Gericht | LSG Berlin-Brandenburg 27. Senat | Entscheidungsdatum | 17.01.2013 | |
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Aktenzeichen | L 27 P 86/10 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 34 SGB 11, § 38 SGB 11 |
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. Oktober 2010 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Kläger erstrebt als Rechtsnachfolger der Versicherten die Auszahlung weiterer Pflegegeldleistungen.
Die 1916 geborene und am 2008 verstorbene Versicherte M P erhielt von der Beklagten mit Wirkung ab dem 26. November 2003 Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung nach der Pflegestufe III. Daneben erhielt sie Leistungen der Hilfe zur Pflege nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) vom zuständigen Sozialhilfeträger. Pflegeperson war der mit ihr in einem gemeinsamen Haushalt lebende Kläger, ihr Sohn, der im Wege einer Vorsorgevollmacht von der Versicherten zu ihrer Vertretung bevollmächtigt worden war. Die Versicherte erhielt in der Zeit vom 26. Januar 2004 bis zum 19. September 2006 neben der Pflege durch den Kläger (der Pflegegeldanspruch belief sich in dieser Zeit auf maximal 665,00 Euro im Monat) teilstationäre Hilfe in einer Einrichtung der Tagespflege nach § 41 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI), deren Kosten bis zu einem Höchstbetrag von 1.432,00 Euro monatlich von der Beklagten übernommen werden konnten.
Die Versicherte befand sich in der Zeit vom 31. Oktober bis zum 26. November 2003, vom 7. bis zum 18. Dezember 2003, vom 13. bis zum 31. August 2004, vom 3. bis zum 10. September 2004, vom 25. bis zum 30. Dezember 2004, vom 12. bis zum 25. Februar 2005, vom 24. März bis zum 13. April 2006, vom 5. bis zum 23. Juni 2006, vom 26. bis zum 30. Juni 2006 sowie vom 19. September 2006 bis zum 16. Februar 2007 jeweils in stationärer Krankenhausbehandlung.
Die Versicherte beantragte am 28. März 2007 die anteilige Auszahlung eines Restpflegegeldes für die Zeit von November 2003 bis Januar 2004, August und September 2004, Dezember 2004, Februar bis April 2005, Juni 2006, September 2006 und Februar 2007. Mit Bescheid vom 8. Mai 2007 berechnete die Beklagte die Höhe der anteiligen Pflegegelder für die Zeit vom 1. November 2003 bis zum 30. September 2006 mit dem Ergebnis einer Nachzahlung in Höhe von insgesamt 176,36 Euro. Dagegen legte die Versicherte am 15. Mai 2007 mit der Begründung Widerspruch ein, ihr stehe ein höheres anteiliges Pflegegeld zu. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 6. August 2007 zurück. Zur Begründung führte die Beklagte unter Bezugnahme auf das Gemeinsame Rundschreiben der Spitzenverbände der Krankenkassen vom 10. Oktober 2002 aus, anteiliges Pflegegeld sei zwar nach § 34 Absatz 2 SGB XI in den ersten vier Wochen einer vollstationären Krankenhausbehandlung weiter zu zahlen. Um zu verhindern, dass Pflegebedürftige in Teilzeiträumen ein höheres Pflegegeld als sonst erhalten, werde jedoch ein Sachleistungsbudget für den Teilzeitraum ermittelt. Dieser beziehe sich auf die „krankenhausfreie“ Zeit, wobei der Aufnahme- und Entlassungstag als „Pflegetage“ gelten würden. Werde die Kombinationsleistung in schwankender Höhe erbracht, sei bei der Ermittlung der anteiligen Geldleistung der tatsächlich in Anspruch genommene Sachleistungsanteil ins Verhältnis zum fiktiven Sachleistungshöchstanspruch für den Teilmonat zu setzen. Die so ermittelte Quote sei für den Anteil der Geldleistung für den gesamten Monat maßgebend. Abzüglich der bereits erfolgten Zahlung von 1.556,10 Euro errechne sich für die Zeit von November 2003 bis Februar 2007 lediglich der bereits ausgekehrte Nachzahlungsbetrag. Dabei ging die Beklagte von den folgenden Werten aus:
Zeitraum | Anspruch | Sachleistung | Budget | Anteiliges Pflegegeld |
November 2003 | 5 Tage | - | - | 110,83 Euro |
Dezember 2003 | 30 Tage | - | - | 665,00 Euro |
Januar 2004 | 30 Tage | 372,55 Euro | - | 491,97 Euro |
August 2004 | 14 Tage | 784,40 Euro | 668,27 Euro | - |
September 2004 | 24 Tage | 1.333,48 Euro | 1.145,60 Euro | - |
Dezember 2004 | 27 Tage | 1.411,92 Euro | 1.288,80 Euro | - |
Februar 2005 | 16 Tage | 784,40 Euro | 763,73 Euro | - |
März 2006 | 24 Tage | 1.411,92 Euro | 1.145,60 Euro | - |
April 2006 | 18 Tage | 784,40 Euro | 859,20 Euro | 57,92 Euro |
Juni 2006 | 10 Tage | 392,20 Euro | 477,33 Euro | 118,57 Euro |
September 2006 | 19 Tage | 1.019,72 Euro | 906,93 Euro | - |
Februar 2007 | 13 Tage | - | - | 288,17 Euro |
