Gericht | LSG Berlin-Brandenburg 3. Senat | Entscheidungsdatum | 17.03.2011 | |
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Aktenzeichen | L 3 U 217/07 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 2 SGB 7, § 7 SGB 7, § 8 SGB 7 |
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 25. Juni 2007 und der Bescheid der Beklagten vom 05. Juli 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 30. November 2006 aufgehoben. Es wird festgestellt, dass das Ereignis vom 29. November 1966 ein Arbeitsunfall war.
Die Beklagte erstattet dem Kläger dessen außergerichtliche Kosten erster und zweiter Instanz.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Kläger begehrt gegenüber der Beklagten die Anerkennung eines Ereignisses am 29. November 1966 als Arbeitsunfall.
Der 1943 geborene Kläger reichte bei der Beklagten am 11. November 2004 unter anderem aus dem Archiv der C folgende Unterlagen ein:
- Bericht des Pathologischen Instituts vom 21. Dezember 1966 über eine am 09. Dezember 1966 eingegangene Gewebeprobe mit der Diagnose Meniskus mit beginnender Verschleimung,
- Schreiben des Oberarztes Dr. E vom 20. Februar 1967 an das Rehabilitationszentrum K, wonach der Kläger als „Angehöriger des Deutschen Fechtverbandes als Zustand nach Meniskotomie überwiesen“ werde und Solotänzer an der Staatsoper sei,
- Bericht Dr. E über die stationäre Behandlung des Klägers vom 14. Dezember 1966 bis zum 10. Februar 1967, wonach es sich um einen Vorderhornausriss des medialen Meniskus rechts handelte, welcher durch eine Entfernung des ganzen Meniskus am 16. Dezember 1966 operativ behandelt worden sei, und der Kläger für die Nachbehandlung eine Verordnung über UWD und Kräftigungsübungen der Quadricepsmuskulatur rechts erhielt;
- Schreiben Dr. E vom 23. Mai 1967, wonach beim Kläger immer noch eine erhebliche Atrophie der Oberschenkelmuskulatur rechts besteht und am Knorpelbelag bereits Schliffspuren zu sehen waren,
- Arztbefund der Dres. A und W vom 04. April 1978 mit der Diagnose Zustand nach Meniskusektomie rechts medial 1966 mit intraoperativer Feststellung eines Knorpelschadens am rechten medialen Femurcondylus, aktuelle Meniscusrecidivsymptomatik, Arthrose im Femoro-Patellagelenk rechts, Dysplasie des medialen Anteils des rechten Kniegelenks,
- Anamnese Dr. E über den „23-jähr.“ Kläger, in welcher es unter anderem heißt: „1958/59 Kniebinnenschaden li“, „Bereits 1962 beim Abfangen eines Sprungs mit dem re Knie nach innen weggeknickt“, „am 29.11.1966 beim Aufkommen nach einem gedrehten Sprung sofort heftige Schmerzen über re Knieinnenseite“.
Unter dem 12. November 2004 präzisierte der Kläger in einem Unfallfragebogen der Beklagten, dass der Unfall sich am 29. November 1966 auf der Bühne der Staatsoper während des ersten Akts aus „Giselle“ in der Rolle des „Hilarion“ ereignet habe. Die Arbeitszeit sei von 10.00 bis 22.15 Uhr gewesen. Der Unfall habe sich bei einem Sprung in die Luft mit doppelter Drehung ereignet, der auf dem rechten Bein gelandet worden sei. Das ganze Ballettensemble, die Chefchoreografin L G, der Inspizient und die Bühnentechnik seien neben dem Publikum zugegen gewesen. Die Inspizientin sei zuerst hinzugekommen, deren Namen er nicht mehr wisse. Er habe damals starke Schmerzen im Knie festgestellt und sei zunächst im Polizeikrankenhaus B vom verstorbenen Prof. Dr. K behandelt worden. Die Arbeit habe er erst nach zehn Monaten wieder aufgenommen.
