Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 1. Senat | Entscheidungsdatum | 03.11.2010 | |
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Aktenzeichen | OVG 1 B 26.08 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | Art 3 Abs 1 GG, Art 87f GG, Art 143b Abs 1 GG, Art 143b Abs 2 GG, § 68 Abs 1 S 1 TKG, § 3 Nr 26 TKG, § 78 Abs 2 Nr 4 TKG, § 78 Abs 2 Nr 5 TKG, § 11 Abs 1 StrG BE, § 11 Abs 9 StrG BE, § 1 Abs 1 S 1 SoGebV BE, Anl 1 Tarifst 4.7 SoGebV BE |
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Die Klägerin betreibt öffentliche Telefonstellen auf öffentlichem Straßenland im Bezirk Tempelhof-Schöneberg von Berlin; sie wendet sich gegen die Heranziehung zu Sondernutzungsgebühren.
Mit Sondernutzungsgebührenbescheid vom 3. Juli 2007 setzte das Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg für 22 (ab Oktober 2006: 21) von der Klägerin betriebene Telefonhauben Sondernutzungsgebühren auf der Grundlage der Sondernutzungsgebührenverordnung vom 12. Juni 2006 in Höhe von 790 Euro/Monat für die Zeit Juli bis September 2006 und in Höhe von 760 Euro/Monat für die Zeit ab Oktober 2006 fest. Ihren hiergegen erhobenen Widerspruch begründete die Klägerin im Wesentlichen damit, dass sie sich gegenüber der Beigeladenen, der Deutschen Telekom AG, ungerechtfertigt benachteiligt sehe.
Die Beigeladene hatte durch öffentlich-rechtlichen Vertrag mit dem Land Berlin vom 7. Juli 1999 ihre am 31. Dezember 1998 an 2620 Standorten vorhandenen mindestens 3639 öffentlichen Telekommunikationsstellen gegen ein pauschales jährliches Entgelt von 125.000 DM (entspricht 63.911,48 Euro) genehmigt erhalten. Die Beigeladene verpflichtete sich in dem Vertrag, bei einer Reduzierung der Standorte aus wirtschaftlichen Gründen die Standortwahl so festzulegen, dass der Abstand zwischen den verbleibenden Standorten nicht mehr als 2,5 km beträgt (§ 1 Abs. 2), die Telekommunikationsstellen auf eigene Kosten stets in ordnungsgemäßem und sauberem Zustand zu erhalten und beschädigte oder zerstörte Telekommunikationsstellen unverzüglich wiederherzustellen (§ 2 Abs. 3) sowie alle Telekommunikationsstellen kostenfrei mit einer Notruffunktion und -kennung auszustatten (§ 1 Abs. 4). Die Beigeladene ist ferner berechtigt, geeignete Flächen der Telekommunikationsstellen für Benutzerhinweise und Eigenwerbung zu nutzen (§ 2 Abs. 4 Satz 1). Außerdem verpflichtete sich das Land Berlin, im Umkreis der Standorte der Beigeladenen von 30 m anderen Firmen keine gleichartigen Sondernutzungen zu erlauben (§ 1 Abs. 6). Der Vertrag wurde für die Dauer von zehn Jahren geschlossen. Er verlängert sich um jeweils ein Jahr, falls er nicht spätestens ein halbes Jahr vor Ablauf schriftlich gekündigt wird (§ 5 Abs. 1).
Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhob die Klägerin am 15. November 2007 Klage, zu deren Begründung sie geltend machte: Die für die Gebührenfestsetzung einschlägige Tarifstelle 4.7 sei wegen gebührenrechtlicher Ungleichbehandlung mit der Beigeladenen nichtig. Die durch den Sondernutzungsvertrag des Beklagten mit der Beigeladenen gegebene gebührenrechtliche Ungleichbehandlung verfolge kein verfassungsrechtlich zulässiges Differenzierungsziel und verstoße deshalb gegen den allgemeinen Gleichheitssatz. Die mit dem Vertrag beabsichtigte Gewährleistung einer flächendeckenden Grundversorgung mit Telekommunikationseinrichtungen sei nach Art. 87 f GG allein Sache des Bundes; die Kommunen seien nicht berechtigt, hier regelnd einzugreifen. Mit der Bevorzugung der Beigeladenen verstoße der Beklagte auch gegen das telekommunikationsrechtliche Universaldienstregime, das bundesrechtlich geregelt sei. Die dortigen Bestimmungen schlössen regulierende Eingriffe der Kommunen - sei es auch nur auf dem Wege der Entgeltgestaltung für die Aufstellung von Telekommunikationsstellen - aus.