Bereits am 19. Juni 2007 hatte die Versicherte – vertreten durch den Kläger – Klage vor dem Sozialgericht Berlin erhoben, mit der sie die Berechnung des Restpflegegeldes unabhängig von fiktiven Teilmonaten begehrte. Zur Begründung trug sie vor, die von der Beklagten vorgenommene Berechnung benachteilige die Pflegeperson gegenüber dem Sachleistungsanbieter. Bei ausschließlicher Hauspflege müsse das Pflegegeld in voller Höhe gezahlt werden, solange nicht innerhalb eines Monats ein mehr als 28tägiger Krankenhausaufenthalt vorliege. Der Kläger hat das Verfahren nach dem Versterben der Versicherten fortgeführt.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 27. Oktober 2010 mit der Begründung abgewiesen, die von dem Beklagten vorgenommene Berechnung des Restpflegegeldes sei nicht zu beanstanden. Die Auffassung des Klägers werde dem zugrunde liegenden Sachverhalt nicht gerecht, da diese dazu führe, dass der Krankenhausaufenthalt keine Berücksichtigung finde, so dass die Versicherte in Monaten mit einem Krankenhausaufenthalt ein höheres anteiliges Pflegegeld erhalten würde als ohne den Krankenhausaufenthalt.
Der Kläger hat gegen das ihm am 11. November 2010 zugestellt Urteil am 13. Dezember 2010 – einem Montag – Berufung zum Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingelegt, mit der er sein Begehren weiter verfolgt und vorträgt, bei Zugrundlegung der Pflegestufe III bestehe ein täglicher Pflegegeldanspruch in Höhe von 22,16 Euro, der auch im Falle eines bis zu 28tägigen Krankenhausaufenthaltes fortbestehe und lediglich in Abhängigkeit von dem tatsächlich abgerufenen Betrag für erwerbsmäßige Pflege stehe. Dabei werde bereits die erwerbsmäßige Pflege gegenüber nicht erwerbsmäßig tätigen Pflegepersonen bevorzugt. Wie im Bereich der Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII sei allein ein pauschaler Abzug von 20 Prozent des Pflegegeldes bei Inanspruchnahme teilstationärer Entlastung gerechtfertigt.
Der Kläger beantragt wörtlich,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. Oktober 2010 sowie den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 6. August 2007 nach § 44 Absatz 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, für die strittigen Zeiträume zwischen November 2003 und Februar 2007 rechtmäßig gemäß § 41 Absatz 3 Satz 2 alter Fassung in Verbindung mit § 38 Satz 2 sowie § 37 Absatz 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) das zustehende Pflegegeld zu ermitteln sowie den 28tägigen Weiterzahlungsbetrag bei Krankenhausaufenthalt unabhängig einer bewusst erdichteten und damit rechtswidrigen Annahme zustehend zu ermitteln und auszuzahlen sowie diesen Betrag gemäß § 44 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) seit dem 25. März 2007 zu verzinsen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend. Ausgehend von der Intention des Gesetzgebers, bei bis zu 28tägigen Krankenhausaufenthalten trotz fehlender Pflege in der Häuslichkeit das bisher bezogene Pflegegeld zur Aufrechterhaltung der Pflegebereitschaft der Pflegeperson weiterzugewähren, dürfe ein Krankenhausaufenthalt gegenüber einem Monat ohne einen solchen nicht zu einer höheren anteiligen Pflegegeldleistung führen. Vielmehr seien die unterschiedlichen Höchstbeträge für Sachleistungen und Pflegegeld ins Verhältnis zu setzen, da das Pflegegeld auch bei einem Krankenhausaufenthalt nur anteilig im Verhältnis zu der (fiktiv) in Anspruch genommenen Sachleistung gewährt werden könne.
Dem Senat haben die Verwaltungsvorgänge der Beklagten vorgelegen. Diese waren Gegen-stand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten.
Die Berufung des Klägers ist zulässig, insbesondere statthaft gemäß § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Dabei legt der Senat den zuletzt von dem Kläger in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag unter Berücksichtigung des Meistbegünstigungsgrundsatzes dahingehend aus, dass der Kläger unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Berlin vom 27. Oktober 2010 und Änderung des Bescheides der Beklagten vom 8. Mai 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. August 2007 die Auszahlung von weiterem anteiligen Pflegegeld für die Zeit zwischen November 2003 und Februar 2007 nebst Zinsen durch die Beklagte begehrt. Der Bescheid der Beklagten vom 8. Mai 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. August 2007 ist angesichts des vorliegenden Verfahrens noch nicht bestandskräftig geworden, so dass ein Vorgehen nach § 44 SGB X nicht erforderlich ist, zumal insoweit bisher auch kein Verwaltungsverfahren durchgeführt worden ist. Dem wohlverstandenen Interesse des Klägers entsprechend erstrebt dieser eine Korrektur der Berechnung des anteiligen Pflegegeldes durch die Beklagte für die Zeit von November 2003 bis Februar 2007. Diese Korrektur kann er mit dem im Wege der Auslegung zugrunde gelegten Berufungsantrag einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage bezogen auf den ursprünglichen Bewilligungsbescheid in der Gestalt des darauf bezogenen Widerspruchsbescheides in zulässiger Weise erreichen.