Die Beklagte forderte vom Bezirksamt von B - Abteilung Gesundheit und Soziales – Unterlagen aus der dort geführten Krankenakte aus der Zeit ab 1978 an. Der Kläger entschied sich auf eine Anfrage der Beklagten für eine Begutachtung durch Prof. Dr. E vom Unfallkrankenhaus Berlin (UKB). Dieser erstellte unter dem 01. März 2006 ein Gutachten, in welchem er ausführte, dass sich der Kläger bei Verdrehtraumata des rechten Knies 1962 und am 29. November 1966 einen Innenmeniskusriss und eine Innenbandruptur im rechten Knie zugezogen habe. Die hierauf beruhende Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) belaufe sich auf 20 vom Hundert (v.H.). Bereits vor dem 01. Juli 1990 müsse eine Rente in rentenberechtigendem Grade bestanden haben.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 05. Juli 2006 eine Feststellung des Ereignisses als Arbeitsunfall ab. Es sei mangels damals erstellter Unfallanzeige oder Anerkennungseintragung im Sozialversicherungsausweis nicht erwiesen, dass der Kläger während einer versicherten Tätigkeit Unfälle erlitten habe. Der Kläger erhob am 11. Juli 2006 Widerspruch und begründete ihn unter dem 18. Juli 2006. Er verwies auf die dokumentierte Behandlung der Knieverletzung sowie darauf, dass er wegen der Kniebeschwerden ausgemustert worden und frühzeitig Choreograph geworden sei, weil er nur noch mimisch anspruchslose Rollen habe tanzen können. Die Beklagte zog Auszüge aus dem Sozialversicherungsausweis des Klägers mit Eintragungen vom 01. September 1957 bis zum 01. Januar 1965, eine von der Staatsoper erstellte Bescheinigung über Arbeitsentgelte unter anderem mit Eintragungen für August bis Dezember 1962 und 1966 und einen Versicherungsverlauf der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV) bei. Die DRV bestätigte auf Nachfrage der Beklagten, dass der Sozialversicherungsausweis keine Eintragungen nach 1965 enthalten habe und dem Kläger wieder ausgehändigt worden sei. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 30. November 2006 mit im Wesentlichen gleichbleibender Begründung zurück und verwies zudem darauf, dass erstmals 1976 in der von ihm erfragten Anamnese ein Unfallereignis für die Jahre 1962 und 1966 erwähnt werde.
Der Kläger hat sein Begehren mit der am 19. Dezember 2006 zum Sozialgericht Berlin (SG) erhobenen Klage weiterverfolgt, auf seinen an der P Schule D, Fachschule für Künstlerischen Tanz, nach einem fünfjährigen Studium am 23. Juni 1962 erlangten Fachschulabschluss als Bühnentänzer verwiesen und behauptet, dass er am 29. November 1966 bei der Aufführung des Balletts „Giselle“ an der Staatsoper in der Solo-Rolle des „Hilarion“ aufgetreten sei. Gemäß der Choreographie habe er einen Sprung ausgeführt, der in der so genannten Auswärtsstellung gelandet werde. Beim Aufkommen auf den Boden sei es zum Einknicken des rechten Knies nach innen gekommen. Er habe die Vorstellung nicht zu Ende tanzen können. Die Zeuginnen S und S, welche in der Vorstellung als Solotänzerinnen auf der Bühne gewesen seien, könnten dies bestätigen. Ein bei der Vorstellung anwesender Arzt habe sogleich einen Meniskusriss mit Knorpelabriss diagnostiziert. Nachdem zunächst versucht worden sei, den Schmerzen und Schwellungen mittels Kühlung entgegenzuwirken, sei er am 30. November 1966 stationär aufgenommen worden. Der Kläger hat eine eidesstattliche Versicherung vorgelegt, wonach er zu keiner Zeit und in keiner Form Mitglied eines Sportvereins während seiner Zeit als Tänzer in der ehemaligen DDR war. Auch seine damalige Ehefrau, die Zeugin M, welche, als der Unfall sich ereignet habe, als Balletttänzerin in L gearbeitet habe und nach dem Unfall zum Kläger zurückgekehrt sei, könne die Behauptung des Klägers bestätigen.