Der Beklagte trat der Klage entgegen und trug im Wesentlichen vor: Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG liege nicht vor. Der Vertrag mit der Beigeladenen diene der Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung mit Telekommunikationsstellen über die attraktiven, wirtschaftlich einträglicheren Stadtgebiete und Straßenzüge hinaus. Zum Ausgleich für ihr stadtweites Angebot habe die Beigeladene eine von der damaligen Entgeltordnung abweichende Entgeltregelung in Form eines (günstigeren) Pauschalbetrags erhalten. Die Klägerin betreibe hingegen Telekommunikationsstellen lediglich in Teilen des Stadtgebiets, erbringe also kein flächendeckendes Angebot einschließlich der Randlagen und besonders vandalismusgefährdeter Gebiete. Art. 87 f GG sei nicht einschlägig, weil es bei Sondernutzungserlaubnissen für Telefoneinrichtungen nicht um eine Hoheitsaufgabe im Zusammenhang mit der Erbringung von Telekommunikations-Dienstleistungen gehe.
Die Beigeladene führte im Klageverfahren aus: Art. 87 f GG betreffe nicht die Frage, welche Gebühren dafür erhoben werden dürften, dass für Telekommunikationsstellen öffentliches Straßenland in Anspruch genommen werde. Ein Verstoß gegen die Vorschriften zum telekommunikationsrechtlichen Universaldienst liege nicht vor, da die hier einschlägige Tarifstelle 4.7 anbieterneutral sei. Auch eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes könne nicht festgestellt werden.
Mit Urteil vom 28. August 2008 hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben und - dem Hauptantrag der Klägerin entsprechend - den Gebührenbescheid vom 3. Juli 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Oktober 2007 aufgehoben, soweit die Gebühren den Betrag von monatlich 32,12 Euro (Juli bis September 2006) bzw. 30,66 Euro (ab Oktober 2006) - dies entspreche den von der Beigeladenen durchschnittlich zu entrichtenden Gebühren - übersteigen. Zur Begründung hat es ausgeführt:
Der Bescheid sei trotz zutreffender Berechnung rechtswidrig. Die einschlägige Tarifstelle sei wegen Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz nichtig, da die Klägerin durch sie gegenüber der Beigeladenen ohne sachlichen Grund in nicht hinzunehmendem Maße benachteiligt werde. Eine Ungleichbehandlung liege vor, weil die von der Klägerin für die Aufstellung von öffentlichen Telekommunikationsstellen geschuldeten Sondernutzungsgebühren höher seien als die Gebühren, die die Beigeladene für die unter den Vertrag von 1999 fallenden öffentlichen Telekommunikationsstellen entrichten müsse. Die Sachlage sei in Bezug auf Klägerin und Beigeladene vergleichbar. Beide seien für die ihnen für Telekommunikationsstellen erteilten Sondernutzungserlaubnisse i.S.v. § 11 Abs. 9 BerlStrG gebührenpflichtig. Die von der Beigeladenen zu entrichtenden Gebühren seien, soweit es die bis zum 31. Dezember 1998 vorhandenen 2.620 (Alt-)Standorte und mindestens 3.639 Sprechstellen betreffe, geringer als die nach dem Gebührenverzeichnis zur Sondernutzungsgebührenverordnung bemessenen Gebühren. Die Beigeladene zahle je Sprechstelle durchschnittlich 17,56 Euro/Jahr (63.911 Euro Jahresgebühr bei mindestens 3.639 Sprechstellen, d.h. durchschnittlich 1,46 Euro/Monat), die Klägerin durchschnittlich 434,29 Euro/Jahr (760 Euro Monatsgebühr für 21 Einrichtungen, d.h. durchschnittlich 36,20 Euro je Einrichtung/Monat); das sei das 24,73-fache. Diese Ungleichbehandlung verletze den Gleichbehandlungsgrundsatz und schlage auf den Gebührentatbestand (Tarifstelle 4.7 GebVerz) durch.
