Toolbar-Menü
 
Sie sind hier: Gerichtsentscheidungen Entscheidung

Entscheidung 14 O 69/10


Metadaten

Gericht LG Frankfurt (Oder) 4. Zivilkammer Entscheidungsdatum 14.03.2011
Aktenzeichen 14 O 69/10 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 8.610,90 € nebst 8% Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 4. Juli 2008 sowie vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten von 693,50 € nebst 5% Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 8. April 2010 zu zahlen. Wegen der weitergehenden Zinsforderung wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Beklagten bleibt die Ausführung ihrer Rechte im Nachverfahren vorbehalten.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte im Urkundenprozess auf Zahlung restlichen Werklohns für Dachdeckerleistungen in Anspruch.

Die Beklagte beauftragte die Klägerin mit Schreiben vom 3. Juli 2007 (Anlage K 3, Bl. 28 d.A.) auf der Grundlage des Angebotes der Klägerin vom 5. Juni 2007 (Anlage K 1, Bl. 12 ff. d.A.) und der Verhandlung vom 27. Juni 2007 (Anlage K 2, Bl. 17 ff. d.A.) mit Dachabdichtungsarbeiten. In dem von der Beklagten gestellten Formular des Verhandlungsprotokolls (Anlage K 2) heißt es u.a.:

“3.3.3

Für den AN besteht die Pflicht der Grobreinigung.
Darüber hinaus hat sich der AN an den Kosten der Zwischen- und Endreinigung pauschal mit
[  ] 0,2% der Nettoabrechnungssumme zuzügl. MwSt
[  ] ……………………………… EUR
zu beteiligen wenn nachweislich die Reinigung nicht durchgeführt wurde“.

Die Leerstellen und zum Ankreuzen vorgesehenen Felder in Ziff. 3.3.3 sind in dem von den Vertretern der Parteien unterschriebenen Exemplar des Verhandlungsprotokolls nicht ausgefüllt.

Weiter enthält das Protokoll unter Ziff. 4 (“Ausführungsfristen/Vertragsstrafe“) in 4.9 die Regelung, eine Vertragsstrafe werde vereinbart und betrage bei Überschreitung des Fertigstellungstermins 0,2% der Bruttoabrechnungssumme pro Arbeitstag, insgesamt jedoch maximal 5% der Bruttoabrechnungssumme inkl. einer eventuellen Vertragsstrafe nach Ziff. 3.3.2. Dann heißt es: “Darüber hinaus bleibt die Geltendmachung von Schadensersatzforderungen ausdrücklich vorbehalten“.

Am 28. März 2008 unterschrieben Vertreter beider Parteien ein Protokoll über die mangelfreie Abnahme der Leistungen der Klägerin (Anlage K 4, Bl. 29 d.A.), in dem sich die Beklagte die Geltendmachung der Vertragsstrafe vorbehielt.

Am 29. Mai 2008 legte die Klägerin der Beklagten ihre Schlussrechnung (Anlage K 5, Bl. 30 ff. d.A.). Am 1. Juli 2008 stellte die Beklagte den geprüften Schlussrechnungsbetrag mit 13.297,54 € fest. Sie brachte hierbei u.a. eine Vertragsstrafe in Höhe von 8.279,71 € und einen Betrag für “Baureinigung 0,2%“ in Höhe von 331,19 € in Abzug (Anlage K 6, Bl. 36 d.A.). Dieses Ergebnis teilte sie der Klägerin mit Schlusszahlungshinweis vom 8. Juli 2008 mit (Anlage K 7, Bl. 37 d.A.). Mit Schreiben vom 16. Juli 2008 (Anlage K 8, Bl. 38 d.A.) machte die Klägerin einen Vorbehalt gegen die Schlusszahlung geltend.

