Toolbar-Menü
 
Sie sind hier: Gerichtsentscheidungen Dienstbeschädigtenteilrente

Dienstbeschädigtenteilrente


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 22. Senat Entscheidungsdatum 22.03.2012
Aktenzeichen L 22 R 45/11 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 44 SGB 10, § 4 Abs 2 DbAG

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 07. Dezember 2010 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Gewährung einer Dienstbeschädigungsteilrente bzw. eines Dienstbeschädigungsausgleiches für die Zeit vom 01. August 1991 bis 31. Dezember 1996.

Der im März 1933 geborene Kläger, der bis zum 30. September 1990 zuletzt im Rang eines Oberst Angehöriger der Nationalen Volksarmee (NVA) war, bezog ab 01. Oktober 1990 Dienstbeschädigungsteilrente und zugleich befristete erweiterte Versorgung aus dem Sonderversorgungssystem der NVA. Mit Bescheid des Wehrbereichsgebührnisamtes VII vom 25. Juli 1991 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Wehrbereichsverwaltung VII vom 12. November 1991 wurde mit Wirkung ab 01. August 1991 die Zahlung der Dienstbeschädigungsteilrente unter Bezugnahme auf § 11 Abs. 2 und 5 Satz 2 Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) eingestellt. Die dagegen gerichtete Klage wurde mit Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 23. Dezember 1992 – S 6 (1) An 178/91 abgewiesen. Die dagegen eingelegte Revision wies das Bundessozialgericht (BSG) mit Urteil vom 10. Mai 1994 - 4 RA 8/93 zurück. Dagegen ist Verfassungsbeschwerde vom Kläger nicht erhoben worden.

Auf den im Dezember 1996 gestellten Antrag gewährte das Wehrbereichsgebührnisamt VII dem Kläger ab 01. Januar 1997 einen Dienstbeschädigungsausgleich.

Mit Schreiben vom 22. Februar 2002 beantragte der Kläger unter Hinweis auf den am 14. Februar 2002 veröffentlichten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 21. November 2001 – 1 BvR 1318/94 u. a. die Nachzahlung des Dienstbeschädigungsausgleiches für die Zeit vom 01. August 1991 bis 31. Dezember 1996. Die Wehrbereichsverwaltung Ost teilte dem Kläger daraufhin mit Schreiben vom 18. April 2002 mit, über das Anliegen könne derzeit wegen einer fehlenden gesetzlichen Regelung noch nicht entschieden werden.

Mit Bescheid vom 01. Februar 2007 lehnte die Wehrbereichsverwaltung Ost die Rücknahme des Bescheides vom 25. Juli 1991 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12. November 1991 ab und stellte zugleich fest, dass ein Anspruch auf Zahlung des Dienstbeschädigungsausgleichs für den Zeitraum vom 01. August 1991 bis 31. Dezember 1996 nicht besteht. Der Bescheid vom 25. Juli 1991 sei am 14. Februar 2002 unanfechtbar gewesen. Eine Rücknahme nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) sei gemäß § 4 Abs. 2 Gesetz über einen Ausgleich für Dienstbeschädigungen im Beitrittsgebiet (DbAG) für den Zeitraum vor dem 14. Februar 2002 nicht möglich.

Den dagegen eingelegten Widerspruch, mit dem der Kläger geltend machte, dieser Bescheid sei rechtsunwirksam, nicht bestandskräftig und nicht unanfechtbar, da er, der Widerspruchsbescheid vom 12. November 1991 und die Urteile vom 23. Dezember 1992 und 10. Mai 1994 auf rechtswidrigen gesetzlichen Grundlagen erfolgten, wies die Wehrbereichsverwaltung Ost mit Widerspruchsbescheid vom 06. März 2007 zurück: Mit der Zurückweisung der Revision durch das Urteil des BSG vom 10. Mai 1994 – 4 RA 8/93 sei der Bescheid vom 25. Juli 1991 bestandskräftig, das heißt unanfechtbar, geworden. Die auf der Grundlage der verfassungswidrigen Vorschriften ergangenen und im Zeitpunkt der Bekanntgabe der Entscheidung des BVerfG vom 21. November 2001 bereits bestandskräftigen Bescheide blieben nach dieser Entscheidung des BVerfG von der Entscheidung für die Zeit vor der Bekanntgabe unberührt. Es sei dem Gesetzgeber aber unbenommen, die Wirkung der vorliegenden Entscheidung auch auf bereits bestandskräftige Bescheide zu erstrecken; von Verfassungs wegen verpflichtet sei er hierzu nicht. Der Gesetzgeber habe in Umsetzung des Beschlusses des BVerfG bestimmt, dass die am 14. Februar 2002 unanfechtbar gewesenen Bescheide nur mit Wirkung für die Zeit nach dem 14. Februar 2002 nach § 44 SGB X zurückgenommen werden könnten.

