Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 2. Senat | Entscheidungsdatum | 02.05.2013 | |
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Aktenzeichen | OVG 2 A 10.12 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 47 Abs 2 S 1 VwGO, § 9 Abs 1 Nr 20 BauGB, § 9 Abs 1 Nr 25 BauGB, § 14 BauGB |
Es wird festgestellt, dass die von der Antragsgegnerin am 14. April 2008 beschlossene Satzung über die Veränderungssperre für den Bereich des Bebauungsplans „Regionaler Landschaftszug Gemarkung Niebel und Niebelhorst und der Gemarkung ‚Der Grebbin‘, der Gemarkung ‚Niebelhorst-Wegeeck‘, der Gemarkung ‚Der Grabow‘ zur Gestaltung und Sicherung von Schutzgütern“ in Treuenbrietzen, bekannt gemacht im Amtsblatt für die Stadt Treuenbrietzen mit den Ortsteilen: Bardenitz, Brachwitz, Dietersdorf, Feldheim, Frohnsdorf, Lobbese, Lühsdorf, Marzahna, Niebel, Niebelhorst und Rietz und Treuenbrietzener Nachrichten vom 17. Mai 2008 und vom 21. Juni 2008, unwirksam war.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gegenstand des Normenkontrollverfahrens ist die Satzung über die Veränderungssperre für den Bereich des Bebauungsplans „Regionaler Landschaftszug Gemarkung Niebel und Niebelhorst und der Gemarkung ‚Der Grebbin‘, der Gemarkung ‚Niebelhorst-Wegeeck‘, der Gemarkung ‚Der Grabow‘ zur Gestaltung und Sicherung von Schutzgütern“ in Treuenbrietzen.
Die Antragstellerin beabsichtigte die Errichtung einer Schweinemastanlage auf dem im räumlichen Geltungsbereich der Veränderungssperre belegenen Grundstück Flur 2, Flurstück 212 der Gemarkung N..., auf dem sich noch die Stallgebäude einer ehemaligen Rinderhaltungsanlage befinden. Am 28. Februar 2007 stellte sie beim damaligen Landesumweltamt Brandenburg einen entsprechenden Genehmigungsantrag.
Die Stadtverordnetenversammlung der Antragsgegnerin fasste am 14. April 2008 den Beschluss zur Aufstellung eines Bebauungsplanes „Regionaler Landschaftszug Gemarkung Niebel und Niebelhorst und der Gemarkung ‚Der Grebbin‘, der Gemarkung ‚Niebelhorst-Wegeeck‘, der Gemarkung ‚Der Grabow‘ zur Gestaltung und Sicherung von Schutzgütern“. In derselben Sitzung beschloss sie die verfahrensgegenständliche Satzung über die Veränderungssperre. Der Aufstellungsbeschluss wurde im Amtsblatt der Antragsgegnerin, dem „Amtsblatt für die Stadt Treuenbrietzen mit den Ortsteilen: Bardenitz, Brachwitz, Dietersdorf, Feldheim, Frohnsdorf, Lobbese, Lühsdorf, Marzahna, Niebel, Niebelhorst und Rietz und Treuenbrietzener Nachrichten“, vom 17. Mai 2008 bekannt gemacht. Die Bekanntmachung der Satzung erfolgte im selben Amtsblatt sowie erneut im Amtsblatt vom 21. Juni 2008. Mit Bescheid vom 1. September 2009 lehnte das Landesumweltamt den Genehmigungsantrag für die Errichtung der Schweinemastanlage wegen der Veränderungssperre ab. Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies das Landesumweltamt mit Widerspruchsbescheid vom 6. Mai 2010 unter Berufung auf eine von der Antragsgegnerin am 18. Februar 2010 beschlossene weitere Veränderungssperre, die Gegenstand des beim Senat anhängigen, unter dem Aktenzeichen OVG 2 A 9.10 geführten Normenkontrollverfahrens ist, zurück. Dagegen hat die Antragsstellerin beim Verwaltungsgericht Potsdam Klage erhoben, über die noch nicht entschieden ist.
