Gericht | OLG Brandenburg 4. Senat für Familiensachen | Entscheidungsdatum | 15.01.2019 | |
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Aktenzeichen | 13 UF 148/18 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2019:0115.13UF148.18.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts Neuruppin vom 23. Oktober 2018 abgeändert:
Der Antrag wird abgewiesen.
Die weiteren Kosten des Verfahrens erster Instanz und die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.000 Euro festgesetzt.
Die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin gegen die Entscheidung in der Hauptsache wird zugelassen.
Der Antragsgegner wendet sich gegen die Verlängerung einer gegen ihn ergangenen Gewaltschutzanordnung.
I.
Die Beteiligten lebten von 2013 bis 2016 zusammen. Das 2014 geborene gemeinsame Kind blieb nach der Trennung bei der Antragstellerin, die die elterliche Sorge allein ausübt. Das Kind nimmt den Antragsgegner auf Unterhaltszahlungen in Anspruch, die er unregelmäßig leistet. Die Beteiligten streiten um den Umgang des Antragsgegners mit dem Kind; sie bestritten über den Umgang ein Hauptsacheverfahren und ein Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
Die Antragstellerin hat den Erlass einer Gewaltschutzanordnung beantragt. Sie hat dem Antragsgegner angelastet, er habe sie mehrmals beleidigt und beschimpft, ihr das Mobiltelephon und die Handtasche entwendet, sich vor ihrer Wohnung wartend aufgehalten, und er habe das Kind mehrmals in der Kindertagesstätte aufgesucht. Sie habe ihn wegen Beschimpfungen und Beleidigungen in Anwesenheit des Kindes der Wohnung verweisen müssen. Sie hat ihm außerdem vorgeworfen, er habe ihr gegen ihren ausdrücklich erklärten Widerwillen eine Vielzahl von WhatsApp-Nachrichten gesandt, obwohl es irgendwelcher Absprachen zwischen ihnen nicht bedürfe, da das Gericht angeordnet habe, die Umgangstermine über einen Jugendhilfeträger zu verabreden.
Der persönlich angehörte Antragsgegner hat eingewandt, er habe wegen des Umgangs und des Gesundheitszustandes des Kindes mit der Antragstellerin sprechen müssen.
Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 24. April 2018 dem Antragsgegner untersagt, die Wohnung der Antragstellerin zu betreten, sich ihr zu nähern oder die Kindertagesstätte aufzusuchen. Er habe es auch zu unterlassen, irgendwie Kontakt mit der Antragstellerin aufzunehmen. Die Anordnung hat das Amtsgericht bis zum 24. Oktober 2018 befristet.
Am 2. Oktober 2018 hat die Antragstellerin die Festsetzung von Ordnungsgeld beantragt, weil der Antragsgegner gegen die Anordnung verstoßen habe. Der Antrag ist nicht beschieden worden.
Die Antragstellerin hat auf mehrere persönliche Begegnungen und auf Anrufe und WhatsApp-Nachrichten verwiesen, die sie von Juli bis September 2018 von dem Antragsgegner erhalten habe, um eine Verlängerung der ergangenen Anordnung zu erreichen.
Die Antragstellerin hat beantragt,
die Anordnung vom 24.04.2018 über den 24.10.2018 hinaus zu verlängern.
Der Antragsgegner hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Er hat entgegnet, bei seinen Nachrichten gehe es um die Belange des Kindes. Die Antragstellerin versuche, die Umgangsanbahnung mittels des Gewaltschutzverfahrens zu verhindern. Er werde jedoch keine Ruhe geben, sondern weiter um das Kind kämpfen, nämlich sowohl um den Umgang als auch um gemeinsames Sorgerecht.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht die Gewaltschutzanordnung bis zum 24. April 2019 verlängert, weil der Antragsgegner gegen die Anordnung verstoßen und weitere Verstöße angekündigt habe.
Mit seiner Beschwerde wiederholt der Antragsgegner seinen bisherigen Vortrag.