Dagegen hat der Kläger am 29. März 2007 Klage beim Sozialgericht Frankfurt (Oder) erhoben.

Er ist der Ansicht gewesen, der Bescheid vom 25. Juli 1991 sei nicht bestandskräftig geworden, weil sich die Verfassungsbeschwerde des Deutschen Bundeswehrverbandes gegen das Urteil des BSG vom 10. Mai 1994 – 4 RA 49/93 als Musterprozess auch zu seinen Gunsten auswirken müsse. Außerdem habe die Beklagte durch Auslegung seines Schreibens vom 22. Februar 2002 als Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X bestätigt, dass sie diesen Bescheid noch nicht als bestandskräftig und damit unanfechtbar ansehe. Entsprechend dem Gleichbehandlungsgebot seien mit der Abweisung seiner Klage durch das BSG die gleichen Bedingungen gegeben. Darüber hinaus verstoße die Neuregelung gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Es sei aus rechtsstaatlichen Erwägungen heraus nicht im Ansatz nachvollziehbar und vertretbar, dass nach § 4 Abs. 3 DbAG alle die, die einen Antrag vor dem 01. März 2002 gestellt hätten und mit diesem wegen eines verfassungswidrigen Gesetzes bei Ausschöpfung des Rechtsweges gescheitert seien, von der Herstellung der Verfassungsmäßigkeit dieses Gesetzes ausgeschlossen bleiben sollen, während die, die seinerzeit die verfassungswidrige Regelung hingenommen und keinen Antrag gestellt hätten, jetzt davon profitieren sollten.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 01. Februar 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06. März 2007 zu verpflichten, den Bescheid vom 25. Juli 1991 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. November 1991 aufzuheben und ihm eine Dienstbeschädigungsteilrente für den Zeitraum 01. August 1991 bis 31. Dezember 1996 in gesetzlicher Höhe nachzuzahlen.

Die Beklagte hat darauf hingewiesen, dass sich die Verfassungsbeschwerde eines Dritten in einem Parallelverfahren nicht zugunsten des Klägers auswirke.