Am 15. Mai 2009 stellte die Antragstellerin gegen die Veränderungssperre einen Normenkontrollantrag. Nachdem der Senat die Veränderungssperre auf Antrag der Antragstellerin mit Beschluss vom 19. Januar 2010 – OVG 2 S 69.09 – gemäß § 47 Abs. 6 VwGO vorläufig außer Vollzug gesetzt hatte, hob die Antragsgegnerin die Satzung über die Veränderungssperre mit Satzung vom 18. Februar 2010, bekannt gemacht im Amtsblatt vom 27. März 2010 sowie erneut im Amtsblatt vom 26. Januar 2011 auf. Daraufhin stellte die Antragstellerin ihren Antrag um. Zur Begründung führt sie aus, sie beabsichtige, gegen die Antragsgegnerin Amtshaftungsansprüche geltend zu machen. Sie hat ein Gutachten über den ihr durch eine Verzögerung der Inbetriebnahme der Schweinemastanlage entstandenen Gewinnausfall vorgelegt. Der Schaden sei nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG ersatzfähig, da die Veränderungssperre rechtswidrig gewesen sei. Insoweit beruft sich die Antragstellerin auf ihr Vorbringen im Verfahren OVG 2 S 69.09.
Die Antragstellerin beantragt,
festzustellen, dass die von der Antragsgegnerin am 14. April 2008 beschlossene Satzung über die Veränderungssperre für den Bereich des Bebauungsplans „Regionaler Landschaftszug Gemarkung Niebel und Niebelhorst und der Gemarkung ‚Der Grebbin‘, der Gemarkung ‚Niebelhorst-Wegeeck‘, der Gemarkung ‚Der Grabow‘ zur Gestaltung und Sicherung von Schutzgütern“ in Treuenbrietzen, bekannt gemacht im Amtsblatt der Antragsgegnerin vom 17. Mai 2008 sowie im Amtsblatt der Antragsgegnerin vom 21. Juni 2008 unwirksam war.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie macht geltend, der Antragstellerin fehle ein berechtigtes Interesse an der beantragten Feststellung. Die in der Rechtsprechung anerkannten Voraussetzungen für die Zulässigkeit eines Normenkontrollantrags gegen eine bereits aufgehobene Rechtsnorm lägen nicht vor, denn weder seien in der Vergangenheit liegende Sachverhalte noch nach der Veränderungssperre zu entscheiden, noch sei die Veränderungssperre auf kurzfristige Geltung angelegt gewesen. Vielmehr sei sie nach Stellung des Normenkontrollantrags von der Antragsgegnerin aufgehoben worden. Darüber hinaus habe die Antragstellerin kein berechtigtes Interesse an der beantragten Feststellung. Ein mit der präjudiziellen Wirkung für in Aussicht genommene Entschädigungs- und Ersatzansprüche begründetes Feststellungsinteresse bestehe nicht, wenn die Normenkontrolle der Vorbereitung einer Klage diene, die offensichtlich aussichtslos sei. Das sei hier der Fall. Die Antragstellerin habe weder behauptet noch unter Beweis gestellt, dass die Veränderungssperre kausal für die Versagung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung gewesen sei. Es existiere eine Vielzahl von Versagungsgründen. Insoweit bezieht sich die Antragsgegnerin auf die Niederschrift eines im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren durchgeführten Erörterungstermins. Darüber hinaus habe sie mit Datum vom 18. Februar 2010 eine neue Veränderungssperre erlassen. Schadensersatzansprüche seien daher unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt denkbar. Zur Rechtmäßigkeit der Veränderungssperre verweist die Antragsgegnerin auf ihr Vorbringen im Verfahren OVG 2 S 69.09.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streitakte, die Streitakte im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes – OVG 2 S 69.09 – und auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge sowie hinsichtlich der am 18. Februar 2010 beschlossenen weiteren Veränderungssperre auf die Streitakten des Verfahrens OVG 2 A 9.10 mit Stand vom 2. Mai 2013, die Streitakten der Verfahren OVG 2 S 34.10 und OVG 2 S 17.11 sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Der Antrag hat Erfolg.