Er beantragt,
den Beschluss des Amtsgerichts Neuruppin vom 23.10.2018, Aktenzeichen 53 F 29/18, aufzuheben.
Die Antragstellerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält es für unnötig belastend, vom Antragsgegner angesprochen zu werden. Der Umgang werde durch das Jugendamt vermittelt. Die permanente Kontaktaufnahme sei belästigend. Zu Häufigkeit und Inhalt der Nachrichten des Antragsgegners verweist die Antragstellerin auf eine tabellarische Übersicht (Bl. 128 f.) und auf Ausdrucke von WhatsApp-Nachrichten (Bl. 139, 141 ff.).
Wegen des weiteren Vortrages der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze und auf die Anlagen verwiesen.
Der Senat entscheidet - wie angekündigt (Vfg. v. 27. November 2018, Bl. 114) - ohne mündliche Verhandlung (§ 68 III 2 FamFG). Von tatsächlichen Gesichtspunkten, die durch persönliche Anhörungen weiter aufgeklärt werden müssten, hängt die Entscheidung über die Beschwerde nicht ab. Die zu beurteilenden Rechtsfragen haben die Beteiligten in schriftlichem Vortrag erörtern können. Die mit der bezeichneten Verfügung erteilten Hinweise haben ihnen dazu ausreichend Gelegenheit gegeben.
II.
Die Beschwerde ist begründet.
Die mit dem Beschluss des Amtsgerichts vom 24. April 2018 ergangene Gewaltschutzanordnung ist nicht zu verlängern.
1. Dabei kann dahinstehen, ob der Antragsteller eines Verlägerungsantrages ein Verlängerungsbedürfnis im Sinne eines besonderen Rechtsschutzbedürfnisses darzulegen hat. Um geltend zu machen, die befristete Wirksamkeit der ergangenen Anordnung reiche zum Rechtsgüterschutz des Antragstellers nicht aus, könnte mehr erforderlich sein als die Darlegung von Zuwiderhandlungen während der Geltungsdauer (so OLG Bremen, FamRZ 2013, 1828). Verstößt der Antragsgegner gegen eine ergangene Gewaltschutzanordnung, könnte deren Vollstreckung erforderlich sein, um die Verbindlichkeit gegenüber dem Antragsgegner wirksam werden zu lassen. Lässt der Antragsteller Zuwiderhandlungen zu, ohne sich umgehend mit Vollstreckungsanträgen zu wehren, so steht ein Verlängerungsantrag dazu in gewissem Widerspruch, weil nicht deutlich wird, weshalb die verlängerte Anordnung den Antragsgegner eher veranlassen sollte, die ergangenen Gebote zu befolgen, die er bislang ohne Ahndung missachtet hat.
Die Antragstellerin hat ein Verlängerungsbedürfnis in diesem Sinne nicht dargelegt. Sie hält dem Antragsgegner vor, erstmals im Juli 2018 gegen die ergangene Gewaltschutzanordnung verstoßen zu haben. Einen Vollstreckungsantrag hat sie indes erst im Oktober 2018 gestellt, und zwar nur zwei Tage vor dem Verlängerungsantrag (Bl. 1 OV, 63 HA).
2. Auf diese Frage eines etwaigen Verlängerungsbedürfnisses braucht es zur Entscheidung über die Beschwerde nicht anzukommen, weil jedenfalls jetzt, zur Zeit der zu treffenden Entscheidung, eine Gewaltschutzanordnung nicht gerechtfertigt ist. Der Verlängerungsantrag ist unbegründet.
a) Bei der Entscheidung über die Verlängerung einer ergangenen Gewaltschutzanordnung ( § 1 I 2 GewSchG) ist vollständig zu prüfen, ob die Anordnung gerechtfertigt ist, ob also ein Abwehranspruch besteht und ob dieser Anspruch im Verfahren des Gewaltschutzes durchgesetzt werden darf. Dabei ist die Bindungswirkung der zu verlängernden Anordnung auf die Vorfragen beschränkt, welche Rechtsverletzungen vor ihrem Erlass geschehen oder angedroht worden sind.