Mit Urteil vom 07. Dezember 2010 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen: Zwar bestünde auf der Grundlage des § 44 Abs. 1 SGB X grundsätzlich die Möglichkeit, einen bei Erlass rechtswidrigen, nicht begünstigenden Verwaltungsakt auch nach dessen Unanfechtbarkeit zurückzunehmen. Werde die entsprechende Norm jedoch nicht für nichtig, sondern „nur“ für mit dem Grundgesetz (GG) unvereinbar erklärt, folge hieraus in der Regel eine Anwendungssperre für die Norm des § 44 SGB X, bis der Gesetzgeber aufgrund der Entscheidung des BVerfG eine neue Regelung getroffen habe. Immer Vorrang habe jedoch in Anwendung des Rechtsgedankens des § 79 Abs. 2 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) der konkrete Ausspruch des BVerfG über die Wirkung seiner Entscheidung (Hinweis auf BSG, Urteil vom 20. Dezember 2001 – B 4 RA 6/01 R; Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15. April 2010 – L 13 VS 48/07). Das BSG habe hierzu u. a. ausgeführt: „Halte man eine Geltungs- und ggf. auch eine Anwendungskonkurrenz zwischen §§ 44, 45 SGB X und § 79 Abs. 2 BVerfGG überhaupt für möglich und dann ggf. sogar einen Vorrang des § 44 SGB X für gegeben, komme man in Fällen der vorliegenden Art zu demselben Ergebnis, als wenn man von einer alleinigen Geltung oder von einem Vorrang des § 79 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG ausgehe. Denn das BVerfG habe ausdrücklich den Umfang der Nichtigkeit und Rechtsfolgen dahingehend bestimmt, dass von Verfassungs wegen die im Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Entscheidung bereits bestandskräftigen Bescheide (Verwaltungsakte) von der Entscheidung für die Zeit vor ihrer Bekanntgabe unberührt blieben. Damit habe das BVerfG der rückwirkenden Aufhebung von Verwaltungsakten (auch nach § 44 Abs. 1 und 2 SGB X) für die Vergangenheit hier eine für die vollziehende und die rechtsprechende Gewalt nicht übersteigbare Grenze gezogen. Andererseits habe das BVerfG damit die Aufhebung (§ 48 SGB X) bestandskräftiger und (aufgrund der Verfassungswidrigkeit) rechtswidriger Verwaltungsakte ab Bekanntgabe der Entscheidung mit Wirkung für die Zukunft zugelassen. Diese Klärung, welche speziellen verfassungsrechtlichen Rechtsfolgen die konkrete Nichtigkeitserklärung für bereits unanfechtbare Staatsakte habe, gehe jedenfalls aufgrund der Bindungswirkung des Urteils des BVerfG (§ 31 Abs. 1 BVerfGG) den einfach gesetzlichen allgemeinen Regelungen in § 79 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG und insbesondere auch den §§ 44, 45 SGB X als Rechtserkenntnis der sich aus höherrangigem Recht im konkreten Nichtigkeitsfall ergebenden Rechtsfolgen vor.“ Vorliegend habe das BVerfG durch seine Entscheidung vom 21. November 2001 nicht die Nichtigkeit des § 11 Abs. 2 und 5 AAÜG, sondern nur deren Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz (GG) festgestellt, da es für den Gesetzgeber mehrere Möglichkeiten gegeben habe, die durch die Entziehung der Dienstbeschädigungsteilrenten entstandene Ungleichbehandlung zu beseitigen. Hierdurch sei zunächst die Anwendbarkeit des § 44 SGB X bis zu einer Entscheidung des Gesetzgebers gesperrt gewesen. Darüber hinaus habe das BVerfG in dieser Entscheidung ausgeführt, dass die auf Grundlage der verfassungswidrigen Vorschriften ergangenen und im Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Entscheidung bereits bestandskräftigen Bescheide von der Entscheidung für die Zeit vor der Entscheidung unberührt blieben. Es sei dem Gesetzgeber aber unbenommen, die Wirkung der vorliegenden Entscheidung auch auf bereits bestandskräftige Bescheide zu erstrecken; von Verfassungs wegen verpflichtet sei er hierzu nicht. Das BVerfG habe somit angeordnet, dass eine Rücknahme der vor der Bekanntgabe seiner Entscheidung bereits bestandskräftigen Bescheide nur dann in Betracht komme, wenn sich der Gesetzgeber hierzu entscheide. Der Gesetzgeber habe wiederum durch den Erlass des § 4 Abs. 2 DbAG entschieden, dass für Personen, deren Bescheide über die Nichtgewährung der Dienstbeschädigungsteilrente am 14. Februar 2002 unanfechtbar gewesen seien, die Rücknahme dieser Bescheide gemäß § 44 SGB X nicht möglich sei. Insofern komme auch für den Kläger eine Rücknahme der ihn betreffenden Bescheide nicht mehr in Betracht, da diese nach Erlass des Urteils des BSG vom 10. Mai 1994 – 4 RA 8/93 unanfechtbar geworden seien, denn eine Verfassungsbeschwerde gegen dieses Urteil habe der Kläger nicht eingelegt. Eine Verfassungsbeschwerde eines Dritten – dieser sicherlich unterstützt vom Bundeswehrverband – habe keinen Einfluss auf die Bestandskraft der Verwaltungs- und Gerichtsentscheidungen für den Fall des Klägers. Schließlich vermöge auch das Argument nicht zu überzeugen, dass § 4 Abs. 2 DbAG seinerseits verfassungswidrig sei. Allerdings sei der Einwand, dass durch diese Regelung möglicherweise eine nicht mit Art. 3 Abs. 1 GG nicht zu vereinbarende Ungleichbehandlung mit der in § 4 Abs. 3 DbAG genannten Personengruppe des § 1 Abs. 2 DbAG geschaffen worden sei, nicht ohne weiteres zu entkräften. Dem Wortlaut des § 4 Abs. 3 DbAG nach könnte auch der Zeitraum vom 01. August 1991 bis 31. Dezember 1996 betroffen sein. Die Kammer sehe auch keine Argumente, warum die in § 1 Abs. 2 DbAG genannte Personengruppe in diesem Sinn gegenüber den in § 1 Abs. 1 DbAG genannten Personen bevorzugt behandelt werden solle, so dass auch eine Rechtfertigung dieser Ungleichbehandlung zumindest sehr fraglich sei. Das Gericht sehe jedoch die Möglichkeit, den § 4 Abs. 3 DbAG verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass eine nachträgliche Gewährung einer Dienstbeschädigungsteilrente für diese Personengruppe bei Zusammentreffen mit einer erweiterten Versorgung oder einer vollen Altersrente nur für den Zeitraum vom 01. Januar 1997 bis zum 28. Februar 2002 möglich sei. Da § 4 Abs. 3 DbAG im Gegensatz zu § 4 Abs. 1 DbAG keine Aussage dazu treffe, ab welchem Zeitpunkt die in § 1 Abs. 2 DbAG genannten Personen einen nachträglichen Ausgleich ihrer Dienstbeschädigung erhalten könnten, könne diese Vorschrift verfassungskonform dahin ausgelegt werden, dass dieses erst ab dem 01. Januar 1997 der Fall sei.