Zur Begründung der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung trägt der Beklagte vor: Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sei die Tarifstelle 4.7 GebVerz nicht wegen eines Gleichheitsverstoßes nichtig. Zwar weise das Gericht zutreffend auf den weiten Gestaltungsspielraum des Normgebers im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG hin, lasse diesen jedoch gänzlich außer Acht und ziehe einen unzutreffenden Prüfungsmaßstab heran. Lege man den Maßstab des Willkürverbots zugrunde, lasse sich ein Gleichheitsverstoß nicht feststellen. Der in Tarifstelle 4.7 festgelegte Gebührensatz sei nicht willkürlich festgesetzt. Die erhebliche Divergenz zwischen dem in der Tarifstelle 4.7 enthaltenen Gebührensatz und dem pauschalierten Gebührensatz in Anwendung des öffentlich-rechtlichen Vertrages zwischen dem Beklagten und der Beigeladenen finde ihre Rechtfertigung in der vertraglich übernommenen langfristigen, mit wirtschaftlichen Risiken verbundenen Verpflichtung der Beigeladenen zur Gewährleistung einer flächendeckenden Versorgung mit öffentlichen Telekommunikationsstellen und dem stadtweit garantierten Angebot einer kostenlosen Notruffunktion. Diese Zielsetzung sei anerkanntermaßen ein dem Grunde nach zulässiges Differenzierungskriterium im Rahmen der Gebührengestaltung für Sondernutzungen. Die Auswirkungen der Liberalisierung des Telekommunikationsmarktes seien im Zeitpunkt des Vertragsschlusses für beide Vertragsparteien noch in keiner Weise absehbar gewesen. Bei einer Vertragsbindung von zehn Jahren sei es daher sachgerecht gewesen, diesem wirtschaftlichen Unsicherheitsfaktor durch eine entsprechende Entgeltregelung zugunsten der Beigeladenen Rechnung zu tragen. Bei dem Erlass der Tarifstelle 4.7, die für alle Telekommunikationsstellen außerhalb des Vertrages mit der Beigeladenen gelte, hätten diese Erwägungen nicht beachtet werden müssen, weil die Betreiber dieser Telekommunikationsstellen gerade nicht den weitreichenden Verpflichtungen des Vertrages mit der Beigeladenen unterlägen.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 28. August 2008 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil, wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und macht geltend: Dem Beklagten sei es verwehrt, Betreiber von Telefonstellen, die gemeinsam und im Wettbewerb den Universaldienst erbrächten, unterschiedlich zu behandeln. Im Übrigen räume der Vertrag der Beigeladenen Privilegien, wie die Gestattung von Werbemaßnahmen und die Mindestabstandsregelung, ein, welche die Auferlegung einer Standortverpflichtung kompensierten. Selbst wenn man ausschließlich auf gebührenrechtliche Gesichtspunkte abstelle, sei die Tarifstelle 4.7 verfassungswidrig. Denn zwischen der Klägerin und der Beigeladenen bestünden keine Unterschiede, welche die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen könnten. Die von der Beigeladenen betriebenen Telefonstellen seien zum überwiegenden Teil noch zu Zeiten des hoheitlichen Fernmeldemonopols aufgebaut worden; gerade deshalb verfüge die Beigeladene über eine marktbeherrschende Stellung. Eine Differenzierung, die primär an die Marktstellung anknüpfe und kleine Wettbewerber gegenüber dem Marktbeherrscher ungleich behandele, sei schon für sich genommen rechts- und verfassungswidrig und widerspreche dem Anliegen des Wettbewerbsrechts. Selbst wenn man davon ausginge, dass die Beigeladene ein wirtschaftliches Risiko eingegangen sei - was angesichts der gewährten Privilegien fraglich sei -, sei die 25-fache Differenz bei den Sondernutzungsgebühren derart massiv, dass auch eine weite Gestaltungsfreiheit sie nicht rechtfertigen könne. Im Übrigen seien auch ihre Telefonstellen mit einer kostenlosen Notruffunktion und -kennung ausgestattet; auch sie habe mit Vandalismus zu kämpfen und sei auch in sozial schwächer strukturierten Gegenden tätig.