aa) Bei der Erörterung der Verlängerung einer befristeten Gewaltschutzanordnung wird verbreitet und ohne nähere Begründung angemerkt, die Rechtmäßigkeit der ursprünglichen, zu verlängernden Anordnung sei nicht zu überprüfen (BeckOGK-GewSchG-Schulte-Bunert, Stand: Nov. 2018, § 1 Rdnr. 67; BeckOK-GewSchG-Reinken, Stand: Aug. 2018, § 1 Rdnr. 29; jurisPK-BGB-Breidenstein, Stand: Dez. 2018, § 1 GewSchG Rdnr. 44; Palandt-Brudermüller, BGB, 78. Aufl. 2019, § 1 GewSchG Rdnr. 7). Daran trifft zu, dass es für die Frage, ob der Antragsgegner für die in Aussicht genommene zukünftige Zeitspanne der Fristverlängerung Gebote und Verbote gegen sich gelten lassen muss, nicht darauf ankommt, ob solche Anordnungen in der Vergangenheit gerechtfertigt waren. Allerdings spricht allein die Rechtmäßigkeit der in der Vergangenheit ergangenen Gewaltschutzanordnung nicht dafür, dass auch jetzt, zur Zeit der Entscheidung über die Verlängerung jener Anordnung, die materiell- und verfahrensrechtlichen Voraussetzungen noch immer gegeben sind. Aus Anlass des Verlängerungsantrages ist nicht zu prüfen, ob in der bereits verstrichenen Zeit eine Gewaltschutzanordnung gerechtfertigt war, sondern ob sie für die Zukunft gerechtfertigt werden kann. Dafür bewirkt die zu verlängernde Anordnung eine beschränkte Bindung der mit der Verlängerungsentscheidung befassten Gerichte.
bb) Die Bindung und ihre Beschränkung folgen aus der materiellen Rechtskraft der zu verlängernden Anordnung. Die materielle Rechtskraft hindert eine erneute Entscheidung über den identischen Verfahrensgegenstand, und sie steht einer abweichenden Entscheidung entgegen, soweit eine rechtskräftig entschiedene Frage eine Vorfrage der anstehenden Entscheidung bildet. Im Verhältnis der zu verlängernden rechtskräftigen Gewaltschutzanordnung zur Entscheidung über die Verlängerung besteht nur eine eingeschränkte präjudizielle Bindung.
Eine Gewaltschutzanordnung beruht auf einer zukunftsgerichteten, prognostischen Beurteilung anhand eines abgeschlossenen oder sich im Verlauf befindenden tatsächlichen Geschehens. Die Anordnung ergeht, wenn zur Zeit ihres Erlasses wegen einer zuvor geschehenen Verletzungshandlung oder einer ausgesprochenen Drohung zu erwarten ist, bestimmte Rechtsgüter des Antragstellers bedürften zum Schutz vor einer künftigen Verletzung der gegenüber dem Antragsgegner auszusprechenden Gebote und Verbote. Der Verfahrensgegenstand, über den eine befristete Gewaltschutzanordnung eine rechtskräftige, bindende Entscheidung trifft, erstreckt und beschränkt sich auf die Prognose, es sei auf Grund des festgestellten Sachverhalts bis zum Fristablauf gegenüber dem Antragsgegner verhältnismäßig, aus Abwehransprüchen des Antragstellers folgende Gebote und Verbote zum Schutz vor Verletzungen bestimmter Rechtsgüter festzusetzen.
Die Verfahrensgegenstände der zu verlängernden Gewaltschutzanordnung und der Verlängerungsentscheidung sind nicht identisch, weil ihre Geltungszeiträume sich in keinem Moment überschneiden. Das prognostische Urteil der zu verlängernden Anordnung über die Schutzbedürftigkeit der Rechtsgüter des Antragstellers und über die Verhältnismäßigkeit der Anordnungen gegenüber dem Antragsgegner ist auf den Fristablauf begrenzt. Die Verlängerungsentscheidung beruht auf einer Prognose, die sich auf den darauf folgenden Zeitabschnitt erstreckt.