Gegen das seinen früheren Prozessbevollmächtigten am 28. Dezember 2010 zugestellte Urteil richtet sich die am 11. Januar 2011 eingelegte Berufung des Klägers.

Er meint, er habe Anspruch auf Zahlung des Dienstbeschädigungsausgleichs, denn aus den bereits genannten Gründen sei keine Bestandskraft eingetreten. Mit der Anrufung des BVerfG durch den Deutschen Bundeswehrverband ausgehend vom Urteil des BSG zum Musterprozess vom 10. Mai 1994 – 4 RA 49/93 sei den Mitgliedern dieses Verbandes, die einen Prozess vor den Sozialgerichten führten, empfohlen worden, diesen bis zur Entscheidung des BVerfG zum Ruhen zu bringen. Ausgehend davon sowie dem Gleichbehandlungsgebot sei damit auch sein Verfahren zum Ruhen gekommen. Mit dem Beschluss des BVerfG vom 21. November 2001 sei damit das in seiner Sache ergangene Urteil des BSG anfechtbar geworden.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 07. Dezember 2010 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 01. Februar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06. März 2007 zu verpflichten, den Bescheid vom 25. Juli 1991 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. November 1991 zurückzunehmen und ihm Dienstbeschädigungsteilrente, hilfsweise Dienstbeschädigungsausgleich für die Zeit vom 01. August 1991 bis 31. Dezember 1996 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Insbesondere sei § 4 Abs. 2 DbAG nicht verfassungswidrig. Auch über § 4 Abs. 3 DbAG erhielten Berechtigte keinen Dienstbeschädigungsausgleich für Zeiten vor dem 01. Januar 1997, so dass keine Bevorzugung gegenüber der Personengruppe vorliege, die von § 4 Abs. 1 und Abs. 2 DbAG betroffen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten (), der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 01. Februar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06. März 2007 ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte den Bescheid vom 25. Juli 1991 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. November 1991 zurücknimmt und für die Zeit vom 01. August 1991 bis 31. Dezember 1996 Dienstbeschädigungsteilrente, hilfsweise Dienstbeschädigungsausgleich gewährt.