Die Beklagte ist der Klage mit dem Vorbringen entgegengetreten, dass der Unfall erstmals 1976 dokumentiert sei. Davon abgesehen lägen keine objektiven Funktionsbeeinträchtigungen vor, wobei unfallfremde Faktoren unberücksichtigt bleiben müssten. Das SG hat eine schriftliche Befragung der vom Kläger benannten Zeuginnen durchgeführt. Die Zeugin S hat unter dem 17. Februar 2007 angegeben, sich bei der Vielzahl der miterlebten Ballettunfälle an einen vom Kläger erlittenen nicht genau erinnern zu können. Die Zeugin S hat mit Posteingang vom 21. Februar 2007 bekundet, mit dem Kläger zusammen das Ballett „Giselle“ am 29. November 1966 aufgeführt zu haben. Sie habe die Rolle der „Myrtha“ gespielt, der Kläger den „Hilarion“. Zum Hergang des Unfalls könne sie nichts sagen, weil er während des ersten Aktes geschehen sei, wohingegen sie erst im zweiten Akt aufgetreten sei. Der Kläger habe die Vorstellung nicht abgebrochen, weil der „Hilarion“ im zweiten Akt nur einen sehr kurzen Auftritt habe. Über die Art der Verletzung könne sie keine Auskunft geben. Sie wisse nur, dass der Kläger in der C operiert worden sei und nach diesem Unfall die Tänzerlaufbahn habe aufgeben müssen. Die Zeugin M hat unter dem 29. Mai 2007 schriftlich bekundet, dass der Kläger im ersten Jahr ihrer von 1966 bis 1976 währenden Ehe einen Bühnenunfall als Tänzer an der Staatoper gehabt habe.
Das SG hat die auf Anerkennung des Ereignisses vom 29. November 1966 als Arbeitsunfall und auf Gewährung von Entschädigungsleistungen gerichtete Klage mit Urteil vom 25. Juni 2007 abgewiesen. Das SG hat zur Begründung ausgeführt, dass die Anerkennung als Arbeitsunfall voraussetze, dass die versicherte Tätigkeit, das Unfallereignis und die Erkrankung mit Gewissheit bewiesen seien. Hiervon ausgehend fehle es vorliegend an der nötigen richterlichen Überzeugung. Zwar bestünden nach den ärztlichen Unterlagen Anzeichen für den geschilderten Unfallhergang. Es sei aber auch nicht auszuschließen, dass es bei einer nicht beruflich veranlassten und rein privaten Tätigkeit zu einem Aufkommen nach einem gedrehten Sprung gekommen sein könne. Soweit sein Verdienst nach der Entgeltbescheinigung der Staatsoper von 1966 bis 1971 geringer gewesen sei als 1964 und 1965, lasse sich den Unterlagen nicht entnehmen, auf welchen Umständen die Einkommensschwankungen beruhten. Die schriftlichen Zeugenaussagen gäben für den konkreten Unfallhergang nichts her. Ein Arbeitsunfall lasse sich auch nicht durch Eintragungen im Sozialversicherungsausweis bestätigen.