Die zu verlängernde Anordnung entscheidet mit Bindungswirkung über Vorfragen der Verlängerung, soweit Verletzungshandlungen oder Drohungen mit Bezug auf Rechtsgüter festgestellt worden sind, die im Gewaltschutzverfahren geschützt werden können. Nur insoweit enthält die zu verlängernde Anordnung Feststellungen und Entscheidungen, die nicht auf ihre befristete Geltungsdauer beschränkt sind.
Schon die Beurteilung eines Abwehranspruches des Antragstellers - zumeist wohl auf Grund der §§ 823, 1004 BGB - beruht auf einer Prognose und ist damit auf die Befristung beschränkt. Ein Unterlassungs- oder Abwehranspruch besteht nur, wenn die wiederholte oder erste Verletzung eines geschützten Rechtsgutes oder die Fortwirkung einer bereits eingetretenen Beeinträchtigung zu erwarten ist (vgl. etwa Erman-Ebbing, BGB, 15. Aufl. 2017, § 1004 Rdnr. 76, 155). Diese Erwartung spricht die zu verlängernde Anordnung - nur - für die Zeit ihrer Befristung aus. Ob die Verletzungs- oder Beeinträchtigungserwartung auch für die Zeit danach gerechtfertigt ist, braucht nicht entschieden zu werden, weil für jenen Zeitraum Rechtsbeeinträchtigungen des Antragsgegners nicht mehr gerechtfertigt werden müssen.
Gleiches gilt für die Erwägungen, ob die Beschränkungen gegenüber dem Antragsgegner als verhältnismäßig, also als geeignet, erforderlich und zumutbar, beurteilt werden können. Da das Gewicht einer Beschränkung mit Dauerwirkung wesentlich durch die Dauer ihrer Geltung bestimmt wird, ist dieser Gesichtspunkt eine der tragenden Erwägungen der zu verlängernden Anordnung, die sich aber darauf beschränkt, bis zum Ablauf der Frist könnten dem Antragsgegner die auferlegten Verpflichtungen in Abwägung ihres Gewichts mit demjenigen der befürchteten Rechtsgutverletzungen zugemutet werden.
Das mit einem Verlängerungsantrag befasste Gericht hat mithin auf Grund der Verletzungshandlungen und Drohungen, die der zu verlängernden Anordnung zu Grunde gelegt worden sind, ohne darüberhinausgehende Bindung an die Ausgangsentscheidung zu entscheiden, ob weitere Verletzungen solcher Rechtsgüter zu befürchten sind, deren Schutz das Gewaltschutzverfahren dient, und ob die in der zu verlängernden Anordnung festgesetzten Beschränkungen gegenüber dem Antragsgegner weiter als verhältnismäßig beurteilt werden können.
cc) Der Verweis auf die formelle Rechtskraft der zu verlängernden Anordnung, also auf deren Unabänderbarkeit wegen unterlassener Anfechtung durch den Antragsgegner (so OLG Nürnberg, BeckRS 2012, 04276, Rdnr. 20), führt zu keinen weitergehenden Bindungen bei der Entscheidung über die Verlängerung. Die Entscheidung über den Verlängerungsantrag berührt weder durch Stattgabe noch durch Abweisung den Bestand der Ausgangsentscheidung. Sie bleibt auch bei Abweisung des Verlängerungsantrages bis zum Fristablauf wirksam. Der Antragsgegner hat, indem er die Anfechtung der zu verlängernden Anordnung unterlassen hat, in Bezug auf das Verfahren über den Verlängerungsantrag weder etwas erklärt noch auf eine Erklärung verzichtet. Einwendungen gegen die Verlängerung stehen zudem nicht selbstverständlich im Widerspruch zur unterlassenen Anfechtung der zu verlängernden Anordnung, so dass sie nicht als unzulässige Rechtsausübung unbeachtet gelassen werden dürften. Vielmehr darf der Antragsgegner von ihm für rechtswidrig gehaltene Gewaltschutzanordnungen gerade mit Rücksicht auf deren Befristung unangefochten hinnehmen, um damit während der ausgewiesenen beschränkten Zeitspanne eher ein unrechtmäßiges Gebot zu befolgen als ein mit weiterem Verlust- und Kostenrisiko verbundenes Beschwerdeverfahren zu führen. Der Verlängerung kann er entgegenhalten, die von ihm von Anfang an für unrechtmäßig gehaltenen Beschränkungen nicht noch länger tragen zu wollen. Der Angriff auf die Verlängerung ist dann auf die Teile der Entscheidung beschränkt, die nicht der präjudiziellen Bindungswirkung der Ausgangsentscheidung unterliegen.