Die Beigeladene, die keinen Antrag stellt, trägt vor: Einen Anspruch auf Gleichbehandlung könne es nur geben, wenn Rechte und Pflichten gleichartig seien. Dies sei hier gerade nicht der Fall. Das geänderte Telekommunikationsverhalten habe zu einer extrem geringen Nachfrage nach öffentlichen Telefonstellen geführt. Der Erhalt der Anlagen, insbesondere in sozial problematischen Stadtbezirken, löse beträchtliche Aufwendungen aus. Es mache daher sehr wohl einen Unterschied, ob ein Anbieter wie die Beigeladene durch Vertrag mit zahlreichen Pflichten belastet werde oder aber ein Anbieter wie die Klägerin bei ihren Standortentscheidungen allein nach gewinnorientierten Kriterien agieren könne.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und den vom Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgang verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben, denn die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 125 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Heranziehung der Klägerin zu Sondernutzungsgebühren beruht auf einer unwirksamen Rechtsgrundlage, weil die einschlägige Tarifstelle 4.7 des Gebührenverzeichnisses den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verletzt.
1. Rechtsgrundlage für die Heranziehung der Klägerin zu Sondernutzungsgebühren ist § 11 Abs. 9 BerlStrG, § 1 Abs. 1 der Sondernutzungsgebührenverordnung vom 12. Juni 2006 (GVBl. S. 589) -SNGebV- in Verbindung mit der Tarifstelle 4.7 des Gebührenverzeichnisses -GebVerz-. Die Erhebung von Sondernutzungsgebühren für das Aufstellen von Telefonstellen auf öffentlichem Straßenland ist dem Grunde nach zulässig, weil eine Sondernutzung im Sinne von § 11 Abs. 1 BerlStrG vorliegt. Das Aufstellen von öffentlichen Telefonstellen ist insbesondere nicht als „unentgeltliche Nutzung der Verkehrswege für Telekommunikationslinien“ im Sinne von § 68 Abs. 1 Satz 1 TKG zu qualifizieren. Nach der Legaldefinition des § 3 Nr. 26 TKG sind Telekommunikationslinien im Sinne des Gesetzes unter- oder oberirdisch geführte Telekommunikationskabelanlagen einschließlich ihrer zugehörigen Schalt- und Verzweigungseinrichtungen, Masten und Unterstützungen, Kabelschächte und Kabelkanalrohre; öffentliche Telefonstellen gehören dazu nicht (vgl. Lünenbürger, in: Scheurle/Mayen, TKG, 2. Aufl. 2008, § 3 Rn. 70; s. auch Reichert, a.a.O., § 68 Rn. 11, wonach vor Erlass des TKG 1996 Sprechzellen überwiegend den Telekommunikationslinien zugerechnet wurden).
2. Der angegriffene Sondernutzungsgebührenbescheid erweist sich indes als rechtswidrig, weil die zugrunde liegende Tarifstelle 4.7 des Gebührenverzeichnisses wegen Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG nichtig ist. Die Ausgestaltung der Sondernutzungsgebühr durch den Verordnungsgeber hat die gesetzlichen Vorgaben für die Bemessung von Sondernutzungsgebühren gemäß § 11 Abs. 9 Satz 2 BerlStrG zu beachten. Danach sind bei der Bemessung von Sondernutzungsgebühren Art, Umfang, Dauer und der wirtschaftliche Vorteil der Sondernutzung zu berücksichtigen. Dem Verordnungsgeber verbleibt in diesem gesetzlich vorgegebenen Rahmen zwar ein weiter Spielraum; Grenzen für seine Gestaltungsfreiheit ergeben sich aber aus dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG und dem Äquivalenzprinzip (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2009 - 3 C 29.08 - juris Rn. 13 m. Nachw.). Diese Grenzen sind vorliegend überschritten.
a) Die Nichtigkeit der Tarifstelle 4.7 GebVerz folgt allerdings nicht schon aus einem Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip als gebührenrechtliche Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (vgl. insoweit zum Äquivalenzprinzip BVerwG, Urteil vom 4. August 2010 - 9 C 6.09 - juris Rn. 38). Die nach Wertstufen gestaffelten Gebührensätze von bis zu 45 Euro je Monat lassen ein grobes Missverhältnis zwischen Gebühr und Wert der öffentlichen Leistung nicht erkennen; das wird auch von der Klägerin selbst nicht geltend gemacht. Gleiches gilt bei einer Gesamtbetrachtung des Gebührenverzeichnisses und dem Verhältnis der darin enthaltenen Tarifstellen untereinander. Auch insoweit bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Gebührensätze für Telefonstellen außer Verhältnis zu anderen im Gebührenverzeichnis aufgeführten Arten der Sondernutzung stünden.