1. Er ist mit dem von der Antragstellerin gestellten Feststellungsantrag zulässig.
a) Die einjährige Antragsfrist (§ 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO) ist durch den am 15. Mai 2009 gestellten Normenkontrollantrag gewahrt.
b) Die Antragstellerin ist im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO antragsbefugt. Danach kann einen Normenkontrollantrag stellen, wer geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in seinen Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden.
Im vorliegenden Verfahren genügt für die Antragsbefugnis, dass die Antragstellerin für ihr Vorhaben, auf dem im Geltungsbereich der Veränderungssperre liegenden Grundstück Flur 2, Flurstück 212 der Gemarkung N... eine Schweinemastanlage zu errichten, einen immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsantrag gestellt hat, der wegen der Veränderungssperre abgelehnt worden ist (vgl. ähnlich in Bezug auf Windkraftanlagen BVerwG, Beschluss vom 18. Juni 2012 – 4 BN 37.11 –, juris Rn. 3; Urteil vom 19. Februar 2004 – 4 CN 13.03 –, juris Rn. 10; Urteil des Senats vom 21. Februar 2013 – OVG 2 A 11.12 –, UA S. 7). Die Antragstellerin hat mit dem von ihr vorgelegten Kaufvertrag hinreichend belegt, dass sie die gesicherte zivilrechtliche Möglichkeit hatte, zu gegebener Zeit das Grundstück für das Vorhaben zu nutzen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. Juni 2012, a.a.O., juris Rn. 3 unter Bezugnahme auf sein Urteil vom 17. Januar 2001 – 6 CN 4.00 –, juris Rn. 15). Dass dieser Vertrag nach der in § 3 geregelten aufschiebenden Bedingung erst mit der Erteilung einer Genehmigung für die Errichtung einer Schweinemastanlage wirksam werden sollte, ist unschädlich, denn für die Möglichkeit einer Rechtsverletzung durch die Veränderungssperre reicht es aus, wenn die Einräumung eines zivilrechtlichen Nutzungsrechts für einen späteren Zeitpunkt vereinbart wird, in dem die für das Vorhaben erforderlichen Genehmigungen vorliegen. Das ist mit dem vorliegenden Kaufvertrag geschehen.
c) Der Zulässigkeit des Antrags steht nicht entgegen, dass die Veränderungssperre im Laufe des Normenkontrollverfahrens außer Kraft getreten ist.
aa) In der Rechtsprechung ist geklärt, dass ein Normenkontrollantrag auch gegen eine bereits außer Kraft getretene oder aufgehobene Rechtsnorm zulässig sein kann, wenn in der Vergangenheit liegende Sachverhalte noch nach ihr zu entscheiden sind oder während des Normenkontrollverfahrens eine auf kurzfristige Geltung angelegte Norm etwa wegen Zeitablaufs außer Kraft getreten ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Juni 2001 – 6 CN 1.01 –, juris Rn. 10; Urteil des Senats vom 24. Januar 2007 – OVG 2 A 17.05 –, juris Rn. 14). Letzteres betrifft den Fall, dass eine Veränderungssperre während der Anhängigkeit eines zulässigen Normenkontrollantrags außer Kraft tritt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 2. September 1983 – 4 N 1.83 –, BVerwGE 68,12, juris Rn. 8; Beschluss vom 26. Mai 2005 – 4 BN 22.05 –, juris Rn. 5; vgl. ferner BayVGH, Urteile vom 21. Dezember 2012 – 2 N 10.230 –, juris Rn. 18, und vom 26. Mai 2009 – 1 N 08.2636 –, juris Rn. 29; Nds. OVG, Urteil vom 28. Januar 2010 – 12 KN 65.07 –, juris Rn. 29; OVG Mecklenbg.-Vorpomm., Urteil vom 30. Januar 2008 – 3 K 32.03 –, Rn. 43). Ob die Veränderungssperre durch Ablauf ihrer Geltungsdauer (§ 17 Abs. 1 Satz 1 BauGB) oder durch Aufhebung, d.h. im vorliegenden Fall mit der am 18. Februar 2010 beschlossenen, erstmals im Amtsblatt der Antragsgegnerin vom 27. März 2010 bekannt gemachten Aufhebungssatzung, außer Kraft getreten ist, ist dabei unerheblich.