b) Ein Unterlassungs- oder Abwehranspruch, der im Gewaltschutzverfahren durchzusetzen wäre, steht der Antragstellerin weder auf Grund der Feststellungen im Beschluss des Amtsgerichts vom 24. April 2018 zu, noch ergibt sich ein solcher Anspruch aus dem Vorbringen der Antragstellerin im Verlängerungsverfahren.
aa) Das Amtsgericht hat festgestellt, der Antragsgegner habe der Antragstellerin gegen deren ausdrücklich erklärten Widerwillen wiederholt WhatsApp-Nachrichten zugesandt, und er habe sie persönlich angetroffen. Auf weitere Kontaktaufnahmen, auch durch Anrufe, stützt die Antragstellerin ihren Verlängerungsantrag. Eine Verletzung oder Gefährdung der Rechtsgüter, die verfahrensrechtlich durch § 1 I 1, II 1 Nr. 1 GewSchG geschützt sind (Leben, körperliche Unversehrtheit, Freiheit), ist damit weder bindend festgestellt noch nachträglich dargelegt. Die weiteren Schilderungen der Antragstellerin in ihrer verfahrenseinleitenden Antragsschrift hat das Amtsgericht zutreffend nicht in seine Feststellungen aufgenommen, denn auch das Wegnehmen von Telephon und Handtasche und das Hinausweisen aus der Wohnungen wegen dort begangener Beschimpfungen können eine Gewaltschutzanordnung nicht rechtfertigen.
Die persönliche Ehre, die allgemeine Handlungsfreiheit, der ungestörte Besitz an beweglichen Sachen und das Eigentum gehören nicht zu den Rechtsgütern, die durch Gewaltschutzanordnungen gesichert werden können. Ein Hausrechtsverstoß rechtfertigt eine Gewaltschutzanordnung nur, wenn der Antragsgegner in die Wohnung eingedrungen ist (§ 1 II 1 Nr. 2 Buchst. a GewSchG), nicht - anders als nach § 123 StGB - nach unberechtigtem Verweilen in der Wohnung.
bb) Die Feststellungen des Amtsgerichts und die Darlegungen der Antragstellerin reichen nicht aus, um eine unzumutbare Belästigung (§ 1 II S. 1 Nr. 2 Buchst. b, S. 2 GewSchG) durch den Antragsgegner anzunehmen.