Der Kläger hat gegen das ihm am 19. Juli 2007 zugestellte Urteil am 15. August 2007 Berufung eingelegt und die Anerkennung seiner im Rahmen einer Ballettvorführung am 29. November 1966 erlittenen Knie-Verletzung als Arbeitsunfall weiterverfolgt. Er hat seine Behauptung dahingehend vertieft, beim Ballett „Giselle“ als „Hilarion“ Auftritte im ersten und zweiten Akt gehabt zu haben. Beim zweiten Auftritt im ersten Akt habe er einen zweifach gedrehten Sprung zu absolvieren gehabt, bei dem er auf dem rechten Bein beziehungsweise Fuß in Außenstellung habe aufkommen sollen. Beim tatsächlichen Sprung habe er jedoch nicht genug Spannung bei der Landung im rechten Bein (im „Jungfrauenmuskel“) gehabt und sei er deshalb nach innen mit dem Knie abgeknickt, und zwar so weit, dass er mit dem Knie auf dem Boden aufgekommen sei, wobei große Schmerzen eingeschossen seien. Er habe eigentlich im ersten Akt noch einen weiteren Auftritt gehabt, der unterblieben sei. Es sei ohne ihn weitergetanzt worden. Hinter der Bühne und in der Pause sei sofort mit Eisbeuteln gekühlt worden. Mit dem vor Ort vorhandenen Arzt und den anderen Ballettmitgliedern sei diskutiert worden, wie es jetzt weitergehe, da er ja noch als „Hilarion“ Auftritte im zweiten Akt vor sich gehabt habe. Im zweiten Akt werde „Hilarion“ durch „Myrtha“ dann in die Unterwelt verbannt. Man habe dies in der tänzerischen Darstellung dann abgewandelt, und zwar so, dass er sich nur noch in einer Pose am Rand der Bühne habe aufstellen müssen, damit die „Myrtha“ einen Anspielpunkt gehabt habe. Vor der Wiederauferstehung der „Giselle“ werde normalerweise „Hilarion“ von „Myrtha“ verdammt. Diese Position sei ihm dadurch erleichtert worden, dass er quasi auf die entsprechende Gestik der „Myrtha“ hin nur zwei Schritte nach hinten habe machen müssen und sozusagen von der Bühne verschwunden gewesen sei. Originalunterlagen könnten nicht mehr vorgelegt werden, weil ein Teil davon im Rahmen der Ernennung des Klägers zum ordentlichen Professor auf Verlangen des damaligen Ministeriums für Kultur der DDR nach dort weggegeben worden sei, welches die lückenlose Vorlage verlangt habe. Ein Teil sei bei einer Überschwemmung seines Kellers vernichtet worden. Der Kläger ist der Auffassung, dass das SG die Beweise unzutreffend gewürdigt habe. Insbesondere aus den Aussagen der Zeuginnen S und M ergebe sich, dass er am 29. November 1966 den Bühnenunfall erlitten habe und dessentwegen im unmittelbaren zeitlichen Anschluss operativ behandelt worden sei, was aus der Anamnese der Dres. und S folge. Dass er ausweislich der vorliegenden Gehaltsbescheinigung der Staatsoper im Anschluss an den Unfall beinahe das gleiche Gehalt bezogen habe wie vor dem Unfall, erkläre sich aus der Lohnfortzahlung. Die finanziellen Abstriche beruhten allein darauf, dass er nicht mehr eine Prämie von 30,00 Mark pro Solotänzer und Auftritt habe einstreichen können.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 25. Juni 2007 und den Bescheid der Beklagten vom 05. Juli 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 30. November 2006 aufzuheben und festzustellen, dass das Ereignis vom 29. November 1966 ein Arbeitsunfall war.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Sie ist der Auffassung, dass die versicherte Tätigkeit, das Unfallereignis und die Primärschädigung mit Gewissheit bewiesen werden müssten.
Der Senat hat im Ergebnis erfolglos versucht, Originalunterlagen bei der DRV, beim Bezirksamt von B – Abt. Gesundheit/ LuV Gesundheit, Interne Dienste – und beim Deutschen Fechterbund zu beschaffen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten, die beigezogene Verwaltungsakten der Beklagten und die Rentenakten verwiesen und inhaltlich Bezug genommen, welche vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Die zulässige Berufung ist begründet. Das SG hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und beschweren den Kläger, welcher einen Anspruch auf Feststellung hat, dass das Ereignis am 29. November 1966 ein Arbeitsunfall war.
Der vom Kläger erhobene Anspruch beurteilt sich nach den vor Inkrafttreten des Siebten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB VII) geltenden Vorschriften der Reichversicherungsordnung (RVO).