bb) Die Zulässigkeit eines Normenkontrollantrages entfällt nach Außerkrafttreten einer Veränderungssperre allerdings nur dann nicht, wenn der Antragsteller ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat, dass die Satzung unwirksam war. Ein solches Interesse kann sich daraus ergeben, dass die Feststellung präjudizielle Wirkungen für die Frage der Rechtmäßigkeit eines auf die Norm gestützten Verhaltens und damit für in Aussicht genommene Entschädigungs- oder Schadensersatzansprüche haben kann. Das Oberverwaltungsgericht hat bei der insoweit gebotenen Prüfung nicht in eine eingehende Untersuchung der beabsichtigten Entschädigungs- oder Schadensersatzklage einzutreten. Dies ist vielmehr Sache des mit der etwaigen Klage angerufenen Zivilgerichts. Ein berechtigtes Interesse an der beantragten Feststellung besteht nur dann nicht, wenn sie der Vorbereitung einer Klage dient, die offensichtlich aussichtslos ist. Nur wenn für das Oberverwaltungsgericht auf der Hand liegt, dass eine nachfolgende Klage unter jedem in Betracht kommenden Gesichtspunkt aussichtslos ist, fehlt für die begehrte Feststellung das berechtigte Interesse (vgl. BVerwG, Beschluss vom 2. September 1983, a.a.O., Rn. 11 f.; Beschluss vom 26. Mai 2005, a.a.O., Rn. 5).
Hieran gemessen hat die Antragstellerin im Hinblick auf die von ihr beabsichtigte Geltendmachung von Amtshaftungsansprüchen ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung. Soweit die Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung eingewandt hat, Amtshaftungsansprüche schieden mangels einer drittbezogenen Amtspflicht aus, ist dies angesichts anderslautender Meinungen in der Literatur (vgl. m.w.N. etwa Schenke, Wirtschaft und Verwaltung 1994, S. 253, 342; ferner Hager/Kirchberg, NVwZ 2002, S. 538, 541) nicht offensichtlich und muss daher der Beurteilung in dem zivilgerichtlichen Klageverfahren vorbehalten bleiben. Dahinstehen kann unter diesen Umständen, ob daneben ein Anspruch aus enteignungsgleichem Eingriff in Betracht kommt (vgl. Hager/Kirchberg, a.a.O., S. 541 f.; Schenke, a.a.O., S. 352 ff.). Dass die beabsichtigte Schadensersatz- bzw. Entschädigungsklage, wie die Antragsgegnerin weiter geltend macht, wegen fehlender Kausalität der Veränderungssperre für den geltend gemachten Gewinnausfall aussichtslos wäre, ist ebenfalls nicht offensichtlich. Die Antragsgegnerin hat hinsichtlich möglicher Versagungsgründe lediglich „zur Illustrierung“ auf die nach der Niederschrift des Erörterungstermins im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren erhobenen Einwendungen verwiesen. Ohne eine im vorliegenden Verfahren nicht gebotene vertiefte Prüfung ergibt sich daraus jedoch nicht, dass die Anlage nicht genehmigungsfähig gewesen wäre. Das ist auch sonst nicht offensichtlich, zumal der Versagungsbescheid des Landesumweltamtes sowie der nachfolgende Widerspruchsbescheid allein mit den von der Antragsgegnerin erlassenen Veränderungssperren begründet wurden. Dass die Antragsgegnerin am 18. Februar 2010 eine neue Veränderungssperre beschlossen hat, steht dem berechtigten Interesse an der Feststellung der Unwirksamkeit der im vorliegenden Verfahren gegenständlichen Veränderungssperre ebenfalls nicht entgegen, da sich aus der späteren Veränderungssperre allenfalls eine Unzulässigkeit des Vorhabens für einen späteren Zeitraum ergibt.
2. Der Antrag ist begründet. Die Veränderungssperre war von Anfang an unwirksam, da der künftige Inhalt des zu sichernden Bebauungsplans im Zeitpunkt ihres Erlasses nicht in dem erforderlichen Mindestmaß konkretisiert und absehbar war.