Wiederholtes Nachstellen (§ 1 II S. 1 Nr. 2 Buchst. b Var. 1 GewSchG) geschieht durch mehrfaches persönliches Aufhalten in der räumlichen Nähe des Schutzsuchenden, eine Verfolgung unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln (§ 1 II S. 1 Nr. 2 Buchst. b Var. 2 GewSchG) durch ständiges oder sehr häufiges Übermitteln von Nachrichten. Anders als im Straftatbestand der Nachstellung (§ 238 I StGB) gehört die Beharrlichkeit hier nicht zu den Tatbestandsmerkmalen. Sie erfordert dort ein wiederholtes, dauerhaftes Verhalten, dem ein gesteigertes Maß an Gleichgültigkeit oder hartnäckiger Missachtung der berechtigten Interessen des Opfers zu entnehmen ist (vgl. MüKo-StGB-Gericke, 3. Aufl. 2017, § 238 Rdnr. 44). Das in das Verfahrensrecht des Gewaltschutzes stattdessen aufgenommene Tatbestandsmerkmal der unzumutbaren Belästigung (§ 1 II S. 1 Nr. 2 Buchst. b GewSchG) weist eher als die Beharrlichkeit auf die Beziehung des Täters zum schutzsuchenden Gegenüber hin und auf die Wechselwirkung des beiderseitigen Verhaltens. Das wird zusätzlich betont durch den Ausschluss der unzumutbaren Belästigung, wenn die nachstellenden und verfolgenden Handlungen der Wahrnehmung berechtigter Interessen dienen (§ 1 II 2 GewSchG). Der Bestand gewisser Rechtsbeziehungen kann dem Verhalten den Makel der unzumutbaren Belästigung nehmen und den Anspruch auf eine Gewaltschutzanordnung ausschließen. Die Beurteilung einer unzumutbaren Belästigung erfordert danach eine umfassende Bewertung nicht nur des objektiv beobachtbaren äußerlichen Verhaltens des Antragsgegners, sondern zudem eine wertende Berücksichtigung der Wirkungen auf den Antragsteller, die dessen Empfinden und Reaktionen und die rechtlichen und persönlichen Beziehungen der Beteiligten zueinander einbezieht (vgl. BeckOGK-GewSchG-Schulte-Bunert, § 1 Rdnr. 47 f.; BeckOK-GewSchG-Reinken, § 1 Rdnr. 35; jurisPK-BGB-Breidenstein, § 1 GewSchG Rdnr. 22).
Das Amtsgericht hat in die Gründe der zu verlängernden Anordnung nahezu keine tatsächlichen Feststellungen aufgenommen. Dass der Antragsgegner die Antragstellerin wiederholt und gegen ihren ausdrücklich erklärten Widerwillen aufgesucht und per WhatsApp kontaktiert habe, weist weder auf eine besondere Intensität oder Häufigkeit des Verhaltens hin, noch lässt sich der offensichtliche Erörterungsbedarf in bezug auf die Wahrnehmung berechtigter Interessen des Antragsgegners bewältigen. Die im Verlängerungsverfahren, insbesondere nach dem Hinweis des Senats in der Verfügung vom 27. November 2018 (Bl. 114 f.) von der Antragstellerin vorgelegten detaillierten Schilderungen des dem Antragsgegner angelasteten und von ihm nicht bestrittenen Verhaltens (Schriftsatz vom 6. Dezember 2018, Bl. 127 ff.) erlauben in einer wertenden Gesamtschau nicht die Beurteilung als unzumutbare Belästigung.
Schon die Häufigkeit der Kontaktaufnahmen lässt an einer zur Tatbestandsverwirklichung genügenden Verfolgungsintensität zweifeln. Die Antragstellerin berichtet über den Zeitraum von fast genau einem Jahr (erster Tag: 5. Dezember 2017, letzter Tag: 29. November 2018) von 45 Tagen, an denen der Antragsgegner sich persönlich in ihre Nähe begeben oder ihr zumeist eine, an manchen Tagen zwei oder drei und einmal sechs Kurzmitteilungen übersandt habe. Im Jahresdurchschnitt kam es damit zu nicht einmal einer Kontaktaufnahme je Woche. Die tatsächliche Verteilung zeigt Kontaktpausen von mehreren Wochen (6. Februar bis 23. April, 7. Mai bis 4. Juli, 24. September bis 1. November). Unter Berücksichtigung der weiteren Gesichtspunkte des Verhältnisses der Beteiligten zueinander lassen sich die Kontaktaufnahmen in dieser Häufigkeit und Intensität jedenfalls nicht als unzumutbare Belästigung einordnen.