Es gibt keine Anspruchsgrundlage, die dem Kläger ein solches Recht für diesen Zeitraum einräumt.

Der Kläger gehört nicht zur Personengruppe des § 4 Abs. 1 DbAG, denn der Bescheid vom 25. Juli 1991 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. November 1991 über die Einstellung der Zahlung der Dienstbeschädigungsteilrente zum 01. August 1991 ist unanfechtbar.

Nach § 4 Abs. 1 DbAG, der nach Art. 9 Abs. 5 Gesetz zur Änderung von Vorschriften des Sozialen Entschädigungsrechts und des Gesetzes über einen Ausgleich für Dienstbeschädigungen im Beitrittsgebiet vom 19. Juni 2006 (Änderungsgesetz vom 19. Juni 2006, BGBl I 2006, 1305) mit Wirkung vom 01. März 2002 in Kraft getreten ist, gilt: Personen nach § 1 DbAG, für die ein Bescheid über die Nichtgewährung von Dienstbeschädigungsteilrenten am 14. Februar 2002 noch nicht unanfechtbar war, erhalten Dienstbeschädigungsausgleich für die Zeit vom 01. August 1991 bis 28. Februar 2002, soweit sie während dieser Zeit Anspruch auf Dienstbeschädigungsteilrente gehabt hätten.

Diese Vorschrift stellt somit vornehmlich auf die Personen ab, die Ansprüche auf Dienstbeschädigungsvoll- oder -teilrenten (Dienstbeschädigungsrenten) aus einem Sonderversorgungssystem nach Anlage 2 AAÜG nach dem ab dem 01. August 1991 geltenden Recht hatten oder aufgrund der Regelungen für die Sonderversorgungssysteme oder nach dem AAÜG wegen des Zusammentreffens mit anderen Leistungen oder wegen der Überführung in die gesetzliche Rentenversicherung nicht mehr hatten (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 DbAG in der ab 01. März 2002 maßgebenden Fassung gemäß Art. 6 Nr. 2 und Art. 9 Abs. 5 Änderungsgesetz vom 19. Juni 2006).

Der Kläger hatte zwar einen Anspruch auf eine Dienstbeschädigungsteilrente aus der Sonderversorgung der Angehörigen der Nationalen Volksarmee (Bescheid des Verteidigungsbezirkskommandos 85 vom 03. Dezember 1990; Teil I Ziffer 423 Nr. 1 Ordnung Nr. 005/9/003 des Ministers für Nationale Verteidigung über die soziale Versorgung der Angehörigen der Nationalen Volksarmee – VSO-NVA), dem Sonderversorgungssystem Nr. 1 nach Anlage 2 AAÜG, der wegen des Zusammentreffens mit der befristeten erweiterten Versorgung nach § 11 Abs. 2 und Abs. 5 Satz 2 AAÜG ab 01. August 1991 nicht mehr bestand. Allerdings war der Bescheid über die Nichtgewährung der Dienstbeschädigungsteilrente vom 25. Juli 1991 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. November 1991 am 14. Februar 2002 nicht „noch nicht unanfechtbar“.

Ein Bescheid ist solange noch nicht unanfechtbar, solange dagegen ein Rechtsbehelf eingelegt werden kann, über den bisher nicht entschieden ist. Wird hingegen der gegen einen Verwaltungsakt gegebene Rechtsbehelf nicht oder erfolglos eingelegt, so ist der Verwaltungsakt für die Beteiligten in der Sache bindend, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist (§ 77 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Der Kläger machte gegen den Bescheid vom 25. Juli 1991 vom Rechtsbehelf des Widerspruches (§§ 78, 83 SGG) und gegen den Widerspruchsbescheid vom 12. November 1991 vom Rechtsbehelf der Klage (§ 87 SGG) und schließlich gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 23. Dezember 1992 vom Rechtsmittel der Revision (§§ 160, 161 SGG) Gebrauch, über welches das BSG mit Urteil vom 10. Mai 1994 entschied. Ein weiteres Rechtsmittel gegen das Urteil des BSG sieht das SGG nicht vor. Eine Verfassungsbeschwerde, die nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG von jedermann mit der Behauptung erhoben werden kann, durch die öffentliche Gewalt insbesondere in einem seiner Grundrechte verletzt zu sein, und die binnen eines Monats zu erheben und zu begründen ist (§ 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG), wurde vom Kläger gegen das Urteil des BSG nicht erhoben.

