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Entscheidung 6 K 1872/07


Metadaten

Gericht VG Frankfurt (Oder) 6. Kammer Entscheidungsdatum 28.07.2010
Aktenzeichen 6 K 1872/07 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Förderung einer Fortbildung zum Betriebswirt des Handwerks (HWK).

Der 1961 geborene Kläger schloss im Jahr 1980 eine Facharbeiter-Ausbildung zum Instandhaltungsmechaniker ab. Von Oktober 1980 bis Februar 1990 war er beim Ministerium für Staatssicherheit tätig. Ab September 1987 absolvierte er ein Fernstudium an der Juristischen Fachschule Potsdam-Eiche, im November 1989 erwarb er dort den Abschluss „Fachschuljurist“. Nach 1990 war er zunächst bei einem Sicherheitsbüro in Fürstenwalde beschäftigt, anschließend war er Geschäftsführer einer Schutz- und Wachdienst GmbH.

Am 21. August 2007 stellte er einen Antrag auf Förderung einer Fortbildung zum Betriebswirt (HWK) im Zeitraum September 2007 bis November 2008. Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 18. September 2007 ab. Im Einigungsvertrag sei geregelt, dass Abschlüsse der Juristischen Hochschule Potsdam-Eiche bzw. vergleichbarer Einrichtungen weder der ersten Staatsprüfung gleichgestellt würden noch zur Aufnahme eines gesetzlich geregelten juristischen Berufes berechtigten. Die Ausbildung sei nur dem Namen, nicht aber dem Inhalt nach ein juristisches Studium gewesen, da grundlegende Gebiete wie etwa das Zivilrecht nur eine untergeordnete Rolle gespielt hätten. Dessen ungeachtet regle aber Art. 37 des Einigungsvertrages, dass das Recht auf Führung erworbener staatlich anerkannter oder verliehener akademischer Berufsbezeichnungen, Grade und Titel in jedem Fall unberührt bleibe. Demnach sei das Fernstudium an der Juristischen Fachschule Potsdam ein Studium gewesen, da der Kläger berechtigt sei, den Titel des Diplom-Juristen zu führen und damit formal eine dem Fachhochschulabschluss gleichwertige berufliche Qualifikation nachweisen könne. Eine Förderung des Klägers nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz - AFBG - scheide damit aus, da er bereits über eine Qualifikation verfüge, die gegenüber den in § 2 AFBG genannten Fortbildungszielen gleich- oder sogar höherwertig sei. Auf die tatsächliche Verwertbarkeit der erlangten Qualifikation komme es nicht an. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22. November 2007 zurück.

Der Kläger hat am 14. Dezember 2007 Klage erhoben. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, sein an der Juristischen Fachschule Potsdam-Eiche erworbener Abschluss als „Fachschuljurist“ besitze kein Qualitätsmerkmal, das einer ersten Fortbildungsmaßnahme nach dem AFBG entsprechen würde. Nach den Regelungen des Einigungsvertrages könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Titel „Fachschuljurist“ dem akademischen Grad des Diplomjuristen gleichgesetzt worden sei. Darüber hinaus käme auch eine Förderung nach § 6 Abs. 3 AFBG in Betracht. Die „besonderen Umstände“ i. S. dieser Vorschrift lägen hier in dem Umstand, dass sein Abschluss nach dem Einigungsvertrag ausdrücklich nicht die Aufnahme eines juristischen Berufes zulasse.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 18. September 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. November 2007 zu verpflichten, seine Fortbildung zum Betriebswirt (HWK) nach dem AFBG zu fördern.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist er auf eine Stellungnahme des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kultur. Dort wird ausgeführt, dass im Einigungsvertrag nicht von einem Ausschluss der Gleichwertigkeit des Abschlusses die Rede sei, sondern nur von einer Gleichstellung mit der Ersten Juristischen Staatsprüfung. Richtig sei allenfalls, dass eine Gleichwertigkeitsfeststellung nach Art. 37 Einigungsvertrag faktisch nicht in Betracht komme, da es an einem vergleichbaren Westabschluss fehle bzw. der einzige in Betracht kommende Abschluss (Erstes Staatsexamen) ausdrücklich ausgeschlossen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Das Gericht entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung, § 101 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -.