Die Zumutbarkeit der Häufigkeit und auch des Inhalts der Mitteilungen, also das Maß dessen, das die Antragsgegnerin ohne die Möglichkeit rechtlicher Gegenwehr hinnehmen muss, wird wesentlich durch das persönliche und rechtliche Verhältnis der Beteiligten zueinander bestimmt. Die Beteiligten haben in einer Lebensgemeinschaft zusammengelebt. Sie bleiben durch das gemeinsame Kind einander verbunden. Jedenfalls während der Zeit der Minderjährigkeit des 2014 geborenen Kindes bestehen Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten selbst und zwischen dem Antragsgegner und dem von der Antragstellerin vertretenen Kind, die zwischen den Beteiligten den Bedarf nach Besprechung, Erörterung, Auskunft und Streitschlichtung auslösen. Wegen des Umgangs und des Kindesunterhalts sind bereits Gerichtsverfahren geführt worden. Der Antragsgegner hat die Frage gemeinsamen Sorgerechts angesprochen.
Der Antragsgegner hat ein berechtigtes Interesse, sich wegen der Erfüllung der Unterhaltspflicht an die Antragstellerin zu wenden, wenn er bei grundsätzlicher Leistungsbereitschaft auf Zahlungsschwierigkeiten hinweisen und um Entgegenkommen zur Vermeidung von Vollstreckungsmaßnahmen bitten will.
Die Antragstellerin hat es auch hinzunehmen, dass sich der Antragsgegner zur Regelung von Umgangsterminen an sie wendet, auch zur Abweichung von Umgangszeiten, die gerichtlich festgesetzt oder durch Dritte vermittelt sind. Die Einrichtung einer Umgangsbegleitung (§ 1684 IV 3 BGB) entlastet die Antragstellerin nicht von Terminabsprachen, weil die Mitwirkung an Vereinbarungen oder Regelungen über die Umgangszeit nicht zu den Aufgaben und Befugnissen eines Umgangsbegleiters gehört. Die Umgangsregelung durch das Gericht und die Einschaltung von Verfahrensbevollmächtigten lässt, auch wenn sie zur außergerichtlichen Vertretung bevollmächtigt sind, persönliche Kommunikation zwischen den umgangsverpflichteten Eltern nicht entbehrlich werden. Der persönliche Kontakt zwischen den Eltern ist im Interesse des Kindes vielmehr wünschenswert - selbstverständlich in angemessenem Maß, unter Wahrung von Höflichkeit und Anstand und bei strikter Vermeidung von Beleidigungen. Solange die Antragstellerin verpflichtet ist, den Umgang des Antragsgegners mit dem Kind nach Kräften zu fördern (§ 1684 I, II 1 BGB), muss sie die Konktaktaufnahme des Antragsgegners hinnehmen. Dass der Antragsgegner dabei das Maß zum Unzumutbaren bereits überschritten hätte, lässt sich weder der Häufigkeit noch dem von der Antragstellerin mitgeteilten Inhalt einzelner Mitteilungen entnehmen.
Auch nur wenige Mitteilungen können auch dann, wenn sie die rechtlichen Beziehungen zwischen den Beteiligten betreffen, das Maß des Zumutbaren verlassen, wenn sie unsachlich, beschimpfend oder im Verhältnis zum Mitteilungsgegenstand unangemessen ausfallen oder wenn sie den Empfänger mit Rücksicht auf dessen dem Absender bekannte Empfindlichkeit übermäßig beanspruchen. Unzumutbar sind Mitteilungen, die unabhängig von ihrem Gegenstand und Inhalt stets in forderndem, dominantem, beherrschenden Ton abgefasst sind, obwohl der Absender weiß, dass der Empfänger darauf nur hilflos, eingeschüchtert und verängstigt reagieren kann. Die Mitteilungen des Antragsgegners an die Antragstellerin verlassen zwar mitunter einen bloß sachlichen Ton. Mitunter kann die Wortwahl nicht mehr als höflich oder auch nur neutral eingeordnet werden. Manche Mitteilungen scheinen sachlich ganz und gar überflüssig zu sein. Aber der Grundton ist nicht fordernd oder gar beherrschend, sondern eher seinerseits hilflos, oft bittend, manchmal geradezu weinerlich. Auch durch solche Mitteilungen kann eine unzumutbare Belästigung entstehen; aber diese rechtlich relevante, nämlich vollstreckbare Abwehransprüche auslösende Schwelle wird durch Lästigkeit, auch durch schwerer wiegende Lästigkeit noch nicht überschritten.