b) Die einschlägige Tarifstelle 4.7 des Gebührenverzeichnisses ist jedoch wegen Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG nichtig.
aa) Auch Gebührensätze müssen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 beachten. Art. 3 Abs. 1 GGhttp://www.juris.testa-de.net/jportal/portal/t/2rf0/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=2&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR000010949BJNE001901307&doc.part=S&doc.price=0.0 - focuspoint verlangt, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Er ist verletzt, wenn die gleiche oder ungleiche Behandlung der geregelten Sachverhalte nicht mehr durch einen vernünftigen, einleuchtenden Grund gerechtfertigt ist und deshalb als willkürlich erscheint. Der allgemeine Gleichheitssatz verbietet also nicht jede Differenzierung. Vielmehr ist es grundsätzlich Sache des Gesetzgebers, diejenigen Sachverhalte auszuwählen, die er als vergleichbar ansehen und an die er dieselbe Rechtsfolge knüpfen will. Er muss seine Auswahl lediglich bezogen auf die Eigenart des konkreten Sachgebiets sachgerecht treffen. Diese Grenzen sind im Hinblick auf die Intensität der Ungleichbehandlung zu konkretisieren. Die Prüfungsintensität reicht dabei vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Er ist einschlägig insbesondere, wenn die Differenzierung nicht bloß an Sachverhalte, sondern an Personen anknüpft oder den Gebrauch von Freiheitsrechten beeinträchtigt (zum Ganzen vgl. BVerwG, Urteil vom 15. September 2010 - 8 C 32.09 - juris Rn. 15 f. mit zahlreichen Nachweisen).
Im Bereich der Erhebung von Sondernutzungsgebühren, in dem der Gesetzgeber lediglich an Sachverhalte, nicht aber an Personen anknüpft, ist Maßstab - wie von dem Beklagten richtig erkannt - die Willkürkontrolle. Dabei endet die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers dort, wo ein einleuchtender Grund für eine vorhandene oder unterlassene Differenzierung nicht mehr erkennbar ist. Dieser Maßstab gilt für die normsetzende Exekutive entsprechend, wobei der dem Verordnungsgeber zukommende Gestaltungsspielraum enger ist, weil er nur in dem von der gesetzlichen Ermächtigungsnorm abgesteckten Rahmen besteht. In diesem Rahmen muss der Verordnungsgeber nach dem Gleichheitssatz im wohlverstandenen Sinn der ihm erteilten Ermächtigung handeln und hat sich von sachfremden Erwägungen freizuhalten (vgl. BVerfGE 60, 150 <160>; 58, 68 <79>; 13, 248 <255>).
bb) Nach diesen Grundsätzen stellt die Gebührenfestsetzung in dem Sondernutzungsgebührenbescheid vom 3. Juli 2007 nach der Tarifstelle 4.7 GebVerz im Verhältnis zur Festlegung der Gebührenhöhe für die von der Beigeladenen betriebenen Telefonstellen auf der Grundlage des öffentlich-rechtlichen Vertrages mit dem Beklagten vom 7. Juli 1999 eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichhandlung dar.
Dass die Sachlage in Bezug auf die Klägerin und die Beigeladene gleichartig ist und beide für die ihnen für Telekommunikationsstellen erteilten Sondernutzungserlaubnisse im Sinne von § 11 Abs. 9 BerlStrG gebührenpflichtig sind, hat das Verwaltungsgericht eingehend und zutreffend dargestellt; auf die diesbezüglichen erstinstanzlichen Ausführungen, die sich der Senat zu eigen macht, wird verwiesen (vgl. Seite 6 der Urteilsabschrift). Insbesondere bestehen keine Unterschiede bezüglich Art und Umfang der Einwirkung auf die Straße und den Gemeingebrauch.