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Die Ablehnung der begehrten Förderung in den angegriffenen Bescheiden ist rechtmäßig und verletzt den Kläger folglich nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Förderung seiner Fortbildung zum Betriebswirt (HWK) nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz, das hier in der während der Maßnahme und bis zum 30. Juni 2009 gültigen Fassung des Art. 6 Abs. 4 des Gesetzes vom 19. August 2007 (BGBl I S. 1970) Anwendung findet - im Folgenden: AFBG a. F. -.

Zwar ist der Antrag des Klägers auf Förderung der Teilnahme an einer einzigen Maßnahme zur Vorbereitung auf ein erstes Fortbildungsziel im Sinne des § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AFBG a. F. gerichtet, denn die von ihm in der DDR erworbenen Abschlüsse stellen keine Fortbildungsziele i. S. der letztgenannten Vorschrift dar. Hierfür räumt § 6 Abs. 1 S. 1 AFBG a. F. grundsätzlich einen Anspruch auf Förderung ein.

Einer Förderung des Klägers steht aber § 6 Abs. 1 Satz 2 AFBG a. F. entgegen. Nach dieser Vorschrift wird die Förderung nicht geleistet, wenn der Antragsteller bereits eine berufliche Qualifikation erworben hat, die dem von ihm angestrebten Fortbildungsabschluss mindestens gleichwertig ist. Hier ist der vom Kläger im Rahmen eines Fernstudiums an der Juristischen Fachschule Potsdam erworbene Abschluss eines Fachschuljuristen als eine dem Abschluss als Betriebswirt (HWK) mindestens gleichwertige berufliche Qualifikation anzusehen.

Mit einer dem angestrebten Fortbildungsabschluss mindestens gleichwertigen beruflichen Qualifikation ist nicht nur eine Qualifikation in der gleichen Fachrichtung gemeint. Vielmehr genügt auch eine mindestens gleichwertige Qualifikation in einer anderen Fachrichtung. Das ergibt bereits der Wortlaut des § 6 Abs. 1 Satz 2 AFBG a. F. Es reicht aus, dass der Antragsteller oder die Antragstellerin eine berufliche Qualifikation - ohne fachrichtungsbezogene Einschränkung - erworben hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. November 2007 - 5 C 27.06 -, NVwZ-RR 2008, 467).

Aufgrund der Regelung des Art. 31 Abs. 1 Satz 1 des Einigungsvertrages gilt der vom Kläger erworbene Abschluss eines Fachschuljuristen - wie alle in der DDR erworbenen schulischen, beruflichen und akademischen Abschlüsse und Befähigungsnachweise - weiter und darf vom Kläger geführt werden. Dass nach Anlage I Kap III Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 8 Buchst. y zum Einigungsvertrag ein an der Juristischen Hochschule Potsdam-Eiche oder einer vergleichbaren Einrichtung erworbener Abschluss nicht zur Aufnahme eines gesetzlich geregelten juristischen Berufs berechtigt, ist im vorliegenden Zusammenhang unerheblich. Der im Rahmen des § 6 Abs. 1 Satz 2 AFBG a. F. anzustellende Niveauvergleich setzt nicht voraus, dass die bereits erworbene berufliche Qualifikation gesetzlich oder anderweitig rechtlich verbindlich für eine bestimmte berufliche Tätigkeit festgelegt ist. Entscheidend ist, mit welchen Abschlüssen in der Lebenswirklichkeit grundsätzlich welche Positionen im Berufsleben erreicht werden können, wobei zu berücksichtigen ist, dass für sehr viele Positionen im Berufsleben (z. B. Führungsebene in Unternehmen) keine festen Qualifikationen vorgegeben sind (vgl. BVerwG, a. a. O.).