Dabei ist zum einen zu berücksichtigen, dass sich die Antragstellerin keineswegs als hilflos und dem Antragsgegner zur Duldsamkeit verpflichtet präsentiert. Sie entgegnet ihm in äußerst bestimmtem Ton.
Dabei weist sie zum anderen nicht schlicht seine Kontaktversuche zurück. Es steht der Unzumutbarkeit der Mitteilungen des Antragsgegners entgegen, dass die Antragstellerin wiederholt auf seine Ansinnen eingeht, indem sie ihm Gegengründe übermittelt und ihm vorhält, welches seiner vermeintlichen Fehlverhalten der Erfüllung seiner Wünsche entgegensteht. Wer auf diese Weise an einer Kommunikation in Äußerung und Gegenäußerung teilnimmt, kann sie nicht zugleich als unzumutbare Belästigung zurückweisen.
cc) Ob Rechte des Kindes der Beteiligten beeinträchtigt sind, wie die Antragstellerin wegen des auf die Kita bezogenen Näherungsverbotes vorträgt, braucht in diesem Verfahren nicht beurteilt zu werden, weil das Kind nicht beteiligt ist. Die Antragstellerin hat das Verfahren allein im eigenen Namen begonnen. Dass sie Verfahrenserklärungen auch oder allein für das Kind als dessen gesetzliche Vertreterin hätte abgeben wollen, ist keiner ihrer Erklärungen zu entnehmen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 I 1 FamFG. Sie bezieht sich für die Kosten des ersten Rechtszuges allein auf die weiteren Kosten, die durch das Verfahren über den Antrag auf Verlängerung der Gewaltschutzanordnung entstanden sind.
Die Wertfestsetzung beruht auf den §§ 55 II, 49 I FamGKG. Sie ist unanfechtbar (§§ 59 I 5, 57 VII FamGKG).
IV.
1. a) Die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin gegen die Entscheidung in der Hauptsache wird zugelassen. Sowohl die Frage der Überprüfbarkeit der zu verlängernden Gewaltschutzanordnung aus Anlass der Verlängerung als auch das Verständnis des Tatbestandsmerkmals der unzumutbaren Belästigung haben grundsätzliche Bedeutung (§ 70 II 1 Nr. 1 FamFG), weil sie in einer Vielzahl gleichartiger Fälle entscheidungserheblich sind und sich einer vorherrschende Auffassung in der Rechtsprechung und dem rechtswissenschaftlichen Schrifttum noch nicht gebildet hat.
b) Gegen die Entscheidung in der Hauptsache steht der Antragstellerin die Rechtsbeschwerde zu. Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Frist von einem Monat nach der Zustellung dieses Beschlusses durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45 a, 76133 Karlsruhe, durch einen dort zugelassenen Rechtsanwalt einzulegen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Die Rechtsbeschwerdeschrift muss die Bezeichnung dieses Beschlusses und die Erklärung enthalten, dass gegen diesen Beschluss Rechtsbeschwerde eingelegt werde. Die Rechtsbeschwerdeschrift ist zu unterschreiben. Die Rechtsbeschwerde ist, sofern die Beschwerdeschrift keine Begründung enthält, binnen einer Frist von einem Monat zu begründen. Die Frist beginnt mit der Zustellung dieses Beschlusses. Die Begründung der Rechtsbeschwerde muss enthalten: die Erklärung, inwieweit der Beschluss angefochten und dessen Aufhebung beantragt werde (Rechtsbeschwerdeanträge), die Angabe der Rechtsbeschwerdegründe, und zwar die bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt, und, soweit die Rechtsbeschwerde darauf gestützt wird, dass das Gesetz in Bezug auf das Verfahren verletzt sei, die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel ergeben.
2. Im Übrigen besteht kein Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen (§ 70 II FamFG).