Damit wurde der Bescheid vom 25. Juli 1991 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. November 1991 unanfechtbar.

Daran ändert das vom Kläger genannte „Musterverfahren“, das mit der Verfassungsbeschwerde gegen das weitere Urteil des BSG vom 10. Mai 1994 – RA 49/93 geführt wurde und mit dem Beschluss des BVerfG vom 21. November 2001 – 1 BvR 1318/94 u. a. endete, nichts. Es gibt keine Vorschrift, wonach solche „Musterverfahren“ zugunsten derjenigen Betroffenen den Eintritt von Unanfechtbarkeit hindern, die selbst – wie der Kläger -aus welchen Gründen auch immer in ihrer eigenen Sache auf die vollständige Ausschöpfung der Rechtsschutzmöglichkeiten verzichtet haben. Entgegen der Ansicht des Klägers ist sein Verfahren nicht zum Ruhen gekommen. Nach § 202 SGG i. V. m. § 251 ZPO kann das Gericht das Ruhen des Verfahrens anordnen, wenn beide Parteien dies beantragen und anzunehmen ist, dass wegen Schwebens von Vergleichsverhandlungen oder aus anderen wichtigen Gründen diese Anordnung zweckmäßig ist. Diese Vorschrift zeigt, dass das Ruhen des Verfahrens voraussetzt, dass überhaupt noch ein Verfahren bei einem Gericht anhängig ist, denn die Entscheidung über das Ruhen des Verfahrens bedarf der Entscheidung durch ein Gericht. Am 14. Februar 2002 war in der eigenen Sache des Klägers weder ein gerichtliches Verfahren anhängig, noch lag zu diesem Zeitpunkt eine gerichtliche Entscheidung, mit der das Ruhen des Verfahrens des Klägers angeordnet war, vor.

Ist Unanfechtbarkeit eingetreten, kann diese von niemandem, insbesondere nicht von der Beklagten, beseitigt werden, denn das Gesetz räumt eine solche Befugnis nicht ein.

Allerdings können unanfechtbare und damit bestandskräftige Bescheide (Verwaltungsakte) einer nochmaligen Überprüfung unterzogen werden, soweit es das Gesetz vorsieht. Eine solche Regelung enthält § 44 SGB X.

Ungeachtet der vom Sozialgericht aufgeworfenen Frage, ob § 44 SGB X auch dann anwendbar ist, wenn das BVerfG in einer Entscheidung bereits eine Anordnung darüber getroffen hat, wie mit bereits bestandskräftigen Bescheiden zu verfahren ist, vermag der Kläger darauf gestützt seinen Anspruch nicht durchzusetzen.

§ 44 SGB X bestimmt u. a. Folgendes: Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen (§ 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag (§ 44 Abs. 4 SGB X).

Einen solchen Antrag stellte der Kläger mit Schreiben vom 22. Februar 2002, mit dem er die Nachzahlung des Dienstbeschädigungsausgleiches für die Zeit vom 01. August 1991 bis 31. Dezember 1996 verlangte. Ausgehend von diesem Antrag können Leistungen jedoch längstens für vier Jahre zurück, also lediglich ab 01. Januar 1998 erbracht werden. Die Gewährung einer Dienstbeschädigungsteilrente, hilfsweise eines Dienstbeschädigungsausgleiches für die Zeit vom 01. August 1991 bis 31. Dezember 1996 ist damit ausgeschlossen, so dass deswegen eine Rücknahme des Bescheides vom 25. Juli 1991 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. November 1991 für diesen Zeitraum nicht in Betracht kommt.