Die Bevorzugung der Beigeladenen im Hinblick auf die Höhe der Sondernutzungsgebühren für die von ihr bis zum 31. Dezember 1998 errichteten öffentlichen Telefonstellen rechtfertigt der Beklagte mit der vertraglich übernommenen Verpflichtung zur Gewährleistung einer flächendeckenden Versorgung mit öffentlichen Telekommunikationsstellen und dem stadtweit garantierten Angebot einer kostenlosen Notruffunktion. Darauf kann die Ungleichbehandlung bei der Gebührenhöhe nicht gestützt werden, denn die vom Beklagten angeführten Differenzierungsmerkmale haben vor Art. 3 Abs. 1 GG keinen Bestand.
Zum einen stellt auch die Klägerin nach ihrem unwidersprochen gebliebenen Vortrag eine kostenlose Notruffunktion an ihren Telefonstellen zur Verfügung. Zum anderen ist bei der Bemessung von Sondernutzungsgebühren der wirtschaftliche Vorteil der Sondernutzung zwar zu berücksichtigen (vgl. § 11 Abs. 9 Satz 2 BerlStrG); das rechtfertigt die vorgenommene Differenzierung bei der Höhe der Sondernutzungsgebühr, die bei der Klägerin im Vergleich zur Beigeladenen zu einer in etwa 25 mal höheren Belastung je Telefonstelle und Monat führt, auch unter Berücksichtigung des Interesses an einer flächendeckenden Versorgung mit öffentlichen Telekommunikationsstellen indes nicht.
Das im öffentlich-rechtlichen Vertrag vom 7. Juli 1999 mit der Beigeladenen vereinbarte pauschale Entgelt für die am 31. Dezember 1998 vorhandenen Telefonstellen war von der Erwägung getragen, die flächendeckende Ausstattung mit öffentlichen Telefonstellen - insbesondere vor dem Hintergrund zunehmender Verbreitung von Mobiltelefonen - sicherzustellen (vgl. die Präambel des Vertrages). Allerdings erfolgte der Erlass der für die Telefonstellen der Klägerin maßgeblichen Tarifstelle 4.7 GebVerz zur Sondernutzungsgebührenverordnung vom 12. Juni 2006 vor dem Hintergrund der Liberalisierung und Privatisierung des Telekommunikationsmarktes und der damit verbundenen Beendigung des staatlichen Monopols. Der verfassungsändernde Gesetzgeber hat im Jahr 1994 im Zuge der sog. Postreform II mit der Einfügung von Art. 87 f und Art. 143 b Abs. 1 und 2 in das Grundgesetz hierfür die verfassungsrechtlichen Grundlagen geschaffen. In diesen Bestimmungen legte er fest, dass Dienstleistungen im Bereich des Postwesens und der Telekommunikation als privatwirtschaftliche Tätigkeiten durch die aus dem Sondervermögen Deutsche Bundespost hervorgegangenen Unternehmen privater Rechtsform und durch andere private Anbieter erbracht werden. Art. 87 f Abs. 2 Satz 1 GG fordert damit die Erbringung von Dienstleistungen der Telekommunikation unter Wettbewerbsbedingungen (vgl. BVerwGE 114, 160, 168 f.). Zugleich wird aus dieser Vorschrift das verfassungsrechtliche Gebot eines offenen, fairen und funktionierenden Wettbewerbs im Postwesen und in der Telekommunikation abgeleitet, das im Kern schon in der Garantie der Privatwirtschaftlichkeit angelegt ist; sie zielt auf Öffnung dieser früher abgeschotteten Bereiche für den Wettbewerb durch Beseitigung gesetzlicher Monopole und fordert den chancengleichen Wettbewerb zwischen privaten Anbietern und den Nachfolgeunternehmen der Deutschen Bundespost (vgl. Windthorst, in: Sachs, Grundgesetz, 5. Aufl. 2009, Art. 87 f, Rn. 25). Die in Art. 87 f GG enthaltene Infrastrukturgewährleistung im Bereich der Telekommunikation findet ihre einfachgesetzliche Konkretisierung in den von der Klägerin herangezogenen Regelungen des Universaldienstes in §§ 78 ff. TKG. Sie dienen der Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung mit Telekommunikationsleistungen zu einem erschwinglichen Preis (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 5 TKG). Gemäß § 78 Abs. 2 Nr. 4 und 5 TKG zählen zu den Universaldienstleistungen auch die flächendeckende Bereitstellung von öffentlichen Münz- oder Kartentelefonen an allgemeinen und jederzeit für jedermann zugänglichen Standorten entsprechend dem allgemeinen Bedarf, wobei die öffentlichen Telefonstellen in betriebsbereitem Zustand zu halten sind, sowie die Möglichkeit, von öffentlichen Münz- oder Kartentelefonen unentgeltlich Notrufe durchzuführen. Der Bereich öffentlicher Telefonstellen ist dadurch gekennzeichnet, dass deren Zahl in den vergangenen Jahren zwar kontinuierlich zurückgegangen ist; während es Ende 1998 noch 148.000 Telefonstellen gab, betrug der Bestand Ende 2006 noch etwa 109.000. Diese Geräte werden aber praktisch zu 100 % von der Deutschen Telekom AG gestellt (vgl. Mager, in: Säcker, Berliner Kommentar zum TKG, 2. Aufl. 2009, § 78 Rn. 3 unter Hinweis auf Berichte der Bundesnetzagentur), so dass dieser eine marktbeherrschende Stellung in diesem Sektor zukommt.