Ein Rückgriff auf die Vorschriften des Ersten bis Neunten Kapitels des SGB VII scheidet gemäß § 212 SGB VII aus, weil der geltend gemachte Unfall bereits vor dem Inkrafttreten des SGB VII am 01. Januar 1997 eingetreten war. Stattdessen bemisst sich der vorliegende Fall gemäß § 215 Abs. 1 S. 1 SGB VII in Verbindung mit § 1150 Abs. 2 RVO in der bis zum 31. Dezember 1996 geltenden Fassung, weil es um die Übernahme eines vor dem 01. Januar 1992 in der ehemaligen DDR eingetretenen Unfalls als Arbeitsunfall geht. Nach § 1150 Abs. 2 S. 1 RVO gelten wiederum Unfälle und Krankheiten, die vor dem 01. Januar 1992 eingetreten sind und die nach dem im Beitrittsgebiet geltenden Recht Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten der Sozialversicherung waren, als Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten im Sinne des Dritten Buches der RVO. Dies gilt nach § 1150 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 RVO allerdings nicht für Unfälle, die einem ab dem 01. Januar 1991 für das Beitrittsgebiet zuständigen Träger der Unfallversicherung erst nach dem 31. Dezember 1993 bekannt werden und die nach der RVO nicht zu entschädigen wären.
Hieran gemessen bestimmt sich das Vorliegen eine Arbeitsunfalls allein nach den aus §§ 539 ff. RVO folgenden Maßstäben. Denn der vom Kläger behauptete Bühnenunfall ist zwar vor dem 01. Januar 1992 eingetreten, jedoch der Beklagten als einem ab dem 01. Januar 1991 für das Beitrittsgebiet zuständigen Unfallversicherungsträger erst im Jahre 2004 bekannt geworden.
Nach § 547 RVO werden Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung vom Träger gewährt, wenn ein Arbeitsunfall vorliegt. Arbeitsunfall im Sinne des § 548 Abs. 1 S. 1 RVO ist ein Unfall, welchen ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540, 543 bis 545 RVO genannten und danach versicherten Tätigkeiten erleidet. Dazu ist es erforderlich, dass das Verhalten, bei dem sich der Unfall ereignet, einerseits der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist, und dass die Tätigkeit andererseits den Unfall herbeiführt. Es muss eine kausale Verknüpfung des Unfalls mit der betrieblichen Sphäre bestehen, mithin eine rechtliche Zurechnung für besonders bezeichnete Risiken der Arbeitswelt beziehungsweise gleichgestellter Tätigkeiten, für deren Entschädigung die gesetzliche Unfallversicherung als spezieller Zweig der Sozialversicherung einzustehen hat, und zwar nicht nur im Sinne einer Kausalität im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne, sondern auch im Sinne der Zurechnung des eingetretenen Erfolges zum Schutzbereich der unfallversicherungsrechtlichen Norm als eines rechtlich wesentlichen Kausalzusammenhangs (Zurechnungslehre der wesentlichen Bedingung, ständige Rechtsprechung, etwa Bundessozialgericht <BSG>, Urteil vom 09. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R -, zitiert nach juris Rn. 13 ff.). Die Frage nach diesem Zurechnungszusammenhang stellt sich auf drei Ebenen, nämlich als Unfallkausalität zwischen ausgeübter Tätigkeit und Unfallereignis, als haftungsbegründende Kausalität zwischen Unfallereignis und Gesundheitserstschaden und als haftungsausfüllende Kausalität zwischen Gesundheitserstschaden und längerandauernden Unfallfolgen (BSG, a.a.O., Rn. 10; Schönberger/ Mehrtens/ Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage 2010, S. 21 f.). Die vorgenannten Merkmale der versicherten Tätigkeit, Verrichtung, Einwirkungen und Krankheit müssen im Sinne des Vollbeweises, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegen. Für die tatbestandlichen Grundlagen dieser Wertentscheidung ist der volle Nachweis zu erbringen; bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der versicherten Tätigkeit als erbracht angesehen werden können. Es muss also sicher feststehen, dass im Unfallzeitpunkt eine versicherte Tätigkeit ausgeübt wurde (etwa BSG, Urteil vom 04. Juni 2001 - B 2 U 24/01 R -, zitiert nach juris Rn. 13). Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (etwa BSG, Urteil vom 27. Juni 2006 - B 2 U 20/04 R –, zitiert nach juris Rn. 15).