Die Klägerin ist der Ansicht, der Beklagten stünden Ansprüche auf eine Beteiligung an Baureinigungskosten in Höhe von 0,2% der Abrechnungssumme und auf Zahlung einer Vertragsstrafe nicht zu. Ein Anspruch auf die geltend gemachten Baureinigungskosten sei bereits nicht begründet worden, weil das entsprechende Feld in dem Verhandlungsprotokoll nicht angekreuzt worden ist. Eine Vertragsstrafe sei aus einer Vielzahl von Gründen nicht wirksam vereinbart worden. U.a. verstoße die Vertragsstrafenklausel der Beklagten gegen das gesetzliche Leitbild, weil jedenfalls bei der gebotenen verwenderfeindlichsten Auslegung unklar bleibe, ob die Vertragsstrafe auf die vorbehaltenen Schadensersatzansprüche angerechnet werde.

Die Klägerin beantragt zuletzt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 8.610,90 € nebst 8% Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 4. Juli 2008 sowie vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten von 693,50 € nebst 8% Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 8. April 2010 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, die Klage sei im Urkundenprozess unstatthaft. Im Übrigen bestehe die Klageforderung nicht, weil der Schlussrechnungsbetrag um die Positionen Baureinigungskosten und Vertragsstrafe zu kürzen sei. Die Vertragsstrafe sei wirksam vereinbart. Die Beklagte behauptet, Baubehinderungen, wie von der Klägerin geltend gemacht, hätten nicht bestanden; Bauverzögerungen seien vielmehr von der Klägerin zu vertreten.

Wegen der näheren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Klage ist im Urkundenprozess statthaft.

In diesem Zusammenhang kommt es nicht darauf an, ob die Beklagte die Schlussrechnung ganz oder teilweise wirksam anerkannt hat und ob dies durch Urkunden belegt ist. Die Beklagte hat nämlich nicht bestritten, dass die Klägerin die mit der Schlussrechnung berechneten Leistungen erbracht hat. Unstreitige Tatsachen bedürfen aber im Urkundenprozess nicht des Belegs durch Urkunden (vgl. z.B. BGHZ 62, 286; Zöller/Greger, ZPO, 28. Aufl., § 592 Rn. 11 m.w.N.). Die übrigen Anspruchsvoraussetzungen, namentlich der Vertragsschluss, die Abnahme und die Vorlage einer prüfbaren Schlussrechnung, sind im Streitfall durch Urkunden belegt, so dass der Klägerin auch nicht vorgeworfen werden kann, einen Urkundenprozess ohne jede Urkunde führen zu wollen.

II.

Die Klage hat im Urkundenprozess auch im Übrigen – bis auf einen Teil der Zinsforderung – Erfolg.

Nach mängelfreier Abnahme ist die Beklagte zu Zahlung des mit der prüfbaren Schlussrechnung berechneten, fälligen restlichen Werklohnes gemäß § 631 Abs. 1 BGB verpflichtet und nach fristgerechtem Vorbehalt der Klägerin gegen die Schlusszahlung gemäß § 16 Nr. 3 VOB/B nicht berechtigt, die Rechnung um die Positionen Baureinigung und Vertragsstrafe in Höhe der Klageforderung zu kürzen.

1.

Der Beklagten steht gegen die Klägerin ein Anspruch auf Beteiligung an den Kosten der Baureinigung in Höhe von 331,19 € nicht zu.

Zwar sieht Ziff. 3.3.3 des Verhandlungsprotokollformulars die Möglichkeit vor, den Auftragnehmer – hier: die Klägerin – entweder mit einem Festbetrag oder einem Anteil in Höhe von 0,2% der Abrechnungssumme an den Kosten der Zwischen- und Endreinigung zu beteiligen. Die Parteien haben aber keine der beiden Alternativen in dem Formular angekreuzt und dadurch zum Vertragsinhalt gemacht. Ohne Vereinbarung schuldet die Klägerin der Beklagten keine Kostenbeteiligung.

2.

Der Beklagten steht gegen die Beklagte auch ein Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von 8.279,71 € nicht zu, denn die Vertragsstrafenklausel in Ziff. 4.9 des Verhandlungsprotokolls, bei der es sich unstreitig um allgemeine Geschäftsbedingungen der Beklagten handelt, ist unwirksam. Sie weicht von dem in § 340 Abs. 2 und § 341 Abs. 2 BGB enthaltenen gesetzlichen Grundgedanken ab, dass Schadensersatz wegen Nichterfüllung oder nicht gehöriger Erfüllung und Vertragsstrafe nicht nebeneinander verlangt werden können, und stellt damit eine unangemessene Benachteiligung der Klägerin dar.