Gegenüber § 44 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 SGB X schränkt § 4 Abs. 2 DbAG den Anwendungsbereich dieser Vorschrift ein.

Nach § 4 Abs. 2 DbAG können Bescheide über die Nichtgewährung von Dienstbeschädigungsteilrenten, die am 14. Februar 2002 unanfechtbar waren, soweit sie auf einer Rechtsnorm beruhen, die nach dem Erlass dieser Bescheide für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt worden ist, nur mit Wirkung für die Zeit nach dem 14. Februar 2002 nach § 44 SGB X zurückgenommen werden.

Nach dieser Vorschrift kann der Kläger somit erst recht nicht Dienstbeschädigungsteilrente, hilfsweise Dienstbeschädigungsausgleich für den Zeitraum vom 01. August 1991 bis 31. Dezember 1996 beanspruchen.

§ 4 Abs. 2 DbAG ist nicht verfassungswidrig. Insbesondere liegt im Hinblick auf § 4 Abs. 3 DbAG kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vor.

Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Damit ist dem Gesetzgeber allerdings nicht jede Differenzierung verwehrt. Er verletzt das Grundrecht vielmehr nur, wenn er eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (Beschluss des BVerfG vom 21. November 2001 – 1 BvR 1318/94 u. a. m. w. N.).

Gemessen daran wird die Personengruppe des § 4 Abs. 2 DbAG nicht gleichheitswidrig gegenüber der Personengruppe des § 4 Abs. 3 DbAG benachteiligt. Zum einen gibt es einen sachlichen Grund für die unterschiedliche Behandlung. Zum anderen bestehen keine unterschiedlichen Rechtsfolgen für Zeiträume vor dem 01. Januar 1997.

Nach § 4 Abs. 3 DbAG erhalten Personen nach § 1 Abs. 2 DbAG, die erstmals nach dem 01. März 2002 einen Antrag auf Dienstbeschädigungsausgleich stellen, diesen auch für die Zeit vor dem 01. März 2002.

§ 2 Abs. 2 DbAG betrifft Personen, die einem Sonderversorgungssystem angehört und einen vor dessen Schließung verursachten Körper- oder Gesundheitsschaden erlitten haben, jedoch der anspruchsbegründende Zustand (erst) nach Schließung des Sonderversorgungssystems eingetreten ist.

§ 4 Abs. 3 DbAG erfasst mithin eine Personengruppe, die wegen der Schließung des Sonderversorgungssystems schon keinen Anspruch auf Dienstbeschädigungsteilrente hatte, weil trotz eines Körper- oder Gesundheitsschadens die für die Gewährung der entsprechenden Rente erforderlichen Voraussetzungen noch nicht erfüllt waren. Die Gewährung einer Dienstbeschädigungsteilrente war nicht allein vom Vorliegen eines Körper- oder Gesundheitsschadens abhängig, wie Teil I Ziffer 423 Nr. 1 Abs. 1 VSO-NVA zeigt. Danach war Dienstbeschädigungsteilrente nach der Entlassung des Armeeangehörigen aus dem aktiven Wehrdienst zu zahlen, wenn infolge Dienstbeschädigung ein Körper- oder Gesundheitsschaden von mindestens 20 Prozent vorlag, sofern kein Anspruch auf Dienstbeschädigungsvollrente bestand. Die Gesetzesbegründung zum Änderungsgesetz vom 19. Juni 2006 (Bundestag-Drucksache 16/444 S. 9) benennt als anspruchsbegründenden Zustand als Beispiel eine Berufserkrankung.

Wenn jedoch der Personenkreis des § 4 Abs. 3 DbAG keinen Anspruch auf Dienstbeschädigungsteilrente hatte, weil die Anspruchsvoraussetzungen vor Schließung der Sonderversorgungssysteme nicht erfüllt waren, konnte die Nichtgewährung von Dienstbeschädigungsteilrente nicht auf einer Rechtsnorm beruhen, die mit dem GG unvereinbar ist. Dieser Personenkreis hatten demzufolge anders als der Personenkreis des § 4 Abs. 2 DbAG nicht die Möglichkeit, sich mit Rechtsbehelfen bis hin zur Verfassungsbeschwerde dagegen zu wehren. Es ist daher sachgerecht, dass dem Personenkreis des § 4 Abs. 3 DbAG anders als dem Personenkreis des § 4 Abs. 2 DbAG ein Dienstbeschädigungsausgleich auch für die Zeit vor dem 01. März 2002 gewährt wird.