Die geänderte Verfassungsrechtslage, ihre einfachgesetzliche Konkretisierung im Telekommunikationsgesetz sowie die daraus resultierende veränderte Sach- und Rechtslage in Bezug auf das Betreiben öffentlicher Telefonstellen war bei Erlass der Sondernutzungsgebührenverordnung und des Gebührenverzeichnisses im Juni 2006 bereits lange bekannt. So befasst sich schon das Rundschreiben Nr. 6/98 der Senatsverwaltung für Bauen, Wohnen und Verkehr vom 17. September 1998 mit der durch die Aufhebung des Monopols der Deutschen Telekom AG eingetretenen veränderten rechtlichen und tatsächlichen Situation in Bezug auf öffentliche Telefonstellen. Darin wird u.a. ausgeführt, dass nach Aufhebung des Monopols der Deutschen Telekom AG auch andere Anbieter am freien Wettbewerb teilnehmen wollten und inzwischen diverse Anträge auf Erteilung von Sondernutzungserlaubnissen für das Aufstellen von Telefonzellen anderer Anbieter eingegangen seien. Zudem lässt sich dem Rundschreiben entnehmen, dass der Entschluss, mit der Beigeladenen eine vertragliche Einigung über den Betrieb öffentlicher Telefonstellen herbeizuführen, gerade darauf beruhte, dass das bisherige Monopol nicht mehr bestand.
Vor diesem Hintergrund wäre der Verordnungsgeber bei Erlass der Sondernutzungsgebührenverordnung und des zugehörigen Gebührenverzeichnisses gehalten gewesen, die durch den öffentlich-rechtlichen Vertrag mit der Beigeladenen vom 7. Juli 1999 entstandene Sondersituation bezüglich des Entgelts der dort erfassten Telefonstellen bei Festlegung der Tarifstelle 4.7 zu berücksichtigen. Das gilt umso mehr, als der Vertrag eine Laufzeit von 10 Jahren vorsieht und sich um jeweils ein Jahr verlängert, falls er nicht spätestens ein halbes Jahr vor Ablauf schriftlich gekündigt wird (vgl. § 5 Abs. 1 des Vertrages). Damit ist die gebührenrechtliche Ungleichbehandlung nicht nur auf einen Übergangszeitraum beschränkt, sondern auf Dauer angelegt. Der von der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erstmals vorgetragene Umstand, dass sie den Vertrag nunmehr gekündigt habe und ein Ergänzungs- bzw. Änderungsvertrag geschlossen werden solle, ändert an dieser Würdigung nichts. Denn bis zu einer eventuellen Neuregelung der in Rede stehenden Tarifstelle bzw. des Vertrages zwischen dem Beklagten und der Beigeladenen besteht die Ungleichbehandlung fort.
Ergibt sich die Nichtigkeit der in Rede stehenden Tarifstelle 4.7 bereits aus einem Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG, kommt es auf die von der Klägerin geltend gemachte Verletzung der Regelungen über den Universaldienst gemäß §§ 78 ff. TKG durch die unterschiedliche Ausgestaltung der Sondernutzungsgebühren nicht mehr an.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig, da sie keinen Antrag gestellt und sich mithin keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, § 711 der Zivilprozessordnung.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.