Ebenfalls nicht entscheidend ist vorliegend, dass der Kläger - anders als offenbar der Beklagte annimmt - ersichtlich nicht dazu berechtigt ist, den Titel eines Diplom-Juristen zu führen. Denn dieser wurde - auch an der Juristischen Hochschule Potsdam-Eiche - nur für den erfolgreichen Abschluss eines Hochschul-, nicht aber eines Fachschulstudiums verliehen (vgl. Förster, Die Juristische Hochschule des MfS, in: Henke/Suckut/Vollnhals/Süß/Engelmann (Hrsg.), Anatomie der Staatssicherheit - MfS-Handbuch -, S. 5). Gleichwohl ist auch der vom Kläger erworbene Abschluss des Fachschuljuristen gegenüber dem angestrebten Fortbildungsabschluss mindestens gleichwertig. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

Bei dem Lehrgang zum Betriebswirt (HWK) handelt es sich um einen für eine zeitgemäße Betriebsführung im Handwerk konzipierten managementorientierten Studiengang, der die Teilnehmer mit modernen handwerksorientierten Methoden der Unternehmensführung und -analyse vertraut machen soll. Zulassungsvoraussetzung ist im Regelfall eine erfolgreich abgelegte Meisterprüfung in einem Handwerksberuf oder eine vergleichbare Qualifikation. Die Ausbildung erfolgt nach einem bundeseinheitlichen Rahmenlehrplan, der sich in die Bereiche Betriebswirtschaft, Volkswirtschaft, Personalführung sowie Recht/Steuern gliedert und ca. 500 Unterrichtsstunden umfasst. Den Teilnehmern soll die Kompetenz vermittelt werden, Sachaufgaben im Arbeitsalltag zu lösen sowie Leitungs- und Führungsfunktionen in Betrieben oder Organisationen des Handwerks zu übernehmen (vgl. hierzu etwa die Internetseite des Bundesverbandes Betriebswirte des Handwerks e. V.: www.betriebswirte-hwk.de).

Es ist nicht erkennbar, dass die Ausbildung zum Betriebswirt (HWK) eine gegenüber dem vom Kläger absolvierten Fachschulstudium höherwertige Qualifikation darstellt. Die Juristische Hochschule (JHS) Potsdam-Eiche war die zentrale Bildungs- und Forschungsstätte des MfS. Das Fachschulstudium an der JHS (die Fachschule war bis Juli 1989 integrierter Bestandteil der Hochschule, vgl. Förster, a. a. O., S. 14) richtete sich an die mittlere Ebene der MfS-Mitarbeiter. Voraussetzung für die Zulassung sowohl zum Fachschuldirekt- als auch zum Fachschulfernstudium war der Abschluss der 10. Klasse der polytechnischen Oberschule, der Abschluss der Offiziersausbildung im MfS, der Nachweis von Kenntnissen auf dem Gebiet des Marxismus-Leninismus sowie "die Bewährung der Kandidaten im Dienste der Organe des MfS". Das Fachschulfernstudium in der vom Kläger studierten Fachrichtung Rechtswissenschaft bestand aus der Grundlagenausbildung (Marxismus-Leninismus, Arbeiterbewegung, Staat und Recht, Strafrecht) und der Fachausbildung (Arbeit mit IM, Psychologie, Kriminalistik, Bearbeitung operativer Vorgänge), wobei der Anteil rechtsbezogener Lehrgebiete etwa 20 Prozent betrug. Der Unterricht wurde von Hochschullehrern der Juristischen Hochschule durchgeführt. Das Fachschulstudium endete mit einer Prüfung und der Fertigung einer Abschlussarbeit. Es eröffnete - neben dem Abitur - den Weg zur Aufnahme des Hochschulstudiums (vgl. zum Ganzen: Förster, a. a. O., S. 7, 14 f.; vgl. ferner das vom Kläger eingereichte Abschlusszeugnis, Bl. 4 ff. des Verwaltungsvorgangs).