Allerdings steht der Personengruppe des § 4 Abs. 3 DbAG ein Anspruch auf einen Dienstbeschädigungsausgleich nicht für Zeiten vor dem 01. Januar 1997 zu.

Ein Anspruch auf einen Dienstbeschädigungsausgleich wurde erstmals mit Art. 3 § 1, Art. 7 Abs. 1 Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes vom 11. November 1996 (BGBl I 1996, 1674) – AAÜG- ÄndG – zum 01. Januar 1997 an geschaffen. § 1 DbAG gilt dabei grundsätzlich hinsichtlich des frühestmöglichen Beginns eines Dienstbeschädigungsausgleiches fort, soweit nicht das Änderungsgesetz vom 19. Juni 2006 etwas anderes bestimmt.

Eine solche andere Bestimmung enthält § 4 Abs. 1 DbAG für die Personengruppe des mit Wirkung vom 01. März 2002 neu gefassten § 1 Abs. 1 Nr. 1 DbAG, zu der nunmehr auch die Personengruppe des Sonderversorgungssystems nach Anlage 2 Nr. 4 AAÜG (Sonderversorgung der Angehörigen des ehemaligen Ministeriums für Staatssicherheit/Amtes für Nationale Sicherheit) gehören. Diese können nach § 4 Abs. 1 DbAG auch für die Zeit vom 01. August 1991 bis 31. Dezember 1996 einen Anspruch auf einen Dienstbeschädigungsausgleich haben, weil sie aus dem Sonderversorgungssystem einen Anspruch auf Dienstbeschädigungsteilrente hatten oder wegen des Zusammentreffens mit anderen Leistungen nicht mehr hatten.

Für die weitere Personengruppe des ebenfalls mit Wirkung zum 01. März 2002 angefügten § 1 Abs. 2 DbAG ist in § 4 Abs. 3 DbAG hingegen nicht angeordnet, dass abweichend von § 1 Abs. 1 DbAG in der Fassung des AAÜG-ÄndG ein Dienstbeschädigungsausgleich für eine Zeit vor dem 01. Januar 1997 zu gewähren ist. Dies ist folgerichtig, denn diese Personengruppe hatte schon bisher keinen Anspruch auf eine Dienstbeschädigungsteilrente, der durch einen Anspruch auf Dienstbeschädigungsausgleich zu ersetzen wäre.

Der Kläger wird schließlich nicht gegenüber derjenigen Personengruppe sachlich ungleich behandelt, deren Bescheide über die Einstellung der Dienstbeschädigungsteilrente zum 01. August 1991 am 14. Februar 2002 noch nicht unanfechtbar waren. Dies folgt unmittelbar aus dem Beschluss des BVerfG vom 21. November 2001 – 1 BvR 1318/94 u. a., denn darin wird ausgeführt, dass die auf der Grundlage der verfassungswidrigen Vorschriften ergangenen und im Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Entscheidung bereits bestandskräftigen Bescheide von der Entscheidung für die Zeit vor der Bekanntgabe unberührt bleiben und der Gesetzgeber von Verfassungs wegen (also insbesondere aus dem Gleichbehandlungsgebot des Art 3 Abs. 1 GG) nicht verpflichtet ist, die Wirkung dieser Entscheidung auch auf bereits bestandskräftige Bescheide zu erstrecken (unter Hinweis auf BVerfGE 100, 1, 58). Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des BVerfG (vgl. auch BVerfGE 37, 217, 263 unter Hinweis auf BVerfGE 20, 230, 236; BVerfGE 98, 365, 402/403).

Die Berufung muss somit erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) nicht vorliegen.