a) Durch allgemeine Geschäftsbedingungen kann – auch im Rechtsverkehr zwischen Unternehmern – die gesetzliche Verpflichtung des Gläubigers, sich eine Vertragsstrafe auf seinen Schadensersatzanspruch wegen nicht gehöriger Erfüllung oder Nichterfüllung gemäß den §§ 341 Abs. 2, 340 Abs. 2 BGB anrechnen zu lassen, nicht abbedungen werden (vgl. z.B. BGHZ 63, 256; BGH NJW 1992, 1096; BGH NJW-RR 2009, 1404; Palandt/Grüneberg, BGB, 70. Aufl., § 309 Rn. 39).

b) Im Streitfall kann die Regelung in Ziff. 4.9 zumindest auch (mit der Folge des § 305c Abs. 2 BGB) dahin ausgelegt werden, dass eine solche Anrechnung nicht stattfindet.

Eine Anrechnung wird in Ziff. 4.9 nicht ausdrücklich angeordnet. Der Vorbehalt von Schadensersatzforderungen “darüber hinaus“ ist zumindest mehrdeutig.

Zwar ist eine Auslegung der Worte “darüber hinaus“ dahin möglich, dass sie im Sinne von “weiter gehend“ zu verstehen sind. In der Klausel ist aber gerade nicht vom Vorbehalt der Geltendmachung von “darüber hinaus gehenden“ Schadensersatzforderungen die Rede, sondern vom darüber hinausgehenden Vorbehalt der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen. Im Übrigen wäre der Beklagten dadurch nicht geholfen, weil selbst durch diese Formulierung nicht gesagt wäre, dass von den “darüber hinaus gehenden“ (im Vergleich zur Vertragsstrafe weiter gehenden, höheren) Schadensersatzforderungen eine verwirkte Vertragsstrafe abzusetzen oder sonst anzurechnen wäre (vgl. zur Unwirksamkeit einer Klausel mit unberührt bleibenden “weitergehende[n] Schadensersatzansprüche[n]“ OLG Düsseldorf NJW-RR 2001, 1387).

Näher liegt es aber, “darüber hinaus“ in dem im Streitfall gebrauchten Zusammenhang im Sinne von “außerdem“ zu verstehen (vgl. dazu z.B. Duden, Stilwörterbuch der deutschen Sprache, 7. Aufl., S. 189 sowie Duden, Richtiges und gutes Deutsch, 3. Aufl., S. 169, jeweils :“darüber hinaus“), also dahin, dass dem Auftraggeber im Fall der (schuldhaften) Überschreitung des Fertigstellungstermins durch den Auftragnehmer außer der Vertragsstrafe die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen vorbehalten bleibt. Derartige Formulierungen lassen eine Kumulierung von Vertragsstrafe und Schadensersatz wegen desselben Verstoßes zu und benachteiligen den Vertragspartner des Verwenders unangemessen (vgl. z.B. BGH NJW 1992, 1096 “außderdem“; BGH NJW 1985, 53 “neben der Schadensersatzleistung“).

3.

Die Nebenforderungen der Klägerin sind in dem zugesprochenen Umfang gemäß den §§ 286, 288 BGB begründet. Hinsichtlich des Anspruchs auf Ersatz der zweckentsprechenden Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung stehen der Klägerin Zinsen jedoch nur in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu. Dass ihr insoweit tatsächlich ein höherer Zinsschaden entstanden ist, hat die Klägerin nicht geltend gemacht; auf § 288 Abs. 2 BGB kann sie ihre Forderung nicht stützen, weil es sich bei der zugrunde liegenden Forderung nicht um eine Entgeltforderung im Sinne der §§ 286 Abs. 3, 288 Abs. 2 BGB, sondern um eine Schadensersatzforderung handelt (vgl. z.B. Palandt/Grüneberg, BGB, 70. Aufl., § 288 Rn. 8, § 286 Rn. 27 m.w.N.).

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 2, 708 Nr. 4, 711 sowie – hinsichtlich des Vorbehalts – auf § 599 Abs. 1 ZPO.

Der Streitwert wird auf 8.610,90 € festgesetzt.