Mit dem AFBG wird bezweckt, dem Einzelnen den beruflichen Aufstieg oberhalb des Niveaus der Gesellen, Facharbeiter oder Gehilfen finanziell zu ermöglichen (vgl. BT-Drs. 13/3698, S. 16). Dieses Ziel ist bereits durch den Fachschulabschluss des Klägers erreicht. Er stellte eine Qualifikation dar, die einen beruflichen Aufstieg ermöglichte. Nach den oben dargestellten Ausbildungsinhalten muss angenommen werden, dass das Fachschulstudium zu eigenständiger Tätigkeit und (ersten) Führungsaufgaben befähigen sollte und konnte. Die vom Kläger erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten waren zwar auf die Mitarbeit im MfS ausgerichtet, aber nicht notwendigerweise darauf beschränkt. Dies gilt nicht zuletzt für die Befähigung zur strukturierenden Organisation eines solchen Studiums und das damit verbundene Erlernen grundlegender Arbeitstechniken. Dass es sich um einen systemnahen Studiengang mit starker ideologischer Ausrichtung handelte, steht der Annahme einer Gleichwertigkeit nicht entgegen. § 6 Abs. 1 Satz 2 AFBG a. F. enthält keinerlei Einschränkung für in der DDR erworbene Qualifikationen. Es kann deshalb nicht entscheidend darauf ankommen, in welchem - geringeren oder besonderen - Maß die Abschlüsse auf das Wirtschafts- und Gesellschaftssystem der DDR ausgerichtet waren. Ferner greift der Ausschluss des Förderanspruchs auch unabhängig von der beruflichen Verwertbarkeit des erworbenen Abschlusses (BVerwG, a. a. O.; OVG Lüneburg, Urteil vom 19. Mai 2006 - 3 LB 7/05 -, Juris).

Eine andere Beurteilung käme allenfalls dann in Betracht, wenn angenommen werden müsste, dass es sich bei dem vom Kläger absolvierten Fachschulstudium an der JHS um ein bloßes "Scheinstudium" handelte, das nicht mit einer beruflichen Qualifikation verbunden war. Für eine solche Annahme liegen indes keinerlei Anhaltspunkte vor. Der Kläger hat nichts vorgetragen, was in diese Richtung deuten könnte. Auch die Regelung in Anlage I Kap III Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 8 Buchst. y zum Einigungsvertrag besagt dies nicht; sie beruht vielmehr auf der Erwägung, dass die Lehrinhalte der Studiengänge an der Juristischen Hochschule Potsdam-Eiche nur in geringem Maße denen eines herkömmlichen juristischen Studiums entsprachen und deshalb die Anerkennung für die Ausübung gesetzlich geregelter juristischer Berufe versagt werden sollte (vgl. BR-Drs 63/07, S. 2).

Schließlich scheidet auch ein Anspruch nach § 6 Abs. 3 AFBG aus, da das Förderungsbegehren des Klägers nicht auf die Förderung zur Fortbildung auf ein zweites, sondern - wie ausgeführt - auf ein erstes Fortbildungsziel im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AFBG gerichtet ist (vgl. BVerwG, a. a. O.; OVG Lüneburg, a. a. O.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.

Da das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 188 S. 2 VwGO gerichtskostenfrei ist (so BVerwG, Urteil vom 12. November 2007 – 5 C 27.06 -, in NVwZ – RR 2008, 467 insoweit nicht abgedruckt; a. A. etwa OVG Schleswig, Beschluss vom 24. Februar 2006 - 3 O 42/05 -, Juris), bedarf es keiner Streitwertfestsetzung.