenschaft als Folgesache zu verlieren (vgl. OLG Brandenburg, 3. Senat für Familiensachen, Beschluss vom 12.5.2010 - 15 WF 125/10 -, BeckRS 2010, 12598; FamVerf/Schael, § 6, Rz. 30; Wick, FuR 2010, 301, 302; so auch das Protokoll der Bund-Länder-Besprechung über erste Praxiserfahrungen mit dem FamFG am 20.10.2009 im BMJ, II.3 b, abgedruckt bei Schael, FamFR 2010, 1, 4).

Nach alldem hat vorliegend das Verfahren über den Versorgungsausgleich durch die Abtrennung im Scheidungsurteil vom 2.3.2009 seinen Charakter als Folgesache nicht verloren. Mithin gilt nach § 114 Abs. 1 FamFG Anwaltszwang. Das Rechtsmittel der Antragstellerin ist daher, nachdem ihr rechtliches Gehör gewährt worden ist, gemäß § 68 Abs. 2 Satz 2 ZPO als unzulässig zu verwerfen. Beschwerde durch einen Rechtsanwalt ist nach der wirksamen Zustellung des angefochtenen Beschlusses vom 31.5.2010 nicht eingelegt worden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.

Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 70 Abs. 1, 2 FamFG zuzulassen, da, wie ausgeführt, hinsichtlich der Auslegung von Art. 111 Abs. 4 Satz 2 FGG-RG unterschiedliche Auffassungen vertreten werden und diese Rechtsfrage gerade im Hinblick auf die vielfach erfolgten Abtrennungen des Versorgungsausgleichs nach § 2 Abs. 1 Satz 2 VAÜG i. V. m. § 628 ZPO a. F. grundsätzliche Bedeutung hat. Der Zulassung der Rechtsbeschwerde bedarf es, da ein Verwerfungsbeschluss, abgesehen von den Familienstreitsachen, vgl. § 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG i. V. m. § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO, nicht ohne weiteres, sondern nur noch nach Zulassung durch das Beschwerdegericht mit der Rechtsbeschwerde anfechtbar ist.