Der Senat hat dazu in seinem im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ergangenen Beschluss vom 19. Januar 2010 – OVG 2 S 69.09 – folgendes ausgeführt:
„Eine Veränderungssperre darf nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erst erlassen werden, wenn die Planung, die sie sichern soll, ein Mindestmaß dessen erkennen lässt, was Inhalt des zu erwartenden Bebauungsplans sein soll. Wesentlich ist dabei, dass die Gemeinde bereits positive Vorstellungen über den Inhalt des Bebauungsplans entwickelt hat. Eine Negativplanung, die sich darin erschöpft, einzelne Vorhaben auszuschließen, reicht nicht aus. Denn wenn Vorstellungen über die angestrebte Art der baulichen Nutzung der betroffenen Grundstücke fehlen, ist der Inhalt des zu erwartenden Bebauungsplans noch offen. Die nachteiligen Wirkungen der Veränderungssperre wären – auch vor dem Hintergrund des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG – nicht erträglich, wenn sie zur Sicherung einer Planung dienen sollte, die sich in ihrem Inhalt noch in keiner Weise absehen lässt. Ein Mindestmaß an konkreter planerischer Vorstellung gehört auch zur Konzeption des § 14 BauGB. Nach seinem Absatz 2 Satz 1 kann eine Ausnahme von der Veränderungssperre zugelassen werden, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen. Ob der praktisch wichtigste Belang, nämlich die Vereinbarkeit des Vorhabens mit der beabsichtigten Planung, beeinträchtigt ist, kann aber nur beurteilt werden, wenn die planerischen Vorstellungen der Gemeinde nicht völlig offen sind (vgl. etwa BVerwG Urteil vom 19. Februar 2004 – 4 CN 16.03 –, BVerwGE 120, 138, sowie Urteil vom selben Tage – 4 CN 13.03 –, NVwZ 2004, S. 984, jeweils m.w.N.).
Diese Voraussetzungen liegen hier offensichtlich nicht vor, denn die Antragsgegnerin besitzt nach den von ihr vorgelegten Satzungsunterlagen noch keine hinreichend konkreten Vorstellungen über die im Gebiet des Bebauungsplans angestrebte Art der baulichen Nutzung.
Der durch die Veränderungssperre zu sichernde Bebauungsplan soll nach seiner Bezeichnung der ‚Gestaltung und Sicherung von Schutzgütern‘ dienen. Nach der Beschlussvorlage für die Veränderungssperre soll ‚besonderes Augenmerk auf der Sicherung des Landschaftsbildes und der Stärkung des Erholungswerts unter Einsatz von grünordnerischen Maßnahmen und dem Anlegen von Wegen und Straßen sowie deren Einbindung in den Naturraum des Außenbereichs unter Berücksichtigung der innerörtlichen und überörtlichen Erschließungsfunktion‘ liegen. Die Antragsgegnerin will damit ‚auch eine dem Wohl der Allgemeinheit dienende Bodennutzung und den Erhalt des Landschaftsbildes ermöglichen‘. Durch den Regionalplan seien ‚zentralräumliche Ziele formuliert, die es mit dem Bebauungsplan, begründet durch einen hohen Nachfragebedarf im Innen- und Außenbereich, zu untersetzen‘ gelte. Im Plangebiet befänden sich ‚hinreichende Schutzgüter in der Nähe der Bebauung und im unmittelbaren und mittelbaren Außenbereich in unterschiedlichster Art und Ausprägung, die unterschiedliche Empfindungen und Wirkungen auf die Umwelt und die bewohnten Ortsteile‘ ausstrahlten. Aus diesem Grunde solle ‚gerade im Hinblick auf das Schutzgut Mensch, im Einklang mit der Natur, eine nachhaltige Vorsorge getroffen‘ werden. In der Beschlussvorlage wird weiter ausgeführt, es sollten ‚Planungen und Nutzungsregelungen, hier Festsetzung zu Maßnahmen und Flächen für Maßnahmen zum Schutz und zur Pflege und zur Entwicklung von Natur und Landschaft gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 20, 25 BauGB getroffen werden‘. Die Antragsgegnerin wolle diese Maßnahmen ‚mittel- und langfristig umsetzen, um das Landschaftsbild aufzuwerten (z.B. Anlage von linearen Pflanzstrukturen)‘ und ‚die Erholungseigenschaften des Gebiets zu erhöhen (zusätzliche Ausweisung von Rad- und Wanderwegen)‘; ferner gehe es um die ‚Anlage von Wegen und Straßen sowie deren Einbindung in den Naturraum des Außenbereichs unter Berücksichtigung der innerörtlichen und überörtlichen Erschließungsfunktion‘ und darum, ‚dem Schutz der Fauna mehr Rechnung zu tragen‘. Neben den grünordnerischen Festsetzungen sollten ‚zusätzlich Festsetzungen hinsichtlich Verkehrsflächen besonderer Zweckbestimmung‘ getroffen werden.