Dies zugrunde gelegt steht ausgehend von den Angaben des Klägers, seiner ehemaligen Ehefrau, der Zeugin M, der Zeugin S und der Entgeltbescheinigung der Staatsoper im § 128 Abs. 1 S. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) genügenden Maße zunächst vollbeweislich fest, dass der Kläger sich im Zeitpunkt des behaupteten Bühnenunfalls als Balletttänzer in einer versicherten Tätigkeit eines aufgrund eines Arbeitsverhältnisses Beschäftigten im Sinne von § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO befand, als er am 29. November 1966 bei einer Aufführung des Balletts „Giselle“, eines romantischen Balletts in zwei Akten nach einem Libretto von Theophile Gautier und der Musik unter anderem von Adolphe Adam (rech. nach wikipedia) den „Hilarion“ gab.
Hiervon ausgehend steht vollbeweislich zur Überzeugung des Senats fest, dass der Unfall so, wie ihn der Kläger behauptet, sich während der versicherten Tätigkeit ereignete. Hierfür ist maßgeblich auf die schriftliche Aussage der Zeugin S zu verweisen, welche in der Aufführung erst ab dem zweiten Akt die Rolle der „Myrtha“ spielte, nämlich der in der Tat erst im zweiten Akt auftretenden Königin der so genannten Wilis, welche in der Handlung des Balletts junge Frauen sind, die vor ihrer Hochzeit gestorben sind (rech. nach wikipedia). Zwar sah die Zeugin den vom Kläger behaupteten Sturz eigenen Angaben zufolge nicht mit an, weil sie erst noch auf Ihren Auftritt wartete. Jedoch hat sie, ohne sich Angaben zum genauen Unfallhergang anzumaßen, glaubhaft bekundet, dass der Kläger noch im zweiten Akt einen kurzen Auftritt hatte und dann in der C operiert und behandelt wurde. Dass sie sich eben hieran noch zu erinnern vermocht hat, erklärt sich aus den Besonderheiten der damaligen Aufführung, welche der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat noch einmal eindringlich dargestellt hat. Seinen bildhaften und plausiblen Angaben zufolge knickte der Kläger im ersten Akt nach der Landung des Sprungs nach innen mit dem Knie ab, und zwar so weit, dass er mit dem Knie auf den Boden aufkam und hierbei große Schmerzen einschossen, so dass er den Tanz im ersten Akt abbrechen musste. Es folgte seinen glaubhaften Angaben zufolge in der Pause zwischen dem ersten und zweiten Akt mit den anderen Ballettmitgliedern eine Diskussion, wie die Aufführung weitergestaltet werden sollte, weil er ja noch im zweiten Akt als „Hilarion“ aufzutreten hatte, welcher nach der Dramaturgie noch von „Myrtha“ in die Unterwelt verbannt werden sollte. Um die Aufführung dann noch zu Ende zu bringen, entschied man sich, den Kläger am Rand der Bühne so Aufstellung nehmen zu lassen, dass er für die „Myrtha“ einen so genannten Anspielpunkt vermittelte, um danach mit lediglich zwei Schritten wieder von der Bühne abtreten zu können. Diesen einmaligen Geschehensablauf vor Augen erscheint es nachvollziehbar, dass sich die Zeugin S auch noch nach dem eingetretenen Zeitablauf erinnern konnte.
Die Unfallkausalität zwischen ausgeübter Tätigkeit und Unfallereignis unterliegt mithin keinen Zweifeln.