Die Berufung des Klägers hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das Sozialgericht mit dem angegriffenen Urteil die Klage abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 8. Mai 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. August 2007 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Auszahlung von weiterem anteiligem Pflegegeld für die Zeit von November 2003 bis Februar 2007.
Der Kläger ist als Sonderrechtsnachfolger im Sinne von § 56 Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 SGB I zunächst berechtigt, die seiner Mutter als Versicherter bei ihrem Tod zustehenden Ansprüche auf Pflegegeldzahlungen der Pflegestufe III geltend zu machen, da er bei deren Tod mit ihr in einem gemeinsamen Haushalt gelebt hat. Die von der Beklagten vorgenommene Berechnung der Pflegegeldleistungen ist jedoch zutreffend, so dass ein weiterer Auszahlungsanspruch nicht besteht und dementsprechend auch ein daran anknüpfender Zinsanspruch mangels Hauptforderung nicht gegeben ist.
Die Versicherte hat in der streitigen Zeit Leistungen der teilstationären Pflege in einer Einrichtung der Tagespflege nach § 41 Absatz 1 SGB XI in der bis zum 30. Juni 2008 geltenden Fassung (im Folgenden a.F.) erhalten, für die die Beklagte Aufwendungen im Wert bis zu 1.432,00 Euro im Kalendermonat übernommen hat. Für die Berechnung des daneben von der Versicherten in Anspruch genommenen Pflegegeldes nach § 37 SGB XI ist nach § 41 Absatz 3 Satz 2 SGB XI a.F. die Regelung des § 38 Satz 2 SGB XI entsprechend anzuwenden. Nach § 38 Satz 2 SGB XI wird das Pflegegeld um den Vomhundertsatz vermindert, in dem der Pflegebedürftige Sachleistungen in Anspruch genommen hat. Durch die Verweisung in § 41 Absatz 3 Satz 2 SGB XI a.F. auf § 38 Satz 2 SGB XI ist also das Pflegegeld bei Inanspruchnahme von Leistungen der teilstationären Pflege in einer Einrichtung der Tagespflege um den Vomhundertsatz zu kürzen, in dem der Pflegebedürftige diese Tagespflegeleistung in Anspruch genommen hat.
In Anwendung dieser Vorgaben hat die Beklagte das anteilige Pflegegeld im streitgegenständlichen Zeitraum unter Berücksichtigung der Krankenhausaufenthalte der Versicherten berechnet und ist damit – entgegen der Auffassung des Klägers – auch der Vorschrift des § 34 Absatz 2 Satz 2 SGB XI gerecht geworden, nach der anteiliges Pflegegeld nach § 38 SGB XI in den ersten vier Wochen einer vollstationären Krankenhausbehandlung weiter zu zahlen ist. Der Anspruch auf Weiterzahlung von Pflegegeld soll zur Aufrechterhaltung der Pflegebereitschaft der Pflegeperson die Weitergewährung der ohne den Krankenhausaufenthalt zustehenden Leistungen sicherstellen (vgl. BT-Drucks. 13/3696, Seite 12). Damit ist jedoch nicht der Zweck verbunden, im Falle eines Krankenhausaufenthaltes die Position des Pflegegeldempfängers zu verbessern. Der dargelegten Interessenlage wird die auf der Grundlage des Gemeinsamen Rundschreibens der Spitzenverbände der Krankenkassen vom 10. Oktober 2002 vorgenommene Berechnung des anteiligen Pflegegeldanspruchs gerecht, deren mathematische Richtigkeit aus Sicht des Senats gegeben ist und die auch vom Kläger nicht bezweifelt wird. Im Gegensatz zu dem vom Kläger herangezogenen Vergleich mit dem SGB XII ist im Rahmen des SGB XI eine Verteilung von Höchstleistungsansprüchen vorzunehmen, während das Recht der Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII auf eine Deckung des tatsächlichen Pflegebedarfs ausgerichtet ist und die dortigen Anrechnungsvorschriften vor dem Hintergrund des dort geltenden Subsidiaritätsprinzips (§ 2 Absatz 1 SGB XII) im Zusammenhang mit der Vermeidung des Bezuges von doppelten Leistungen stehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Absatz 1 SGG, da der Kläger als Sonderrechtsnachfolger der Versicherten zum von § 183 Absatz 1 SGG erfassten Personenkreis gehört.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe gemäß § 160 Absatz 2 SGG nicht gegeben sind.