Diese Ausführungen lassen kein hinreichend konkretes Planungskonzept erkennen. Die dargelegten Schutzziele und die zu ihrer Umsetzung erwogenen Maßnahmen lassen offen, welche Nutzungsarten die Antragsgegnerin im Plangebiet insgesamt anstrebt. Soweit einzelne Festsetzungen im Sinne von § 9 Abs. 1 BauGB angesprochen werden, bleiben diese sowohl in ihrer räumlichen Zuordnung als auch in ihren Auswirkungen auf andere, ihnen möglicherweise widersprechende Nutzungsansprüche unbestimmt. Zudem ist eine Gliederung des Bebauungsplangebiets in Bereiche unterschiedlicher Nutzung nicht einmal ansatzweise erkennbar. Insoweit wäre aber ein Mindestmaß an räumlicher Strukturierung geboten gewesen, da der Bebauungsplan sich nicht lediglich – wie sonst häufig – auf ein einzelnes Baugebiet mit einer bestimmten Nutzungsart beschränkt, sondern mit den beiden Ortsteilen Niebel und Niebelhorst sowie den sie umgebenden Außenbereichsflächen, ein deutlich größeres Plangebiet umfasst (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 19. Februar 2004 – 4 CN 13.03 –, a.a.O.). Wie der Karte zum räumlichen Geltungsbereich der Veränderungssperre entnommen werden kann, sind in diesem Gebiet gegenwärtig unterschiedliche Nutzungsarten vertreten. So befinden sich im Plangebiet neben der geschlossenen Ortslage beider Ortsteile auch Wald- und Wiesengebiete sowie andere Grünflachen. Wie diese Gebiete künftig beplant werden sollen und in welchen Bereichen die angestrebten Festsetzungen nach § 9 Abs. 1 Nrn. 20 und 25 BauGB zum Zuge kommen sollen, ist noch in keiner Weise absehbar. Ohne Erfolg verteidigt die Antragsgegnerin die Veränderungssperre damit, es müsse dem weiteren Planungsverfahren vorbehalten bleiben, an welchem Ort die unterschiedlichen Nutzungsarten unter gerechter Abwägung der öffentlichen mit den privaten Belangen ausgewiesen werden sollen. Richtig ist zwar, dass ein für den Erlass einer Veränderungssperre ausreichendes Planungskonzept nicht voraussetzt, dass die künftige Nutzungsart bereits parzellenscharf für sämtliche Grundstücke feststeht. Hier werden aber auch die dargelegten, weitaus geringeren Konkretisierungsanforderungen nicht erfüllt, da für die betroffenen Grundstückseigentümer nicht einmal annähernd zu erkennen ist, welchen Inhalt die Bauleitplanung für einzelne Teilbereiche des Plangebiets nach dem zugrundegelegten Planungskonzept haben soll (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 19. Februar 2004 – 4 CN 13.03 –, a.a.O.).“
Der Senat hält an diesen Ausführungen nach erneuter Prüfung fest und verweist darauf, nachdem die Antragsgegnerin im vorliegenden Verfahren nichts vorgetragen hat, was die zugrundegelegten Maßstäbe in Frage stellen oder sonst eine andere Beurteilung rechtfertigen könnte.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit § 709 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.