Nach alldem sind schließlich vernünftige Zweifel ausgeschlossen, dass sich der Kläger gerade bei der Ballettaufführung vom 29. November 1966 den – wie vorstehend dokumentierten - Vorderhornausriss des medialen Meniskus rechts als Gesundheitserstschaden zuzog, zumal nach dem einschlägigen arbeitsmedizinischen Schrifttum gerade ein wie vom Kläger behauptetes Aufkommen nach einem gedrehten Sprung geeignet ist, einen Meniskusriss herbeizuführen (vgl. Schönberger/ Mehrtens/ Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage 2010, Nr. 8.10.5.3.2.2, S. 618 f.). Hierfür ist auf die Behandlungsdokumentation der C über eine im Dezember 1966, also unmittelbar zeitlich anknüpfende stationäre Meniskusbehandlung zu verweisen. So wird zeitnah zum behaupteten Ereignis vom Pathologischen Institut der C unter dem 21. Dezember 1966 von einem am 09. Dezember 1966 eingegangenen Gewebsstück (Meniskus n.A.) berichtet. Die Dres. E und S berichteten unter dem 19. Februar 1969 über eine stationäre Behandlung des Klägers vom 14. Dezember 1966 bis zum 10. Februar 1967 und eine operative Entfernung des Meniscus in toto am 16. Dezember 1966. Schließlich ergibt sich aus der undatierten Anamnese („Am 29.11.1966 beim Aufkommen nach einem gedrehten Sprung sofort heftige Schmerzen über re Knieinnenseite“) über einen „23-jähr. leptosomen Pat.“ der Dres. E und S eine zeitnahe Bestätigung des vom Kläger geschilderten Unfallhergangs. Entgegen der Wertung der Beklagten handelt es sich bei dieser Anamnese auch nicht um eine viel später erstellte, sondern um eine, welche, wenn dort von einem 23-jährigen Patienten die Rede ist, ausgehend vom Geburtsdatum des Klägers im Jahr 1943 im Jahr 1966 oder 1967 erstellt wurde. Letztlich hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nochmals bestätigt, zunächst von Prof. Dr. K behandelt worden zu sein, was auch der der Operation vorausgegangenen Anamnese zu entnehmen ist. Die schriftliche Dokumentation der nur noch teilweise vorhandenen beziehungsweise nur zum Teil mikroverfilmten Patientenunterlagen der C lassen keinen anderen Schluss zu. Unmittelbar an die handschriftlich verfasste Anamnese schließt sich auf dem gleichen Blatt (Rückseite) der mit Schreibmaschine unter dem „16.12.1966“ verfasste Operationsbericht an. Zudem ist die Seite mit einem (später) durchgestrichenen Aktenzeichen aus dem Jahr 1966 („4686/66“) versehen, welches sich auch noch (nicht durchgestrichen) auf Seiten findet, welche die weitere Behandlung im Jahre 1967 betreffen. Dass der Kläger sich offensichtlich nicht mehr an den genauen Behandlungsablauf erinnern konnte, fällt demgegenüber nicht ins Gewicht und ist nach dem eingetretenen Zeitablauf verständlich.
Hiernach steht im Übrigen auch die haftungsbegründende Kausalität zwischen Unfallereignis und Gesundheitserstschaden fest.
Gerade vor dem Hintergrund der eingehenden Krankenhausdokumentation kann dahinstehen, warum der Kläger nicht mehr in der Lage ist, Originalunterlagen, insbesondere seinen Sozialversicherungsausweis für die Zeit ab 1966 und gegebenenfalls auch eine Unfallmeldung vorzulegen, gleichfalls, ob grundsätzlich nur Leistungssportler in der Rehabilitationseinrichtung in K aufgenommen wurden. Echte Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger auch Leistungsfechter war, liegen ohnehin nicht vor. Abgesehen davon, dass der Kläger selbst in seiner eidesstattlichen Versicherung und auch mit seinem sonstigen Vorbringen bestritten hat, jemals Fechter gewesen zu sein, ist auch eine Anfrage des Senats beim Deutschen Fechterbund ergebnislos geblieben und erscheint das Vorbringen des Klägers plausibel, wonach ihm allein die formelle Zuordnung zu einem Sportverband der DDR den Zugang zur Rehabilitationseinrichtung K verschaffte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen jedenfalls nicht vor.